OT: Herr Reuter, die OTWorld 2022 ist nun bereits Geschichte. Es war Ihre erste „richtige“ OTWorld als BIV-OT-Präsident. Wie haben Sie die vier Tage in Leipzig erlebt?
Alf Reuter: Die Anspannung am Anfang war sehr groß, ob alles funktioniert. Aber nach der Eröffnungsveranstaltung ist der Knoten dann geplatzt. Da waren sie auf einmal, die vielen Kollegen, die unserer Einladung gefolgt sind. Sowie die Messestände der Hersteller, die den Mut besessen haben, nach Leipzig zu kommen. Ich bin über die Messe und den Kongress gelaufen und habe vier Tage lang viele entspannte und glückliche Gesichter gesehen. Schon allein dafür hat sich die Vorarbeit aller Kollegen und Kolleginnen bei uns und der Leipziger Messe gelohnt. Gleichzeitig hat ein Termin den nächsten gejagt. Das begann mit der Frühbesprechung um 7 Uhr und endete nachts in Runden mit Kolleginnen und Kollegen.
OT: Was ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Reuter: Unsere BIV-Party mit 900 Menschen aus 20 Ländern. Es war ein Abend in zwei Welten. Auf der einen Seite war das rauschende Fest nach vier Jahren Zwangspause und auf der anderen fand das lange und eindringliche Gespräch mit der ukrainischen Regierungsdelegation über die Versorgung von Kriegsversehrten während des Festes statt. Beides waren Eindrücke, die ich lange nicht vergessen werde.
OT: „Welten verbinden“ ist das Motto der OTWorld. Mit einem Blick auf die Weltpolitik und den Besuch der ukrainischen Delegation bekommt das Motto noch einmal einen neuen Sinn. Wie war der Austausch mit den Ukrainer:innen?
Reuter: Wir hatten, wie gesagt, ein sehr eindringliches Gespräch. Es wurde uns beschrieben, dass es in der Ukraine an Fachkräften in der Orthopädie-Technik fehlt. Die Delegation hat uns gebeten, uns um die Ausbildung in der Ukraine zu kümmern. Und das nicht auf Jahressicht, sondern sofort. Wir werden uns schnellstmöglich dieses Themas annehmen, alle Player an einen Tisch holen und vor Ort schauen, was an Strukturen gebraucht wird.
OT: Zu Beginn haben wir darauf hingewiesen, dass es Ihre Premiere-OTWorld als BIV-OT-Präsident war. Sie haben aber natürlich diese Veranstaltung früher schon als Unternehmer besucht. Wie fällt Ihr Vergleich aus?
Reuter: Das ist aber schon ein paar Jahre her. 2018 war ich als Vizepräsident auf der OTWorld, konnte mich aber noch hinter den breiten Schultern von Klaus Lotz verstecken. 2020 haben wir, gegen alle Widerstände, die OTWorld.connect erfolgreich veranstaltet. Davor war ich häufig als Referent auf der OTWorld. Die damalige Freiheit vermisse ich ein wenig. Dafür habe ich jetzt den Vorteil, mit einer erstklassigen Mannschaft zusammenzuarbeiten, die hoch professionell die Messe und den Kongress organisiert.
OT: Bei aller Freude, wie groß ist die Enttäuschung, dass eine Branche, die am und für den Menschen arbeitet und sich in Leipzig trifft, von der lokalen Presse nur wahrgenommen wird, wenn ein Superstar wie Dirk Nowitzki erscheint?
Reuter: Das ist keine Enttäuschung. Wenn wir den Weg über die Stars gehen müssen, dann gehen wir ihn halt. Ich bin da pragmatisch und lerne von Veranstaltung zu Veranstaltung. Jede Form von Präsenz in den Medien ist für unsere Branche gut. Außerdem ist es nur die halbe Wahrheit – wir waren mit der OTWorld und den Neuheiten im Fernsehformat „Hauptsache gesund“, handelsblatt-online hat unsere Auftaktmeldung gebracht, dpa hat ein Interview mit mir und Martin Buhl-Wagner (Geschäftsführer der Leipziger Messe, Anm. der Red) gebracht. Die große Auswertung folgt noch. Unser Team hat dieses Jahr die Pressearbeit professionalisiert und mit viel Vorarbeit die Redaktionen kontaktiert. Die ersten Reaktionen waren super. Auch in dieser Hinsicht entwickelt sich die OTWorld weiter.
OT: Gemeinsam mit Ihrem Vizepräsidenten Albin Mayer waren Sie Gastgeber des Branchenpolitischen Forums. Dieses hatte das Leitthema: „Verantwortung übernehmen“. Welche Erkenntnisse konnten Sie mitnehmen? Und wird von den relevanten Playern Verantwortung übernommen?
Reuter: Auf jeden Fall übernehmen die Player ihre Verantwortung, dass zeigte der internationale Austausch über gemeinsame Werte bei der Versorgung von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen und Behinderungen ganz klar. Die Fachleute, die auf dem Podium des Branchenpolitischen Forums zusammengetroffen sind, waren sich einig: Unsere Pflicht, gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen und Leiden zu verhindern, endet nicht an Ländergrenzen. Im interdisziplinären, interprofessionellen und internationalen Team, mit Mut zur Vernetzung und zur Digitalisierung, können und wollen wir die Möglichkeiten unseres wunderbaren Handwerks an der Schnittstelle von Mensch und Technik noch viel intensiver und globaler ausschöpfen.
OT: 2022 wurden erstmals drei Versorgungswelten im Rahmen der OTWorld vorgestellt. Mit Führungen über die Ausstellungsfläche sollten Mediziner:innen und Kostenträger die Arbeit der Orthopädie-Technik näher gebracht werden. Wie lautet Ihr erstes Fazit dazu?
Reuter: Die Versorgungswelt CP war früher die sogenannte „gläserne Werkstatt“ bzw. „Technik-Forum-Reha“. Neu ist eigentlich, dass wir das Format auf weitere Erkrankungen ausgedehnt haben. Die Resonanz hat gezeigt, dass wir mit den Versorgungswelten den Nerv getroffen haben. Die Rundgänge für Kostenträger waren ausgebucht und die Vorträge waren gut besucht. Durch meine anderen Verpflichtungen konnte ich leider an keinem Rundgang teilnehmen – aber ich weiß, wie viel Arbeit zuvor in die Konzeption reingesteckt wurde und wie die Planungen aussahen. Das, was man vor Ort sieht, ist das Ergebnis von vielen Planungsrunden, viel fachlichem Austausch. Und das macht die Sache auch so spannend. Ein großer Dank geht daher an die Mannschaft rund um Jürgen Stumpf und Dr. Annette Kerkhoff sowie Petra Menkel und Stephan Klör und Christiana Hennemann. Ich habe den Eindruck, dass es ihnen auch so viel Spaß gemacht hat, dass wir uns 2024 wieder auf Versorgungswelten freuen können.
OT: „Nach der OTWorld ist vor der OTWorld“ hieß es gegen Ende der Veranstaltung. Wann werden Sie sich mit dem nächsten großen Branchentreff im Jahr 2024 beschäftigen?
Reuter: Jetzt. Die Analysen laufen. Aus diesen Analysen lernen wir und werden Änderungen anstoßen. Das Kongresskomitee trifft sich auch schon bald wieder. Die zwei Jahre bis zur nächsten Veranstaltung sind gut mit Arbeit ausgefüllt.
OT: Zum Abschluss: Im Vorfeld haben Sie davon gesprochen, dass es eine Woche der kurzen Nächte wird. Wie viel Schlaf haben Sie bekommen und freuen Sie sich auf eine Wiederholung 2024?
Reuter: Auf jeden Fall, auch wenn ich nur wenige Stunden Schlaf am Tag hatte. Denn man darf ja nicht vergessen, dass da auch noch mein Unternehmen zu Hause nach meiner Aufmerksamkeit verlangt. Aber es fängt jetzt schon wieder an zu kribbeln. Da ist die Vorfreude auf die Veranstaltung und auf die vielen wertvollen Menschen, die in ihrer Freizeit als Ehrenämtler oder hauptamtlich von der Confairmed und der Leipziger Messe wieder die Ärmel hochkrempeln und diesen Leuchtturm unseres Fachs noch besser machen werden.
Wir sehen uns in Leipzig 2024!
Die Fragen stellte Heiko Cordes.
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