Raus aus dem digi­ta­len Mittelfeld

Deutschland und Digitalisierung. Wie passt das zusammen? Dieser Frage ist das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) unter Minister Dr. Volker Wissing nachgegangen und hat im Juli 2022 eine Digitalstrategie entworfen, die der OT-Redaktion in einer vorläufigen Fassung vorliegt. Dort ist vor allem die Zielsetzung klar definiert: Nach Jahren des digitalen Halbschlafs soll die Digitalstrategie Deutschland aufwecken und aus dem europäischen Mittelmaß wieder in die „erste Liga“ bringen, wie es in dem Papier heißt.

Damit soll man dem deut­schen Selbst­bild als füh­ren­de Wirt­schafts- und Inno­va­ti­ons­na­ti­on im welt­wei­ten Ver­gleich gerecht wer­den. Der Digi­tal­ver­band Bit­kom ord­ne­te den Ent­wurf zunächst als einen ers­ten Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung ein, mehr aber auch nicht, wie Prä­si­dent Achim Berg betont: „Wir begrü­ßen, dass mit mehr­mo­na­ti­ger Ver­spä­tung nun der Ent­wurf einer Digi­tal­stra­te­gie in die Res­sort­ab­stim­mung geht. Hand­lungs­lei­tend war das Prin­zip ‚Gründ­lich­keit vor Schnel­lig­keit‘. Dar­an gemes­sen ist das Ergeb­nis in vie­len Hand­lungs­fel­dern noch zu dünn. Eini­ge ent­schei­den­de Berei­che wie zum Bei­spiel die Daten­öko­no­mie füh­ren vor­nehm­lich Bestands­pro­jek­te auf, denen oben­drein – wie zum Bei­spiel bei Gaia‑X – an ande­rer Stel­le gera­de die Mit­tel gekürzt wur­den. Die in der For­schungs­för­de­rung not­wen­di­ge Umkehr des Gieß­kan­nen­prin­zips zu einer star­ken Kon­zen­tra­ti­on der Mit­tel auf digi­ta­le Schlüs­sel­tech­no­lo­gien wird nicht ent­schie­den ange­gan­gen. Auch ein kla­res Bekennt­nis zur wei­test­ge­hen­den Abschaf­fung der unzäh­li­gen Schrift­form­erfor­der­nis­se fehlt. Gut ist, dass nun ein ers­ter Stra­te­gie­ent­wurf vor­liegt, der Stoff für Dis­kus­sio­nen und Raum für Wei­ter­ent­wick­lun­gen bie­tet. Die­se Ent­wick­lungs­räu­me müs­sen in den wei­te­ren Abstim­mun­gen mutig und kon­se­quent gefüllt wer­den. Die Bun­des­re­gie­rung hat sich für die­se Legis­la­tur einen umfas­sen­den digi­ta­len Auf­bruch vor­ge­nom­men. Über­setzt in das Jahr 2022 heißt das: Wir brau­chen eine ech­te Zei­ten­wen­de in Deutsch­lands Digitalpolitik.“

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Im Gesund­heits­we­sen strebt das Minis­te­ri­um eine „Vor­rei­ter­rol­le bei Digi­tal Health“ an. Ein Grund­pfei­ler, auf dem die zukünf­ti­ge Gesund­heits­ver­sor­gung ste­hen soll, ist der digi­ta­le Aus­tausch von gesam­mel­ten Daten, um dar­aus einen Nut­zen für künf­ti­ge Ver­sor­gun­gen zu zie­hen. Um im inter­na­tio­na­len Ver­gleich nicht abge­hängt zu wer­den, soll ein rascher „Aus­tausch von Erkennt­nis­sen und Inno­va­tio­nen zwi­schen For­schung und Gesund­heits­ver­sor­gung“ vor­ge­nom­men werden.

Ein kla­rer zeit­li­cher Rah­men wur­de von Sei­ten des Minis­te­ri­ums eben­falls defi­niert. Bis 2025 sol­len ers­te Zie­le bereits erreicht wer­den. Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­raum lässt der Satz: „Wir wol­len uns 2025 dar­an mes­sen las­sen, ob die gemein­sa­me Daten­nut­zung auch mit wei­te­ren Part­nern der Gesund­heits­ver­sor­gung einen kon­kre­ten Mehr­wert für Ärz­tin­nen und Ärz­te, Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten sowie für die Wis­sen­schaft bringt.“ zu, wel­che Partner:innen der Gesund­heits­ver­sor­gung vor­erst aus­ge­schlos­sen sind von der Datennutzung.

Vor allem die Stär­kung der elek­tro­ni­schen Pati­en­ten­ak­te, in die bestehen­de und anfal­len­de Daten von Patient:innen nun suk­zes­si­ve über­führt wer­den, ist ein wei­te­res span­nen­des The­ma für die Ortho­pä­die-Tech­nik. Bereits im Koali­ti­ons­ver­trag war schon ange­klun­gen, dass sich das Ver­fah­ren rund um die digi­ta­li­sier­te Pati­en­ten­ak­te ver­än­dert. Statt dass sich Patient:innen aktiv für eine Pati­en­ten­ak­te ent­schei­den müs­sen, wird nun eine Akte für jeden ange­legt, so lan­ge bis dage­gen Wider­spruch ein­ge­legt wird. Der BMDV-Ent­wurf unter­streicht die­ses Vor­ha­ben und betont, dass ab 2023 durch die frei­wil­li­ge Daten­frei­ga­be durch die Nutzer:innen die For­schung in Deutsch­land pro­fi­tie­ren wird. Ob die Forscher:innen auch von den Erkennt­nis­sen der Orthopädietechniker:innen pro­fi­tie­ren wer­den, ist der­zeit noch offen. Ein defi­ni­ti­ves Schrei­be­recht für die Betrie­be ist gesetz­lich noch nicht ver­an­kert wor­den. Falls Orthopädietechniker:innen ihre Ver­sor­gun­gen nicht ent­spre­chend in die elek­tro­ni­sche Pati­en­ten­ak­te ein­tra­gen dür­fen, wür­de dies kon­trär zu dem vom Minis­te­ri­um for­mu­lier­ten Ziel ste­hen, vie­le qua­li­ta­ti­ve Daten für die For­schung zu generieren.

Vie­le Betrie­be ste­hen in die­sem Zusam­men­hang aber noch vor einem ande­ren Pro­blem: Die Ver­sor­gung mit leis­tungs­fä­hi­gen Zugän­gen zum Inter­net ist längst noch nicht aller­orts ermög­licht wor­den. Auch das soll sich, laut Stra­te­gie­pa­pier, ändern: „Bis 2030 wird jeder in Deutsch­land Zugang zum Giga­bit­netz haben“, lau­tet das Ver­spre­chen der betei­lig­ten Politiker:innen. Das sind aber immer­hin noch acht lan­ge Jah­re, bis auch der letz­te Betrieb einen leis­tungs­fä­hi­gen Zugang garan­tiert hat. In den Zeit­räu­men der digi­ta­len Ent­wick­lung der Ver­gan­gen­heit kommt dies eigent­lich der Ewig­keit gleich. Zum Ver­gleich: 2014, also vor acht Jah­ren, wur­de von Apple das Ipho­ne 6 als neu­es Smart­phone-Modell vor­ge­stellt – heu­te gibt es dafür nicht ein­mal mehr ein Soft­ware­up­date fürs Betriebssystem.

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