Vor dem Hintergrund, dass wadenlangen Manschetten in der Anwendung einfacher und platzsparender und in der Anschaffung deutlich kostengünstiger für den Patienten sind, wurde im Rahmen der im Folgenden vorgestellten Vergleichsstudie die Wirkung schenkel- und wadenlanger Gerätetypen auf das Wadenvolumen und das subjektive Wohlbefinden der Patienten untersucht. Dabei konnte bei Patienten mit leichten Ödemen und Schwellungen in den Waden eine vergleichbare Wirksamkeit bei Verwendung des wadenlangen Entstauungsgerätes nachgewiesen werden. Ob die Therapie mit kurzen Entstauungsstiefeln auch bei Patienten mit ausgeprägten Ödemen sinnvoll und hilfreich ist, muss in weiteren Studien noch erforscht werden.
Einleitung
Bereits seit über 100 Jahren gibt es Geräte zur Apparativen Intermittierenden Kompression, zuerst beschrieben 1835 von Murray und Clancy sowie 1849 von Dr. Julius Vogel 1. Im letzten Jahrhundert wurden sie technisch deutlich verbessert. Heute werden sie als Bestandteil der sogenannten Komplexen Physikalischen Entstauung (KPE) zur Ödemreduktion bei Lymphödem und Lipödem eingesetzt. Zudem sind sie bei varikosebedingtem Ödem sowie Ödemen anderer Ursachen indiziert 2. Eine weitere Indikation besteht in der Verbesserung der arteriellen Durchblutung bei Patienten mit arterieller Durchblutungsstörung 34 und in einer Ödemreduktion sowie der Thromboseprophylaxe nach orthopädischunfallchirurgischen Eingriffen 5. Dabei wird eine stiefelförmige Manschette um den Fuß und das Bein gelegt, die sich intermittierend und nach vorgegebenen Werten von distal nach proximal mit Luft füllt und sich wieder entleert, um die Flüssigkeit aus dem Bein zu streichen (Abb. 1).Es gibt sogenannte Einkammersysteme, bei denen der gesamte Stiefel gleichzeitig mit Druckluft befüllt wird, und zwei unterschiedliche Systeme mit mehreren Kammern: Das eine System verfügt über mehrere Generatoren, die die Kammern nacheinander befüllen, das andere über sequenziell angeordnete Kammern mit Ventilen, über die sich der Druck je nach Indikation vom Fuß über die Wade in den Oberschenkelbereich hinein nacheinander erhöht. Auf diese Weise wird das Ausstreichen bei einer Manuellen Lymphdrainage nachgeahmt. Dabei wird festgelegt, wie lange der Stiefel mit Druckluft befüllt wird (bei Mehrkammer-Systemen auch, in welchen Intervallen zwischen den Kammern), sowie die Dauer der Entleerungsphase mit Entlastung – sprich ohne Druck.
Studienlage zur Wirkung und Anwendung der Geräte
In Deutschland sind bei phlebologischen und lymphologischen Indikationen bisher nur Geräte mit Manschetten für Fuß, Wade und Schenkel im Einsatz (manchmal auch mit Hüft- und Bauchteil). Es gibt insgesamt nur wenige Studien dazu, sehr wenige besonders über die langfristige Wirkung der Entstauungsgeräte bei regelmäßigem Gebrauch. Bei kurzfristiger Anwendung führen Mehrkammersysteme beim Lymphödem schneller zum Erfolg – bei langfristigem Einsatz zeigt sich jedoch kein Unterschied zwischen Mehr- und Einkammersystemen mehr 6. Die angewendeten Drücke liegen zwischen 6 und 124 mmHg je nach Gerät7, wobei für den phlebologischen Einsatz ein optimaler Druck von 30 bis 40 mmHg ermittelt wurde 8. Dieser Druck wird auch bei Lymphödemen angesetzt; hier sollen maximal 60 mmHg zum Einsatz kommen, wobei keine Studien für den optimalen Druckwert vorliegen 2 – allerdings scheinen Drücke bis zu 120 mmHg in einigen Studien überlegen zu sein 9. Zu der Frage, wie lange die Anwendung je Sitzung bzw. je Tag andauern sollte, gibt es verschiedene Studien. Sie wurden meistens während der Akutphase der Entstauung durchgeführt und untersuchen sehr variable Anwendungen von bis zu 4 oder 6 Stunden pro Tag bzw. Anwendungen morgens und abends mit verschiedenen Phasen der Kompression und Entlastung. Die Geräteeinstellungen zum Wechsel zwischen Kompression und Entlastung variieren zwischen 10 und 60 Sekunden Kompression und Pausen von 60 bis 90 Sekunden – somit ist eine Aussage zur optimalen Anwendungsweise nach Studiendaten nicht möglich 2. Bei Einsatz im Zusammenhang mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) und orthopädischen postoperativen Ödemen können Fußmanschetten oder Fuß-Wadenstiefel eingesetzt werden 1031112. Dies ist besonders in den USA verbreitet.
Indikationen für eine AIK
Klassische Indikationen für eine Apparative Intermittierende Kompression innerhalb der Phlebologie:
- Lipödem: unbekannte Ursache, möglicherweise familiär mit Dysproportion zwischen Rumpf und Beinen 13;
- Lymphödem: Ödem durch Verzögerung des Lymphabflusses, typischerweise sogenannte Kastenzehen (Stemmerzeichen); das Ödem hat eine eher teigige Konsistenz;
- Phlebödem: durch Krampfadern bedingte Schwellung des Beines; – adipositasbedingtes Ödem (AbÖ): Lymphödem durch Verzögerung des Abflusses in der Leiste und Retroperitoneum 141516 weitere Ursachen für Ödeme: Viele Medikamente und Krankheiten können Ödemeverursachen, jedoch auch langes unbewegtes Stehen oder Sitzen sowie eine eingeschränkte Beweglichkeit der Muskulatur 9.
Die optimale Behandlung einer Beinschwellung besteht in der Therapie der Ursache, sofern dies möglich ist. Außerdem ist Kompression die sinnvollste Behandlung des Ödems. Diuretika sind bei Ödemen kardialer und renaler Ursache sinnvoll (sie entziehen dem Blut und dadurch mittelbar auch dem Gewebe Wasser). Bei einem Lymphödem, Lipödem, einem phlebologisch bedingten Ödem oder bei allen Ödemen mit Dellenbildung besteht die Schwellung aus proteinhaltiger Lymphe. In diesem Fall bewirkt das Entziehen von Wasser ohne Proteine eine Verhärtung des Ödems mit Beschleunigung von Hautverfärbungen und Komplikationen. Daher ist hier eine externe Kompression – meist in Form eines Kompressionsstrumpfs –, aber auch eine apparative Entstauung möglich – dies ist viel wichtiger als die Einnahme von Diuretika. Die Kompression beim Ödem sollte in der ersten Phase der Volumenreduktion dienen – meist mit Bandagierung und je nach Indikation mit Manueller Lymphdrainage und/ oder Apparativer Intermittierender Kompression –, bis das Bein ein verringertes Volumen aufweist. In der zweiten Phase muss dieses gehalten werden, zum Beispiel mit Kompressionsstrümpfen und wiederum je nach Indikation mit Manueller Lymphdrainage und/oder apparativer Entstauung. Eine AIK bei Lymphödem wird üblicherweise mit schenkellangen Manschetten mit bis zu 12 Kammern oder mit Entstauungshosen durchgeführt, obwohl eine Studie in der Erhaltungsphase nach Entstauung keine Überlegenheit gegenüber Einkammersystemen nachweisen konnte 6. Die zunehmend auftretenden Wadenödeme bei adipositasbedingter Lymphabflussstörung werden seit Jahren auch mit wadenlangen Geräten behandelt, die frei verkäuflich sind. Sie sind zum einen besser handhabbar, weil die Oberschenkel dieser Patienten oft unförmig sind und spezieller Manschetten bedürfen, zum anderen kostengünstiger im Einkauf. Die Effektivität der Wadenkompressionsgeräte bei unfallchirurgischen Patienten wurde bereits belegt 4, wohingegen der direkte Vergleich der Wirksamkeit beider Gerätetypen auf das chronische Ödem und die Lebensqualität bzw. die Symptome bis zur hier vorgestellten Studie noch nicht erforscht worden ist.
Hintergrundüberlegungen zur Studie
Die Zunahme von Adipositas in der Gesellschaft ist frappierend: In Deutschland waren 2011 knapp 25 % der Menschen adipös (BMI > 30 kg/m2) 17, Tendenz weiter steigend. Die Nebenwirkung der Adipositas an den Beinen besteht in Ödemen, da die Lymphbahnen in der Leistenbeuge durch die Fettschichten im Sitzen komprimiert werden. Das hieraus resultierende Lymphödem kann zu Verhärtungen (Dermatoliposklerose) und Ulzeration führen, was den Teufelskreis der geringen Beweglichkeit mit Zunahme der Adipositas noch steigert. Die Erfahrungen vieler Ärzte bei der Verordnung einer apparativen Entstauung in dieser Situation lauten wie folgt: Entweder wird die Kostenübernahme seitens der Kasse abgelehnt, oder das Rezept findet Eingang in eine herstellerseitige Versorgungsstruktur, bei der ein extrem teures Gerät mit 12 Kammern oder gar Geräte mit Hosenmanschetten veranschlagt – und dann tatsächlich von den Kassen bewilligt – werden. In einem System, bei dem Ärzte die Patienten nach SGB V „notwendig und ausreichend“ versorgen sollen, ist aus Sicht der Studieninitiatoren diese teure Versorgung nicht nachvollziehbar. Ein Blick in Nachbarländer, in denen die Kompressionsversorgung maßgeblich in den „Selbstzahlermarkt“ sowie in die Internetverkäufe von Herstellern günstiger Alternativen zur Apparativen Intermittierenden Kompression fällt, ließ die Frage aufkommen, ob deutlich weniger aufwendige Geräte bei wadenbetonten Ödemen nicht durchaus ausreichend sein könnten. Daraus entstand der Plan zu einer Studie mit dem Titel „Wie ist die Wirksamkeit der apparativen Kompression bei Beinen mit Ödem unter Anwendung von schenkellangen und wadenlangen Stiefeln im Vergleich?“ 18, die im Folgenden vorgestellt wird.
Methode
Die Forschungsfrage der Studie lautete, ob sich schenkellange und wadenlange Entstauungsstiefel in ihrer Wirksamkeit bezüglich eines Wadenödems nach einmaliger Anwendung unterscheiden. Gemessen wurden die Umfangsmaße bzw. das Volumen der Waden nach Anwendung des schenkellangen bzw. des wadenlangen Entstauungsgerätes. Die Umfänge wurden mit dem Bandmaß an Knöchel und Wade, das Volumen und die Umfänge mit dem Gerät „BT 600“ („Bodytronic 600“, Firma Bauerfeind) gemessen. Außerdem wurden die Probanden nach ihren Symptomen befragt. Dazu wurde eine sogenannte Analogskala mit Werten von 0 („keine Beschwerden“) bis 10 („maximal mögliche Beschwerden“) verwendet, die die Beschwerden im Stehen vor und nach der Entstauung abfragte und den Bedienungskomfort der Geräte erfasste. Untersucht wurden 41 Probanden mit symmetrischer Schwellung der Waden aufgrund unterschiedlicher Ursachen, die aus den Patienten der Praxis der Verfasserin rekrutiert wurden. Alle Untersuchungen erfolgten zwischen 14 und 18 Uhr. Die Patienten wurden gebeten, am Untersuchungstag und möglichst ein paar Tage davor keine Kompressionsstrümpfe zu tragen. Die Probanden mussten einen einzigen Termin wahrnehmen, an dem folgende Schritte erfolgten:
A. Erfassen der Beschwerden vor der Entstauung, allgemeine Daten
- Übernahme der Diagnose und der Ultraschallbefunde der Beinvenen (Reflux in der tiefen oder oberflächlichen Beinvene, ggf. Hach-Stadium) sowie des Alters aus der Patientenakte;
- Patientenfragebogen zur Ausprägung der Beschwerden durch die Schwellung, Dauer der Schwellung, Tragen von Kompression und Art der Kompression;
- Fragebogen mit Fragen nach folgenden Symptomen der vergangenen Woche getrennt nach rechtem und linkem Bein: Druckgefühl, Spannungsgefühl, Schmerzgefühl,Krämpfe, Juckreiz, Kribbeln, Ziehen,Brennen, Schweregefühl, Schwellung, Stechen, Hitzegefühl oder Müdigkeit in den Beinen bzw. weitere Symptome, die angegeben werden konnten;
- Scoring der Beschwerden insgesamt in der letzten Woche je Bein und für Wade und Oberschenkel getrennt; dazu wurde eine 5‑stufige Likert-Skala von „überhaupt keine“ bis „sehr stark“ verwendet;
- Erheben des aktuellen Gewichts sowie der Körpergröße (Errechnen des BMI).
B. Stresstest im Stehen vor der Entstauung
- Die Probanden wurden gebeten, sich hinzulegen und die Beine auf einem 50 cm hohen Schaumstoffkissen für zwei Minuten zu lagern.
- Sodann kam das Messsystem „Bodytronic 600“ (Firma Bauerfeind) zum elektronischen Vermessen der Beine im Stehen zum Einsatz; dort ca. 7 Minuten unbewegtes Stehen.
- 8. Sofort nach dem Hinstellen und erneut nach 5 bis 6 Minuten wurden elektronisch die Volumina der Unter- und der Oberschenkel gemessen.
- 9. Während der je eine Minute dauernden ersten und zweiten Messung wurden die Probanden zu ihren Beinschmerzen – getrennt nach rechts und links sowie Oberschenkel und Wade – mit einer Numerischen Analogskala (NRS) von 0 bis 10 befragt („NRS Stehen vorher“ 1 und 2; daraus wurde der Mittelwert „Stehen vorher MW“ gebildet).
- Nach der ersten elektronischen Messung erfolgte eine händische Messung des Knöchel- und des oberen Wadenumfangs (B‑Maß, D- Maß).
C. Entstauungsphase
- Es erfolgte eine Randomisierung in die Gruppen „rechts lang“ und „links lang“, mit der festgelegt wurde, an welchem Bein die schenkellange bzw. die wadenlange Manschette angelegt wird.
- Zum Anlegen der Entstauungsstiefel legte sich der Proband auf eine bequeme Liege. An einem Bein wurde entsprechend der Randomisierung der lange, an dem anderen der kurze Stiefel angelegt.
- Die Probanden wurden mit einem Fragebogen nach dem Befinden an der Wade im Liegen gefragt, getrennt nach linkem und rechtem Bein („NRS Liegen vorher“). Sie durften während der 30 Minuten dauernden Behandlung nicht aufstehen, bei Bedarf zwar ein Glas (200 ml) Wasser trinken, jedoch keine anderen Getränke, insbesondere keine harntreibenden. Sie durften lesen, Musik hören oder sich anderweitig entspannen. Ein Aufstehen während der 30 Minuten hätte zum Abbruch des Tests geführt (dies trat nicht ein).
- Kurz vor Ende der Entstauung wurden die Probanden zum zweiten Mal nach ihrem Befinden im Liegen gefragt („NRS Liegen während“)
Stresstest nach der Entstauung
- Nach dem Ende der Entstauungsphase wiederholte sich die Messreihe im Stehversuch wie vor der Entstauung (elektronisch, manuell, elektronisch sowie Fragen zu Anfang und Ende des 7‑minütigen Stehens: „NRS Stehen nachher“ 1 und 2, daraus der Mittelwert „Stehen nachher MW“).
- Abschließend wurde gefragt, ob einer der beiden Stiefel wirksamer erschien und ob die Probanden einen der beiden Stiefel empfehlen würden.
Verwendete Geräte
Beim langen Stiefel handelte es sich um ein 12-Kammer-System namens „Lymphamat Gradient 300“ der Firma Bösl (Abb. 1a), eingestellt auf einen Druck von 40 mmHg. Beim kurzen Stiefel handelte es sich um den „Venenwalker basic“ (Abb. 1b), ein 2‑Kammer-System (Fußsohlenkammer und Wadenkammer) der FirmaGlobal- Mind, eingestellt auf 40 mmHg.
Ergebnisse
41 Probanden nahmen an der Studie teil, davon 37 Frauen und 4 Männer. Das mittlere Alter lag bei 47,1 Jahren (min. 21, max. 75), der mittlere BMI bei 30,1 kg/m2 (min. 17,4, max. 40,7). Im Mittel hatten die Patienten seit 12,1 Jahren geschwollene Beine. 95 % der Patienten trugen regelmäßig Kompressionsstrümpfe, davon 56 % wadenlange. 21 Beine wurden in die Gruppe „links lang“ randomisiert, 20 Beine in die Gruppe „rechts lang“. 4 Probanden trugen am Tag der Untersuchung an beiden Beinen Kompressionsstrümpfe, die anderen waren der Anweisung gefolgt, keine Kompression am Untersuchungstag anzulegen. Mit 63 % waren Probandinnen mit Lipödem am häufigsten vertreten, gefolgt von 12 % mit reinem Lymphödem. Mischformen von Phlebödem, Lip- und Lymphödemen sowie Ödemen anderer Ursachen machten den Rest der Probanden aus. In der Studie heißt es: „Die Beschwerden in der letzten Woche vor der Behandlung sind in [Tabelle 1] dargestellt [die Angaben in eckigen Klammern beziehen sich jeweils auf den hier vorliegenden Stiefeltyp lang kurz Artikel; d. Verf.].
Stiefeltyp | lang | kurz | |
Beschwerden | MW +/- SD | MW +/- SD | p |
Schweregefühl | 3,08 +/-0,97 | 2,98 +/-1,00 | 0,378 |
Schwellung | 2,88 +/-1,01 | 2,83 +/-0,92 | 0,570 |
Müdigkeit | 2,70 +/-1,22 | 2,68 +/-1,27 | 0,661 |
Spannungsgefühl | 2,48 +/-0,82 | 2,48 +/-0,88 | 1,000 |
Druckgefühl | 2,33 +/-1,07 | 2,25 +/-1,06 | 0,446 |
Schmerzgefühl | 2,18 +/-1,04 | 2,20 +/-1,22 | 0,785 |
Beschwerden Wade | 2,65 +/-1,19 | 2,53 +/-1,15 | 0,133 |
Beschwerden OS | 1,90 +/-0,96 | 1,90 +/-0,84 | 1,000 |
Tab. 1 Beschwerden in der letzten Woche vor Behandlung in einer Visuellen Analogskala von 0 bis 10 sowie Vergleich der Beschwerden zwischen den Gruppen „lang“ und „kurz“ (p‑Wert in der rechten Spalte). MW = Mittelwert, SD = Standardabweichung, p = Signifikanz.
Es zeigte sich, dass das Symptom mit der stärksten Ausprägung das Schweregefühl war, gefolgt von Schwellung und Müdigkeit der Beine. Bei einer höchsten Bewertungszahl von 10 war die Einstufung der Beschwerden insgesamt bei circa 2,5 Punkten für die Waden […]. Es gab keine Unterschiede in Bezug auf die Beschwerden zwischen den Beinen“ 18. Zwischen 1 und 2 Punkten auf der Analogskala – also deutlich geringer – rangierten die folgenden Aspekte: Hitzegefühl, Kribbeln, Brennen, Ziehen, Krämpfe, Juckreiz und Stechen, alle ohne signifikante Unterschiede. Es folgt ein längerer Auszug aus der Studie: „Die Entwicklung der Beschwerden vor, während und nach der Behandlung ist in [Tabelle 2] sowie [Abbildung 2–5] dargestellt.
lang | kurz | lang – kurz | ||
MW +/- SD | MW +/- SD | MW Diff. +/- SD | p | |
Wade | ||||
NRS Stehen vorher 1 | 2,68 +/-2,58 | 2,28 +/-2,26 | 0,40 +/-1,29 | 0,057 |
NRS Stehen nachher 1 | 1,44 +/-1,82 | 1,05 +/-1,6 | 0,39 +/-1,27 | 0,062 |
Mittlere Diff. vorher nachher | -1,31 +/-1,67 | -1,27 +/-1,67 | -0,04 +/-1,05 | 0,821 |
p Differenz vorher/nachher | <0,001 | <0,001 | ||
NRS Stehen vorher 2 | 3,00 +/-2,56 | 2,83 +/-2,26 | 0,17 +/-1,43 | 0,448 |
NRS Stehen nachher 2 | 1,58 +/-2,08 | 1,42 +/-1,84 | 0,15 +/-1,23 | 0,438 |
Mittlere Diff. vorher nachher | -1,21 +/-2,04 | -1,24 +/-1,96 | 0,04 +/-1,08 | 0,825 |
p Differenz vorher/nachher | 0,001 | <0,001 | ||
NRS Stehen vorher MW | 2,86 +/-2,49 | 2,59 +/-2,19 | 0,27 +/-1,27 | 0,173 |
NRS Stehen nachher MW | 1,53 +/-1,79 | 1,25 +/-1,50 | 0,28 +/-1,17 | 0,132 |
Mittlere Diff. vorher nachher | -1,33 +/-1,79 | -1,34 +/-1,75 | 0,01 +/-0,92 | 0,966 |
p Differenz vorher/nachher | <0,001 | <0,001 |
Tab. 2 Entwicklung der Beschwerden auf der Visuellen Analogskala (NRS 0–10), modifiziert nach [14]. Erfasst werden die Daten im Stehen vor und nach der Behandlung mit Mittelwert und Standardabweichung je Bein, unterteilt in Spalten nach Beinen mit langem und kurzem Stiefel. In der 3. Spalte wird der Unterschied zwischen beiden Beinen bzw. zwischen dem kurzen und dem langen System erfasst und in der 4. Spalte die Signifikanz dieser Veränderung aufgeführt. Das Ergebnis des kurzen Stiefels wird von dem des langen Stiefels subtrahiert; somit zeigen positive Werte bei der Abweichung der Mittelwerte bessere Ergebnisse zugunsten des kurzen Stiefels, negative Werte zeigen bessere Ergebnisse zugunsten des langen Stiefels. In den Zeilen wird der absolute Wert je Bein angegeben: in der 1. Zeile vor der Behandlung, in der 2. Zeile während oder nach der Behandlung sowie in der 3. Zeile die mittlere Differenz des Wertes im selben Bein für die Untersuchung im Liegen vor und während der Behandlung sowie im Stehen vor und nach der Behandlung. Gezeigt werden beide Messungen (vorher/während bzw. vorher/nachher) mit Mittelwert (MW) und Standardabweichung (SD). In der jeweils 3. Zeile wird die Differenz vor und während bzw. nach der Behandlung je Bein berechnet. In allen Fällen gab es eine Verringerung der Werte, sodass das Ergebnis mit einem Minuszeichen gekennzeichnet ist. Die 4. Zeile zeigt die Signifikanz der Differenz. Signifikante Ergebnisse sind farbig hinterlegt.
Die Beschwerden im Liegen [Abb. 2, Tab. 2] an der Wade verringerten sich zwischen ‚vorher‘ und ‚während‘ signifikant für beide Stiefel. […] Während der Behandlung waren die Beschwerden mit dem kurzen Stiefel an der Wade […] signifikant niedriger (p < 0,05). Die Gesamtbewertung in Bezug auf die Beschwerden ergab keinen Unterschied zwischen beiden Modellen. Die Beschwerden im Stehen [Abb. 3 u. 4, Tab. 2] verbesserten sich nach der Behandlung signifikant im Vergleich zu den Messungen vor der Behandlung, bei Messung 1 (sofort nach dem Hinstellen), 2 (nach 7 Minuten) und dem MW, an der Wade (p < 0,001 oder < 0,001). Die beiden Systeme unterschieden sich nicht signifikant voneinander. Die Umfangsmaße vor und nach der Behandlung sind in [Tabelle 3 und Abbildung 5] dargestellt.
lang | kurz | |
MW +/- SD | MW +/- SD | |
Umfang Wade vorher | 41,71 +/-4,1 | 41,64 +/-4,12 |
Umfang Wade nachher | 41,13 +/-4,17 | 41,26 +/-4,2 |
Mittlere Diff, +/- SD | -0,58 +/-0,86 | -0,38 +/-0,97 |
p vorher/nachher | <0,001 | 0,017 |
Umfang Knöchel vorher | 24,71 +/-1,99 | 24,75 +/-2,07 |
Umfang Knöchel nachher | 24,62 +/-1,87 | 24,58 +/-2,00 |
Mittlere Diff, +/- SD | -0,10 +/-0,38 | -0,17 +/-0,38 |
p vorher/nachher | 0,121 | 0,006 |
Tab. 3 Entwicklung des Umfangs an Wade und Knöchel (cm) vor und nach der Behandlung. Erläuterungen zu den Feldern vermittelt Tabelle 2. Es gibt keine Unterschiede in den Veränderungen zwischen langen und kurzen Entstauungsstiefeln.
Mit Ausnahme des Umfangs des Knöchels unter dem langen Stiefel waren alle gemessenen Veränderungen in der erwarteten Richtung signifikant. Die Unterschiede der Ergebnisse zwischen den beiden Stiefel- Modellen waren nicht signifikant.
Die Wadenvolumina [Tab. 4, Abb. 6] nahmen im Stehen zu und wurden durch die Entstauung verringert. Der Mittelwert der beiden Messungen verringerte sich bei beiden Stiefeln signifikant nach der Behandlung. Es zeigte sich eine Tendenz, dass die Auffüllung des Wadenvolumens nach der Entstauung langsamer geschieht. Zur Beurteilung, ob ein Unterschied zwischen den beiden Geräten vorliegt (Unterlegenheit/ Nicht-Unterlegenheit) wurden die Differenzen der Mittelwerte in Bezug auf Beschwerdeskala, Umfang und Volumen errechnet. [Abbildung 7] zeigt graphisch die Mittelwerte und die 95%-Vertrauensintervalle der Differenzen. Alle Unterschiede sind weit weg von einer Signifikanz, das heißt, das 95%-Intervall liegt nie gesamthaft auf einer Seite der Null-Linie.
lang | kurz | lang – kurz | ||
Variable | MW +/- SD | MW +/- SD | MW Diff. +/- SD | p |
Vol US vorher | 3394 +/-625 | 3383 +/-627 | 11 +/-103 | 0,514 |
Vol US nachher | 3378 +/-620 | 3368 +/-618 | 10 +/-113 | 0,592 |
Mittlere Diff. +/- SD | -16 +/-50 | -15 +/-46 | -1 +/-45 | 0,877 |
p vorher/nachher | 0,047 | 0,049 |
Tab. 4 Entwicklung des Volumens (ml) am Unterschenkel (Mittelwert der beiden Messungen) vor und nach der Behandlung; Erläuterungen s. Tab. 2).
In der persönlichen Einschätzung nach Abschluss der Behandlung gaben die Probanden an, dass sie den langen Stiefel als signifikant effektiver empfanden als den kurzen (p < 0,001), den kurzen jedoch eher als angenehmer (p = 0,225). In Bezug auf die Wade fiel diese Unterscheidung nicht signifikant aus mit folgenden Aussagen: Für 17 Teilnehmer war der lange Stiefel an der Wade effektiver, für 8 der kurze. Als gleichwertig in Bezug auf die Wirkung an der Wade entschieden sich 15 Teilnehmer, 1 empfand keinen als effektiv. Eine Patientin, welche in die Auswertung nicht einbezogen wurde, brach die Studie wegen Schmerzen unter dem langen Stiefel ab. Die Frage nach der Weiterempfehlung, ebenfalls am Ende des zweiten Steh-Versuchs gestellt, ergab 14 positive Empfehlungen für den schenkellangen Stiefel, 15 Empfehlungen für den wadenlangen, 10 für beide gleich und 1 für keinen ohne Signifikanz zugunsten des einen oder anderen Modells.“ 18.
Beurteilung und Diskussion der Studie
Die Symptome in den Beinen in der Zeit vor der Untersuchung unterschieden sich nicht, die Randomisierung verlief homogen mit 20 Teilnehmern in der Gruppe „lang rechts“ und 21 in der Gruppe „lang links“. Das Beschwerdebild zwischen vor und nach der Behandlung nahm deutlich ab, das heißt, dass beide Geräte eine Verringerung der Wadenbeschwerden unmittelbar nach Hinstellen um 1,31 (lang) und 1,27 (kurz) Punkte sowie ebenso nach 7 Minuten Stehen (je 1,21 und 1,24 Punkte) hervorriefen; beides war hoch signifikant. Interessant ist, dass die Volumen- und die Beschwerdezunahme an der Wade nach der Entstauungsphase langsamer ausfällt (Abb. 3 u. 5). Die Studienergebnisse ähneln den Ergebnissen mit Stehversuchen auf dem „BT 600“ mit und ohne Kompressionsstrümpfe aus der Blättler-Studie19. Somit scheinen Systemfehler bei der Studie ausgeschlossen zu sein. Insgesamt waren die Ödeme in dieser Studie nicht sehr ausgeprägt: Zum einen handelte es sich um eine erste Annäherung an die Fragestellung der kurzen Stiefel bei nicht ausgeprägten Krankheitsbildern, zum anderen hatten die Autoren der Studie Bedenken, Patienten mit ausgeprägten Ödemen die Kompression einen ganzen Tag lang vorzuenthalten [14]. Auch fällt auf, dass das reduzierte Volumen nur wenige Milliliter beträgt. Es korreliert jedoch mit den Volumenänderungen nach einem Tag Tragen der Kompression bzw. im Stehversuch im Vergleich mit und ohne Kompression 1920 und scheint auf das Beschwerdebild bereits einen signifikanten Einfluss auszuüben. Die sehr signifikanten Ergebnisse lassen die Vermutung zu, dass auch bei ausgeprägten Wadenödemen, zum Beispiel bei Adipositas, eine Wirksamkeit des nur wadenlangen Entstauungsgerätes gegeben wäre. Mit einer einmaligen Behandlung kann die Nachhaltigkeit der Wirkung auf das Alltagsleben nicht festgestellt werden, jedoch kann man davon ausgehen, dass diese Wirkung jeden Tag neu eintritt, ebenso wie beim täglichen Tragen von Kompression oder beim Einnehmen von Tabletten.
Anwendbarkeit in der Praxis
Viele Menschen klagen über Beinschwellung und Schweregefühl. Lautder Bonner Venenstudie geben 23 % der Frauen und 11 % der Männer Schweregefühle in den Beinen in den letzten Wochen an 21. Dies entspricht einem Viertel der erwachsenen Frauen und einem Zehntel der erwachsenen Männer. Wenn sich diese Personen selbstinitiativ um Abhilfe ihrer Symptome kümmern wollen, können sie natürlich Stütz- und leichteKompressionsstrümpfe wählen. Durch die hier vorgestellte Studie 18 wird dargelegt, dass die auf dem freien Markt erhältlichen wadenlangen Entstauungsstiefel mit Motor und zwei durch Ventile getrennten Kammern eine erschwingliche und wirksame Alternative zur Symptomlinderung darstellen. Dies ist besonders vor dem Hintergrund interessant, dass die eingangs erwähnten adipositasbedingten Ödeme immer häufiger vorkommen und damit die sozialpolitisch und makroökonomisch durchaus relevante Frage der Behandlungskosten im Raum steht. Die beiden Forscher schreiben in diesem Zusammenhang: „Der Nachweis der Volumenreduktion und Verringerung der Beschwerden mit einem kleinen wadenlangen Gerät in diesem nicht sehr symptomatischen Kollektiv legt nahe, dass eine große Bevölkerungsgruppe von dieser kleinen Lösung schon ausreichend profitieren würde“ 18. Die Beantwortung der Frage, inwieweit die Therapie mit kurzen Entstauungsstiefeln auch bei Patienten mit ausgeprägten Ödemen sinnvoll und hilfreich ist, muss weiteren Studien vorbehalten bleiben.
Fazit
Die vorgestellte Studie zeigt, dass Wadenbeschwerden, verursacht durch leichte Ödeme und Schwellungen, nachweislich sowohl symptomatisch als auch messbar durch Veränderung des Volumens mittels ausschließlich wadenlanger Entstauungsstiefel behandelt werden können. Dies sollte bei der Verordnung von Entstauungsgeräten und bei der Versorgung von Patienten deutlicher präsent werden, um sinnvolle Kosteneinsparungen zu ermöglichen und ggf. auch Patienten eine Alternative zur Erstattung durch die Krankenkassen zu bieten.
Die Autorin:
Dr. med. Erika Mendoza
Venenpraxis
Speckenstraße 10
31515 Wunstorf
erika.mendoza@t‑online.de
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
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