„Sen­so­mo­to­ri­sche“ Ein­la­gen­ver­sor­gung – kri­ti­sche Dis­kus­si­on des Begriffs

L. Lastring
Die Verwendung des Begriffs der „sensomotorischen“ Einlagenversorgung erinnert bisweilen an die babylonische Sprachverwirrung: Unter dem Sammelbegriff „sensomotorisch“ werden „propriozeptive“,„afferenzstimulierende“ oder „neurologische“ Einlagen subsumiert, um nur einige zu nennen. Manchmal werden die Namen der Entwickler oder Hersteller als Ergänzung angefügt (z. B. Jahrling-, Springer- oder Aich-Einlagen), manchmal wird in der Bezeichnung auf die Bauweise angespielt (z. B. „Plättchen-Einlagen“), manchmal werden Kunstbegriffe gewählt (z. B. „podoätiologische“ Einlagen). Diese sprachliche Vielfalt, die auch die tatsächliche Vielfalt der unterschiedlichen Konzepte unter dem Oberbegriff „sensomotorisch“ widerspiegelt, erschwert die fachliche Diskussion darüber, was diese neueren Einlagentypen tatsächlich bewirken und wodurch ihre Wirkung hervorgerufen wird. Ziel dieses Artikels ist es, diese Vielfalt zu strukturieren, die möglichen Wirkungsweisen zu differenzieren und klarere Bezeichnungen für die genannten Einlagentypen vorzuschlagen.

Ein­lei­tung

Laut Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis sind Ein­la­gen „funk­tio­nel­le Orthe­sen zur Stüt­zung, Bet­tung oder Kor­rek­tur von Fuß­de­for­mi­tä­ten“ 1. Die­se gän­gi­ge Ein­tei­lung fin­det sich bei­spiels­wei­se auch in Stan­dard­wer­ken wie der „Ortho­pä­di­schen Tech­nik“ von Hoh­mann und Uhl­ig 2. Dabei wird unter „Stüt­zung“ eine Kopie des Soh­len­re­li­efs in gewalt­los erreich­ba­rer Stel­lungs­ver­bes­se­rung, unter „Bet­tung“ ein Belas­tungs­aus­gleich oder eine Ent­las­tung ein­zel­ner Soh­len­ab­schnit­te und unter „Kor­rek­tur“ eine Wachs­tums­len­kung ver­stan­den 2. Die Ein­tei­lung erfolgt also mit­tels Beschrei­bung der vor­herr­schen­den Funk­ti­on einer Einlage.

Eine „sen­so­mo­to­ri­sche“ Ein­la­ge, also eine Ein­la­ge, die für sich in Anspruch nimmt, über die Sti­mu­la­ti­on sen­so­ri­scher Ele­men­te eine moto­ri­sche Reak­ti­on her­vor­zu­ru­fen, passt nicht in die­se klas­si­sche Namens­ge­bung, da der Aus­druck „sen­so­mo­to­risch“ nur einen indi­rek­ten Hin­weis auf die Funk­ti­on der damit bezeich­ne­ten Ein­la­ge dar­stellt. Zwar wird mög­li­cher­wei­se auch hier­bei durch die bio­me­cha­ni­sche Wir­kung der für sol­che Ein­la­gen typi­schen Pelot­tie­run­gen eine gewalt­los erreich­ba­re Stel­lungs­ver­bes­se­rung erreicht – gleich­zei­tig wird aber aus die­ser Stel­lungs­ver­bes­se­rung her­aus auch eine ver­bes­ser­te mus­ku­lä­re Kon­trol­le (ent­we­der nur des Fuß- bzw. Sprung­ge­lenk­sys­tems oder aber auch der gesam­ten Kör­per­hal­tung) pos­tu­liert. Die kor­rek­te Beschrei­bung der Funk­ti­on einer „sen­so­mo­to­ri­schen“ Ein­la­ge wäre dann also „eine die Mus­kel­ak­ti­vi­tät beein­flus­sen­de“ Ein­la­ge. In die­sem Ziel glei­chen sich alle „sen­so­mo­to­ri­schen“ Ein­la­gen – der Weg dahin kann aber völ­lig ver­schie­den aus­ge­stal­tet sein.

Eine ers­te Struk­tu­rie­rung „sen­so­mo­to­ri­scher“ Ein­la­gen kann laut Bera­tungs­aus­schuss Ortho­pä­die­schuh­tech­nik der DGOOC über die Höhe und Fes­tig­keit der ver­wen­de­ten Pelot­tie­rung erfol­gen. Unter­schie­den wird dem­nach zwi­schen zwei Typen von Ein­la­gen 3:

  1. „sen­so­mo­to­ri­schen, pro­prio­zep­ti­ven Fuß­or­the­sen“ mit höhe­ren Pelot­tie­run­gen (3–20 mm) aus einem Mate­ri­al mit einer Här­te von bis zu 40 Shore‑A (Abb. 1) und
  2. „neu­ro­lo­gi­schen“ Ein­la­gen („d. h. Fuß­or­the­sen bei neu­ro­lo­gi­schen und neu­ro­or­tho­pä­di­schen Krank­heits­bil­dern“) mit Pelot­tie­run­gen von bis zu 4 mm und einer Här­te bis zu 60 Shore‑A (Abb. 2).

Die­se Unter­schei­dung nach Auf­bau­hö­he und Fes­tig­keit der Pelot­tie­run­gen erscheint durch­aus sinn­voll. Denn wie anhand der Abbil­dun­gen 1 und 2 erkenn­bar ist, gibt es einen deut­li­chen opti­schen Unter­schied zwi­schen bei­den Vari­an­ten. Die Zuord­nung der fla­che­ren Vari­an­te zu neu­ro­lo­gi­schen und neu­ro­or­tho­pä­di­schen Krank­heits­bil­dern deckt sich aber nicht mit Aus­sa­gen aus der ein­schlä­gi­gen Lite­ra­tur: So wer­den höher pelot­tier­te Ein­la­gen durch­aus auch bei neu­ro­lo­gi­schen Erkran­kun­gen ein­ge­setzt 4, wäh­rend fla­che­re Ein­la­gen häu­fig auch bei rei­nen Hal­tungs­schwä­chen ohne neu­ro­lo­gi­sche Grund­er­kran­kung zum Ein­satz kom­men 5. Inso­fern muss die von der DGOOC vor­ge­nom­me­ne Ein­tei­lung kri­tisch hin­ter­fragt werden.

Der Begriff der „sen­so­mo­to­ri­schen“ Ein­la­ge legt nahe, dass die­se Ein­la­gen die sen­so­ri­sche Wahr­neh­mung (Affe­renz) am Beginn des sen­so­mo­to­ri­schen Regel­krei­ses in der Wei­se beein­flus­sen, dass am Ende eine ver­än­der­te – im Ide­al­fall opti­mier­te – moto­ri­sche Reak­ti­on (Effe­renz) steht. Zum bes­se­ren Ver­ständ­nis die­ses Zusam­men­hangs lässt sich das sen­so­ri­sche Sys­tem zunächst grob in Extero­zep­to­ren (zur Umwelt­wahr­neh­mung) und Pro­prio­zep­to­ren (zur Eigen­wahr­neh­mung) unter­tei­len. Wenn aber Pro­prio­zep­ti­on inte­gra­ler Bestand­teil des sen­so­mo­to­ri­schen Sys­tems ist, erscheint die bis­wei­len vor­ge­nom­me­ne Unter­schei­dung zwi­schen „sen­so­mo­to­ri­schen“ und „pro­prio­zep­ti­ven“ Ein­la­gen zumin­dest sprach­lich unscharf.

Unter­stützt wer­den die Wahr­neh­mung und auch die Bewe­gungs­ko­or­di­na­ti­on durch das ves­ti­bu­lä­re Sys­tem, den Gleich­ge­wichts­sinn. Nicht ver­ges­sen wer­den darf bei die­ser Unter­tei­lung die Nozi­zep­ti­on (Schmerz­emp­fin­dung). Die­se ist allen ande­ren Wahr­neh­mungs­ar­ten über­ge­ord­net und führt somit zu nicht will­kür­lich beein­fluss­ba­ren Reak­tio­nen. Das hat zur Fol­ge, dass jede Ein­la­gen­ver­sor­gung, die als schmerz­haft emp­fun­den wird, nicht eine wil­lent­lich kon­trol­lier­te, son­dern eine unwill­kür­li­che Reak­ti­on zur Fol­ge hat. Mög­li­cher­wei­se war dies auch der Grund, wes­halb die Übungs­ein­la­ge nach Spit­zy sich nicht durch­set­zen konn­te, obwohl dabei ein „sen­so­mo­to­ri­scher“ Grund­ge­dan­ke ver­folgt wur­de: Bei der Spit­zy-Ein­la­ge, die laut Baur et al. in den 1940er Jah­ren eine gewis­se Popu­la­ri­tät erreicht hat­te, han­del­te es sich um eine ein­fa­che Leder­soh­le, auf die im Bereich der Längs­wöl­bung eine Kugel auf­ge­bracht war. Über den Schmerz beim Absin­ken der Längs­wöl­bung soll­te eine mus­ku­lä­re Anhe­bung erfol­gen. Im Grund­satz han­del­te es sich also um einen sen­so­mo­to­ri­schen Behand­lungs­an­satz. Ver­mut­lich konn­te sich die­ses Ver­sor­gungs­kon­zept aber des­we­gen nicht eta­blie­ren, weil eine Schmerz­ver­mei­dung statt durch die gewünsch­te Akti­vie­rung des M. tibia­lis pos­te­ri­or auch über vie­le ande­re, eher unphy­sio­lo­gi­sche Varia­tio­nen des Gang­bil­des mög­lich war.

Nach die­sen Vor­über­le­gun­gen wür­de man also bei einer als „sen­so­mo­to­risch“ beti­tel­ten Ein­la­ge erwar­ten, dass sich bei deren Ver­wen­dung eine ver­än­der­te Mus­kel­ak­ti­vi­tät bei­spiels­wei­se durch EMG-Ablei­tung nach­wei­sen lässt. Ins­be­son­de­re bei den höhe­ren Pelot­tie­run­gen wird man aber auch eine bio­me­cha­ni­sche Aus­wir­kung auf den Fuß nicht ver­nach­läs­si­gen können.

Um bei­den Aspek­ten gerecht zu wer­den, beschreibt der vor­lie­gen­de Arti­kel zunächst die bio­me­cha­ni­sche, stüt­zen­de Wir­kung der höher pelot­tier­ten „sen­so­mo­to­ri­schen“ Ein­la­gen und im Anschluss dar­an deren Effekt auf die mus­ku­lä­re Steue­rung, wie er von den Prot­ago­nis­ten einer sol­chen Ver­sor­gung pos­tu­liert wird. Abschlie­ßend wird auf „neu­ro­lo­gi­sche“ Ein­la­gen ein­ge­gan­gen. Als Bei­spiel für die höher pelot­tier­te Vari­an­te wird die Ver­sor­gung eines Knick­fu­ßes mit einer sen­so­mo­to­ri­schen Ein­la­ge vorgestellt.

Bio­me­cha­ni­sches Erklä­rungs­mo­dell für die ein­zel­nen Ele­men­te der „sen­so­mo­to­ri­schen“ Ein­la­gen­ver­sor­gung beim Knickfuß

Das Grund­pro­blem eines Knick­fu­ßes ist die Val­gusstel­lung des Fer­sen­beins durch unge­nü­gen­de akti­ve Sta­bi­li­sie­rung. Aus die­ser Ever­si­ons­stel­lung im unte­ren Sprung­ge­lenk ergibt sich ohne Aus­gleichs­be­we­gung in der Fuß­wur­zel ein Absin­ken des Fuß­in­nen­ran­des. Durch die Boden­re­ak­ti­ons­kraft bei Vor­fuß­kon­takt wird die media­le Sei­te jedoch ange­ho­ben, sodass sich eine rela­ti­ve Supi­na­ti­on des Vor­fu­ßes im Ver­hält­nis zum ever­tier­ten Rück­fuß ergibt. Dadurch wird die Längs­wöl­bung abge­flacht und der Vor­fuß in Abduk­ti­on gedrängt. Die Vor­fuß­ab­wei­chung ergibt sich also aus der Kom­pen­sa­ti­on des abwei­chen­den Rück­fu­ßes, sodass bei einer Ver­sor­gung die Rück­fuß­kor­rek­tur als Ers­tes betrach­tet wer­den muss.

Media­le Anstüt­zung am Fersenbein

Wenn das Grund­pro­blem eines Knick­fu­ßes die Val­gusstel­lung der Fer­se ist, so muss eine Ein­la­gen­ver­sor­gung auch am Fer­sen­bein anset­zen und ver­su­chen, die­ses auf­zu­rich­ten. Hier kommt das viel­fach beschrie­be­ne Sus­ten­ta­cu­lum tali ins Spiel, an dem nach ver­brei­te­ter Lehr­mei­nung der höchs­te Punkt der media­len Längs­wöl­bungs­stüt­ze ver­or­tet wer­den soll. Schon die Bezeich­nung „Längs­wöl­bungs­stüt­ze“ deu­tet aber an, dass die­ses Ele­ment gar nicht die Auf­ga­be hat, das Fer­sen­bein auf­zu­rich­ten, son­dern die Längs­wöl­bung zu unter­stüt­zen. In der ent­spre­chen­den Abbil­dung bei Hohmann/Uhlig 2 befin­det sich dem­entspre­chend ein dicker Pfeil als Sym­bol für die Kraft­ein­lei­tung unter dem höchs­ten Punkt der Ein­la­ge am Talus­kopf – dort, wo sich auch ana­to­misch der höchs­te Punkt der Längs­wöl­bung befin­det, nicht am wei­ter hin­ten lie­gen­den Sus­ten­ta­cu­lum tali (Abb. 3). Trotz­dem ist im Begleit­text zur Abbil­dung zu lesen, „die Unter­stüt­zung erfolgt unter dem Sus­ten­ta­cu­lum tali“.

Offen­sicht­lich muss also bei einer Ein­la­gen­ver­sor­gung die Ent­schei­dung getrof­fen wer­den, ob in ers­ter Linie die Längs­wöl­bung gestützt wer­den soll (dann gehört die Anstüt­zung in den Bereich des Talus­kop­fes) oder ob das Fer­sen­bein auf­ge­rich­tet wer­den soll (dann gehört die Anstüt­zung in den Bereich unter­halb des Sustentaculums).

Die Höhe die­ser Anstüt­zung hängt bio­me­cha­nisch gese­hen davon ab, wie viel Unter­stüt­zung benö­tigt wird, um die Neu­tral­po­si­ti­on des Fer­sen­beins ein­zu­stel­len. Bei zu wenig Unter­stüt­zung ver­bleibt das Fer­sen­bein in einer Val­gus­po­si­ti­on. Unter Last­über­nah­me ent­steht somit ein val­gi­sie­ren­des Moment, und das Fer­sen­bein drückt mit hoher Kraft auf den Unter­stüt­zungs­punkt. Ist die Unter­stüt­zung hin­ge­gen aus­rei­chend, und das Fer­sen­bein steht senk­recht, kommt es nicht zu einem val­gi­sie­ren­den Moment, und das Stütz­ele­ment wird nicht als schmerz­haft wahr­ge­nom­men. Als wei­te­rer Para­me­ter fließt die Druck­to­le­ranz des Anwen­ders mit in die Höhen­fest­le­gung ein. Bei­de Aspek­te beein­flus­sen außer­dem die Fes­tig­keits­aus­wahl des ver­wen­de­ten Mate­ri­als. Da eine Val­gi­sie­rung des Fer­sen­beins wäh­rend der Last­über­nah­me einen phy­sio­lo­gi­schen Dämp­fungs­me­cha­nis­mus dar­stellt, darf die Här­te die­ses Stütz­ele­men­tes nicht zu hoch gewählt wer­den, um noch eine dyna­mi­sche, kon­trol­lier­te Val­gi­sie­rung zuzulassen.

Anhand die­ser Dar­stel­lung wird deut­lich, dass bei der kon­ven­tio­nel­len stüt­zen­den Ein­la­ge die Unter­stüt­zung des Wöl­bungs­sys­tems im Vor­der­grund steht, wäh­rend bei der „sen­so­mo­to­ri­schen, pro­prio­zep­ti­ven“ Ein­la­ge die Stüt­zung des Cal­ca­neus die Basis für alle übri­gen im Fol­gen­den betrach­te­ten Ele­men­te bildet.

Late­ra­le Anstüt­zung am Fersenbein

Wird eine der­art kräf­ti­ge Anstüt­zung auf der Medi­a­l­sei­te des Fer­sen­beins ange­bracht, besteht die Gefahr, dass es von die­ser Anstüt­zung abrutscht und dadurch doch wie­der ein Fer­sen­val­gus ent­steht. Um dies zu ver­hin­dern, wird ein late­ra­ler Gegen­halt benö­tigt. Bei klas­si­schen Kor­rek­tur­ein­la­gen wird ein sol­cher Gegen­halt durch einen Außen­lap­pen ver­wirk­licht. Dabei stellt sich jedoch die Fra­ge, ob die Weich­tei­le seit­lich des Fer­sen­beins über­haupt für eine Kraft­über­tra­gung geeig­net sind. Unstrit­tig dürf­te sein, dass die Fuß­soh­le ori­gi­när zur Kraft­über­nah­me gedacht ist. Was liegt also näher, als den Gegen­halt (statt mit­tels eines Außen­lap­pens) über ein in Rela­ti­on zur media­len Stüt­ze fla­cher gestal­te­tes plant­ares Ele­ment zu ver­wirk­li­chen (Abb. 4). Da die­ses Ele­ment als Gegen­halt zur media­len Stüt­ze eben­falls auf das Fer­sen­bein ein­wir­ken soll, gehört es in den vor­de­ren Bereich des Cal­ca­neus und nicht ans Cubo­id, wo es in der kon­ven­tio­nel­len Ein­la­gen­ver­sor­gung teil­wei­se zum Ein­satz kommt. Durch eine geschick­te Balan­ce des media­len und des late­ra­len Stütz­ele­men­tes lässt sich also zum einen die Neu­tral­stel­lung in der Fron­tal­ebe­ne ein­stel­len, zum ande­ren aber auch der vor­de­re Teil des Cal­ca­neus anhe­ben, auf die­se Wei­se die Nei­gung in der Sagit­tal­ebe­ne ver­bes­sern und damit auch die Span­nung auf den plantaren Struk­tu­ren reduzieren.

Außen­rand­an­he­bung

In der ter­mi­na­len Stand­pha­se erfolgt bei einer phy­sio­lo­gi­schen Mus­kel­steue­rung durch den Zug des M. tri­ceps surae und die Akti­vi­tät des M. tibia­lis pos­te­ri­or eine Vari­sie­rung des Fer­sen­beins, also eine Inver­si­on des unte­ren Sprung­ge­len­kes. Das wür­de dazu füh­ren, dass ohne Kom­pen­sa­ti­on in der Fuß­wur­zel der ers­te Strahl kei­nen Boden­kon­takt bekä­me. Daher initi­iert gleich­zei­tig die Fibu­la­ris­mus­ku­la­tur die pro­na­to­ri­sche Umwend­be­we­gung, um das Abrol­len über den ers­ten Strahl zu ermög­li­chen. Die­se phy­sio­lo­gi­sche Ver­wrin­gung sta­bi­li­siert die Fuß­wur­zel und ermög­licht dadurch den belast­ba­ren Vor­fuß­he­bel, über den dann die akti­ve Abstoß­be­we­gung mög­lich wird.

Beim Knick­fuß steht der Vor­fuß jedoch, wie oben her­ge­lei­tet wur­de, eher in einer rela­ti­ven Supi­na­ti­on. Es wird daher am Vor­fuß auf der Außen­sei­te ein Ele­ment benö­tigt, das die phy­sio­lo­gi­sche Pro­na­ti­on unter­stützt. Um hier aber nicht mit einer schie­fen Ebe­ne zu arbei­ten, auf der es zu einer Rutsch­be­we­gung käme, wird der ers­te Strahl iso­liert tie­fer­ge­legt und die Meta­tar­sa­len II bis V auf einem hori­zon­ta­len Pla­teau angehoben.

Retro­ka­pi­ta­le Stütze

Will man die Pro­na­ti­ons­un­ter­stüt­zung kon­se­quent umset­zen, so darf die­se nicht erst unter den Meta­tar­sal­köpf­chen begin­nen, son­dern muss die gesam­te Län­ge der Meta­tar­sal­strah­len ein­schlie­ßen. Folgt man dabei der ana­to­mi­schen Form der Meta­tar­sa­len, ent­steht auto­ma­tisch eine retro­ka­pi­ta­le Erhö­hung. Je nach­dem, wie stark das Wöl­bungs­sys­tem durch die rela­ti­ve Pro­na­ti­on des Vor­fu­ßes schon kol­la­biert ist, kann auch eine zusätz­li­che Anstüt­zung zur Auf­rich­tung der Quer­wöl­bung sinn­voll sein.

Zehen­bank

Neben der oben erwähn­ten Ver­wrin­gung des Fußes trägt in der Abroll­be­we­gung auch die Dor­sal­ex­ten­si­on der Zehen mit­tels Ver­span­nung der plantaren Struk­tu­ren zu einem sta­bi­len Vor­fuß­he­bel bei („Seil­win­den­me­cha­nis­mus“). Die­ser Effekt wird in der Lite­ra­tur als Ver­span­nung der Plant­ar­a­po­n­eu­ro­se bei Dor­sal­ex­ten­si­on der Zehen­grund­ge­len­ke beschrie­ben 6. Durch eine Zehen­bank kann die­se Ver­span­nung unter­stützt wer­den. Eine ech­te Zehen­bank wür­de aber zu Platz­pro­ble­men im Schuh füh­ren; somit hat sich eine Schräg­bet­tung der Zehen­bee­ren als Kom­pro­miss eta­bliert. Die pas­si­ve Ver­span­nung der plantaren Struk­tu­ren bei der Abrol­lung ist auch der Grund dafür, wes­halb alle plantaren Stütz­ele­men­te an der Ein­la­ge nur so hoch sein dür­fen, wie der Fuß es bei Dor­sal­ex­ten­si­on der Zehen zulässt – andern­falls kann es wie­der zu uner­wünsch­ten nozi­zep­ti­ven Effek­ten kommen.

So weit die rein bio­me­cha­ni­sche Betrach­tung der ein­zel­nen Ele­men­te der „sen­so­mo­to­ri­schen“ Knickfußeinlage.

„Sen­so­mo­to­ri­sches“ Erklä­rungs­mo­dell für die ein­zel­nen Ele­men­te der „sen­so­mo­to­ri­schen“ Ein­la­gen­ver­sor­gung beim Knickfuß

Die oben­ste­hen­de Auf­lis­tung der mecha­ni­schen Funk­tio­nen der ein­zel­nen Ele­men­te einer „sen­so­mo­to­ri­schen“ Ein­la­ge ver­deut­licht, dass sich für alle Ele­men­te eine bio­me­cha­nisch plau­si­ble Begrün­dung her­lei­ten lässt. Für die „sen­so­mo­to­ri­sche“ Wir­kung der kon­tu­rier­ten Vari­an­te gibt es im Wesent­li­chen zwei Erklä­rungs­mo­del­le, die jeweils unter­schied­li­che pro­prio­zep­ti­ve Ele­men­te als Begrün­dung für die Tonus­be­ein­flus­sung anfüh­ren: Das eine Modell schreibt die sen­so­mo­to­ri­sche Wir­kung dem Gol­gi-Seh­nen­or­gan zu, das ande­re der Mus­kel­spin­del. Auf die­se bei­den Erklä­rungs­mo­del­le wird im Fol­gen­den genau­er eingegangen.

Pos­tu­lier­te Ein­la­gen­wir­kung über das Golgi-Sehnenorgan

Das Gol­gi-Seh­nen­or­gan liegt im Über­gang vom Mus­kel zur Seh­ne und ist für die Mes­sung der Mus­kel­span­nung zustän­dig. Neben einer all­ge­mei­nen Regel­funk­ti­on dient es dem Über­las­tungs­schutz: Wird die Span­nung im Mus­kel zu groß, wird der Mus­kel­to­nus her­un­ter­ge­fah­ren („auto­ge­ne Hem­mung“); gleich­zei­tig wird der Tonus der ant­ago­nis­ti­schen Mus­ku­la­tur erhöht. Die Wir­kung des Gol­gi-Seh­nen­or­gans kennt jeder, der schon ein­mal einen Waden­krampf hat­te: Über die pas­si­ve Deh­nung des hyper­to­nen Mus­kels (Tri­ceps surae) bei Dor­sal­ex­ten­si­on wird die Span­nung im Mus­kel noch wei­ter erhöht und als Reak­ti­on dar­auf der Krampf gelöst.

Aus der Funk­ti­on des Gol­gi-Seh­nen­or­gans lässt sich die Grund­re­gel ablei­ten, dass ein Mus­kel, der einen zu hohen Tonus hat, gedehnt wer­den muss, um den Tonus zu sen­ken. Umge­kehrt wird dar­aus in den ein­schlä­gi­gen Erklä­rungs­mo­del­len geschlos­sen, dass ein Mus­kel, der zu wenig Akti­vi­tät zeigt, ver­kürzt wer­den muss, um ihn zu aktivieren.

Media­le und late­ra­le Anstüt­zung am Fersenbein

Über­trägt man die­ses Erklä­rungs­mo­dell auf die Knick­fuß­ver­sor­gung, so führt die Auf­rich­tung des Fer­sen­beins aus der Val­gusstel­lung bei der Last­über­nah­me zu einer Ver­län­ge­rung auf der late­ra­len Sei­te und damit zu einer Hem­mung der Fibu­la­ris­grup­pe; auf der media­len Sei­te kommt gleich­zei­tig zu einer Ver­kür­zung und damit zu einer Akti­vie­rung des M. tibia­lis posterior.

Retro­ka­pi­ta­le Stüt­ze und Zehenbank

Damit sich der M. tibia­lis pos­te­ri­or in der Tie­fe der Wade anspan­nen kann, benö­tigt er wie jeder ande­re Mus­kel bei sei­ner Akti­vie­rung eine ent­spre­chen­de Ver­grö­ße­rung sei­nes Durch­mes­sers. Liegt dar­über ein hyper­to­ner M. tri­ceps surae, wird ihm dies aber schwer­fal­len. Ent­spre­chend der Lösung des bereits erwähn­ten Waden­krampfs wird also eine plant­are Deh­nung über die Zehen­schräg­bet­tung und die Deh­nung zwi­schen den Cal­ca­ne­us­stüt­zen und der retro­ka­pi­ta­len Anstüt­zung benötigt.

Außen­rand­an­he­bung

Soll die Fibu­la­ris­grup­pe in der Vor­fuß­be­las­tung dann aktiv die Ver­wrin­gung des Fußes unter­stüt­zen, muss sie durch die Außen­rand­an­he­bung ver­kürzt und damit akti­viert werden.

Die Ein­la­gen­kon­struk­ti­on nach dem sen­so­mo­to­ri­schen Erklä­rungs­mo­dell kor­re­liert also kom­plett mit der Kon­struk­ti­on nach dem bio­me­cha­ni­schen Modell. Wel­che Wir­kung letzt­end­lich für die posi­ti­ve Beein­flus­sung des Gang­bil­des ver­ant­wort­lich ist oder ob hier eine Syn­er­gie aus bei­den geschil­der­ten Effek­ten besteht, konn­te bis­lang noch nicht wis­sen­schaft­lich belegt wer­den. Die häu­fig genann­te Stu­die von Baur et al. über die Akti­vie­rung der Fibu­la­ris­mus­ku­la­tur bei Sport­lern beschreibt die Wir­kung einer Längs­wöl­bungs­stüt­ze, kei­ner Cal­ca­ne­us­stüt­ze, und ist somit zwar metho­disch hoch­wer­tig, gibt aber über den fal­schen Ein­la­gen­typ Aus­kunft 7.

Wege­ner et al. beschrei­ben posi­ti­ve Effek­te einer „sen­so­mo­to­ri­schen“ Ein­la­gen­ver­sor­gung nach Jahr­ling bei Pati­en­ten mit Char­cot-Marie-Tooth-Erkran­kung. Bei die­sem Krank­heits­bild ist aber der sen­so­mo­to­ri­sche Regel­kreis­lauf sowohl in der Affe­renz als auch in der Effe­renz erheb­lich gestört, sodass die Ergeb­nis­se eher für eine bio­me­cha­ni­sche Wir­kungs­wei­se spre­chen 8.

Nan­cy Hyl­ton, deren Ver­sor­gungs­sys­tem vie­le Par­al­le­len zur „sen­so­mo­to­ri­schen“ Ein­la­gen­ver­sor­gung auf­weist, hat posi­ti­ve Ver­sor­gungs­er­fah­run­gen auch für Spi­na-bifi­da-Pati­en­ten geschil­dert. Wenn ihre Orthe­se bei die­ser Kli­en­tel, bei der typi­scher­wei­se eben­falls sowohl die affe­ren­ten als auch die effe­ren­ten Bah­nen gestört sind, posi­ti­ve Wir­kun­gen zeigt, kann es sich zumin­dest bei die­sen Anwen­dern nur um einen bio­me­cha­ni­schen Effekt handeln.

Die­se bio­me­cha­ni­sche Wir­kung kann auch als Erklä­rung für den posi­ti­ven Effekt der Ver­sor­gung mit „sen­so­mo­to­ri­schen“ Ein­la­gen bei Spitz­fuß­gän­gern gel­ten. Denn Ursa­che eines funk­tio­nel­len Spitz­fu­ßes ist häu­fig nicht eine Spas­tik der Waden­mus­ku­la­tur, son­dern im Gegen­teil deren Hypo­to­nus. Durch die man­geln­de will­kür­li­che Anspan­nung der kon­trol­lie­ren­den Mus­ku­la­tur sind Kin­der nicht in der Lage, das kom­pli­zier­te Gebil­de „Fuß“ koor­di­niert zu unter­stüt­zen. Dies gelingt trotz media­lem Kol­laps zwar noch eini­ger­ma­ßen im beid­bei­ni­gen Stand – wenn aber in der Dyna­mik eine Ein­bein­un­ter­stüt­zung mit der Über­nah­me des vol­len Kör­per­ge­wichts kon­trol­liert wer­den muss, kommt es zu einer unkon­trol­lier­ten maxi­ma­len Anspan­nung der gesam­ten sta­bi­li­sie­ren­den Mus­ku­la­tur. Da die Plant­ar­flex­o­ren deut­lich mehr Volu­men auf­wei­sen als die Dor­sal­ex­ten­so­ren, ent­steht dar­aus ein funk­tio­nel­ler Spitz­fuß. Wird nun der Fuß und hier vor allem das Fer­sen­bein durch eine indi­vi­du­el­le Ein­la­ge gestützt, macht das Kind die Erfah­rung, dass gar kei­ne maxi­ma­le Anspan­nung der Mus­ku­la­tur erfor­der­lich ist, um Sta­bi­li­tät zu erhal­ten. Vor die­sem Hin­ter­grund hat es dann mög­li­cher­wei­se die Chan­ce, koor­di­nier­te will­kür­li­che Bewe­gun­gen zu entwickeln.

Wis­sen­schaft­lich bele­gen lässt sich der vor­ge­stell­te bio­me­cha­ni­sche Erklä­rungs­an­satz letzt­lich eben­so wenig wie der sen­so­mo­to­ri­sche. Im Gegen­teil exis­tiert sogar eine Unter­su­chung von Sta­coff et al., die Zwei­fel an rein bio­me­cha­ni­schen Erklä­rungs­mo­del­len schürt 9. In der genann­ten Stu­die wur­den bei fünf gesun­den Pro­ban­den exter­ne Mar­ker für die Gang­ana­ly­se direkt im Fer­sen­bein ver­an­kert, um so des­sen Bewe­gung erfas­sen zu kön­nen. Ver­gli­chen wur­de die Fer­sen­bein­be­we­gung bei Läu­fern a) ohne Ein­la­gen, b) mit media­ler Anstüt­zung in der Längs­wöl­bung und c) mit media­ler Anstüt­zung am Fer­sen­bein, aller­dings waren dort die Stütz­ele­men­te nur maxi­mal 1 cm hoch. Die Beein­flus­sung der Cal­ca­neu­s­po­si­ti­on durch die Ein­la­gen erwies sich als gering und vor allem als unspe­zi­fisch; die Unter­schie­de zwi­schen den ein­zel­nen Pro­ban­den waren grö­ßer als zwi­schen den ver­schie­de­nen Einlagen.

Ande­rer­seits gibt es eine Stu­die zur Aus­wir­kung eines Längs­wöl­bungs­tapes auf die Akti­vi­tät des M. tibia­lis pos­te­ri­or, bei der die exter­ne Auf­rich­tung der Längs­wöl­bung im Durch­schnitt um 0,58 cm mit einer um 6,9 % ver­rin­ger­ten Akti­vi­tät des Mus­kels ein­her­ging, was in kom­plet­tem Gegen­satz zu den sen­so­mo­to­ri­schen Erklä­rungs­an­sät­zen steht 10.

Ein wis­sen­schaft­li­cher Nach­weis, dass der Tonus eines Mus­kels allei­ne über eine durch die Ein­la­gen­kon­struk­ti­on her­vor­ge­ru­fe­ne Ver­kür­zung oder Ver­län­ge­rung beein­flusst wer­den kann, steht also bis­lang noch aus. Aller­dings zeigt die kli­ni­sche Erfah­rung, dass Ein­la­gen, die nach die­sen Grund­prin­zi­pi­en auf­ge­baut sind, eine ent­spre­chen­de Beein­flus­sung des Gang­bil­des her­vor­ru­fen kön­nen. Bezug­neh­mend auf die Defi­ni­ti­on als „gewalt­los erreich­ba­re Stel­lungs­kor­rek­tur“ han­delt es sich bei einer nach dem beschrie­be­nen Auf­bau kon­stru­ier­ten Ein­la­ge also um eine stüt­zen­de Ein­la­ge, wenn­gleich die Kopie des Soh­len­re­li­efs nur auf die unter­stütz­ten Antei­le und nicht auf die gesam­te Fuß­soh­le zutrifft.

Für die Bezeich­nung sol­cher bio­me­cha­nisch wir­ken­der Ein­la­gen erscheint somit eine Unter­tei­lung in „wöl­bungs­stüt­zen­de“ und „rück­fuß­stüt­zen­de“ Ein­la­gen sinn­voll. Wich­tig ist in die­sem Zusam­men­hang noch die Anmer­kung, dass der Ver­sor­gungs­auf­wand für eine „rück­fuß­stüt­zen­de“ Ein­la­ge sowohl bei der Fuß­un­ter­su­chung als auch bei der Anpas­sung und Kon­trol­le ver­gli­chen mit der „wöl­bungs­stüt­zen­den“ Ein­la­ge erkenn­bar höher ist.

Pos­tu­lier­te Ein­la­gen­wir­kung über die Muskelspindel

Die Wir­kung der Mus­kel­spin­del lässt sich anschau­lich anhand des Patel­lar­seh­nen­re­fle­xes ver­deut­li­chen: Wird bei locker hän­gen­dem flek­tier­tem Knie mit dem Reflex­ham­mer auf die Seh­ne geschla­gen, regis­triert die Mus­kel­spin­del, dass sich das Mus­kel-Seh­nen-Sys­tem ver­län­gert. Um wie­der die ursprüng­li­che Län­ge her­zu­stel­len, spannt sich der Mus­kel an, und der Unter­schen­kel schwingt nach vorne.

Über­tra­gen auf die sta­bi­li­sie­ren­de Mus­ku­la­tur des Fußes kann ein ent­spre­chen­der kur­zer Druck­im­puls auf die Seh­ne des M. fibu­la­ris longus an der Late­ral­sei­te des Fußes zur Akti­vie­rung des Mus­kels füh­ren. Dass die­ser Effekt tat­säch­lich ein­tritt, konn­te von Lud­wig et al. bei 26 von 34 gesun­den Pro­ban­den mit­tels EMG-Ablei­tung nach­ge­wie­sen wer­den 11: Bei 30 % der Stand­pha­se, also beim Über­gang von der Last­über­nah­me zur mitt­le­ren Stand­pha­se, erfolg­te ein zusätz­li­cher Akti­vie­rungs­peak des M. fibu­la­ris longus, der mit einer Pla­ce­bo-Ein­la­ge nicht erreicht wur­de. Die Form die­ses Ele­men­tes unter­schei­det sich dabei deut­lich vom wei­ter oben beschrie­be­nen late­ra­len Stütz­ele­ment: In den ver­wen­de­ten Ein­la­gen wur­de bewusst auf eine plant­are Anstüt­zung ver­zich­tet – statt­des­sen weist das Akti­vie­rungs­ele­ment auf einer Höhe von durch­schnitt­lich 30 mm eine 5 bis 8 mm dicke Kon­ve­xi­tät auf, die seit­lich etwa 8 mm unter­halb des Reti­nacu­lums einen Druck­im­puls setzt. Ob der Pati­ent auf die­sen Impuls reagie­ren wird, lässt sich rela­tiv genau vor­her­sa­gen, wenn bei locker hän­gen­dem Unter­schen­kel mit einer Hand der Mus­kel­bauch des M. fibu­la­ris longus ertas­tet und mit der ande­ren Hand ein Druck­im­puls an der beschrie­be­nen Stel­le ein­ge­bracht wird: Spürt man im Mus­kel ein leich­tes Pul­sie­ren, so ist die Wahr­schein­lich­keit groß, dass die­se Akti­vie­rung auch in der Dyna­mik funktioniert.

Wie in der Stu­die gezeigt, gibt es aber auch ca. 20 % soge­nann­te „non-respon­der“, die auf einen sol­chen Impuls nicht reagie­ren. Emp­foh­len wird die­se Inter­ven­ti­on bei chro­ni­scher Insuf­fi­zi­enz der late­ra­len Sei­ten­bän­der und dadurch erfor­der­li­cher stär­ke­rer mus­ku­lä­rer Sta­bi­li­sie­rung. Für den oben beschrie­be­nen Knick­fuß­pa­ti­en­ten wäre sie sicher­lich kon­tra­pro­duk­tiv. Ob durch die wie­der­hol­te Rei­zung der Mus­kel­spin­del ein Gewöh­nungs­ef­fekt ein­tre­ten kann, wur­de in der Stu­die nicht untersucht.

Vom Her­stel­ler die­ser nach­weis­lich sti­mu­lie­ren­den Ein­la­gen wird eine ent­spre­chen­de Akti­vie­rungs­mög­lich­keit auch für den M. tibia­lis pos­te­ri­or pos­tu­liert. Ob der bis­lang feh­len­de Nach­weis die­ser Akti­vie­rung der auf­wen­di­gen, weil inva­si­ven EMG-Ablei­tung des tief­lie­gen­den Mus­kels geschul­det ist oder ob mög­li­cher­wei­se die sehr hoch am Fuß ver­lau­fen­de Seh­ne gar nicht mit einer plantaren Fuß­or­the­se erreicht wer­den kann, bleibt dabei offen. Grund­sätz­lich könn­te aber eine Ver­sor­gung mit dem beschrie­be­nen late­ra­len Ele­ment als „mus­kel­sti­mu­lie­ren­de“ Ein­la­ge bezeich­net werden.

„Neu­ro­lo­gi­sche“ Einlagen

Die „neu­ro­lo­gi­schen“ Ein­la­gen­kon­zep­te gehen auf den fran­zö­si­schen Neu­ro­lo­gen René Jac­ques Bour­di­ol zurück. Bei die­sen Ein­la­gen steht pri­mär nicht die Fuß­kor­rek­tur im Vor­der­grund, son­dern die Beein­flus­sung der Mus­kel­ket­ten bis hin­auf zu den Kie­fer­ge­len­ken. Aus Fehl­hal­tun­gen resul­tie­ren­de Beschwer­de­bil­der vor allem im Rumpf- und Hals­be­reich, aber auch in ande­ren Kör­per­re­gio­nen, sol­len durch die Ein­la­gen gelöst wer­den. Es gibt klar defi­nier­te maxi­mal 4 mm star­ke Ele­men­te an unter­schied­li­chen Posi­tio­nen des Fußes (Abb. 2). Jedem Ele­ment wer­den dabei typi­sche Beein­flus­sun­gen unter­schied­li­cher Mus­kel­ket­ten zuge­schrie­ben, jedoch reagiert nicht jeder Nut­zer in glei­cher Wei­se – daher erfolgt der Auf­bau der Ein­la­gen immer nach indi­vi­du­el­ler Tes­tung. Dafür steht dem Unter­su­cher eine Rei­he kli­ni­scher Tests zur Ver­fü­gung, die häu­fig auch dem Nut­zer eine sofor­ti­ge Rück­mel­dung über die Aus­wir­kung der ver­än­der­ten Hal­tung geben.

Der bio­me­cha­ni­sche Effekt der auf die­se Ein­la­gen auf­ge­brach­ten „Plätt­chen“ ist wahr­schein­lich deut­lich gerin­ger als bei den stüt­zen­den Ein­la­gen mit höhe­ren Pelot­tie­run­gen – eine Beein­flus­sung der Wahr­neh­mung ist aber eben­so wahr­schein­lich. Genaue­re Erklä­rungs­an­sät­ze, wel­che Rezep­to­ren für wel­che Reak­ti­on ange­spro­chen wer­den müs­sen, gibt es jedoch bis dato nicht. Eben­so lie­gen der­zeit noch kei­ne Stu­di­en zur kon­kre­ten sys­te­ma­ti­schen Tonus­be­ein­flus­sung vor. Ohlen­dorf konn­te in ihrer Dis­ser­ta­ti­on mit­tels drei­di­men­sio­na­len Rücken­scans posi­ti­ve Effek­te der von ihr als „hal­tungs­ver­bes­sern­de“ Ein­la­gen bezeich­ne­ten Ver­sor­gun­gen nach­wei­sen 5 – aller­dings waren die­se Effek­te nicht grö­ßer als in einer Ver­gleichs­grup­pe, die ein reha­bi­li­ta­ti­ves Mus­kel­auf­bau­trai­ning erhielt. Ein Sum­men­ef­fekt aus Ein­la­gen und Mus­kel­trai­ning konn­te nicht nach­ge­wie­sen werden.

Fazit

Die klas­si­sche Ein­tei­lung von Ein­la­gen erfolgt über die gewünsch­te Auf­ga­be: Kor­ri­gie­ren, Stüt­zen, Bet­ten. Sen­so­mo­to­rik ist jedoch kei­ne Auf­ga­be, son­dern ein Regel­me­cha­nis­mus. Daher soll­te ver­sucht wer­den, auch für neue­re Ver­sor­gungs­kon­zep­te Begrif­fe zu defi­nie­ren, die die jewei­li­ge Auf­ga­be der Ver­sor­gung widerspiegeln.

Beim Groß­teil der als „sen­so­mo­to­risch“ oder „pro­prio­zep­tiv“ bezeich­ne­ten Ein­la­gen han­delt es sich bei genaue­rer Betrach­tung pri­mär um bio­me­cha­nisch stüt­zen­de Ein­la­gen in gewalt­los erreich­ba­rer Stel­lungs­ver­bes­se­rung mit mög­li­cher­wei­se sekun­dä­rer Aus­wir­kung auf die mus­ku­lä­re Steue­rung. Zwar hat sich das Port­fo­lio der mög­li­chen Anstütz­punk­te und auch die Form­ge­bung schon bekann­ter Ele­men­te bei die­sen Ein­la­gen gegen­über der kon­ven­tio­nel­len Ver­sor­gung ver­än­dert – trotz­dem sind sie nach der­zei­ti­gem Stand der Wis­sen­schaft eher als „stüt­zend“ zu bezeich­nen. Der Fokus der Stüt­zung liegt aber bei der kon­ven­tio­nel­len Ein­la­gen­ver­sor­gung eher auf dem Wöl­bungs­sys­tem, bei „sen­so­mo­to­ri­schen“ Ein­la­gen dage­gen eher auf dem Fer­sen­bein. Eine sprach­li­che Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen „wöl­bungs­stüt­zen­den“ und „rück­fuß­stüt­zen­den“ Ein­la­gen erscheint somit sinn­voll, auch um dem unter­schied­li­chen Ver­sor­gungs­auf­wand gerecht zu werden.

Von der klas­si­schen Ein­tei­lung nicht erfasst sind Ein­la­gen, die mit­tels ihrer Gestal­tung eine nach­weis­lich ver­än­der­te mus­ku­lä­re Akti­vie­rung bewir­ken. Dem­entspre­chend kön­nen die­se Ein­la­gen als „mus­kel­sti­mu­lie­ren­de“ Ein­la­gen bezeich­net wer­den. Die­se Bezeich­nung könn­te auch für die bis­lang als „rück­fuß­stüt­zend“ beti­tel­ten Ein­la­gen zum Ein­satz kom­men, sobald ein ent­spre­chen­der Nach­weis der Mus­kel­sti­mu­la­ti­on geführt wer­den kann.

Im Gegen­satz zu klas­si­schen Ein­la­gen, die als pri­mä­res Ziel­or­gan den Fuß defi­nie­ren, steht bei „neu­ro­lo­gi­schen“ Ein­la­gen die Beein­flus­sung der gesam­ten Kör­per­hal­tung im Vor­der­grund. Vor­schlag für eine adäqua­te Nomen­kla­tur wäre somit der Begriff „hal­tungs­ver­bes­sern­de“ Einlage.

Der Autor:
Lud­ger Last­ring, M. Sc., OTM
Bun­des­fach­schu­le für
Ortho­pä­die-Tech­nik
Schliep­stra­ße 6–8
44135 Dort­mund
l.lastring@bufa-ot.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

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