Einleitung
Die Faserverbundtechnologie ist ein in der Orthopädie-Technik schon lange etabliertes Verfahren zur Herstellung leichter und gleichzeitig hochfester Bauteile. Für diese mechanischen Vorteile müssen in der konventionellen Gießtechnik aber auch Nachteile wie Geruchsbelastung und Faserstaubbelastung für den Verarbeiter in Kauf genommen werden. Mit dem Easypreg-System steht ein Verfahren zur Verfügung, das für den Verarbeiter deutlich weniger belastend und zudem wenig zeitaufwendig ist.
Das Easypreg-Verfahren
In der konventionellen Gießtechnik werden die Verstärkungsfasern trocken auf das Modell aufgebracht. Das hat zur Folge, dass beim Zuschneiden der Fasern zwangsläufig lose Partikel in die Atemluft gelangen. Zwar kann man die Partikelbelastung durch Absaugvorrichtungen und persönliche Schutzausrüstung minimieren, besser wäre es jedoch, wenn die Faserpartikel erst gar nicht in die Raumluft gelangen würden. Beim anschließenden Tränken der Fasern mit dem Harz wird eine chemische Reaktion in Gang gesetzt, die ebenfalls Partikel freisetzt, die als Geruchsbelastung wahrgenommen werden.
Beim Easypreg-Verfahren sind die Fasermaterialien bereits mit einer thermoplastischen Co-Polyamid-Matrix vorimprägniert. Während der Verarbeitung findet lediglich eine physikalische, aber keine chemische Umwandlung der Matrix statt. Der Faservolumenanteil ist vom Hersteller bereits optimal eingestellt. Da dieser Materialkomplex die Faser bindet, kann das Halbzeug ohne gesundheitliche Belastung durch Faserstaub mit einer Hand- oder Elektroschere zugeschnitten werden. Auch die Nachbearbeitung ist mit weniger Faserstaub verbunden als zum Beispiel bei Laminaten aus Epoxidharz-Prepreg. Bei Laminaten mit harten Kanten findet das Besäumen mit einer Stichsäge und einem speziellen Stichsägeblatt statt. Durch die beim Sägen entstehende Reibungswärme schmilzt die Matrix und bindet einen Großteil des Faserstaubs in größeren Klümpchen. Des Weiteren kann die Kantenbearbeitung sehr endkonturnah erfolgen, sodass Schleif- und Polierarbeiten, die sehr viel Faserstaub erzeugen, auf ein Minimum reduziert werden. Sollen die Kanten flexibel auslaufen, so wird dies bereits in die Konstruktion einbezogen. Hier wird nur im flexiblen Material besäumt, sodass überhaupt kein Faserstaub freigesetzt werden kann. In der Regel geschieht dies mit einer gebogenen mikroverzahnten Schere.
Das einlagige Faserverbund-Halbzeug kann – wie bei der konventionellen Gießtechnik gewohnt – in den gewünschten Lagen geschichtet, ausgerichtet und lokal verstärkt werden. Diese Einzellagen, die später unter Druck und Wärme miteinander verbunden werden, können zur Erleichterung des Handlings mit einem Lötkolben punktuell aneinander fixiert werden, sodass für die späteren Arbeitsschritte nur ein einzelnes Teil bewegt werden muss.
Verarbeitung per Tiefziehmaschine
Um die einzelnen Armierungslagen miteinander zu einem Laminat zu verbinden und in eine dreidimensionale Form zu bringen, ist eine Tiefziehmaschine (Vacupress oder ähnlich) mit integrierter Infrarotheizung erforderlich, wie sie in der Orthopädie-Schuhtechnik standardmäßig verwendet wird. Diese wird mit einem eigens dafür entwickelten Zusatzrahmen versehen. Das Laminat wird zwischen zwei spezielle Silikonfolien gelegt, über den vorher beschriebenen Rahmen permanent entlüftet und auf die erforderliche Temperatur erhitzt.
Der Erwärmungsvorgang wird auf der dem Modell zugewandten Seite an der dicksten Stelle der Armierung mit einem Infrarot-Thermometer kontrolliert. Hat das Material seine Verarbeitungstemperatur erreicht, wird der Tiefziehrahmen nach unten über das zuvor gelagerte und ausgerichtete Modell gefahren und arretiert.
Sodann wird ein Vakuum zwischen Modell und Silikonmatten incl. Laminat angelegt. Dies sollte behutsam erfolgen, um den Fasern die Möglichkeit zu geben, sich dreidimensional auszurichten. Durch die Dehnung der Silikonmatte wird dabei dem Gedanken, die Fasern unter Zug zu setzen, Rechnung getragen. Nach der Abkühlphase kann das Bauteil aus dem Fertigungsaufbau entnommen werden. Eine Maximalbelastung des Bauteiles sollte erst nach einigen Stunden erfolgen, nachdem die Matrix ihre teilkristalline Struktur wiederhergestellt hat.
Ein thermoplastisches Nachformen ist sehr gut möglich, da sich die Matrix beliebig oft verflüssigen lässt und die Fasern sich neu ausrichten können, z. B. bei der Beseitigung von Druckstellen. Dies sollte, um ein Delaminieren zu vermeiden, ausschließlich unter Druck erfolgen. In der Praxis geschieht dies entweder in einem Vakuumsack aus Silikon oder in der Tiefziehmaschine. Im Ergebnis erhält man ein Bauteil, das in Optik und Festigkeit industriell gefertigten Produkten entspricht.
Mit dem geschilderten Verfahren lassen sich nahezu alle orthopädietechnischen Bauteile verwirklichen. Auch die Einarbeitung von Einguss ankern für Gelenke ist möglich, erfordert aber ein wenig Erfahrung. Limitierende Faktoren sind die Größe des Modells im Verhältnis zum zur Verfügung stehenden Rahmen sowie komplexe Bauteile mit starken Hinterschneidungen. Ebenso erfordern sehr differenzierte partielle Verstärkungen etwas mehr Erfahrung.
Alternativen zum Gipsmodell
Ein Problem bei dem geschilderten Prozess ist das Material des verwendeten Modells. Im Gegensatz zur Orthopädie-Schuhtechnik wird in der Orthopädie-Technik meist nicht mit Modellen aus Holz, PUR-Hartschäumen, Kork oder anderen festen Materialien gearbeitet, sondern mit Gipsmodellen und Schaumpolsterungen, die nicht sehr stabil und belastbar bei Druck sind.
Werden Gipsmodelle nicht akribisch formschlüssig in der Vacupress gelagert, können sie durch den hohen Anpressdruck und die einwirkende Hitze (180–200 °C) brechen. Definitivpolsterungen erleiden ebenfalls eine starke Belastung, gerade wenn nachträglich Formteile, die nicht an einem Stück herstellbar sind, miteinander verschweißt werden müssen.
Um Frustration und Ausschuss zu vermeiden, ist es notwendig, die Modellherstellung zu überdenken. In vielen Fällen können einfache Hilfsmittel zur Lagerung mit in das Modell hineinkonstruiert werden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, hohl liegende Stellen mit einem Lagerbock aus Gips zu unterstützen. Im Alltag bewährt hat sich eine etwas aufwendigere, aber gut funktionierende Alternative: Von dem üblichen Gipsmodell, das bereits mit der Definitivpolsterung versehen ist, wird aus 4 mm Polyethylen ein Negativabdruck erstellt, der mit Hartschaum 400 ausgefüllt wird. Dieses Modell beinhaltet somit bereits das Volumen des Polsters und ist widerstandsfähig genug, um die Pressung mit Easypreg auszuhalten. Das bedeutet zwar auf den ersten Blick einen höheren Aufwand, aber man riskiert nicht, das Modell oder das Polster zu beschädigen. Bei Reparaturen oder Folgeversorgungen kann man den Mehraufwand an Zeit wieder einsparen. In der Summe des Aufwands ist dieser Prozess wirtschaftlich noch vertretbar. Bei sorgfältiger Auswahl der Polstermaterialien ist es auch möglich, Easypreg direkt über dem Definitivpolster zu verarbeiten. Bewährt hat sich hierbei Tepefom 20.
Ablauf der Fertigung einer Unterschenkelorthese
Die nachfolgende Fotostrecke (Abb. 1 bis 8) zeigt exemplarisch den prinzipiellen Arbeitsablauf für eine Unterschenkelorthese auf; die Abbildungen 9 bis 11 zeigen weitere Anwendungsbeispiele. Wie zu erkennen ist, sind auch komplexere Formen wie Schalen- oder Ganzbeinorthesen mit Gelenkpassteilen im Easypreg-Verfahren realisierbar. Erstaunlich an dieser Versorgung ist, dass sie ohne jegliche Sonderbehandlung der Eingussanker wie Umwickeln und Vernähen mit Verstärkungsfasern auskommt. Es scheint, dass die im Arbeitsablauf stattfindende Zugspannung auf die Carbonfaser enormes Potenzial hat – dies ist umso erstaunlicher, als es sich um einen reinen Formschluss handelt, da die Polyamidmatrix keine nennenswerte Adhäsion mit Metallen aufnimmt.
Fazit
Im Folgenden werden abschließend die Vor- und Nachteile des Verfahrens aufgeführt:
Vorteile
- thermoplastisch
- schweißbar
- hohe spezifische Festigkeit
- wenig zeitaufwendig
- wenig Faserstaubbelastung
- keine Geruchsbelastung
- unbegrenzte Lagerdauer
Nachteile
- begrenzte Modellgröße
- komplexe Formen mit starken Hinterschneidungen schwierig herzustellen
- Umfangreiche, differenzierte partielle Verstärkungen erfordern viel Erfahrung.
Ein Umdenken bzw. ein Mehraufwand bei der Modellherstellung wird belohnt mit einem Produkt von hoher spezifischer Festigkeit und hoher Oberflächenqualität. Besonders vorteilhaft stellen sich im Alltag die nachträglichen thermoplastischen Korrektur- und Reparaturmöglichkeiten dar, die bei den in der Orthopädie-Technik üblichen Laminierverfahren nicht möglich sind.
Schlussbemerkung
Der Beitrag kann nur einen ersten groben Einblick in die verwendeten Materialien und Fertigungstechniken vermitteln. Auf viele Details wurde zugunsten der Übersichtlichkeit verzichtet. Um einen sachgerechten Umgang mit dem Material und damit auch eine für den Patienten sichere Versorgungsqualität zu gewährleisten, wird eine ausführliche Produktschulung dringend empfohlen.
Der Autor:
Oliver Knobl
Orthopädietechnik Knobl
Langgasse 13
65329 Hohenstein
ot-oliver-knobl@t‑online.de
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
Knobl O. Easypreg – ein alternatives Verfahren zur Herstellung hochwertiger Faserverbünde. Orthopädie Technik, 2015; 66 (11): 22–25
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