OT: Ein Anforderungsprofil zu erarbeiten steht an erster Stelle Ihrer Checkliste. Wie gelingt das?
Elke Park: Jeder Fachbetrieb ist individuell, vor allem die Grundrisssituation. Anhand des geplanten Flächenkonzepts werden die Kunden jeweils individuell betreut. Das Anforderungsprofil ist daher das A und O unserer Arbeit. Darauf basieren alle Ideen und Entwürfe. Deshalb muss das Profil gemeinsam sehr sorgfältig erarbeitet werden. Manche Inhaber:innen kommen bereits mit sehr konkreten Vorstellungen zu uns, andere geben eher sehr vage Richtungen vor. Jedoch entscheidend ist, dass ich die leitenden Personen eines Fachbetriebs in eine zukünftige Ausrichtung führe und die Wünsche in ein Raumkonzept übersetze.
OT: Wie war das bei Familie Hahn?
Park: Das Ehepaar Hahn kam von Beginn an mit einem klaren Ideenkonzept auf mich zu. Versorgung plus Freiverkauf sollten im Mittelpunkt des Hauses stehen. Dies beeinflusste im Wesentlichen das Innenraumkonzept mit großzügig gestalteten Kabinen, um neben den Versorgungsutensilien ebenfalls Produkte im Versorgungsumfeld darzustellen. Wir haben das Ideenpuzzle strukturiert und eine solide Basis erarbeitet, auf der aufgebaut werden konnte.
OT: Das klingt eher nüchtern. Der Auftritt des Sanitätshauses Hellbach wirkt aber sehr warm und erinnert eher an ein Einrichtungshaus. Wie kam es dazu?
Park: Susanne Hahn liebt Dekoration. Auch das war Teil des Anforderungsprofils. Daher entwickelten wir den für das Haus so relevanten und im Konzept integrierten „Hellbach-Dekorations-Style“, der eigentlich ein eigenes Visual Merchandising ist. Zudem designten wir Mobiliar für die Beratung in den Kabinen sowie ein besonderes Warenpräsentationssystem, welches Frau Hahn vielerlei Gestaltungsfreiheit an Accessoires ermöglicht. Unser Grundkonzept von Farbe und Material erzeugt zusätzlich eine warme Atmosphäre. Im Ergebnis entstand die vom Ehepaar geforderte Ansprache und Versorgung der Kund:innen durch den individuell designten Wohlfühl-Style mit hohem Technik-Knowhow für ein funktionierendes Flächenkonzept. Das zieht sich auch im Bereich der Lip- und Lymphödemversorgung als Gesamtbild für die Kundenwirkung und Versorgungsprozesse durch.
OT: Das Ehepaar Hahn veranstaltet regelmäßig Events in seinen Räumen. Was bedeutet das für Sie als Planerin?
Park: Tatsächlich mussten wir Modenschauen oder Informationsabende bei der räumlichen Gestaltung mit in das Entwurfskonzept einbeziehen. Dafür ist nicht nur eine hohe Flexibilität im Mittelraum des Sanitätshauses gefordert, sondern auch ein eigens dazu entwickeltes Beleuchtungskonzept. Entsprechend veränderbar haben wir die Lichttechnik und das Mobiliar gestaltet, um auf die unterschiedlichen Raumsituationen reagieren zu können: z. B. ein eigens designter Vorlagetisch zum Auslegen der Produkte auf Rädern.
OT: Welche Anforderungen an Ihr Planungsbüro stellten Andreas Wylenzek und Edith Winterstein?
Park: Ziel der Unternehmensleitung für den Neubau war eine Gestaltung, die eine prozessorientierte und effiziente Arbeit ermöglicht. In einem gemeinsamen Workshop „Open your eyes: neue Wege im Fachhandel“ haben wir auf dieser Grundlage den entsprechenden Anforderungskatalog gemeinsam erarbeitet. Ergebnis: Hauptcredo war die Ausrichtung auf eine Digitalisierungs-Innovation von der Logistik über die Shopfläche bis hin zur Verwaltung. Erwähnenswert ist, dass der Grundriss an sich sehr schwierig für die gesamten Ansprüche war.
OT: Das klingt mehr nach Werkstatt. Wie haben Sie dieses Ziel ins Sanitätshaus übersetzt?
Park: Wir entwickelten ein Leitbild zu diesem speziellen Vital-Hilden-Konzept: Der großzügige Showroom, die eigentliche Ladenfläche, lässt den Kunden beim Betreten bereits das gesamte Leistungsspektrum erkennen: von der Laufanalyse, einer Teststrecke für Prothesenträger:innen und vieles mehr bis hin zur Einlagenversorgung. Dazu gehört auch eine digitale Stele, die unter anderem die Lymph- und Lipödemversorgung als Touchmonitor darstellt. Haptik und virtuell dargestellte Produkte sind neue Versorgungsabläufe. Sie machen Kund:innen bereits mit der Versorgung vertraut und nehmen ihnen etwaige Hemmschwellen auf dem Weg in die Anproben. Diese Transparenz bezieht Kund:innen in die Customer Journey vom ersten Betreten an ein, sodass es selbst bei Wartezeiten nicht langweilig wird.
OT: Was heißt das für den Lip- und Lymphödembereich?
Park: Dieses Konzept wurde in die Gestaltung der Kabine zur Lip- und Lymphversorgung transferiert. Die Lymphkabine ist räumlich so angeordnet, dass sich die Vermessung, Versorgung und darüber hinaus gegebenenfalls noch Brustversorgung in einer von der Ladenfläche abgewandten und diskreten Raumzone befinden. Die Größe der Anprobe und technische Geräteausstattung, ein Messsystem, wurden berücksichtigt, was die Versorgung effizient und prozessorientiert für die Mitarbeiter:innen, aber gleichsam angenehm und einfühlsam für die Kund:innen gestaltet.
OT: Wie oft sollten Inhaber:innen über das Thema Neugestaltung ihres Lip- oder Lymphödemsegments nachdenken?
Park: Speziell in diesem Bereich ist die technische Entwicklung unglaublich schnell. Inhaber:innen sollten alle zwei bis drei Jahre ihr Raumkonzept überprüfen. Oftmals erlebe ich, dass die Häuser neue Geräte mit anderen Ausmaßen als den bisherigen anschaffen, die nicht mehr in den vorgesehenen Raum passen. Das ist zwar verständlich und logisch, zerstört aber nicht selten die Konzeptstrategie. Die Fragen, die sich hier den Inhaber:innen stellen, sind: Bin ich noch auf dem neuesten technischen Stand und wenn nicht, will ich ihn erreichen und damit folglich in eine Neugestaltung investieren? Denn die Anprobe aus einem Guss für die Kundschaft zu präsentieren, ist im Sinne der Gesamthomogenität und damit empfiehlt sich das Wohlfühlambiente eines Fachbetriebs.
Die Fragen stellte Ruth Justen.
Eine mögliche Checkliste zur Neu- oder Umgestaltung von Ladenflächen der Fachbetriebe oder Gesamtarchitektur aus der Sicht des Planungsbüros Parkraum von Elke Park:
- Analyse: Anforderungsprofil erarbeiten
- Entwurfskonzept: kreative Ideenlösungen präsentieren
- Ausführungsplanung: vom Wunsch zur Realität: Planung modifizieren
- Technische Gebäudeausrüstung (TGA)-Planung: Haustechnik und Elektro in Planung integrieren
- Angebots- und Vergabephase: Kosten kontrollieren
- Baubetreuung vor Ort: Gewerke setzen um
- Abnahme und Rechnungskontrollen: Fertigstellung einleiten
Beispiele für die Neu- und Umgestaltung des eigenen Sanitätshauses mit Fokus auf Lip- und Lymphödemversorgung lesen Sie hier.
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