Bio­me­cha­ni­sche Aspek­te der ortho­pä­die­schuh­tech­ni­schen Ver­sor­gung bei Vorfußbeschwerden

T. Stief
Fußschmerzen zählen zu den häufigsten Diagnosen in der orthopädischen Praxis; Schmerzen im Bereich des Vorfußes werden am häufigsten festgestellt. Für eine zielgerichtete Versorgung dieser Beschwerden ist eine exakte Identifizierung unter anderem der Schmerzlokalisation und der jeweiligen Ursachen notwendig. Des Weiteren ist die Formulierung eindeutiger und nachvollziehbarer Versorgungsziele wichtig und notwendig. Typische Versorgungsziele orthopädieschuhtechnischer Hilfsmittel sind Entlastung, Unterstützung (Stabilisierung), Ruhigstellung und Stimulation. Biomechanische Aspekte der Versorgung und die Umsetzung in der Praxis müssen sich an den individuellen Problemen bzw. Beschwerdebildern und Belastungssituationen der Patienten und den umzusetzenden Versorgungszielen orientieren. Welche Versorgungsziele bei unterschiedlichen Vorfußbeschwerden verfolgt werden, wie sich einzelne biomechanische Belastungs- und Beanspruchungsarten unterscheiden und wie wichtig die adäquate Auswahl praxisrelevanter biomechanischer Größen und Messtechniken für die Versorgung ist, wird in diesem Artikel an zwei Praxisbeispielen aufgezeigt.

Epidemiologie/Prävalenz von Vorfußbeschwerden

Fuß­schmer­zen zäh­len zu den häu­figs­ten Beschwer­den in der ortho­pä­di­schen Ver­sor­gungs­pra­xis und neh­men mit anstei­gen­dem Alter der Pati­en­ten zu. Etwa 33 % der Bevöl­ke­rung im Alter von über 65 Jah­ren haben regel­mä­ßig Fuß­schmer­zen, die nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die gesund­heits­be­zo­ge­ne Lebens­qua­li­tät der Pati­en­ten haben. Dabei tre­ten Beschwer­den am häu­figs­ten im Bereich des Vor­fu­ßes auf 12.

Anzei­ge

Im kli­ni­schen Kon­text von Vor­fuß­schmer­zen trifft man häu­fig auf den Begriff der Meta­tar­sal­gie. In Wirk­lich­keit han­delt es sich dabei um einen sehr weit gefass­ten Begriff, der eine Rei­he kli­ni­scher Situa­tio­nen ver­schie­de­ner Ätio­lo­gie ein­be­zieht. In der Regel wird der Begriff der Meta­tar­sal­gie bei aku­ten oder chro­ni­schen Schmer­zen in Bezug auf ein Meta­tar­so­phal­an­ge­al­ge­lenk (MTP) oder meh­re­re Meta­tar­so­phal­an­ge­al­ge­len­ke (MTPs) ver­wen­det. Die Schmer­zen wer­den durch Schä­di­gung (gleich­gül­tig ob mecha­ni­schen Ursprungs oder auf­grund ande­rer Ursa­chen) der ana­to­mi­schen Gelenk­struk­tu­ren (Kno­chen, Knor­pel, Kap­seln und Bän­der, Gefä­ße, Ner­ven, Seh­nen, Schleim­beu­tel, Unter­haut­ge­we­be und Haut) her­vor­ge­ru­fen. Die exak­te Iden­ti­fi­zie­rung der Schmer­zen und ihrer Ursa­chen ist für eine adäqua­te Ver­sor­gung der indi­vi­du­el­len Beschwer­den des betrof­fe­nen Pati­en­ten not­wen­dig, aber auch meist schwie­rig 34. Dar­über hin­aus stel­len Fuß­schmer­zen bei älte­ren Pati­en­ten einen gro­ßen Risi­ko­fak­tor für die Ent­wick­lung von Bewe­gungs- und Gleich­ge­wichts­stö­run­gen wäh­rend all­täg­li­cher Akti­vi­tä­ten und ein erhöh­tes Sturz­ri­si­ko für die Betrof­fe­nen in der Alters­grup­pe ab 70 Jah­ren dar 56.

Ver­sor­gungs­zie­le der TO respek­ti­ve der Orthopädie-Schuhtechnik

Mit den ein­zel­nen ortho­pä­die­schuh­tech­ni­schen und ortho­pä­die­tech­ni­schen Hilfs­mit­teln – z. B. ortho­pädischen Ein­la­gen (Fuß­or­the­sen), ortho­pä­di­schen Schuh­zu­rich­tun­gen und ortho­pä­di­schen Kon­fek­ti­ons- und Maß­schu­hen – müs­sen für eine ziel­ge­rich­te­te und adäqua­te Ver­sor­gung spe­zi­el­le Ver­sor­gungs­zie­le ver­folgt und umge­setzt wer­den. Klas­sisch wür­de man die Ver­sor­gungs­zie­le wie folgt unterteilen:

  • Ent­las­tung: Ein grund­sätz­li­ches und ele­men­ta­res Ver­sor­gungs­ziel bei unter­schied­li­chen ortho­pä­di­schen, aber auch sys­te­mi­schen Erkran­kun­gen ist Ent­las­tung. Im Kon­text von Vor­fuß­be­schwer­den wird die­ses Ziel durch unter­schied­li­che belas­tungs­re­du­zie­ren­de Maß­nah­men in der täg­li­chen Pra­xis wie Pols­te­run­gen, Pro­fi­lie­run­gen (Bet­tung, Tief- oder Hoch­le­gung), die Opti­mie­rung von Hebel­ver­hält­nis­sen (Posi­ti­on der Schei­tel­punk­te bei Rol­len) und ver­än­der­te Wider­stands­mo­men­te (ver­stei­fen­de Maß­nah­men) umge­setzt. Ver­sor­gungs­bei­spie­le sind retro­ka­pi­ta­le Erhö­hun­gen wie Pelot­ten, Tief­le­gung der Mit­tel­fuß­köpf­chen, unter­schied­li­che Vor­fuß­pols­ter (auf­ Ein­la­gen oder als Schuh­zu­rich­tung), Soh­len­rol­len zur Redu­zie­rung des Vor­fuß­he­bels und nicht zuletzt dia­be­tes­ad­ap­tier­te Fuß­bet­tun­gen in Kom­bi­na­ti­on mit den dafür geeig­ne­ten Schu­hen 7.
  • Unter­stüt­zung (Sta­bi­li­sie­rung): Mit dem Begriff der Unter­stüt­zung wer­den ver­schie­de­ne Maß­nah­men zusam­men­ge­fasst, die der Reduk­ti­on, Kor­rek­tur oder dem Stüt­zen einer Defor­mi­tät, der Kon­trol­le (Reduk­ti­on oder Erhalt) der Aus­rich­tung eines Gelen­kes und der Kon­trol­le (Reduk­ti­on oder Erhalt) des Bewe­gungs­aus­ma­ßes eines Gelenks die­nen. Bei­spie­le aus der Pra­xis bezo­gen auf Vor­fuß­be­schwer­den und ‑patho­lo­gien sind im Ein­la­gen­be­reich unter ande­rem retro­ka­pi­ta­le Erhö­hun­gen wie Pelot­ten, Vor­fuß-Pro­na­ti­ons­kei­le, Rigi­dus-Federn oder ande­re bewe­gungs­ein­schrän­ken­de Maß­nah­men und bei ortho­pä­di­schen Schu­hen (Maß oder Kon­fek­ti­on) und Schuh­zu­rich­tun­gen unter ande­rem ver­schie­de­ne Soh­len­rol­len, soge­nann­te Soh­len­ver­stei­fun­gen 8.
  • Ruhig­stel­lung: Eine Ruhig­stel­lung kann nur über die Kom­bi­na­ti­on von opti­ma­ler Stüt­zung und exak­tem Form­schluss zwi­schen Hilfs­mit­tel und Extre­mi­tät erreicht wer­den. Umge­setzt wird die­ses Ziel unter ande­rem bei Fest­stel­lab­roll­schu­hen oder Zwei-Scha­len-Orthe­sen 9.
  • Sti­mu­la­ti­on: Mit­tels sen­so­mo­to­ri­scher Fuß­or­the­sen wird über Ele­men­te, die eine Druck­erhö­hung (Reiz) in spe­zi­fi­schen plantaren Fuß­area­len her­vor­ru­fen, das Ver­sor­gungs­ziel der Sti­mu­la­ti­on ver­folgt. Bei­spiels­wei­se soll eine Tonus­min­de­rung von Mus­keln über die Appli­ka­ti­on eines Drucks zur Akti­vie­rung von Gol­gi-Seh­nen-Refle­xen und die auto­ge­ne Hem­mung des Ziel­mus­kels her­vor­ge­ru­fen wer­den. Die beu­ge­sei­ti­ge plant­are Zehen­mus­ku­la­tur ist hier­bei gut adres­sier­bar 10.

Grund­sätz­lich wer­den in der ortho­pä­di­schen Pra­xis ver­schie­de­ne der oben erwähn­ten Ver­sor­gungs­zie­le in Kom­bi­na­ti­on ver­folgt. Für die Umset­zung einer adäqua­ten Ver­sor­gung gilt aber, sich dar­über bewusst zu sein, mit wel­chen Kom­po­nen­ten oder wel­chen Kon­struk­ti­ons- und Fer­ti­gungs­de­tails eines Hilfs­mit­tels ein Ziel adres­siert wer­den kann.

Bio­me­cha­ni­sche Belas­tung und Beanspruchung

Wenn man von Ent­las­tung im Kon­text ortho­pä­di­scher Ver­sor­gungs­zie­le spricht, ist es zwin­gend not­wen­dig, die exter­nen Belas­tun­gen, die wäh­rend all­täg­li­cher und sport­li­cher Akti­vi­tä­ten auf die mensch­li­chen Bewe­gungs­sys­te­me ein­wir­ken, zu ken­nen, um dann mit dem jewei­li­gen Hilfs­mit­tel in der Ver­sor­gung auf die indi­vi­du­el­le Belast­bar­keits­si­tua­ti­on der Pati­en­ten ziel­ge­rich­tet ein­ge­hen zu kön­nen. Die Boden­re­ak­ti­ons­kraft (BRK) ist die typi­sche exter­ne Belas­tung, die durch die Inter­ak­ti­on von Mensch und Boden auf den Kör­per wirkt. Der ver­ti­ka­le BRK-Anteil ist im Ver­gleich zur anterior/posterior und medio-late­ral gerich­te­ten Kom­po­nen­te am stärks­ten aus­ge­prägt 11 (Abb. 1).

Aus der Grö­ße der BRK und ihrem Abstand zu den jewei­li­gen Gelenk­dreh­punk­ten ergibt sich wäh­rend der Bewe­gung eine wei­te­re exter­ne Belas­tungs­form, die auf die har­ten und wei­chen Struk­tu­ren vor allem der unte­ren Extre­mi­tä­ten wirkt: das Dreh­mo­ment. Dreh­mo­men­te haben bei Dreh­be­we­gun­gen die glei­che Rol­le wie eine Kraft für gerad­li­ni­ge Bewe­gun­gen: Dreh­mo­men­te beschleu­ni­gen oder brem­sen Dreh­be­we­gun­gen von Kör­pern oder Teil­kör­pern um eine Dreh­ach­se, z. B. an den MTPs 12.

Aus den beschrie­be­nen extern auf­tre­ten­den Belas­tungs­for­men (Kraft und Dreh­mo­ment) resul­tie­ren in den ein­zel­nen Struk­tu­ren des Bewe­gungs­sys­tems ver­schie­de­ne Arten von Bean­spru­chun­gen. Kräf­te, die z. B. senk­recht bezo­gen auf eine Belas­tungs­flä­che wir­ken, erzeu­gen als Bean­spru­chungs­form Druck. Bean­spru­chun­gen, die durch Kräf­te her­vor­ge­ru­fen wer­den, die tan­gen­ti­al zur Belas­tungs­flä­che wir­ken, wer­den als Schub- oder Scher­be­an­spru­chun­gen bezeich­net. Bie­ge- oder Tor­si­ons­be­an­spru­chun­gen resul­tie­ren aus den auf­tre­ten­den Dreh­mo­men­ten, d. h. aus Kräf­ten und deren senk­rech­ten Abstän­den zu den Dreh­punk­ten. Dreh­mo­men­te sind somit für die Ver­bie­gung (Bie­ge­mo­ment) oder Ver­win­dung (Tor­si­ons­mo­ment) von Struk­tu­ren maß­geb­lich 13.

Bis­her las­sen sich in der täg­li­chen Pra­xis Druck‑, Bie­ge- und Tor­si­ons­be­an­spru­chun­gen z. B. mit­tels Innen­soh­len­sys­te­men zwi­schen den unte­ren Extre­mi­tä­ten und den Hilfs­mit­teln erhe­ben 14. Druck­mess­sys­te­me haben in den letz­ten Jah­ren eine wei­te Ver­brei­tung in der täg­li­chen Pra­xis gefun­den und wer­den zur Über­prü­fung ver­schie­de­ner druck­re­du­zie­ren­der oder ‑umver­tei­len­der Hilfs­mit­tel ein­ge­setzt. Rela­tiv neu sind Bie­ge- und Tor­si­ons­mes­sun­gen mit­tels Innen­soh­len­sys­te­men. Dawin und Kol­le­gen zei­gen in ihrem Arti­kel von 2016 das brei­te Spek­trum von Anwen­dungs­fel­dern die­ses Sys­tems auf 15. Ergeb­nis­se plant­a­rer Druck­mes­sun­gen bei gesun­den Per­so­nen, aber auch bei Pati­en­ten mit unter­schied­li­chen ortho­pä­di­schen Beschwer­de­bil­dern am Vor­fuß zei­gen, dass die höchs­ten Druck­be­an­spru­chun­gen im Vor­fuß­be­reich in der spä­ten Stand­pha­se auf­tre­ten 16171819 (Abb. 2).

Betrach­tet man die Bie­ge- und Tor­si­ons­be­an­spru­chun­gen, so sieht man, dass die höchs­ten Bean­spru­chun­gen an den MTPs (Dor­sal­ex­ten­si­on und Innen­ro­ta­ti­on) zum Ende der Stand­pha­se auf­tre­ten und die MTPs eine Wech­sel­be­las­tung in zwei Ebe­nen (Plant­ar­fle­xi­on vs. Dor­sal­ex­ten­si­on; Außen­ro­ta­ti­on vs. Innen­ro­ta­ti­on) erfah­ren 2021. Die Inter­phal­an­ge­al­ge­len­ke hin­ge­gen erfah­ren eine Dor­sal­ex­ten­si­ons- und Innen­ro­ta­ti­ons­be­an­spru­chung über die gesam­te Stand­pha­se (Abb. 3).

Auch wenn die Bean­spru­chun­gen auf den ers­ten Blick ähn­lich erschei­nen, sind sie völ­lig ver­schie­den und nicht durch die ande­re zu erset­zen. Einer­seits ist beim Druck die Bean­spru­chung senk­recht zur Belas­tungs­flä­che gerich­tet, wohin­ge­gen z. B. bei der Bie­ge­be­an­spru­chung die Belas­tung (Kraft) an der soge­nann­ten Rand­fa­ser tan­gen­ti­al aus­ge­rich­tet ist. Ver­gleicht man ande­rer­seits den zeit­li­chen Ver­lauf z. B. wäh­rend des Gang­zy­klus, so sieht man auch hier ganz deut­lich die Unter­schie­de (Abb. 4): Der plant­are Druck an den unter­schied­li­chen Regio­nen des Vor­fu­ßes steigt von Beginn der Stand­pha­se kon­ti­nu­ier­lich an und erreicht das Maxi­mum bei ca. 50 % des Gang­zy­klus 22. Betrach­tet man den Bie­ge­be­an­spru­chungs­ver­lauf z. B. an MTP I, so erkennt man zunächst eine Abnah­me, d. h. eine Bean­spru­chung in Plant­ar­fle­xi­ons­rich­tung, die dann in der spä­ten Stand­pha­se in eine Dor­sal­ex­ten­si­ons­be­an­spru­chung wech­selt und ihr Maxi­mum bei ca. 60 % des Gang­zy­klus erreicht 23.

Bio­me­cha­ni­sche Aspek­te im Kon­text der Umset­zung von Versorgungszielen

Beach­tet man Oben­ge­nann­tes und wen­det die bio­me­cha­ni­schen Kri­te­ri­en im Zusam­men­hang der Umset­zung ortho­pä­die­schuh­tech­ni­scher und ortho­pä­die­tech­ni­scher Ver­sor­gungs­zie­le in der Pra­xis an, so lässt sich dies an zwei ein­fa­chen, aber aus­sa­ge­kräf­ti­gen Ver­sor­gungs­bei­spie­len beschreiben.

Bei­spiel 1: Ver­sor­gung mit retro­ka­pi­ta­len Abstützungen

Indi­ka­tio­nen für eine Ver­sor­gung mit­tels retro­ka­pi­ta­ler Abstüt­zun­gen sind ver­schie­de­ne For­men der Meta­tar­sal­gie wie fle­xi­ble, beweg­li­che Spreiz­fü­ße, Hal­lux val­gus und Ham­mer- oder Kral­len­ze­hen. Kon­tra­in­di­ka­tio­nen für retro­ka­pi­ta­le Abstüt­zun­gen wie Pelot­ten sind alle kon­trak­ten und ver­steif­ten Vor­fuß­de­ge­ne­ra­tio­nen und das Dia­be­ti­sche Fuß­syn­drom. Mit retro­ka­pi­ta­len Abstüt­zun­gen wer­den im Wesent­li­chen fol­gen­de Ver­sor­gungs­zie­le angestrebt:

  • das Anhe­ben der Mit­tel­fuß­köpf­chen II bis IV (MFK II–IV) oder ande­rer soge­nann­ter durch­ge­tre­te­ner Areale,
  • die Ent­las­tung über­be­an­spruch­ter, schmerz­haf­ter Berei­che des Mit­te­lund Vor­fu­ßes 24 und
  • beim Ein­satz retro­ka­pi­ta­ler Ele­men­te auf sen­so­mo­to­ri­schen Fuß­or­the­sen die Deto­ni­sie­rung der Zehen­beu­ge­mus­ku­la­tur und der Plant­ar­fas­zie 25.

Bis­her gibt es kei­nen wis­sen­schaft­li­chen Nach­weis, der den Ein­fluss retro­ka­pi­ta­ler Abstüt­zun­gen auf die Vor­fuß­ki­ne­ma­tik, z. B. Ver­hin­de­rung des Absin­kens der MFK II–IV, belegt 26. In ver­schie­de­nen Stu­di­en konn­te aber gezeigt wer­den, dass retro­ka­pi­ta­le Ele­men­te den Vor­fuß bei Meta­tar­sal­gie durch eine Druck­re­duk­ti­on ent­las­ten 2728. Somit kann unter Berück­sich­ti­gung des Stands des aktu­el­len Wis­sens fest­ge­stellt wer­den, dass das nach­weis­ba­re Ver­sor­gungs­ziel retro­ka­pi­ta­ler Ele­men­te die Ent­las­tung ist und dass die Unter­stüt­zung bis­her nicht nach­ge­wie­sen wur­de. Beim Ein­satz retro­ka­pi­ta­ler Ele­men­te ist unter ande­rem die rich­ti­ge Posi­tio­nie­rung zu beach­ten. In den oben erwähn­ten Arbei­ten konn­te auch gezeigt wer­den, dass mit der klas­si­schen Posi­tio­nie­rung (5 mm pro­xi­mal der MFKs) die bes­ten Ergeb­nis­se erzielt wer­den (Abb. 5).

Bei der Ver­sor­gung von Vor­fuß­be­schwer­den ist auch auf die Rück­fuß­stel­lung zu ach­ten, da es einer­seits einen Zusam­men­hang von Rück­fuß­stel­lung und Vor­fuß­be­schwer­den gibt 29; ande­rer­seits haben Vor­fuß­be­schwer­den wie Hal­lux val­gus oder Meta­tar­sal­gi­en Ein­fluss auf die Fuß­sta­bi­li­sie­rung in der spä­te­ren Stand­pha­se 30.

Bei­spiel 2: Ver­sor­gung mit Ballenrollen

Ein­satz fin­det die Bal­len­rol­le in der ortho­pä­die­schuh­tech­ni­schen Pra­xis bei den unter­schied­lichs­ten Beschwer­den am Vor­fuß. Typi­sche Indi­ka­tio­nen sind Hal­lux val­gus, Hal­lux limitus und rigi­dus, Meta­tar­sal­gie, Dia­be­ti­sches Fuß­syn­drom und vie­le mehr. Betrach­tet man die mit die­ser Schuh­mo­di­fi­ka­ti­on ver­folg­ten Ver­sor­gungs­zie­le, so ste­hen die­se Zie­le im Vordergrund:

  • Erleich­te­rung der Fuß­ab­rol­lung und Zehen­ab­lö­sung wäh­rend des Schrittzyklus,
  • Ent­las­tung des Mittelfußbereichs,
  • Redu­zie­rung der Vor­fuß­be­an­spru­chung am Ende der Standphase,
  • Kür­zen des Vor­fuß­he­bels und
  • Ver­rin­ge­rung der Dor­sal­ex­ten­si­on an den MTPs zum Ende der Standphase.

Geht man nun einen Schritt wei­ter und über­legt, wel­che bio­me­cha­ni­schen Grö­ßen durch Bal­len­rol­len haupt­säch­lich beein­flusst wer­den sol­len, um die Ver­sor­gungs­zie­le adäquat umzu­set­zen, so gelangt man schnell zu Ver­än­de­run­gen der Dreh­mo­ment­be­las­tung an den MTPs (Abb. 6). Wie oben erwähnt sind Dreh­mo­men­te die Ursa­che von Dreh­be­we­gun­gen, phy­si­ka­lisch beschrie­ben als Pro­dukt aus Kraft und senk­rech­tem Hebel­arm, und die Belas­tung, die zu Bie­ge­be­an­spru­chun­gen, d. h. Ver­bie­gun­gen, führt. All dies fin­det sich in den For­mu­lie­run­gen der Ver­sor­gungs­zie­le von Rol­len­tech­ni­ken wie­der, z. B. „Kür­zen des Vor­fuß­he­bels“ oder „Ver­rin­ge­rung der Dor­sal­ex­ten­si­on an den MTPs zum Ende der Stand­pha­se“. Betrach­tet man nun Abbil­dung 6, so erkennt man, dass der Abstand d, d. h. der Hebel­arm zwi­schen Gelenk­dreh­punkt und Boden­re­ak­ti­ons­kraft­vek­tor, durch die Bal­len­rol­le redu­ziert und somit das auf­tre­ten­de Moment um die­sen Fak­tor ver­rin­gert wird 31.

Wie wird dies nun in der Pra­xis umge­setzt? Durch ein­zel­ne wich­ti­ge, wenn auch oft banal erschei­nen­de Kon­struk­ti­ons­merk­ma­le wie:

  • die Posi­ti­on der Schei­tel­punk­te und der Win­kel der Scheitellinie,
  • die Soh­len­di­cke,
  • die Soh­len­fes­tig­keit und
  • die Stär­ke der Kon­ve­xi­tät der Rol­le 32.

Pei­ken­kamp und Kol­le­gen konn­ten mit ihrer RCT-Stu­die zei­gen, dass die Bie­ge­be­an­spru­chung an MTP I nur durch die Umset­zung einer Bal­len­rol­le und nicht durch die ver­fes­ti­gen­den Eigen­schaf­ten des ein­ge­setz­ten Mate­ri­als her­vor­ge­ru­fen wird 33.

Will man die Wir­kung und die Umset­zung der Ver­sor­gungs­zie­le von Bal­len­rol­len in der Pra­xis oder von Schu­hen (ortho­pä­di­scher Maß­schuh oder Kon­fek­ti­ons­schuh), die die­se Modi­fi­ka­ti­on als wesent­li­chen Bestand­teil auf­wei­sen, über­prü­fen, so muss man das dafür geeig­ne­te Werk­zeug (Mess­sys­tem) ein­set­zen. Glei­ches gilt in der orthe­ti­schen Ver­sor­gung der unte­ren Extre­mi­tä­ten: Bei einer adäqua­ten Orthe­sen­ver­sor­gung muss eben­falls eine opti­ma­le Abrol­lung gewähr­leis­tet sein und die Hebel­ver­hält­nis­se von Vor- und Rück­fuß ange­passt und mit objek­ti­ven Mess­me­tho­den erfasst werden.

Fazit

Bei der Anwen­dung ortho­pä­di­scher Hilfs­mit­tel nach Fest­le­gung und unter Beach­tung der adäqua­ten und not­wen­di­gen Ver­sor­gungs­zie­le und unter Berück­sich­ti­gung der rich­ti­gen bio­me­cha­ni­schen Kri­te­ri­en der Ver­sor­gung, die immer auf die indi­vi­du­el­len Pro­ble­me bzw. Beschwer­de­bil­der und Belas­tungs­si­tua­tio­nen der Pati­en­ten abge­stimmt sein müs­sen, kön­nen unter den medi­zi­nisch not­wen­di­gen Vor­aus­set­zun­gen gute Ergeb­nis­se in der Pra­xis erzielt wer­den. Vor dem Ein­satz bio­me­cha­ni­scher Mess­tech­nik wie Druck­mess­sys­te­men oder Ähn­li­chem oder bes­ser noch bei der Ver­sor­gungs­pla­nung muss fest­ge­legt wer­den, wel­che Mess­tech­nik Anwen­dung fin­det und wel­che Mess­grö­ßen erho­ben und inter­pre­tiert wer­den. Bei­des – die Aus­wahl der Mess­tech­nik wie auch die Bestim­mung der Mess­grö­ßen – muss sich an den umzu­set­zen­den Ver­sor­gungs­zie­len ori­en­tie­ren. Nur so kann die Umset­zung einer Ver­sor­gung auch und vor allem in der täg­li­chen Pra­xis unter bio­me­cha­ni­schen Aspek­ten ziel­ge­rich­tet und effi­zi­ent über­prüft werden.

Bio­me­cha­ni­sche Betrach­tun­gen und Mess­tech­nik kön­nen und müs­sen die Ergeb­nis­se in der Pra­xis ver­bes­sern. Essen­ti­el­le Vor­aus­set­zun­gen hier­zu sind einer­seits der rich­ti­ge Ein­satz der rich­ti­gen Tech­nik, die in ein gutes und schlüs­si­ges Ver­sor­gungs­kon­zept inte­griert sein muss, und ande­rer­seits Anwen­der, die über das not­wen­di­ge Know-how und die Bereit­schaft ver­fü­gen, Zeit in ein gutes Ver­sor­gungs­er­geb­nis zu inves­tie­ren. Wich­tig ist bei allen wirt­schaft­li­chen, theo­re­ti­schen und bio­me­cha­ni­schen Über­le­gun­gen und dem Ein­satz von Tech­nik, den indi­vi­du­el­len Pati­en­ten nicht aus den Augen und Hän­den zu ver­lie­ren. Kurz­um: Ver­sor­gungs­zie­le und ‑kri­te­ri­en indi­vi­du­ell und kom­pe­tent fest­zu­le­gen und zu über­prü­fen schafft Sicher­heit und Klarheit.

Der Autor:
Dipl.-Ing. Tho­mas Stief
Jus­tus-Lie­big-Uni­ver­si­tät Gießen
Insti­tut für Sportwissenschaft
Kugel­berg 62
D‑35394 Gie­ßen
thomas.stief@sport.uni-giessen.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
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