Appa­ra­ti­ve Ent­stau­ung bei Ödem in den Bei­nen – ist ein schen­kel­lan­ges Gerät immer nötig?

E. Mendoza
Die Zahl der Adipositaserkrankungen und der damit einhergehenden Folgebeschwerden wie beispielsweise Wadenödeme steigt in Deutschland rapide an. Damit verbunden ist auch ein Anstieg von Verordnungen der sogenannten Apparativen Intermittierenden Kompression (AIK) als anerkannte Therapieform zu verzeichnen. Doch welche AIK ist für welche Indikation sinnvoll?

Vor dem Hin­ter­grund, dass waden­lan­gen Man­schet­ten in der Anwen­dung ein­fa­cher und platz­spa­ren­der und in der Anschaf­fung deut­lich kos­ten­güns­ti­ger für den Pati­en­ten sind, wur­de im Rah­men der im Fol­gen­den vor­ge­stell­ten Ver­gleichs­stu­die die Wir­kung schen­kel- und waden­lan­ger Gerä­te­ty­pen auf das Waden­vo­lu­men und das sub­jek­ti­ve Wohl­be­fin­den der Pati­en­ten unter­sucht. Dabei konn­te bei Pati­en­ten mit leich­ten Öde­men und Schwel­lun­gen in den Waden eine ver­gleich­ba­re Wirk­sam­keit bei Ver­wen­dung des waden­lan­gen Ent­stau­ungs­ge­rä­tes nach­ge­wie­sen wer­den. Ob die The­ra­pie mit kur­zen Ent­stau­ungs­stie­feln auch bei Pati­en­ten mit aus­ge­präg­ten Öde­men sinn­voll und hilf­reich ist, muss in wei­te­ren Stu­di­en noch erforscht werden.

Ein­lei­tung

Bereits seit über 100 Jah­ren gibt es Gerä­te zur Appa­ra­ti­ven Inter­mit­tie­ren­den Kom­pres­si­on, zuerst beschrie­ben 1835 von Mur­ray und Clan­cy sowie 1849 von Dr. Juli­us Vogel 1. Im letz­ten Jahr­hun­dert wur­den sie tech­nisch deut­lich ver­bes­sert. Heu­te wer­den sie als Bestand­teil der soge­nann­ten Kom­ple­xen Phy­si­ka­li­schen Ent­stau­ung (KPE) zur Ödem­re­duk­ti­on bei Lymph­ödem und Lipö­dem ein­ge­setzt. Zudem sind sie bei vari­ko­se­be­ding­tem Ödem sowie Öde­men ande­rer Ursa­chen indi­ziert 2. Eine wei­te­re Indi­ka­ti­on besteht in der Ver­bes­se­rung der arte­ri­el­len Durch­blu­tung bei Pati­en­ten mit arte­ri­el­ler Durch­blu­tungs­stö­rung 34 und in einer Ödem­re­duk­ti­on sowie der Throm­bo­se­pro­phy­la­xe nach ortho­pä­di­sch­un­fall­chir­ur­gi­schen Ein­grif­fen 5. Dabei wird eine stie­fel­för­mi­ge Man­schet­te um den Fuß und das Bein gelegt, die sich inter­mit­tie­rend und nach vor­ge­ge­be­nen Wer­ten von distal nach pro­xi­mal mit Luft füllt und sich wie­der ent­leert, um die Flüs­sig­keit aus dem Bein zu strei­chen (Abb. 1).Es gibt soge­nann­te Ein­kam­mer­sys­te­me, bei denen der gesam­te Stie­fel gleich­zei­tig mit Druck­luft befüllt wird, und zwei unter­schied­li­che Sys­te­me mit meh­re­ren Kam­mern: Das eine Sys­tem ver­fügt über meh­re­re Gene­ra­to­ren, die die Kam­mern nach­ein­an­der befül­len, das ande­re über sequen­zi­ell ange­ord­ne­te Kam­mern mit Ven­ti­len, über die sich der Druck je nach Indi­ka­ti­on vom Fuß über die Wade in den Ober­schen­kel­be­reich hin­ein nach­ein­an­der erhöht. Auf die­se Wei­se wird das Aus­strei­chen bei einer Manu­el­len Lymph­drai­na­ge nach­ge­ahmt. Dabei wird fest­ge­legt, wie lan­ge der Stie­fel mit Druck­luft befüllt wird (bei Mehr­kam­mer-Sys­te­men auch, in wel­chen Inter­val­len zwi­schen den Kam­mern), sowie die Dau­er der Ent­lee­rungs­pha­se mit Ent­las­tung – sprich ohne Druck.

Stu­di­en­la­ge zur Wir­kung und Anwen­dung der Geräte

In Deutsch­land sind bei phle­bo­lo­gi­schen und lym­pho­lo­gi­schen Indi­ka­tio­nen bis­her nur Gerä­te mit Man­schet­ten für Fuß, Wade und Schen­kel im Ein­satz (manch­mal auch mit Hüft- und Bauch­teil). Es gibt ins­ge­samt nur weni­ge Stu­di­en dazu, sehr weni­ge beson­ders über die lang­fris­ti­ge Wir­kung der Ent­stau­ungs­ge­rä­te bei regel­mä­ßi­gem Gebrauch. Bei kurz­fris­ti­ger Anwen­dung füh­ren Mehr­kam­mer­sys­te­me beim Lymph­ödem schnel­ler zum Erfolg – bei lang­fris­ti­gem Ein­satz zeigt sich jedoch kein Unter­schied zwi­schen Mehr- und Ein­kam­mer­sys­te­men mehr 6. Die ange­wen­de­ten Drü­cke lie­gen zwi­schen 6 und 124 mmHg je nach Gerät7, wobei für den phle­bo­lo­gi­schen Ein­satz ein opti­ma­ler Druck von 30 bis 40 mmHg ermit­telt wur­de 8. Die­ser Druck wird auch bei Lymph­öde­men ange­setzt; hier sol­len maxi­mal 60 mmHg zum Ein­satz kom­men, wobei kei­ne Stu­di­en für den opti­ma­len Druck­wert vor­lie­gen 2 – aller­dings schei­nen Drü­cke bis zu 120 mmHg in eini­gen Stu­di­en über­le­gen zu sein 9. Zu der Fra­ge, wie lan­ge die Anwen­dung je Sit­zung bzw. je Tag andau­ern soll­te, gibt es ver­schie­de­ne Stu­di­en. Sie wur­den meis­tens wäh­rend der Akut­pha­se der Ent­stau­ung durch­ge­führt und unter­su­chen sehr varia­ble Anwen­dun­gen von bis zu 4 oder 6 Stun­den pro Tag bzw. Anwen­dun­gen mor­gens und abends mit ver­schie­de­nen Pha­sen der Kom­pres­si­on und Ent­las­tung. Die Gerä­te­ein­stel­lun­gen zum Wech­sel zwi­schen Kom­pres­si­on und Ent­las­tung vari­ie­ren zwi­schen 10 und 60 Sekun­den Kom­pres­si­on und Pau­sen von 60 bis 90 Sekun­den – somit ist eine Aus­sa­ge zur opti­ma­len Anwen­dungs­wei­se nach Stu­di­en­da­ten nicht mög­lich 2. Bei Ein­satz im Zusam­men­hang mit einer peri­phe­ren arte­ri­el­len Ver­schluss­krank­heit (pAVK) und ortho­pä­di­schen post­ope­ra­ti­ven Öde­men kön­nen Fuß­man­schet­ten oder Fuß-Waden­stie­fel ein­ge­setzt wer­den 1031112. Dies ist beson­ders in den USA verbreitet.

Indi­ka­tio­nen für eine AIK

Klas­si­sche Indi­ka­tio­nen für eine Appa­ra­ti­ve Inter­mit­tie­ren­de Kom­pres­si­on inner­halb der Phlebologie:

  • Lipö­dem: unbe­kann­te Ursa­che, mög­li­cher­wei­se fami­li­är mit Dys­pro­por­ti­on zwi­schen Rumpf und Bei­nen 13;
  • Lymph­ödem: Ödem durch Ver­zö­ge­rung des Lymph­ab­flus­ses, typi­scher­wei­se soge­nann­te Kas­ten­ze­hen (Stem­mer­zei­chen); das Ödem hat eine eher tei­gi­ge Konsistenz;
  • Phle­bö­dem: durch Krampf­adern beding­te Schwel­lung des Bei­nes; – adi­po­si­tas­be­ding­tes Ödem (AbÖ): Lymph­ödem durch Ver­zö­ge­rung des Abflus­ses in der Leis­te und Retro­pe­ri­to­ne­um 141516 wei­te­re Ursa­chen für Öde­me: Vie­le Medi­ka­men­te und Krank­hei­ten kön­nen Öde­me­ver­ur­sa­chen, jedoch auch lan­ges unbe­weg­tes Ste­hen oder Sit­zen sowie eine ein­ge­schränk­te Beweg­lich­keit der Mus­ku­la­tur 9.

Die opti­ma­le Behand­lung einer Bein­schwel­lung besteht in der The­ra­pie der Ursa­che, sofern dies mög­lich ist. Außer­dem ist Kom­pres­si­on die sinn­volls­te Behand­lung des Ödems. Diure­ti­ka sind bei Öde­men kar­dia­ler und rena­ler Ursa­che sinn­voll (sie ent­zie­hen dem Blut und dadurch mit­tel­bar auch dem Gewe­be Was­ser). Bei einem Lymph­ödem, Lipö­dem, einem phle­bo­lo­gisch beding­ten Ödem oder bei allen Öde­men mit Del­len­bil­dung besteht die Schwel­lung aus pro­te­in­hal­ti­ger Lym­phe. In die­sem Fall bewirkt das Ent­zie­hen von Was­ser ohne Pro­te­ine eine Ver­här­tung des Ödems mit Beschleu­ni­gung von Haut­ver­fär­bun­gen und Kom­pli­ka­tio­nen. Daher ist hier eine exter­ne Kom­pres­si­on – meist in Form eines Kom­pres­si­ons­strumpfs –, aber auch eine appa­ra­ti­ve Ent­stau­ung mög­lich – dies ist viel wich­ti­ger als die Ein­nah­me von Diure­ti­ka. Die Kom­pres­si­on beim Ödem soll­te in der ers­ten Pha­se der Volu­men­re­duk­ti­on die­nen – meist mit Ban­da­gie­rung und je nach Indi­ka­ti­on mit Manu­el­ler Lymph­drai­na­ge und/ oder Appa­ra­ti­ver Inter­mit­tie­ren­der Kom­pres­si­on –, bis das Bein ein ver­rin­ger­tes Volu­men auf­weist. In der zwei­ten Pha­se muss die­ses gehal­ten wer­den, zum Bei­spiel mit Kom­pres­si­ons­strümp­fen und wie­der­um je nach Indi­ka­ti­on mit Manu­el­ler Lymph­drai­na­ge und/oder appa­ra­ti­ver Ent­stau­ung. Eine AIK bei Lymph­ödem wird übli­cher­wei­se mit schen­kel­lan­gen Man­schet­ten mit bis zu 12 Kam­mern oder mit Ent­stau­ungs­ho­sen durch­ge­führt, obwohl eine Stu­die in der Erhal­tungs­pha­se nach Ent­stau­ung kei­ne Über­le­gen­heit gegen­über Ein­kam­mer­sys­te­men nach­wei­sen konn­te 6. Die zuneh­mend auf­tre­ten­den Waden­öde­me bei adi­po­si­tas­be­ding­ter Lymph­ab­fluss­stö­rung wer­den seit Jah­ren auch mit waden­lan­gen Gerä­ten behan­delt, die frei ver­käuf­lich sind. Sie sind zum einen bes­ser hand­hab­bar, weil die Ober­schen­kel die­ser Pati­en­ten oft unför­mig sind und spe­zi­el­ler Man­schet­ten bedür­fen, zum ande­ren kos­ten­güns­ti­ger im Ein­kauf. Die Effek­ti­vi­tät der Waden­kom­pres­si­ons­ge­rä­te bei unfall­chir­ur­gi­schen Pati­en­ten wur­de bereits belegt 4, wohin­ge­gen der direk­te Ver­gleich der Wirk­sam­keit bei­der Gerä­te­ty­pen auf das chro­ni­sche Ödem und die Lebens­qua­li­tät bzw. die Sym­pto­me bis zur hier vor­ge­stell­ten Stu­die noch nicht erforscht wor­den ist.

Hin­ter­grund­über­le­gun­gen zur Studie

Die Zunah­me von Adi­po­si­tas in der Gesell­schaft ist frap­pie­rend: In Deutsch­land waren 2011 knapp 25 % der Men­schen adipös (BMI > 30 kg/m2) 17, Ten­denz wei­ter stei­gend. Die Neben­wir­kung der Adi­po­si­tas an den Bei­nen besteht in Öde­men, da die Lymph­bah­nen in der Leis­ten­beu­ge durch die Fett­schich­ten im Sit­zen kom­pri­miert wer­den. Das hier­aus resul­tie­ren­de Lymph­ödem kann zu Ver­här­tun­gen (Der­ma­to­li­po­skle­ro­se) und Ulzer­a­ti­on füh­ren, was den Teu­fels­kreis der gerin­gen Beweg­lich­keit mit Zunah­me der Adi­po­si­tas noch stei­gert. Die Erfah­run­gen vie­ler Ärz­te bei der Ver­ord­nung einer appa­ra­ti­ven Ent­stau­ung in die­ser Situa­ti­on lau­ten wie folgt: Ent­we­der wird die Kos­ten­über­nah­me sei­tens der Kas­se abge­lehnt, oder das Rezept fin­det Ein­gang in eine her­stel­ler­sei­ti­ge Ver­sor­gungs­struk­tur, bei der ein extrem teu­res Gerät mit 12 Kam­mern oder gar Gerä­te mit Hosen­man­schet­ten ver­an­schlagt – und dann tat­säch­lich von den Kas­sen bewil­ligt – wer­den. In einem Sys­tem, bei dem Ärz­te die Pati­en­ten nach SGB V „not­wen­dig und aus­rei­chend“ ver­sor­gen sol­len, ist aus Sicht der Stu­di­en­in­itia­to­ren die­se teu­re Ver­sor­gung nicht nach­voll­zieh­bar. Ein Blick in Nach­bar­län­der, in denen die Kom­pres­si­ons­ver­sor­gung maß­geb­lich in den „Selbst­zah­ler­markt“ sowie in die Inter­net­ver­käu­fe von Her­stel­lern güns­ti­ger Alter­na­ti­ven zur Appa­ra­ti­ven Inter­mit­tie­ren­den Kom­pres­si­on fällt, ließ die Fra­ge auf­kom­men, ob deut­lich weni­ger auf­wen­di­ge Gerä­te bei waden­be­ton­ten Öde­men nicht durch­aus aus­rei­chend sein könn­ten. Dar­aus ent­stand der Plan zu einer Stu­die mit dem Titel „Wie ist die Wirk­sam­keit der appa­ra­ti­ven Kom­pres­si­on bei Bei­nen mit Ödem unter Anwen­dung von schen­kel­lan­gen und waden­lan­gen Stie­feln im Ver­gleich?“ 18, die im Fol­gen­den vor­ge­stellt wird.

Metho­de

Die For­schungs­fra­ge der Stu­die lau­te­te, ob sich schen­kel­lan­ge und waden­lan­ge Ent­stau­ungs­stie­fel in ihrer Wirk­sam­keit bezüg­lich eines Waden­ödems nach ein­ma­li­ger Anwen­dung unter­schei­den. Gemes­sen wur­den die Umfangs­ma­ße bzw. das Volu­men der Waden nach Anwen­dung des schen­kel­lan­gen bzw. des waden­lan­gen Ent­stau­ungs­ge­rä­tes. Die Umfän­ge wur­den mit dem Band­maß an Knö­chel und Wade, das Volu­men und die Umfän­ge mit dem Gerät „BT 600“ („Body­tro­nic 600“, Fir­ma Bau­er­feind) gemes­sen. Außer­dem wur­den die Pro­ban­den nach ihren Sym­pto­men befragt. Dazu wur­de eine soge­nann­te Ana­logska­la mit Wer­ten von 0 („kei­ne Beschwer­den“) bis 10 („maxi­mal mög­li­che Beschwer­den“) ver­wen­det, die die Beschwer­den im Ste­hen vor und nach der Ent­stau­ung abfrag­te und den Bedie­nungs­kom­fort der Gerä­te erfass­te. Unter­sucht wur­den 41 Pro­ban­den mit sym­me­tri­scher Schwel­lung der Waden auf­grund unter­schied­li­cher Ursa­chen, die aus den Pati­en­ten der Pra­xis der Ver­fas­se­rin rekru­tiert wur­den. Alle Unter­su­chun­gen erfolg­ten zwi­schen 14 und 18 Uhr. Die Pati­en­ten wur­den gebe­ten, am Unter­su­chungs­tag und mög­lichst ein paar Tage davor kei­ne Kom­pres­si­ons­strümp­fe zu tra­gen. Die Pro­ban­den muss­ten einen ein­zi­gen Ter­min wahr­neh­men, an dem fol­gen­de Schrit­te erfolgten:

A. Erfas­sen der Beschwer­den vor der Ent­stau­ung, all­ge­mei­ne Daten

  1. Über­nah­me der Dia­gno­se und der Ultra­schall­be­fun­de der Bein­ve­nen (Reflux in der tie­fen oder ober­fläch­li­chen Bein­ve­ne, ggf. Hach-Sta­di­um) sowie des Alters aus der Patientenakte;
  2.  Pati­en­ten­fra­ge­bo­gen zur Aus­prä­gung der Beschwer­den durch die Schwel­lung, Dau­er der Schwel­lung, Tra­gen von Kom­pres­si­on und Art der Kompression;
  3.  Fra­ge­bo­gen mit Fra­gen nach fol­gen­den Sym­pto­men der ver­gan­ge­nen Woche getrennt nach rech­tem und lin­kem Bein: Druck­ge­fühl, Span­nungs­ge­fühl, Schmerzgefühl,Krämpfe, Juck­reiz, Krib­beln, Ziehen,Brennen, Schwe­re­ge­fühl, Schwel­lung, Ste­chen, Hit­ze­ge­fühl oder Müdig­keit in den Bei­nen bzw. wei­te­re Sym­pto­me, die ange­ge­ben wer­den konnten;
  4.  Scoring der Beschwer­den ins­ge­samt in der letz­ten Woche je Bein und für Wade und Ober­schen­kel getrennt; dazu wur­de eine 5‑stufige Likert-Ska­la von „über­haupt kei­ne“ bis „sehr stark“ verwendet;
  5.  Erhe­ben des aktu­el­len Gewichts sowie der Kör­per­grö­ße (Errech­nen des BMI).

    B. Stress­test im Ste­hen vor der Entstauung

  6. Die Pro­ban­den wur­den gebe­ten, sich hin­zu­le­gen und die Bei­ne auf einem 50 cm hohen Schaum­stoff­kis­sen für zwei Minu­ten zu lagern.
  7.  Sodann kam das Mess­sys­tem „Body­tro­nic 600“ (Fir­ma Bau­er­feind) zum elek­tro­ni­schen Ver­mes­sen der Bei­ne im Ste­hen zum Ein­satz; dort ca. 7 Minu­ten unbe­weg­tes Stehen.
  8. 8. Sofort nach dem Hin­stel­len und erneut nach 5 bis 6 Minu­ten wur­den elek­tro­nisch die Volu­mi­na der Unter- und der Ober­schen­kel gemessen.
  9. 9. Wäh­rend der je eine Minu­te dau­ern­den ers­ten und zwei­ten Mes­sung wur­den die Pro­ban­den zu ihren Bein­schmer­zen – getrennt nach rechts und links sowie Ober­schen­kel und Wade – mit einer Nume­ri­schen Ana­logska­la (NRS) von 0 bis 10 befragt („NRS Ste­hen vor­her“ 1 und 2; dar­aus wur­de der Mit­tel­wert „Ste­hen vor­her MW“ gebildet).
  10. Nach der ers­ten elek­tro­ni­schen Mes­sung erfolg­te eine hän­di­sche Mes­sung des Knö­chel- und des obe­ren Waden­um­fangs (B‑Maß, D- Maß).

    C. Ent­stau­ungs­pha­se

  11. Es erfolg­te eine Ran­do­mi­sie­rung in die Grup­pen „rechts lang“ und „links lang“, mit der fest­ge­legt wur­de, an wel­chem Bein die schen­kel­lan­ge bzw. die waden­lan­ge Man­schet­te ange­legt wird.
  12.  Zum Anle­gen der Ent­stau­ungs­stie­fel leg­te sich der Pro­band auf eine beque­me Lie­ge. An einem Bein wur­de ent­spre­chend der Ran­do­mi­sie­rung der lan­ge, an dem ande­ren der kur­ze Stie­fel angelegt.
  13. Die Pro­ban­den wur­den mit einem Fra­ge­bo­gen nach dem Befin­den an der Wade im Lie­gen gefragt, getrennt nach lin­kem und rech­tem Bein („NRS Lie­gen vor­her“). Sie durf­ten wäh­rend der 30 Minu­ten dau­ern­den Behand­lung nicht auf­ste­hen, bei Bedarf zwar ein Glas (200 ml) Was­ser trin­ken, jedoch kei­ne ande­ren Geträn­ke, ins­be­son­de­re kei­ne harn­trei­ben­den. Sie durf­ten lesen, Musik hören oder sich ander­wei­tig ent­span­nen. Ein Auf­ste­hen wäh­rend der 30 Minu­ten hät­te zum Abbruch des Tests geführt (dies trat nicht ein).
  14. Kurz vor Ende der Ent­stau­ung wur­den die Pro­ban­den zum zwei­ten Mal nach ihrem Befin­den im Lie­gen gefragt („NRS Lie­gen während“)

    Stress­test nach der Entstauung

  15. Nach dem Ende der Ent­stau­ungs­pha­se wie­der­hol­te sich die Mess­rei­he im Steh­ver­such wie vor der Ent­stau­ung (elek­tro­nisch, manu­ell, elek­tro­nisch sowie Fra­gen zu Anfang und Ende des 7‑minütigen Ste­hens: „NRS Ste­hen nach­her“ 1 und 2, dar­aus der Mit­tel­wert „Ste­hen nach­her MW“).
  16. Abschlie­ßend wur­de gefragt, ob einer der bei­den Stie­fel wirk­sa­mer erschien und ob die Pro­ban­den einen der bei­den Stie­fel emp­feh­len würden.

Ver­wen­de­te Geräte

Beim lan­gen Stie­fel han­del­te es sich um ein 12-Kam­mer-Sys­tem namens „Lympha­mat Gra­di­ent 300“ der Fir­ma Bösl (Abb. 1a), ein­ge­stellt auf einen Druck von 40 mmHg. Beim kur­zen Stie­fel han­del­te es sich um den „Venen­wal­ker basic“ (Abb. 1b), ein 2‑Kam­mer-Sys­tem (Fuß­soh­len­kam­mer und Waden­kam­mer) der Firm­aGlo­bal- Mind, ein­ge­stellt auf 40 mmHg.

Ergeb­nis­se

41 Pro­ban­den nah­men an der Stu­die teil, davon 37 Frau­en und 4 Män­ner. Das mitt­le­re Alter lag bei 47,1 Jah­ren (min. 21, max. 75), der mitt­le­re BMI bei 30,1 kg/m2 (min. 17,4, max. 40,7). Im Mit­tel hat­ten die Pati­en­ten seit 12,1 Jah­ren geschwol­le­ne Bei­ne. 95 % der Pati­en­ten tru­gen regel­mä­ßig Kom­pres­si­ons­strümp­fe, davon 56 % waden­lan­ge. 21 Bei­ne wur­den in die Grup­pe „links lang“ ran­do­mi­siert, 20 Bei­ne in die Grup­pe „rechts lang“. 4 Pro­ban­den tru­gen am Tag der Unter­su­chung an bei­den Bei­nen Kom­pres­si­ons­strümp­fe, die ande­ren waren der Anwei­sung gefolgt, kei­ne Kom­pres­si­on am Unter­su­chungs­tag anzu­le­gen. Mit 63 % waren Pro­ban­din­nen mit Lipö­dem am häu­figs­ten ver­tre­ten, gefolgt von 12 % mit rei­nem Lymph­ödem. Misch­for­men von Phle­bö­dem, Lip- und Lymph­öde­men sowie Öde­men ande­rer Ursa­chen mach­ten den Rest der Pro­ban­den aus. In der Stu­die heißt es: „Die Beschwer­den in der letz­ten Woche vor der Behand­lung sind in [Tabel­le 1] dar­ge­stellt [die Anga­ben in ecki­gen Klam­mern bezie­hen sich jeweils auf den hier vor­lie­gen­den Stie­fel­typ lang kurz Arti­kel; d. Verf.].

Stie­fel­typ lang kurz
Beschwer­den MW +/- SD MW +/- SD p
Schwe­re­ge­fühl 3,08 +/-0,97 2,98 +/-1,00 0,378
Schwel­lung 2,88 +/-1,01 2,83 +/-0,92 0,570
Müdig­keit 2,70 +/-1,22 2,68 +/-1,27 0,661
Span­nungs­ge­fühl 2,48 +/-0,82 2,48 +/-0,88 1,000
Druck­ge­fühl 2,33 +/-1,07 2,25 +/-1,06 0,446
Schmerz­ge­fühl 2,18 +/-1,04 2,20 +/-1,22 0,785
Beschwer­den Wade 2,65 +/-1,19 2,53 +/-1,15 0,133
Beschwer­den OS 1,90 +/-0,96 1,90 +/-0,84 1,000

 Tab. 1 Beschwer­den in der letz­ten Woche vor Behand­lung in einer Visu­el­len Ana­logska­la von 0 bis 10 sowie Ver­gleich der Beschwer­den zwi­schen den Grup­pen „lang“ und „kurz“ (p‑Wert in der rech­ten Spal­te). MW = Mit­tel­wert, SD = Stan­dard­ab­wei­chung, p = Signifikanz.

Es zeig­te sich, dass das Sym­ptom mit der stärks­ten Aus­prä­gung das Schwe­re­ge­fühl war, gefolgt von Schwel­lung und Müdig­keit der Bei­ne. Bei einer höchs­ten Bewer­tungs­zahl von 10 war die Ein­stu­fung der Beschwer­den ins­ge­samt bei cir­ca 2,5 Punk­ten für die Waden […]. Es gab kei­ne Unter­schie­de in Bezug auf die Beschwer­den zwi­schen den Bei­nen“ 18. Zwi­schen 1 und 2 Punk­ten auf der Ana­logska­la – also deut­lich gerin­ger – ran­gier­ten die fol­gen­den Aspek­te: Hit­ze­ge­fühl, Krib­beln, Bren­nen, Zie­hen, Krämp­fe, Juck­reiz und Ste­chen, alle ohne signi­fi­kan­te Unter­schie­de. Es folgt ein län­ge­rer Aus­zug aus der Stu­die: „Die Ent­wick­lung der Beschwer­den vor, wäh­rend und nach der Behand­lung ist in [Tabel­le 2] sowie [Abbil­dung 2–5] dargestellt.

 

lang kurz lang – kurz
MW +/- SD MW +/- SD MW Diff. +/- SD p
Wade      
NRS Ste­hen vor­her 1 2,68 +/-2,58 2,28 +/-2,26 0,40 +/-1,29 0,057
NRS Ste­hen nach­her 1 1,44 +/-1,82 1,05 +/-1,6 0,39 +/-1,27 0,062
Mitt­le­re Diff. vor­her nachher -1,31 +/-1,67 -1,27 +/-1,67 -0,04 +/-1,05 0,821
p Dif­fe­renz vorher/nachher <0,001 <0,001
NRS Ste­hen vor­her 2 3,00 +/-2,56 2,83 +/-2,26 0,17 +/-1,43 0,448
NRS Ste­hen nach­her 2 1,58 +/-2,08 1,42 +/-1,84 0,15 +/-1,23 0,438
Mitt­le­re Diff. vor­her nachher -1,21 +/-2,04 -1,24 +/-1,96 0,04 +/-1,08 0,825
p Dif­fe­renz vorher/nachher 0,001 <0,001
NRS Ste­hen vor­her MW 2,86 +/-2,49 2,59 +/-2,19 0,27 +/-1,27 0,173
NRS Ste­hen nach­her MW 1,53 +/-1,79 1,25 +/-1,50 0,28 +/-1,17 0,132
Mitt­le­re Diff. vor­her nachher -1,33 +/-1,79 -1,34 +/-1,75 0,01 +/-0,92 0,966
p Dif­fe­renz vorher/nachher <0,001 <0,001

Tab. 2 Ent­wick­lung der Beschwer­den auf der Visu­el­len Ana­logska­la (NRS 0–10), modi­fi­ziert nach [14]. Erfasst wer­den die Daten im Ste­hen vor und nach der Behand­lung mit Mit­tel­wert und Stan­dard­ab­wei­chung je Bein, unter­teilt in Spal­ten nach Bei­nen mit lan­gem und kur­zem Stie­fel. In der 3. Spal­te wird der Unter­schied zwi­schen bei­den Bei­nen bzw. zwi­schen dem kur­zen und dem lan­gen Sys­tem erfasst und in der 4. Spal­te die Signi­fi­kanz die­ser Ver­än­de­rung auf­ge­führt. Das Ergeb­nis des kur­zen Stie­fels wird von dem des lan­gen Stie­fels sub­tra­hiert; somit zei­gen posi­ti­ve Wer­te bei der Abwei­chung der Mit­tel­wer­te bes­se­re Ergeb­nis­se zuguns­ten des kur­zen Stie­fels, nega­ti­ve Wer­te zei­gen bes­se­re Ergeb­nis­se zuguns­ten des lan­gen Stie­fels. In den Zei­len wird der abso­lu­te Wert je Bein ange­ge­ben: in der 1. Zei­le vor der Behand­lung, in der 2. Zei­le wäh­rend oder nach der Behand­lung sowie in der 3. Zei­le die mitt­le­re Dif­fe­renz des Wer­tes im sel­ben Bein für die Unter­su­chung im Lie­gen vor und wäh­rend der Behand­lung sowie im Ste­hen vor und nach der Behand­lung. Gezeigt wer­den bei­de Mes­sun­gen (vorher/während bzw. vorher/nachher) mit Mit­tel­wert (MW) und Stan­dard­ab­wei­chung (SD). In der jeweils 3. Zei­le wird die Dif­fe­renz vor und wäh­rend bzw. nach der Behand­lung je Bein berech­net. In allen Fäl­len gab es eine Ver­rin­ge­rung der Wer­te, sodass das Ergeb­nis mit einem Minus­zei­chen gekenn­zeich­net ist. Die 4. Zei­le zeigt die Signi­fi­kanz der Dif­fe­renz. Signi­fi­kan­te Ergeb­nis­se sind far­big hinterlegt.

Die Beschwer­den im Lie­gen [Abb. 2, Tab. 2] an der Wade ver­rin­ger­ten sich zwi­schen ‚vor­her‘ und ‚wäh­rend‘ signi­fi­kant für bei­de Stie­fel. […] Wäh­rend der Behand­lung waren die Beschwer­den mit dem kur­zen Stie­fel an der Wade […] signi­fi­kant nied­ri­ger (p < 0,05). Die Gesamt­be­wer­tung in Bezug auf die Beschwer­den ergab kei­nen Unter­schied zwi­schen bei­den Model­len. Die Beschwer­den im Ste­hen [Abb. 3 u. 4, Tab. 2] ver­bes­ser­ten sich nach der Behand­lung signi­fi­kant im Ver­gleich zu den Mes­sun­gen vor der Behand­lung, bei Mes­sung 1 (sofort nach dem Hin­stel­len), 2 (nach 7 Minu­ten) und dem MW, an der Wade (p < 0,001 oder < 0,001). Die bei­den Sys­te­me unter­schie­den sich nicht signi­fi­kant von­ein­an­der. Die Umfangs­ma­ße vor und nach der Behand­lung sind in [Tabel­le 3 und Abbil­dung 5] dargestellt.

lang kurz
MW +/- SD MW +/- SD
Umfang Wade vorher 41,71 +/-4,1 41,64 +/-4,12
Umfang Wade nachher 41,13 +/-4,17 41,26 +/-4,2
Mitt­le­re Diff, +/- SD -0,58 +/-0,86 -0,38 +/-0,97
p vorher/nachher <0,001 0,017
Umfang Knö­chel vorher 24,71 +/-1,99 24,75 +/-2,07
Umfang Knö­chel nachher 24,62 +/-1,87 24,58 +/-2,00
Mitt­le­re Diff, +/- SD -0,10 +/-0,38 -0,17 +/-0,38
p vorher/nachher 0,121 0,006

Tab. 3 Ent­wick­lung des Umfangs an Wade und Knö­chel (cm) vor und nach der Behand­lung. Erläu­te­run­gen zu den Fel­dern ver­mit­telt Tabel­le 2. Es gibt kei­ne Unter­schie­de in den Ver­än­de­run­gen zwi­schen lan­gen und kur­zen Entstauungsstiefeln.

Mit Aus­nah­me des Umfangs des Knö­chels unter dem lan­gen Stie­fel waren alle gemes­se­nen Ver­än­de­run­gen in der erwar­te­ten Rich­tung signi­fi­kant. Die Unter­schie­de der Ergeb­nis­se zwi­schen den bei­den Stie­fel- Model­len waren nicht signifikant.

Die Waden­vo­lu­mi­na [Tab. 4, Abb. 6] nah­men im Ste­hen zu und wur­den durch die Ent­stau­ung ver­rin­gert. Der Mit­tel­wert der bei­den Mes­sun­gen ver­rin­ger­te sich bei bei­den Stie­feln signi­fi­kant nach der Behand­lung. Es zeig­te sich eine Ten­denz, dass die Auf­fül­lung des Waden­vo­lu­mens nach der Ent­stau­ung lang­sa­mer geschieht. Zur Beur­tei­lung, ob ein Unter­schied zwi­schen den bei­den Gerä­ten vor­liegt (Unterlegenheit/ Nicht-Unter­le­gen­heit) wur­den die Dif­fe­ren­zen der Mit­tel­wer­te in Bezug auf Beschwer­deska­la, Umfang und Volu­men errech­net. [Abbil­dung 7] zeigt gra­phisch die Mit­tel­wer­te und die 95%-Vertrauensintervalle der Dif­fe­ren­zen. Alle Unter­schie­de sind weit weg von einer Signi­fi­kanz, das heißt, das 95%-Intervall liegt nie gesamt­haft auf einer Sei­te der Null-Linie.

 

lang kurz lang – kurz
Varia­ble MW +/- SD MW +/- SD MW Diff. +/- SD p
Vol US vorher 3394 +/-625 3383 +/-627 11 +/-103 0,514
Vol US nachher 3378 +/-620 3368 +/-618 10 +/-113 0,592
Mitt­le­re Diff. +/- SD -16 +/-50 -15 +/-46 -1 +/-45 0,877
p vorher/nachher 0,047 0,049

Tab. 4 Ent­wick­lung des Volu­mens (ml) am Unter­schen­kel (Mit­tel­wert der bei­den Mes­sun­gen) vor und nach der Behand­lung; Erläu­te­run­gen s. Tab. 2).

In der per­sön­li­chen Ein­schät­zung nach Abschluss der Behand­lung gaben die Pro­ban­den an, dass sie den lan­gen Stie­fel als signi­fi­kant effek­ti­ver emp­fan­den als den kur­zen (p < 0,001), den kur­zen jedoch eher als ange­neh­mer (p = 0,225). In Bezug auf die Wade fiel die­se Unter­schei­dung nicht signi­fi­kant aus mit fol­gen­den Aus­sa­gen: Für 17 Teil­neh­mer war der lan­ge Stie­fel an der Wade effek­ti­ver, für 8 der kur­ze. Als gleich­wer­tig in Bezug auf die Wir­kung an der Wade ent­schie­den sich 15 Teil­neh­mer, 1 emp­fand kei­nen als effek­tiv. Eine Pati­en­tin, wel­che in die Aus­wer­tung nicht ein­be­zo­gen wur­de, brach die Stu­die wegen Schmer­zen unter dem lan­gen Stie­fel ab. Die Fra­ge nach der Wei­ter­emp­feh­lung, eben­falls am Ende des zwei­ten Steh-Ver­suchs gestellt, ergab 14 posi­ti­ve Emp­feh­lun­gen für den schen­kel­lan­gen Stie­fel, 15 Emp­feh­lun­gen für den waden­lan­gen, 10 für bei­de gleich und 1 für kei­nen ohne Signi­fi­kanz zuguns­ten des einen oder ande­ren Modells.“ 18.

Beur­tei­lung und Dis­kus­si­on der Studie

Die Sym­pto­me in den Bei­nen in der Zeit vor der Unter­su­chung unter­schie­den sich nicht, die Ran­do­mi­sie­rung ver­lief homo­gen mit 20 Teil­neh­mern in der Grup­pe „lang rechts“ und 21 in der Grup­pe „lang links“. Das Beschwer­de­bild zwi­schen vor und nach der Behand­lung nahm deut­lich ab, das heißt, dass bei­de Gerä­te eine Ver­rin­ge­rung der Waden­be­schwer­den unmit­tel­bar nach Hin­stel­len um 1,31 (lang) und 1,27 (kurz) Punk­te sowie eben­so nach 7 Minu­ten Ste­hen (je 1,21 und 1,24 Punk­te) her­vor­rie­fen; bei­des war hoch signi­fi­kant. Inter­es­sant ist, dass die Volu­men- und die Beschwer­de­zu­nah­me an der Wade nach der Ent­stau­ungs­pha­se lang­sa­mer aus­fällt (Abb. 3 u. 5). Die Stu­di­en­ergeb­nis­se ähneln den Ergeb­nis­sen mit Steh­ver­su­chen auf dem „BT 600“ mit und ohne Kom­pres­si­ons­strümp­fe aus der Blätt­ler-Stu­die19. Somit schei­nen Sys­tem­feh­ler bei der Stu­die aus­ge­schlos­sen zu sein. Ins­ge­samt waren die Öde­me in die­ser Stu­die nicht sehr aus­ge­prägt: Zum einen han­del­te es sich um eine ers­te Annä­he­rung an die Fra­ge­stel­lung der kur­zen Stie­fel bei nicht aus­ge­präg­ten Krank­heits­bil­dern, zum ande­ren hat­ten die Autoren der Stu­die Beden­ken, Pati­en­ten mit aus­ge­präg­ten Öde­men die Kom­pres­si­on einen gan­zen Tag lang vor­zu­ent­hal­ten [14]. Auch fällt auf, dass das redu­zier­te Volu­men nur weni­ge Mil­li­li­ter beträgt. Es kor­re­liert jedoch mit den Volu­men­än­de­run­gen nach einem Tag Tra­gen der Kom­pres­si­on bzw. im Steh­ver­such im Ver­gleich mit und ohne Kom­pres­si­on 1920 und scheint auf das Beschwer­de­bild bereits einen signi­fi­kan­ten Ein­fluss aus­zu­üben. Die sehr signi­fi­kan­ten Ergeb­nis­se las­sen die Ver­mu­tung zu, dass auch bei aus­ge­präg­ten Waden­öde­men, zum Bei­spiel bei Adi­po­si­tas, eine Wirk­sam­keit des nur waden­lan­gen Ent­stau­ungs­ge­rä­tes gege­ben wäre. Mit einer ein­ma­li­gen Behand­lung kann die Nach­hal­tig­keit der Wir­kung auf das All­tags­le­ben nicht fest­ge­stellt wer­den, jedoch kann man davon aus­ge­hen, dass die­se Wir­kung jeden Tag neu ein­tritt, eben­so wie beim täg­li­chen Tra­gen von Kom­pres­si­on oder beim Ein­neh­men von Tabletten.

Anwend­bar­keit in der Praxis

Vie­le Men­schen kla­gen über Bein­schwel­lung und Schwe­re­ge­fühl. Laut­der Bon­ner Venen­stu­die geben 23 % der Frau­en und 11 % der Män­ner Schwe­re­ge­füh­le in den Bei­nen in den letz­ten Wochen an 21. Dies ent­spricht einem Vier­tel der erwach­se­nen Frau­en und einem Zehn­tel der erwach­se­nen Män­ner. Wenn sich die­se Per­so­nen selbst­in­itia­tiv um Abhil­fe ihrer Sym­pto­me küm­mern wol­len, kön­nen sie natür­lich Stütz- und leich­te­Kom­pres­si­ons­strümp­fe wäh­len. Durch die hier vor­ge­stell­te Stu­die 18 wird dar­ge­legt, dass die auf dem frei­en Markt erhält­li­chen waden­lan­gen Ent­stau­ungs­stie­fel mit Motor und zwei durch Ven­ti­le getrenn­ten Kam­mern eine erschwing­li­che und wirk­sa­me Alter­na­ti­ve zur Sym­ptom­lin­de­rung dar­stel­len. Dies ist beson­ders vor dem Hin­ter­grund inter­es­sant, dass die ein­gangs erwähn­ten adi­po­si­tas­be­ding­ten Öde­me immer häu­fi­ger vor­kom­men und damit die sozi­al­po­li­tisch und makro­öko­no­misch durch­aus rele­van­te Fra­ge der Behand­lungs­kos­ten im Raum steht. Die bei­den For­scher schrei­ben in die­sem Zusam­men­hang: „Der Nach­weis der Volu­men­re­duk­ti­on und Ver­rin­ge­rung der Beschwer­den mit einem klei­nen waden­lan­gen Gerät in die­sem nicht sehr sym­pto­ma­ti­schen Kol­lek­tiv legt nahe, dass eine gro­ße Bevöl­ke­rungs­grup­pe von die­ser klei­nen Lösung schon aus­rei­chend pro­fi­tie­ren wür­de“ 18. Die Beant­wor­tung der Fra­ge, inwie­weit die The­ra­pie mit kur­zen Ent­stau­ungs­stie­feln auch bei Pati­en­ten mit aus­ge­präg­ten Öde­men sinn­voll und hilf­reich ist, muss wei­te­ren Stu­di­en vor­be­hal­ten bleiben.

Fazit

Die vor­ge­stell­te Stu­die zeigt, dass Waden­be­schwer­den, ver­ur­sacht durch leich­te Öde­me und Schwel­lun­gen, nach­weis­lich sowohl sym­pto­ma­tisch als auch mess­bar durch Ver­än­de­rung des Volu­mens mit­tels aus­schließ­lich waden­lan­ger Ent­stau­ungs­stie­fel behan­delt wer­den kön­nen. Dies soll­te bei der Ver­ord­nung von Ent­stau­ungs­ge­rä­ten und bei der Ver­sor­gung von Pati­en­ten deut­li­cher prä­sent wer­den, um sinn­vol­le Kos­ten­ein­spa­run­gen zu ermög­li­chen und ggf. auch Pati­en­ten eine Alter­na­ti­ve zur Erstat­tung durch die Kran­ken­kas­sen zu bieten.

Die Autorin:
Dr. med. Eri­ka Mendoza
Venen­pra­xis
Spe­cken­stra­ße 10
31515 Wunstorf
erika.mendoza@t‑online.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

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