Ein Feed­back-Trai­nings­sys­tem für selbst­stän­di­ges phy­sio­the­ra­peu­ti­sches Üben

C. Disselhorst-Klug, F. Bergamo, M. Hennes, F. Kohler
Die adäquate Rehabilitation einer stetig wachsenden Zahl von Patienten mit muskuloskelettalen Erkrankungen stellt eine zunehmende Herausforderung dar. Das Problem kann zukünftig nur gelöst werden, wenn die Patienten ihre physiotherapeutischen Übungen autonom und eigenverantwortlich durchführen. Hierbei benötigen sie jedoch individuelle Anleitung und stetige Kontrolle. Auf der Basis elastischer Bänder lässt sich ein einfaches technisches Assistenzsystem realisieren, mit dessen Hilfe Patienten ein individuell angepasstes physiotherapeutisches Übungsprogramm selbstständig durchführen können. Am Beispiel der Rehabilitation von Patienten mit Knie-TEP konnte gezeigt werden, dass sich durch das technische Assistenzsystem der Rehabilitationserfolg verglichen mit anderen Methoden signifikant verbessert.

Ein­lei­tung

Die Mög­lich­keit, sich selbst­stän­dig zu bewe­gen, ist Grund­la­ge der Hand­lungs­fä­hig­keit des Men­schen. Bewe­gungs­stö­run­gen und funk­tio­nel­le Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen erzeu­gen Schmer­zen, behin­dern und erschwe­ren häu­fig die Aus­füh­rung selbst all­täg­li­cher Tätig­kei­ten. Des­halb ist es drin­gend gebo­ten, durch geziel­te Maß­nah­men die Bewe­gungs­fä­hig­keit zu erhal­ten oder wie­der­her­zu­stel­len. Ins­be­son­de­re der Ver­lust an Lebens­qua­li­tät, aber auch die mit Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen ver­bun­de­nen Kos­ten im Gesund­heits­we­sen erfor­dern inno­va­ti­ve Ansät­ze zur Erhal­tung bzw. Wie­der­her­stel­lung des Bewe­gungs­ver­mö­gens 1 . Hier­bei müs­sen neben neu­en ope­ra­ti­ven Mög­lich­kei­ten zuneh­mend auch kon­ser­va­ti­ve Ansät­ze Anwen­dung fin­den, zu denen in beson­de­rem Maße phy­sio­the­ra­peu­ti­sche Metho­den gehören.

Die betrof­fe­nen Pati­en­ten bedür­fen einer adäqua­ten phy­sio­the­ra­peu­ti­schen The­ra­pie, die sich den aktu­el­len indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­sen und Defi­zi­ten jedes ein­zel­nen Pati­en­ten in Form und Umfang anpasst. Für eine erfolg­rei­che Wie­der­her­stel­lung der Bewe­gungs­fä­hig­keit müs­sen dar­über hin­aus die ein­zel­nen Übun­gen kor­rekt, regel­mä­ßig und in geeig­ne­ter Wei­se durch­ge­führt wer­den 2 3. In der prak­ti­schen Umset­zung beob­ach­tet und kon­trol­liert der Phy­sio­the­ra­peut den indi­vi­du­el­len Reha­bi­li­ta­ti­ons­pro­zess und lei­tet den Pati­en­ten bei des­sen Übungs­durch­füh­rung an. Die Ver­ant­wor­tung für Anlei­tung und Kon­trol­le der durch­zu­füh­ren­den Übun­gen liegt somit beim The­ra­peu­ten. Ange­sichts der wach­sen­den Zahl älte­rer Men­schen, die zuneh­mend unter funk­tio­nel­len Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen lei­den, gewinnt daher die For­de­rung nach effek­ti­ven phy­sio­the­ra­peu­ti­schen Übungs­for­men, die auto­nom vom Pati­en­ten in sei­nem häus­li­chen Umfeld durch­ge­führt wer­den kön­nen, zuneh­mend an Bedeu­tung 3 4. Ins­be­son­de­re für Pati­en­ten mit mus­ku­los­ke­letta­len Erkran­kun­gen wird die­ser Aspekt umso wich­ti­ger, je mehr sich die Lie­ge­zei­ten der Pati­en­ten ver­kür­zen und damit die post­ope­ra­ti­ve Reha­bi­li­ta­ti­on zuneh­mend in die ambu­lan­te Ver­sor­gung ver­la­gert wird.

Das Pro­blem eines auto­nom durch den Pati­en­ten durch­ge­führ­ten Trai­nings ist aller­dings, dass die Kon­trol­le der Übungs­durch­füh­rung vom The­ra­peu­ten auf den Pati­en­ten über­geht. Da zusätz­lich die Kom­po­nen­te der Anlei­tung und unmit­tel­ba­ren Beglei­tung durch den The­ra­peu­ten fehlt, ist der Pati­ent bei sei­ner Übungs­durch­füh­rung häu­fig ver­un­si­chert, was Aus­wir­kun­gen auf Qua­li­tät und Regel­mä­ßig­keit der Übungs­durch­füh­rung hat. Dar­über hin­aus feh­len dem The­ra­peu­ten wich­ti­ge Infor­ma­tio­nen über die vom Pati­en­ten auto­nom aus­ge­führ­ten Übun­gen, so dass eine indi­vi­du­el­le Adap­ti­on des Übungs­plans an den The­ra­pie­ver­lauf nur schwer mög­lich ist. Tech­ni­sche Assis­tenz­sys­te­me, die in die The­ra­pie des Pati­en­ten inte­griert wer­den und dem Pati­en­ten sowohl Anlei­tung als auch Kon­trol­le bie­ten, stel­len hier­bei einen effek­ti­ven Ansatz dar, die Pro­ble­ma­tik eines auto­no­men Trai­nings zu reduzieren.

Tech­ni­sche Assis­tenz­sys­te­me in der Rehabilitation

Ent­spre­chend der For­de­rung, dem Pati­en­ten die Mög­lich­keit zu geben, sein phy­sio­the­ra­peu­ti­sches Trai­ning selbst­stän­dig und auto­nom durch­zu­füh­ren, sind in den letz­ten Jah­ren ver­stärkt tech­ni­sche Assis­tenz­sys­te­me ent­wi­ckelt wor­den, die jedoch haupt­säch­lich in der neu­ro­lo­gi­schen Reha­bi­li­ta­ti­on Anwen­dung fin­den. Die meis­ten die­ser Assis­tenz­sys­te­me erset­zen nicht den direk­ten Kon­takt zwi­schen The­ra­peut und Pati­ent, son­dern ermög­li­chen ein zusätz­li­ches auto­no­mes Trai­ning, wobei sich allei­ne durch die Erhö­hung der Anzahl der Übungs­ein­hei­ten ein ver­bes­ser­ter The­ra­pie­er­folg ein­stellt 5. Grund­sätz­lich unter­tei­len sich die ver­füg­ba­ren Sys­te­me in Ver­fah­ren, bei denen die Bewe­gun­gen mecha­nisch gestützt oder geführt wer­den, und sol­che Ver­fah­ren, die ledig­lich die Bewe­gung über­wa­chen und so eine Kon­trol­le ermöglichen.

Zu den Ver­fah­ren, bei denen die Bewe­gun­gen mecha­nisch gestützt oder geführt wer­den, gehö­ren neben ein­fa­chen Kraft­ma­schi­nen zuneh­mend akti­ve Sys­te­me, die auf robo­ti­schen Ansät­zen beru­hen. Hier­bei unter­schei­det man zwi­schen exo­ske­let- und end­ef­fek­tor­ba­sier­ten Ansät­zen 6 7. Beim Exo­ske­lett führt und/oder kon­trol­liert der Robo­ter die Posi­ti­on und Ori­en­tie­rung jedes ein­zel­nen Seg­men­tes der Gelenk­ket­te 6. Im Gegen­satz dazu zeich­nen sich end­ef­fek­tor­ba­sier­te Ansät­ze dadurch aus, dass ledig­lich das dista­le Ende der Gelenk­ket­te vom Robo­ter geführt wird, wäh­rend der Pati­ent selbst­stän­dig die Bewe­gung in den pro­xi­ma­len Gelen­ken der Gelenk­ket­te kon­trol­liert (Abb. 1) 7 8. Da bei end­ef­fek­tor­ba­sier­ten Ansät­zen dem Pati­en­ten die Kon­trol­le über die Bewe­gung der Gelenk­ket­te der Extre­mi­tät über­las­sen ist, wird zusätz­li­che Sen­so­rik ein­ge­setzt, um die aus­ge­führ­te Bewe­gung zu kon­trol­lie­ren 8.

Robo­tisch assis­tier­te Reha­bi­li­ta­ti­ons­sys­te­me sind beson­ders dann geeig­net, wenn im Rah­men der The­ra­pie All­tags­be­we­gun­gen häu­fig repe­ti­tiv wie­der­holt wer­den müs­sen. Sie fin­den daher haupt­säch­lich in der neu­ro­lo­gi­schen Reha­bi­li­ta­ti­on Anwen­dung. Jedoch sind robo­ti­sche Reha­bi­li­ta­ti­ons­sys­te­me tech­nisch auf­wen­dig, rela­tiv teu­er und wegen ihrer Kom­ple­xi­tät in der Regel allen­falls sta­tio­när in einer Reha­bi­li­ta­ti­ons­ein­rich­tung vor­han­den, wodurch sie nur für bestimm­te, aus­ge­wähl­te Pati­en­ten­grup­pen zugäng­lich sind. Eine brei­te Ver­sor­gung von Pati­en­ten kann durch tech­nisch ein­fa­che­re Lösungs­we­ge erreicht wer­den. Hier­bei wird sich häu­fig vir­tu­el­ler Wel­ten (VR) bedient, bei denen die aus­zu­füh­ren­den und die tat­säch­lich aus­ge­führ­ten Bewe­gun­gen dem Pati­en­ten auf einem Bild­schirm visua­li­siert wer­den. Die pro­mi­nen­tes­ten Bei­spie­le hier­für, die einer brei­ten Pati­en­ten­men­ge zugäng­lich sind, basie­ren auf den Com­pu­ter­spiel­kon­so­len Wii von Nin­ten­do oder Kinect von Microsoft.

Die­se Sys­te­me bie­ten dem Pati­en­ten neben der Vor­ga­be der Bewe­gung meist zusätz­lich ein Feed­back über die aus­ge­führ­te Bewe­gung mit dem Ziel, ihn bei sei­nen Übun­gen zu moti­vie­ren, und zie­len damit zumeist auf eine Inten­si­vie­rung der Übun­gen ab 9 10. Aller­dings ist die Erfas­sung der aus­ge­führ­ten Bewe­gung unge­nau und stellt nicht sicher, dass die ein­zel­nen Übun­gen kor­rekt durch­ge­führt wer­den. Zudem ist die Vor­ga­be indi­vi­du­el­ler, pati­en­ten­be­zo­ge­ner Bewe­gun­gen als Bewe­gungs­mus­ter auf die­se Wei­se nur schwer mög­lich. Quan­ti­ta­ti­ve Daten über die aus­ge­führ­ten Bewe­gun­gen, die eine Anpas­sung der The­ra­pie an die indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­se jedes ein­zel­nen Pati­en­ten zulas­sen, wer­den in der Regel nicht erho­ben. Der Nut­zen sol­cher Spiel­kon­so­len in der Reha­bi­li­ta­ti­on von Pati­en­ten mit Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen ist daher umstrit­ten. Wie auch die robo­tisch assis­tier­te Reha­bi­li­ta­ti­on fin­den sol­che VR-basier­ten Assis­tenz­sys­te­me der­zeit haupt­säch­lich in der neu­ro­lo­gi­schen Reha­bi­li­ta­ti­on Anwendung.

Selbst- oder eigen­mo­ti­vier­tes phy­sio­the­ra­peu­ti­sches Üben wird von Pati­en­ten mit mus­ku­los­ke­letta­len Erkran­kun­gen in der kon­ser­va­ti­ven wie post­ope­ra­ti­ven Ver­sor­gung oft in Kom­bi­na­ti­on mit ein­fa­chen Trai­nings­hil­fen wie Han­teln oder resis­ti­ven Ele­men­ten (Gym­nas­tik­bän­dern oder ‑tubes) durch­ge­führt. Sie sind ein­fach zu ver­wen­den, kos­ten­güns­tig und in der Phy­sio­the­ra­pie für ein brei­tes Behand­lungs­spek­trum mus­ku­los­ke­letta­ler Erkran­kun­gen eta­bliert. Die­se Trai­nings­hil­fen bie­ten jedoch kei­ner­lei Anlei­tung und Kon­trol­le für Pati­ent und The­ra­peut. Dabei kommt es gera­de bei der Pati­en­ten­grup­pe mit mus­ku­los­ke­letta­len Erkran­kun­gen dar­auf an, dass die ein­zel­nen Übun­gen nicht nur genü­gend häu­fig wie­der­holt wer­den, son­dern dass sie auch kor­rekt aus­ge­führt wer­den. Nur so kann ver­hin­dert wer­den, dass sich schäd­li­che Aus­weich­be­we­gun­gen ein­schlei­chen und nach­hal­tig manifestieren.

Ein Feed­back-Trai­nings­sys­tem für eine auto­no­me, indi­vi­dua­li­sier­te Therapie

Um einer mög­lichst gro­ßen Zahl von Pati­en­ten mit mus­ku­los­ke­letta­len Erkran­kun­gen ein effek­ti­ves und auto­no­mes phy­sio­the­ra­peu­ti­sches Trai­ning zu ermög­li­chen, ist ein tech­ni­sches Assis­tenz­sys­tem erfor­der­lich, das kos­ten­güns­tig ist und sich ein­fach ins häus­li­che Umfeld des Pati­en­ten inte­grie­ren lässt. Dar­über hin­aus muss es dem Pati­en­ten neben einer indi­vi­du­el­len, an sei­ne per­sön­li­chen Defi­zi­te ange­pass­ten Vor­ga­be von Bewe­gun­gen (Anlei­tung) ins­be­son­de­re eine Kon­trol­le der aus­ge­führ­ten Übung ermög­li­chen, die ver­hin­dert, dass sich schäd­li­che Aus­weich­be­we­gun­gen im indi­vi­du­el­len Bewe­gungs­mus­ter des ein­zel­nen Pati­en­ten mani­fes­tie­ren 11.

Eine idea­le Grund­la­ge für ein sol­ches ein­fa­ches Reha­bi­li­ta­ti­ons­sys­tem stel­len die oben beschrie­be­nen resis­ti­ven Ele­men­te dar. Sie sind nicht nur in der Phy­sio­the­ra­pie eta­bliert, son­dern eig­nen sich dar­über hin­aus in Kom­bi­na­ti­on mit einer kraft­er­fas­sen­den Sen­so­rik dazu, Bewe­gungs­um­fang und Bewe­gungs­ge­schwin­dig­keit zu erfas­sen 11. Grund­la­ge hier­für ist die Tat­sa­che, dass sich auf­grund der elas­ti­schen Eigen­schaf­ten der resis­ti­ven Ele­men­te die Kraft, die benö­tigt wird, um das Ele­ment zu deh­nen, umso mehr erhöht, je wei­ter es aus­ge­lenkt ist (Abb. 2a). Von der Rück­stell­kraft des Ele­men­tes kann daher auf den Bewe­gungs­um­fang einer phy­sio­the­ra­peu­ti­schen Übung zurück­ge­schlos­sen werden.

Zur Mes­sung der Rück­stell­kraft wird ein U‑förmiges Bie­ge­ele­ment aus einer Alu­mi­ni­um­le­gie­rung V330 ver­wen­det, das zwi­schen dem resis­ti­ven Ele­ment und der pati­en­ten­sei­ti­gen Hal­te­rung loka­li­siert ist (Abb. 2b). Die Dimen­sio­nen des Bie­ge­ele­men­tes sind so aus­ge­legt, dass die­ses sei­ne Form durch die wäh­rend der Übung wir­ken­den Rück­stell­kräf­te nicht ändert 11. Die dadurch im Bie­ge­ele­ment her­vor­ge­ru­fe­nen Span­nun­gen wer­den durch einen Dehn­mess­strei­fen erfasst und noch im Sen­sor elek­tro­nisch so ver­ar­bei­tet, dass die gemes­se­nen Kraft­wer­te und deren zeit­li­che Ände­rung über den USB-Anschluss eines PCs auf­ge­zeich­net wer­den können.

Zur Vor­ga­be von Bewe­gun­gen und zu deren Kon­trol­le eig­nen sich visu­el­le Feed­back­ver­fah­ren, bei denen ein Soll­wert durch das Assis­tenz­sys­tem vor­ge­ge­ben und der tat­säch­lich erreich­te Wert im Ver­gleich zur Vor­ga­be dar­ge­stellt wird. Ein ent­schei­den­der Aspekt hier­bei ist, dass bereits die Vor­ga­be an die indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­se des Pati­en­ten ange­passt wird. Bei der tech­nisch assis­tier­ten Reha­bi­li­ta­ti­on mus­ku­los­ke­letta­ler Erkran­kun­gen basie­rend auf resis­ti­ven Ele­men­ten wird eine iner­tia­le Übungs­vor­ga­be in einer gemein­sa­men Sit­zung mit dem betreu­en­den The­ra­peu­ten gene­riert (Abb. 3a). Dazu lei­tet der The­ra­peut den Pati­en­ten bei des­sen indi­vi­du­el­len Übun­gen mit dem resis­ti­ven Ele­ment in gewohn­ter Wei­se an. Wäh­rend der Übungs­durch­füh­rung zeich­net der Sen­sor die auf­tre­ten­den Kräf­te als Funk­ti­on der Zeit auf. Grö­ße­re Kraft­wer­te ent­spre­chen dabei einem grö­ße­ren Bewe­gungs­um­fang, höhe­re Bewe­gungs­ge­schwin­dig­kei­ten einem stär­ke­ren Anstieg der Sen­sor­da­ten mit der Zeit (Abb. 3b). Zur Berück­sich­ti­gung des indi­vi­du­el­len Bewe­gungs­ver­mö­gens des ein­zel­nen Pati­en­ten kann der The­ra­peut zusätz­lich einen Tole­ranz­be­reich fest­le­gen, in dem eine Übungs­aus­füh­rung als gut bewer­tet wird (Abb. 3b). Der zeit­li­che Ver­lauf der Sen­sor­da­ten, die Anga­be zum Tole­ranz­be­reich sowie eine Vor­ga­be über die Häu­fig­keit, mit der die Übung wie­der­holt wer­den soll, wer­den gespei­chert und dem Pati­en­ten mit nach Hau­se gege­ben (Abb. 3c).

Zu Hau­se führt der Pati­ent auto­nom sein indi­vi­dua­li­sier­tes Trai­ning durch. Dabei wird ihm die Übungs­vor­ga­be als Kur­ve mit der Brei­te ent­spre­chend dem Tole­ranz­be­reich auf einem Bild­schirm vor­ge­ge­ben (Abb. 3d). Wäh­rend der Übung wird die aktu­el­le Übungs­aus­füh­rung als Cur­sor dar­ge­stellt, wobei die ver­ti­ka­le Posi­ti­on dem aktu­el­len Sen­sor­wert und die hori­zon­ta­le Posi­ti­on der seit Übungs­start ver­gan­ge­nen Zeit ent­spricht (Abb. 3e). Auf­ga­be des Pati­en­ten ist es, mit dem Cur­sor der vor­ge­ge­be­nen Bahn zu fol­gen. Durch das direk­te Feed­back ist er wäh­rend der Übung jeder­zeit in der Lage, die Übungs­vor­ga­be mit sei­ner tat­säch­li­chen Übungs­aus­füh­rung zu ver­glei­chen und gege­be­nen­falls direkt sei­ne Übungs­aus­füh­rung zu kor­ri­gie­ren. Da bei der gewähl­ten Dar­stel­lungs­art des Feed­backs nicht nur der Bewe­gungs­um­fang, son­dern auch des­sen Ände­rung mit der Zeit, also die Bewe­gungs­ge­schwin­dig­keit, berück­sich­tigt wird, ist der Pati­ent gezwun­gen, die mit dem The­ra­peu­ten fest­ge­leg­te Bewe­gung mög­lichst genau zu wie­der­ho­len. Abwei­chun­gen vom vor­ge­ge­be­nen Bewe­gungs­mus­ter sowie uner­wünsch­te Aus­weich­be­we­gun­gen füh­ren dazu, dass es im Ver­gleich zur Übungs­vor­ga­be zu signi­fi­kan­ten Abwei­chun­gen in Bewe­gungs­um­fang und ‑geschwin­dig­keit kommt und damit der vor­ge­ge­be­nen Bahn nicht mehr prä­zi­se gefolgt wer­den kann 11.

Nach Been­di­gung der Übung wird die Qua­li­tät der Übungs­aus­füh­rung bewer­tet. Hier­für wer­den ins­ge­samt 4 mathe­ma­ti­sche Para­me­ter her­an­ge­zo­gen, die sich aus dem Ver­gleich von Vor­ga­be und Übungs­aus­füh­rung berech­nen las­sen (Tab. 1) 11. Die Para­me­ter­wer­te wer­den dem The­ra­peu­ten als quan­ti­ta­ti­ve Grö­ße zur Ver­fü­gung gestellt und geben einen umfas­sen­den Über­blick über die Qua­li­tät der durch­ge­führ­ten Übung. Sie erlau­ben damit dem The­ra­peu­ten, die Bemü­hun­gen des Pati­en­ten zu eva­lu­ie­ren und auf der Basis quan­ti­ta­ti­ver Daten den Übungs­plan anzu­pas­sen 11. Der Pati­ent erhält eben­falls nach dem Trai­ning ein indi­rek­tes Feed­back zu sei­ner Übungs­leis­tung, indem die ein­zel­nen Para­me­ter­wer­te zu einem per­sön­li­chen „Pati­en­ten-Score” zusam­men­ge­führt werden.

Vali­die­rung des Feedback-Trainingssystems

Das vor­ge­stell­te tech­ni­sche Assis­tenz­sys­tem ermög­licht Pati­en­ten mit mus­ku­los­ke­letta­len Erkran­kun­gen, in der kon­ser­va­ti­ven wie post­ope­ra­ti­ven Ver­sor­gung ein durch den The­ra­peu­ten indi­vi­du­ell ange­pass­tes phy­sio­the­ra­peu­ti­sches Übungs­pro­gramm selbst­stän­dig durch­zu­füh­ren. Zudem wird durch die­sen Ansatz die Doku­men­ta­ti­on der Wie­der­her­stel­lung des funk­tio­nel­len Bewe­gungs­ver­mö­gens ermög­licht. Abbil­dung 4 zeigt die Ent­wick­lung der vier Para­me­ter zur Bewer­tung der Qua­li­tät der Bewe­gungs­aus­füh­rung in einem Ver­gleich zwi­schen Übun­gen mit und ohne Feed­back des Assis­tenz­sys­tems. Die Daten reprä­sen­tie­ren ver­schie­de­ne Übun­gen von ins­ge­samt 46 jun­gen, gesun­den Pro­ban­den. 16 der Pro­ban­den wie­der­hol­ten die vor­ge­ge­be­nen Übun­gen ohne visu­el­les Feed­back; 30 Pro­ban­den nutz­ten das Feed­back zur Adap­ti­on ihrer Übun­gen. Zur Bestim­mung der Signi­fi­kanz wur­de ein dop­pel­sei­ti­ger T‑Test durch­ge­führt. Alle vier Para­me­ter zei­gen eine signi­fi­kan­te Ver­bes­se­rung der Repro­du­zier­bar­keit der Übungs­aus­füh­rung unter Nut­zung des Assis­tenz­sys­tems 11.

Die Unter­su­chun­gen von Koh­ler et al. bele­gen, dass es grund­sätz­lich mög­lich ist, mit dem beschrie­be­nen tech­ni­schen Assis­tenz­sys­tem phy­sio­the­ra­peu­ti­sche Übun­gen selbst­stän­dig und mit hoher Prä­zi­si­on und Repro­du­zier­bar­keit durch­zu­füh­ren. Ver­sorgt man die Pati­en­ten zusätz­lich zu den übli­chen reha­bi­li­ta­ti­ven Maß­nah­men mit solch einem tech­ni­schen Assis­tenz­sys­tem, so kann schon wäh­rend der Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­me eine Stei­ge­rung der indi­vi­du­el­len Übungs­ein­hei­ten erreicht wer­den, ohne dass zusätz­li­ches Per­so­nal erfor­der­lich ist.

Um nach­zu­wei­sen, dass auf­grund zusätz­li­chen regel­mä­ßi­gen Trai­nings bei gleich­zei­ti­ger ent­spre­chen­der Anlei­tung und Kon­trol­le die Effi­zi­enz der Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­me ver­bes­sert wer­den kann, wur­den in enger Koope­ra­ti­on der Reha­bi­li­ta­ti­ons­kli­nik Schwert­bad Aachen mit der Ortho­pä­di­schen Kli­nik der RWTH Aachen 40 Pati­en­ten nach Implan­ta­ti­on einer Knie-TEP wäh­rend der anschlie­ßen­den Reha­bi­li­ta­ti­on beglei­tet 12. 20 Pati­en­ten fuh­ren neben den regu­lä­ren The­ra­pie­ein­hei­ten jeweils 30 Minu­ten täg­lich Fahr­ra­d­er­go­me­ter, 20 Pati­en­ten übten auto­nom mit dem tech­ni­schen Assis­tenz­sys­tem ihre indi­vi­du­ell ange­pass­ten Übun­gen. Zur objek­ti­ven Beur­tei­lung der Wie­der­her­stel­lung der Bewe­gungs­fä­hig­keit wur­den zu Beginn der Reha­bi­li­ta­ti­on und 4 Wochen spä­ter Gang­ana­ly­sen (per VICON MX) durch­ge­führt. Hier­bei wur­den die Bewe­gun­gen um die Knie­ge­lenk­ach­sen wäh­rend des Gangs ver­gli­chen 12. Abbil­dung 5 zeigt exem­pla­risch für jeweils einen Pati­en­ten jeder Grup­pe die Ver­bes­se­rung, die in der Funk­tio­na­li­tät der Knie­ge­lenks­be­we­gung wäh­rend der Reha­bi­li­ta­ti­on erreicht wer­den konnte.

Zu Beginn der Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­me lie­ßen sich kei­ne signi­fi­kan­ten Unter­schie­de in der Knie­ge­lenks­be­weg­lich­keit zwi­schen den bei­den Grup­pen fest­stel­len. Nach 4 Wochen Reha­bi­li­ta­ti­on stell­te sich in bei­den Grup­pen eine signi­fi­kan­te Ver­bes­se­rung ein. Ins­be­son­de­re bei Bewe­gun­gen um die Fle­xi­ons-/Ex­ten­si­ons­ach­se des betrof­fe­nen Knie­ge­lenks näher­ten sich die Pati­en­ten einem nor­ma­len Gang­mus­ter an, erreich­ten die­ses jedoch nicht voll­stän­dig (Abb. 5). Im Ver­gleich zum Ergo­me­ter­trai­ning konn­te durch das indi­vi­dua­li­sier­te, ange­lei­te­te Trai­ning mit Hil­fe des Assis­tenz­sys­tems eine signi­fi­kan­te Ver­bes­se­rung des Reha­bi­li­ta­ti­ons­er­fol­ges im Knie­ge­lenk erreicht wer­den 12.

Schluss­fol­ge­run­gen

Tech­ni­sche Assis­tenz ist eine wesent­li­che Vor­aus­set­zung für eine auto­no­me, indi­vi­du­ell ange­pass­te Reha­bi­li­ta­ti­on. Hier­bei muss gewähr­leis­tet wer­den, dass der Pati­ent wäh­rend der Übung durch das Assis­tenz­sys­tem indi­vi­dua­li­siert Anlei­tung und stän­di­ge Kon­trol­le erfährt. In der Reha­bi­li­ta­ti­on mus­ku­los­ke­letta­ler Erkran­kun­gen las­sen sich die­se Vor­aus­set­zun­gen durch die Nut­zung ein­fa­cher resis­ti­ver Ele­men­te schaf­fen, wodurch sich der Reha­bi­li­ta­ti­ons­er­folg ver­gli­chen mit ande­ren Reha­bi­li­ta­ti­ons­me­tho­den signi­fi­kant ver­bes­sern lässt. Selbst­stän­di­ges phy­sio­the­ra­peu­ti­sches Üben, ange­lei­tet und kon­trol­liert durch tech­ni­sche Assis­tenz, ermög­licht, dass der Pati­ent nicht nur wäh­rend der Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­me eine höhe­re Zahl von Übun­gen durch­füh­ren kann, son­dern dass über die Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­me hin­aus eine Fort­füh­rung des reha­bi­li­ta­ti­ven Trai­nings im pri­va­ten Umfeld mög­lich wird.

Inter­es­sens­kon­flikt

Die Ergeb­nis­se der vor­lie­gen­den Unter­su­chun­gen wur­den teil­wei­se bereits in der Fach­zeit­schrift „Neu­roen­gi­nee­ring and Reha­bi­li­ta­ti­on” 11 publi­ziert sowie auf den Kon­gres­sen der DKOU und VSOU 12 vor­ge­stellt. Die Unter­su­chun­gen zur Wir­kung des tech­ni­schen Assis­tenz­sys­tems in der Reha­bi­li­ta­ti­on von Pati­en­ten mit Knie-TEP wur­den finan­zi­ell von der Deut­schen Arthro­se-Hil­fe e. V. unter­stützt. Das beschrie­be­ne tech­ni­sche Assis­tenz­sys­tem – die auto­no­me, indi­vi­dua­li­sier­te The­ra­pie mus­ku­los­ke­letta­ler Erkran­kun­gen – wird der­zeit nicht kom­mer­zi­ell verwertet.

Für die Autoren:
Univ.-Prof. Dr. rer. nat.
Cathe­ri­ne Disselhorst-Klug

Lehr- und For­schungs­ge­biet Reha­bi­li­ta­ti­ons- & Präventionstechnik
Insti­tut für Ange­wand­te Medizintechnik,
RWTH Aachen University
Pau­wels­str. 20
52074 Aachen
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Begut­ach­te­ter Beitrag/Reviewed paper

Zita­ti­on
Dis­sel­horst-Klug C, Ber­ga­mo F, Hen­nes M, Koh­ler F. Ein Feed­back-Trai­nings­sys­tem für selbst­stän­di­ges phy­sio­the­ra­peu­ti­sches Üben. Ortho­pä­die Tech­nik, 2014; 65 (5): 86–92
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