Chro­ni­sches regio­na­les Schmerz­syn­drom (CRPS) – Spie­gel­the­ra­pie und berufs­be­zo­ge­ne reha­bi­li­ta­ti­ve Konzepte

S. Middeldorf
Das Krankheitsbild des Chronischen regionalen Schmerzsyndroms ist komplex. Daher gilt es, physio- und ergotherapeutische Maßnahmen in den Behandlungsprozess ebenso einzubeziehen wie psychotherapeutische Verfahren. Neben der leitlinienorientierten Therapie gibt es weitere interessante Behandlungsmethoden, die den Patienten auf seinem Weg zurück in den beruflichen Alltag unterstützen können. Der folgende Artikel stellt die Spiegeltherapie und das System der Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL) als wichtige therapeutische Bausteine vor.

CRPS Typ I und Typ II

Ein kom­ple­xes regio­na­les Schmerz­syn­drom des Typ I kann in Fol­ge von Ope­ra­tio­nen, Ver­let­zun­gen, Ent­zün­dun­gen oder auch aus unbe­kann­ten Ursa­chen auf­tre­ten. In der Lite­ra­tur fin­den sich ver­schie­de­ne Begrif­fe für das glei­che Krank­heits­bild: CRPS Typ I, com­plex regio­nal pain syn­dro­me, Mor­bus Sudeck, sym­pa­thi­sche Reflex­dys­tro­phie. Cha­rak­te­ris­tisch für das Krank­heits­bild sind auto­no­me, sen­so­ri­sche und moto­ri­sche Stö­run­gen, wobei der Schmerz und die Hyperal­ge­sie als Haupt­sym­pto­me zu sehen sind.

Anzei­ge

Der Typ II des CRPS setzt die zusätz­li­che Ver­let­zung eines peri­phe­ren Nervs oder Ner­ven­ge­flech­tes vor­aus. Die­ses Krank­heits­bild ist in der Ver­gan­gen­heit auch als Kau­sal­gie bezeich­net wor­den. Die Sym­pto­me ähneln denen des CRPS Typ I. Zusätz­lich kön­nen Myo­klo­ni­en und Dys­to­ni­en auftreten.

Leit­li­ni­en­ori­en­tier­te Therapie

Die The­ra­pie kom­ple­xer regio­na­ler Schmerz­syn­dro­me, wie sie ins­be­son­de­re auch nach berufs­ge­nos­sen­schaft­lich ver­si­cher­ten Arbeits­un­fäl­len vor­kom­men, erfolgt sinn­vol­ler­wei­se unter Berück­sich­ti­gung einer leit­li­ni­en­ori­en­tier­ten Vor­ge­hens­wei­se. Der The­ra­pie-Algo­rith­mus beinhal­tet sowohl phy­sio- und ergo­the­ra­peu­ti­sche Maß­nah­men als auch eine The­ra­pie neu­ro­pa­thi­scher Schmer­zen als Basis­maß­nah­me bei post­trau­ma­ti­sch­ent­zünd­li­chen Sym­pto­men. Zudem wer­den Bis­phos­pho­na­te und Ste­ro­ide sowie zusätz­lich DMSO-Cremes ein­ge­setzt. Falls dies nicht aus­rei­chend ist, wird auch eine Serie von Grenz­strang­blo­cka­den nach erfolg­rei­cher Test­blo­cka­de emp­foh­len. Bei Unwirk­sam­keit erfolgt die inten­si­ve Eva­lu­ie­rung psy­chi­scher Kom­or­bi­di­tä­ten und deren The­ra­pie. Die inva­si­ven The­ra­pie­ver­fah­ren sind nur bei beson­de­ren Indi­ka­tio­nen und von spe­zia­li­sier­ten Ein­rich­tun­gen durchzuführen.

Reha­bi­li­ta­ti­ve Therapie

Phy­sio­the­ra­pie

Zu den tra­di­tio­nel­len Ver­fah­ren der reha­bi­li­ta­ti­ven Maß­nah­men gehört die klas­si­sche Phy­sio­the­ra­pie. Hier wer­den patho­lo­gi­sche Bewe­gungs­mus­ter kom­pen­siert und eine adäqua­te Funk­ti­on wie­der­her­ge­stellt. Spät­schä­den durch den soge­nann­ten Nicht­ge­brauch der schmerz­haf­ten Extre­mi­tät sind zu ver­hin­dern. Auch Immo­bi­li­sa­ti­on und Hoch­la­ge­rung der betrof­fe­nen Extre­mi­tät kann bei Ruhe­schmerz erfor­der­lich sein.

Zur Ödem­be­hand­lung eig­nen sich Lymph­drai­na­gen und loka­le Küh­lung – auch als soge­nann­te abstei­gen­de Bäder. Eine Akti­vie­rung ist zudem durch die Behand­lung kon­tra­la­te­ra­ler Extre­mi­tä­ten und mit einer Behand­lung der rumpf­na­hen Gelen­ke möglich.

Eine mobi­li­sie­ren­de The­ra­pie erfolgt bei beglei­ten­den Wir­bel­säu­len­stö­run­gen. Als Tech­ni­ken wer­den auch Trak­ti­ons- und Mobi­li­sa­ti­ons­be­hand­lun­gen der betrof­fe­nen Gelen­ke ein­ge­setzt. Wei­ter­hin gehö­ren Belas­tungs­übun­gen und im Fall der unte­ren Extre­mi­tä­ten eine Gang­schu­lung, evtl. auch mit Mobi­li­täts­hil­fen, zu dem Spek­trum der phy­sio­the­ra­peu­ti­schen Beübung.

Stu­di­en zur Wirk­sam­keit einer indi­vi­du­ell zuge­schnit­te­nen Phy­sio­the­ra­pie bei CRPS erga­ben, dass Phy­sio­the­ra­pie sowohl den Schmerz als auch die Funk­ti­on posi­tiv beeinflusst.

Ergo­the­ra­pie

Die Ergo­the­ra­pie, frü­her auch als Arbeits- und Beschäf­ti­gungs­the­ra­pie bezeich­net, hilft schmerz­haf­te Bewe­gungs­mus­ter zu redu­zie­ren, die nor­ma­le Sen­si­bi­li­tät wie­der­her­zu­stel­len und All­tags­funk­tio­nen zu gewähr­leis­ten. Mit­hil­fe der Ergo­the­ra­pie wer­den mehr­mals täg­lich und für kur­ze Zeit die durch Allo­dy­nie gekenn­zeich­ne­ten Haut­area­le aktiv desen­si­bi­li­siert. Erkrank­te Kör­per­re­gio­nen sol­len so wie­der an all­täg­li­che Bewe­gun­gen gewöhnt wer­den. Es erfolgt der Wech­sel hin zur Ein­übung schmerz­frei­er Bewe­gun­gen und zum Trai­ning der Fein­mo­to­rik, zunächst ohne, spä­ter gegen Wider­stand. Hilfs­mit­tel wie Dau­men­kei­le und funk­tio­nel­le dyna­mi­sche Schie­nen – zur all­mäh­li­chen Stel­lungs­kor­rek­tur – gehö­ren eben­falls zum Repertoire.

Stu­di­en zur Wirk­sam­keit erge­ben, dass Ergo­the­ra­pie Schmerz und Funk­tio­nen bei CRPS mit weni­ger als einem Jahr Dau­er posi­tiv beein­flusst. Die Wirk­sam­keit war aber gerin­ger als die der Phy­sio­the­ra­pie. Die Dau­er der Behand­lung soll­te 20 bis 30 Minu­ten nicht unter­schrei­ten. Die Fre­quenz ist an die indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­se anzu­pas­sen. In der Regel sind zwei bis fünf The­ra­pie­ein­hei­ten pro Woche erfor­der­lich 1 2.

Spie­gel­the­ra­pie

Die Spie­gel­the­ra­pie ist eine 1996 von Dr. Rama­ch­andran, einem US-Ame­ri­ka­ner mit indi­schen Wur­zeln, in Kali­for­ni­en ent­wi­ckel­te und zu den Ima­gi­na­ti­ons­the­ra­pien zäh­len­de Behand­lungs­form, die pri­mär bei bestehen­den Phan­tom­schmer­zen nach Ampu­ta­ti­on ein­ge­setzt wur­de. Durch­ge­führt wird das The­ra­pie­ver­fah­ren sowohl von Phy­sio­the­ra­peu­ten, Ergo­the­ra­peu­ten als auch von Neuropsychologen.

Die Spie­gel­the­ra­pie oder auch das soge­nann­te „Motor Lear­ning Pro­gramm“ soll hel­fen, das Zusam­men­spiel zwi­schen Sen­so­rik und Moto­rik auf kor­ti­ka­ler Ebe­ne zu nor­ma­li­sie­ren. Der Behand­lungs­an­satz zielt dar­auf, grob- und fein­mo­to­ri­sche Fähig­kei­ten der Arme und Hän­de wie­der zu erar­bei­ten und im All­tags­kon­text zu üben. Eben­so soll die Angst im Umgang mit der schmerz­haf­ten Extre­mi­tät redu­ziert werden.

Der Ablauf des Trai­nings glie­dert sich in eine Eva­lua­tions- und Trai­nings­pha­se. Nach etwa fünf The­ra­pie­sit­zun­gen kann abge­schätzt wer­den, ob sich die Schmer­zen ver­rin­gern. Ver­läuft die The­ra­pie posi­tiv, schlie­ßen sich zwi­schen 10 bis 15 wei­te­re Sit­zun­gen an. Nach einer Instruk­ti­ons­pha­se durch The­ra­peu­ten kann die Behand­lung von dem Pati­en­ten selbst in Ein­hei­ten zu je 10 Minu­ten, wenn mög­lich jede wache Stun­de des Tages, absol­viert wer­den. Der gesam­te Tur­nus dau­ert sechs Wochen.

Die The­ra­pie­form wird in aller Regel in Ein­zel­the­ra­pie durch­ge­führt. Ein Auf­ga­ben­ver­ständ­nis für ver­ba­le und non­ver­ba­le Anwei­sun­gen wird vor­aus­ge­setzt. Prin­zi­pi­ell kann die Spie­gel­the­ra­pie sowohl bei Erkran­kun­gen der obe­ren als auch unte­ren Extre­mi­tä­ten ein­ge­setzt werden.

Metho­dik

Die Behand­lung erfolgt tech­nisch wie folgt: Der Spie­gel wird so an die Kör­per­mit­te des an einem Tisch sit­zen­den Pati­en­ten plat­ziert, dass die gesun­de Extre­mi­tät gespie­gelt wird (Abb. 1). Die betrof­fe­ne Extre­mi­tät wird hin­ter dem Spie­gel gela­gert. Der Pati­ent schaut in den Spie­gel und sieht dort das Spie­gel­bild sei­ner gesun­den Extre­mi­tät, als sei es das betrof­fe­ne Kör­per­teil. Die gesun­de Sei­te wird bewegt, wäh­rend die betrof­fe­ne nicht gese­hen wird. Die Illu­si­on im Spie­gel soll mög­lichst echt erschei­nen. Die betrof­fe­ne Extre­mi­tät muss dabei immer hin­ter dem Spie­gel ver­bor­gen bleiben.

Es ist wich­tig, dass sich der Pati­ent wäh­rend der gesam­ten Übungs­zeit auf das Spie­gel­bild kon­zen­triert. Dabei erfol­gen die Behand­lun­gen lang­sam und kon­zen­triert. Pro Bewe­gun­gen sind min­des­tens zehn Wie­der­ho­lun­gen erfor­der­lich. Man soll­te immer unter­halb der Schmerz­gren­ze und in ruhi­ger Umge­bung trai­nie­ren. Vor­aus­set­zun­gen sind, dass der Pati­ent sei­ne Auf­merk­sam­keit auf das Spie­gel­bild in einer Zeit­dau­er von min­des­tens 10 Minu­ten rich­ten kann und ca. 30 Minu­ten auf­recht sitzt. Ein reiz­ar­mer Raum ist eben­so bedeut­sam wie die Sicht im Spie­gel auf einen ein­far­bi­gen, neu­tra­len Hintergrund.

Die drei Phasen

In einer Ein­ge­wöh­nungs­pha­se – die ers­ten ein bis drei Sit­zun­gen – gewöhnt sich der Pati­ent zunächst an das Spie­gel­bild. Im zwei­ten Schritt, der Pha­se der Repro­duk­ti­on von Kör­per­po­si­tio­nen und Füh­ren bzw. akti­ven Bewe­gun­gen der betrof­fe­nen Extre­mi­tät, wird aus ver­schie­de­nen Grund­po­si­tio­nen her­aus gear­bei­tet (Abb. 2). Hier­zu gehört bei­spiels­wei­se das Beu­gen oder Stre­cken des Ellen­bo­gen- oder Kniegelenks.

Danach folgt in der drit­ten Pha­se der Auf­ga­ben­typ mit Objekt­ge­brauch. Die vier­te und letz­te Pha­se, das Sen­si­bi­li­täts­trai­ning, nimmt Ein­fluss auf die Wahr­neh­mung. Hier wer­den Mate­ria­li­en zur Sen­si­bi­li­täts­schu­lung ein­ge­setzt. So wird das Mate­ri­al über die betrof­fe­ne Hand gestri­chen, und der Pati­ent soll sich vor­stel­len, er berüh­re das Mate­ri­al (Abb. 3).

Fall­stri­cke

Stol­per­stein in der The­ra­pie kann eine ver­ein­zelt auf­tre­ten­de leich­te und kurz­fris­ti­ge Übel­keit sein. Hier reicht es, den Blick vom Spie­gel weg­zu­len­ken. Sel­ten tre­ten unan­ge­neh­me Wahr­neh­mun­gen bzw. zusätz­li­che Schmer­zen auf. Krib­bel­par­äs­the­sien kön­nen in den ers­ten 10 bis 15 Minu­ten auf­tre­ten. Sie sind nor­mal und als Akti­vie­rung des Kör­per­sche­mas zu wer­ten, hier ist gege­be­nen­falls eine kur­ze Pau­se ein­zu­le­gen. Durch­aus wer­den auch Erin­ne­run­gen mit ent­spre­chen­den emo­tio­na­len Reak­tio­nen wach­ge­ru­fen. Pati­en­ten kön­nen unter Umstän­den auch über­for­dert wer­den durch zu vie­le und kom­pli­zier­te Auf­ga­ben­stel­lun­gen. Gene­rell ist eine Unter­for­de­rung des Pati­en­ten zu vermeiden.

Wirk­sam­keit

Wesent­li­che Neben­wir­kun­gen des Ver­fah­rens sind nicht bekannt, aller­dings muss die Com­pli­ance des Pati­en­ten geprüft wer­den. Die Behand­lung ist ein wich­ti­ger, nicht medi­ka­men­tö­ser Bau­stein der CRPS-The­ra­pie, die vom Pati­en­ten selbst durch­ge­führt wer­den kann. Ein früh­zei­ti­ger Ein­satz wird emp­foh­len. Zur Wirk­sam­keit bestehen Hin­wei­se, dass Spie­gel­the­ra­pie als allei­ni­ge The­ra­pie­form nur bei aku­ten CRPS-Fäl­len wirkt. Bei chro­ni­schen CRPS-Fäl­len ist das soge­nann­te „Motor Lear­ning“, bestehend aus links-rechts-Erken­nen und Vor­stel­lung von Bewe­gung und Spie­gel­the­ra­pie, effek­tiv 3.

Psy­cho­the­ra­peu­ti­sche Verfahren

Psy­cho­lo­gi­sche und ver­hal­tens­the­ra­peu­ti­sche Maß­nah­men bei CRPS beinhal­ten die Ver­mitt­lung eines angst­lö­sen­den Modells. Mit­hil­fe des Modells kön­nen unter ande­rem die psy­chi­schen Sym­pto­me, die die Pati­en­ten bei sich selbst wahr­neh­men, bes­ser bewer­tet wer­den. Inhalt­lich wer­den auch Ent­span­nungs- und Ima­gi­na­ti­ons­ver­fah­ren ein­ge­setzt sowie Tech­ni­ken zur Selbst­wahr­neh­mung der kör­per­li­chen Belast­bar­keit und Bio­feed­back­ver­fah­ren. Der Hin­ter­grund ist die Regu­la­ti­on eines ange­mes­sen kör­per­li­chen Ent- und Belas­tungs­ver­hal­tens. Bei Pati­en­ten, bei denen bereits vor Aus­bruch des CRPS eine psy­chi­sche Stö­rung vor­lag, wird in der Regel eine inten­si­vier­te psy­cho­the­ra­peu­ti­sche Ver­sor­gung erfor­der­lich sein.

In Bezug auf die Wir­kungs­wei­se des Ver­fah­rens kön­nen wahr­schein­lich die Ergeb­nis­se einer Viel­zahl von Stu­di­en zu ande­ren chro­ni­schen Schmerz­syn­dro­men auf das CRPS über­tra­gen wer­den. Psy­cho­the­ra­pie ist ein wich­ti­ger Bau­stein in der The­ra­pie des CRPS, wenn sich psy­chi­sche Begleit­erkran­kun­gen von Anfang an erken­nen las­sen. Gleich­wohl ist sie erfor­der­lich, wenn die Sym­pto­ma­tik sich über einen län­ge­ren Zeit­raum bei über­wie­gend soma­tisch ori­en­tier­ter The­ra­pie nicht adäquat bes­sern lässt 4 5.

Eva­lua­ti­on funk­tio­nel­ler Leis­tun­gen (EFL)

Das Sys­tem der Eva­lua­ti­on der funk­tio­nel­len Leis­tungs­fä­hig­keit (EFL) wur­de in den USA von Sus­an Isern­ha­gen ent­wi­ckelt und hat sich dort außer­or­dent­lich bewährt. Mit 29 stan­dar­di­sier­ten funk­tio­nel­len Leis­tungs­tests (Heben, Tra­gen, Über­kopf-Arbeit, Lei­tern stei­gen, Hand­ko­or­di­na­ti­on, u. a.) wird die Belast­bar­keit für häu­fi­ge phy­si­sche Funk­tio­nen der Arbeit unter­sucht. Die umfas­sen­de Test­bat­te­rie dau­ert rund sechs Stun­den, ver­teilt auf zwei auf­ein­an­der­fol­gen­de Tage (Abb. 4).

Ziel die­ser Unter­su­chung ist eine rea­li­täts­ge­rech­te Beur­tei­lung der Arbeits­fä­hig­keit und ‑mög­lich­kei­ten sowie eine detail­lier­te Erfas­sung der phy­si­schen Fähig­kei­ten und Defi­zi­te zur Pla­nung einer beruf­li­chen Rehabilitation.

Ver­fah­ren

Unter Zuhil­fe­nah­me der EFL-Tabel­le lässt sich das Leis­tungs­pro­fil des jewei­li­gen Pro­ban­den exakt erfas­sen. Auf­grund der erho­be­nen Daten wird für jede der in der Tabel­le auf­ge­führ­ten Belas­tungs­for­men anhand von Erfah­rungs­wer­ten die geschätz­te Belast­bar­keit wäh­rend eines 8‑Stun­den-Arbeits­ta­ges hoch­ge­rech­net und in Gestalt eines Leis­tungs­pro­fils in der EFL-Tabel­le festgehalten.

Neben dem Leis­tungs­pro­fil muss auch das Anfor­de­rungs­pro­fil der jewei­li­gen Arbeits­stel­le eva­lu­iert wer­den. Der Ver­gleich vom Leis­tungs- und Anfor­de­rungs­pro­fil schließ­lich offen­bart die Fähig­kei­ten und Defi­zi­te des Pro­ban­den im Ver­gleich zu sei­ner beruf­li­chen Tätigkeit.

Ein­be­zie­hung des Patienten

Die EFL ist eine her­vor­ra­gen­de Mög­lich­keit, das Ver­hal­ten der Pro­ban­den in Belas­tungs­si­tua­tio­nen und ihren Umgang mit Beschwer­den zu beob­ach­ten. Ist der Pro­band in der Lage, auch bei Zunah­me der Beschwer­den bis an sei­ne per­sön­li­che Belas­tungs­gren­ze zu gehen? Setzt der Pro­band Stra­te­gien zur Sym­ptom­kon­trol­le, wie zum Bei­spiel ande­re Arbeits­tech­ni­ken oder beson­de­re Hilfs­mit­tel, ein? Die Beschrei­bung der Pro­ban­den­be­ob­ach­tung ist ein wich­ti­ger Teil des Untersuchungsberichts.

Die eige­ne sub­jek­ti­ve Leis­tungs­fä­hig­keit ist der ent­schei­den­de Maß­stab für die Bereit­schaft zur Belas­tung und Arbeit. Daher emp­fiehlt sich ein Ver­gleich der Selbst­wahr­neh­mung vor und nach der Durch­füh­rung der Tests mit den tast­säch­li­chen Test­ergeb­nis­sen. Liegt eine Sym­ptom­aus­wei­tung vor, so wird der Pro­band sei­ne Leis­tungs­fä­hig­keit deut­lich unter­schät­zen und sich über­mä­ßig limi­tie­ren. Bei einer Über­schät­zung der eige­nen Leis­tungs­fä­hig­keit besteht ein poten­zi­el­les Risi­ko für wei­te­re Unfäl­le und Verletzungen.

Die Selbst­ein­schät­zung erfolgt auch unter Zuhil­fe­nah­me der soge­nann­ten PACT. Es han­delt sich hier­bei um eine Selbst­ein­schät­zung anhand von Text- und Bild­ma­te­ri­al zu 50 Kör­per­po­si­tio­nen, die es in Bezug auf die eige­ne Leis­tungs­fä­hig­keit ein­zu­schät­zen gilt. Das EFL beinhal­tet neben der Tes­tung und Begut­ach­tung auch die Mög­lich­keit zum Trai­ning an Musterarbeitsplätzen.

Job Match

Im Fal­le der Ver­let­zung nach einem Arbeits­un­fall und einer berufs­ge­nos­sen­schaft­li­chen Ver­si­che­rung ist das wesent­li­che Ziel der Behand­lung die rasche Wie­der­her­stel­lung der Arbeits­fä­hig­keit im alten Beruf oder aber eine Bestim­mung der noch bestehen­den Leis­tungs­fä­hig­keit im Vor­feld einer mög­li­chen Umschu­lung oder beruf­li­chen Umori­en­tie­rung. Der Abgleich zwi­schen dem funk­tio­nel­len Arbeits­platz-Anfor­de­rungs­pro­fil mit dem Pati­en­ten­fä­hig­keits­pro­fil wird auch als Job Match bezeichnet.

Fazit

Die Behand­lung des CRPS erfolgt heu­te leit­li­ni­en­ori­en­tiert und unter Ein­be­zie­hung moder­ner Behand­lungs­me­tho­den. Leit­li­ni­en geben Emp­feh­lun­gen und über Stan­dards Sicher­heit in der Behand­lung. Das Krank­heits­bild ist jedoch immer noch eine gro­ße Her­aus­for­de­rung in Bezug auf Dia­gnos­tik und The­ra­pie. Zu berück­sich­ti­gen ist das Zusam­men­tref­fen von Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung und Schmerz. Die­ses ist nicht sel­ten ver­bun­den mit dem Pro­blem der Objektivierbarkeit.

Im medi­zi­nisch-reha­bi­li­ta­ti­ven Kon­text bestehen mul­ti­ple Mög­lich­kei­ten der Behand­lung, begin­nend von der Phy­sio­the­ra­pie über Ergo­the­ra­pie, bal­neo­phy­si­ka­li­schen Maß­nah­men und medi­zi­ni­schen Trai­nings­the­ra­pien. Da es sich häu­fig um ein chro­ni­fi­zier­tes Krank­heits­bild han­delt, erfolgt die Behand­lung unter Berück­sich­ti­gung des bio-psycho-sozia­len Krank­heits­kon­zep­tes mul­ti­mo­dal und inter­dis­zi­pli­när. Die Ein­be­zie­hung psy­cho­lo­gi­scher Leis­tun­gen ist obligat.

Die hier im Schwer­punkt vor­ge­stell­te Spie­gel­the­ra­pie stellt dar­über hin­aus einen wich­ti­gen Bau­stein in Bezug auf die Nor­ma­li­sie­rung des Zusam­men­spiels zwi­schen Sen­so­rik und Moto­rik auf kor­ti­ka­ler Ebe­ne dar. Mit ver­gleichs­wei­se ein­fa­chen Mit­teln lässt sich eine hoch­in­ten­si­ve und effek­ti­ve Behand­lung gewährleisten.

Der Autor:
Dr. med. Ste­fan Middeldorf
Schön Kli­nik Bad Staffelstein
Am Kur­park 11
96231 Bad Staffelstein
SMiddeldorf@schoen-kliniken.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/Reviewed paper

Zita­ti­on
Mid­del­dorf S. Chro­ni­sches regio­na­les Schmerz­syn­drom (CRPS) – Spie­gel­the­ra­pie und berufs­be­zo­ge­ne reha­bi­li­ta­ti­ve Kon­zep­te. Ortho­pä­die Tech­nik, 2013; 64 (11): 42–46
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