Schmerz­lin­dern­der Effekt von Kom­pres­si­on bei aku­ter Thrombose?

H. Partsch
Im akuten Stadium einer tiefen Venenthrombose ist eine adäquate Kompression imstande, die schmerzhafte Schwellung des Beins bei mobilen Patienten zu reduzieren, die mobil bleiben und weiterhin gehen können. Diese Behandlungsmodalität bei gleichzeitiger exakter Antikoagulation basiert vorwiegend auf Erfahrung und hat eine lange Tradition in Europa. Leider gibt es bisher nur wenige randomisierte, kontrollierte Studien, die dieses Konzept unterstützen, das zudem wichtige Implikationen bezüglich der Reduzierung eines postthrombotischen Syndroms aufweist.

Ein­lei­tung

Die kli­ni­sche Sym­pto­ma­tik einer aku­ten Bein­ve­nen­throm­bo­se kann sehr varia­bel sein, wes­halb eine ein­deu­ti­ge Dia­gno­se nur durch bild­ge­ben­de Ver­fah­ren veri­fi­ziert wer­den kann. Das Voll­bild beim mobi­len Men­schen ist durch mus­kel­ka­ter­ar­ti­ge Schmer­zen in der Wade bezie­hungs­wei­se durch die schmerz­haf­te Schwel­lung eines Beins cha­rak­te­ri­siert, wobei Beschwer­den beson­ders beim Ste­hen und Gehen auf­tre­ten. Dar­aus resul­tiert ein natür­li­cher Reflex, die­se Beschwer­den durch Bett­ru­he abklin­gen zu las­sen, wobei eine Immo­bi­li­sie­rung beson­ders bei älte­ren Men­schen eine zwei­fel­haf­te Emp­feh­lung sein kann.

Hein­rich Fischer, ein Schü­ler von Paul Ger­son Unna, Erfin­der der Zinkleim­bin­de, war ein frü­her Pio­nier einer ambu­lan­ten Throm­bo­se­be­hand­lung unter Ver­wen­dung der nach ihm benann­ten Fischer-Ver­bän­de. Fischer schrieb in einem 1910 publi­zier­ten Arti­kel zur Behand­lung der Bein­ve­nen­throm­bo­se: „Kol­le­gen, wel­che sich zum ers­ten Mal das Anle­gen des Ver­ban­des anse­hen, wun­dern sich am meis­ten dar­über, dass die Pati­en­ten, bei denen häu­fig schon der Druck der Bett­de­cke uner­träg­li­che Schmer­zen ver­ur­sacht, den enor­men Druck des Ver­ban­des ohne Schmer­zen ertra­gen, ja sogar durch ihn fast schmerz­frei wer­den.“ 1 Die­se sofor­ti­ge Schmerz­re­duk­ti­on ist auch die Vor­aus­set­zung dafür, dass Pati­en­ten mit einer Throm­bo­se wei­ter mobil blei­ben kön­nen (Abb. 1). Bedau­er­li­cher­wei­se droht die­se Erfah­rung, die sich im kli­ni­schen All­tag täg­lich bestä­tigt, in Ver­ges­sen­heit zu geraten.

Leit­li­ni­en und ran­do­mi­sier­te kli­ni­sche Studien

Leit­li­ni­en medi­zi­ni­scher Fach­ge­sell­schaf­ten basie­ren heut­zu­ta­ge vor­wie­gend auf den Ergeb­nis­sen ran­do­mi­sier­ter kli­ni­scher Stu­di­en, wobei der rezen­ten Daten­la­ge beson­de­res Augen­merk geschenkt wird. Ein gutes Bei­spiel dafür, dass einer Kom­pres­si­ons­the­ra­pie bei Throm­bo­se in letz­ter Zeit immer weni­ger Bedeu­tung zuge­mes­sen wird, sind die welt­weit als Refe­renz ange­se­he­nen CHEST-Gui­de­lines des Ame­ri­can Col­lege of Chest Phy­si­ci­ans (ACCP): Wäh­rend in der Fas­sung von 2008 noch aus­drück­lich auf die rasche­re Rück­bil­dung von Schmerz und Schwel­lung hin­ge­wie­sen wird, wenn der Pati­ent mit einer pro­xi­ma­len Throm­bo­se im aku­ten Sta­di­um sofort mit Kom­pres­si­on mobi­li­siert wird 2, geht die­ses Argu­ment in den spä­te­ren Auf­la­gen völ­lig ver­lo­ren. In der dar­auf­fol­gen­den ACCP-Leit­li­nie von 2012 feh­len die­se Hin­wei­se; Kom­pres­si­ons­strümp­fe wer­den nur mehr zur Ver­hin­de­rung eines post­throm­bo­ti­schen Syn­droms (PTS) emp­foh­len 3. In der neu­es­ten Fas­sung wird auch die Indi­ka­ti­on der Ver­hin­de­rung eines post­throm­bo­ti­schen Syn­droms in Fra­ge gestellt und gegen eine rou­ti­ne­mä­ßi­ge Strumpf-Ver­ord­nung im Anschluss an eine Throm­bo­se votiert 4. In einer etwas mys­tisch klin­gen­den Zusatz­be­mer­kung wird fest­ge­stellt, dass sich die­se Emp­feh­lung nur auf die chro­ni­sche Kom­pli­ka­ti­on eines PTS kon­zen­trie­re, nicht auf Sym­pto­me, und dass bei Pati­en­ten mit aku­ten oder chro­ni­schen Sym­pto­men ein Ver­such mit Kom­pres­si­ons­strümp­fen oft gerecht­fer­tigt sei. Dem­ge­gen­über wird in der neu­es­ten deut­schen Leit­li­nie einer posi­ti­ven Wir­kung der Kom­pres­si­ons­the­ra­pie für die aku­te Throm­bo­se noch Rech­nung getra­gen. In die­ser unter Feder­füh­rung meh­re­rer Fach­ge­sell­schaf­ten im Okto­ber 2015 erschie­ne­nen Leit­li­nie „Dia­gnos­tik und The­ra­pie der Venen­throm­bo­se und der Lun­gen­em­bo­lie“ 5 heißt es: „Pri­mä­res Ziel der Kom­pres­si­ons­the­ra­pie ist zunächst die Behand­lung der aku­ten Beschwer­den, die durch die Venen­throm­bo­se ver­ur­sacht wer­den. Dabei ist ein Kom­pres­si­ons­ver­band vom Typ Fischer eben­so wirk­sam wie ein ange­pass­ter Kom­pres­si­ons­strumpf der Klas­se II [Partsch and Blaett­ler 2000].“

In der zitier­ten Ver­gleichs­stu­die 6 zwi­schen Fischer-Ver­band, Kom­pres­si­ons­strümp­fen und Bett­ru­he ohne Kom­pres­si­on konn­ten der Ver­fas­ser die­ses Bei­trags und sein Mit­au­tor zei­gen, dass sowohl der Schmerz als auch die Schwel­lung, die in den neue­ren Publi­ka­tio­nen über­haupt nicht berück­sich­tigt wird, unter Kom­pres­si­on wesent­lich rascher abklin­gen als unter Bett­ru­he ohne Kom­pres­si­on. Ent­ge­gen einer bis dahin gül­ti­gen Lehr­mei­nung konn­te gezeigt wer­den, dass Qua­li­täts­kom­pres­si­ons­strümp­fe der Klas­se II beson­ders in den ers­ten Tagen fast eben­so wirk­sam waren wie fest ange­leg­te Fischer-Ver­bän­de (Abb. 2). In den Hän­den erfah­re­ner Behand­ler ist der fes­te Kurz­zug­ver­band trotz­dem vor­zu­zie­hen. So bestand nach 9 Tagen ein signi­fi­kan­ter Unter­schied bezüg­lich Schmerz­haf­tig­keit zuguns­ten des Fischer-Ver­ban­des im Ver­gleich zum Strumpf, wie Abbil­dung 3 zeigt.

In der zitier­ten Stu­die waren die Pati­en­ten exakt anti­ko­agu­liert. Ver­bän­de und Strümp­fe schlos­sen auch den Ober­schen­kel mit ein und wur­den Tag und Nacht getra­gen. Unter die­ser The­ra­pie wur­den die Pati­en­ten ange­hal­ten, mög­lichst viel zu gehen, was auf­grund der schlag­ar­tig ein­set­zen­den Schmerz­re­duk­ti­on auch mög­lich war, doku­men­tiert durch eine Ver­bes­se­rung der Lebens­qua­li­tät und eine täg­li­che Zunah­me der zurück­ge­leg­ten Geh­stre­cke. Rou­ti­ne­mä­ßi­ge Kon­troll-Szin­ti­gra­phien konn­ten neu auf­tre­ten­de Lun­gen­em­bo­lien aus­schlie­ßen; Ultra­schall­un­ter­su­chun­gen zeig­ten ein gerin­ge­res Throm­bo­se­wachs­tum in den Kom­pres­si­ons­grup­pen im Ver­gleich zur Bett­ru­he 6.

Wei­te­re ran­do­mi­sier­te kli­ni­sche Stu­di­en zur Beein­flus­sung der aku­ten Throm­bo­se­sym­pto­ma­tik durch Kom­pres­si­on sind sel­ten. In einer Stu­die, die sich auf das Auf­tre­ten post­throm­bo­ti­scher Beschwer­den nach einem Jahr kon­zen­triert, konn­te in der aku­ten Throm­bo­se­pha­se ein signi­fi­kan­ter Rück­gang von Bein­schmer­zen regis­triert wer­den, wenn die Pati­en­ten in der ers­ten Woche mit Kom­pres­si­ons­ver­bän­den behan­delt wur­den 7.

Jün­ger et al. berich­ten in einem Ver­gleich von Bett­ru­he und Gehen mit Kom­pres­si­on bei Throm­bo­se­pa­ti­en­ten über weni­ger Rücken­schmer­zen in der Geh­grup­pe 8.

In Kana­da wur­de vor Kur­zem eine Sub-Ana­ly­se der viel zitier­ten und reich­lich kri­ti­sier­ten „SOX-Stu­die“ prä­sen­tiert, in der ein posi­ti­ver Effekt einer Kom­pres­si­ons­the­ra­pie bei aku­ter Throm­bo­se in Abre­de gestellt wird 9. In der SOX-Stu­die wur­de fest­ge­stellt, dass Kom­pres­si­ons­strümp­fe nicht imstan­de sei­en, die Häu­fig­keit eines PTS nach zwei Jah­ren zu redu­zie­ren 10. In die­ser Stu­die wur­den Kom­pres­si­ons­strümp­fe [30– 40 mmHg] oder soge­nann­te Pla­ce­boStrümp­fe den Pati­en­ten 2 bis 3 Wochen nach The­ra­pie­ein­lei­tung per Post nach Hau­se geschickt. In der Sub-Ana­ly­se 9 wur­de dem­nach eine mög­li­che Wir­kung der Kom­pres­si­on auf die aku­ten Bein­be­schwer­den der Throm­bo­se erst 2 bis 3 Wochen nach der aku­ten Pha­se unter­sucht, zu einem Zeit­punkt also, zu dem die Schmer­zen schon abge­klun­gen waren. Des­halb ist die­se Sub-Ana­ly­se nicht imstan­de, eine gül­ti­ge Aus­sa­ge über das aku­te Throm­bo­se­sta­di­um zu tref­fen 11.

Kli­ni­sche Erfah­rung und wis­sen­schaft­li­che Evidenz

Medi­zi­ni­sche Fak­ten wer­den heu­te in zuneh­men­dem Maße nur mehr auf­grund ran­do­mi­sier­ter kli­ni­scher Stu­di­en als gül­tig aner­kannt, woge­gen Erfah­run­gen bzw. Tra­di­tio­nen prin­zi­pi­ell hin­ter­fragt wer­den. Die­ser Ein­stel­lung ist so lan­ge zuzu­stim­men, solan­ge der Ver­suchs­auf­bau tat­säch­lich dem zu hin­ter­fra­gen­den Vor­ge­hen ent­spricht und nicht, wie am letz­ten Bei­spiel bezüg­lich des unter­such­ten Zeit­rah­mens gezeigt, erheb­lich davon abweicht.

In Euro­pa hat sich eine Kom­pres­si­ons­be­hand­lung zusätz­lich zur exak­ten Anti­ko­agu­la­ti­on als Basis­the­ra­pie bei tie­fer Bein­ve­nen­throm­bo­se in vie­len Zen­tren eta­bliert (Tab. 1).

Aus der Ana­ly­se von Roche-Nag­le geht her­vor, dass jün­ge­re Kol­le­gen öfter auf eine Kom­pres­si­on ver­zich­ten als älte­re. In einer Befra­gung der­sel­ben Arbeits­grup­pe, die in Kana­da bei 471 Not­fall­me­di­zi­nern durch­ge­führt wur­de, zeigt sich, dass zwar alle Pati­en­ten von einer Ver­bes­se­rung der Sym­pto­me durch Kom­pres­si­on berich­te­ten, dass aber trotz­dem eine der­ar­ti­ge Behand­lung nur bei der Hälf­te der Pati­en­ten ange­wen­det wur­de 12.

Ana­lo­ge Resul­ta­te wur­den von Kahn et al. schon im Jahr 2003 publi­ziert: In einer Fra­ge­bo­gen­ak­ti­on bei 78 Throm­bo­se­pa­ti­en­ten und 34 behan­deln­den Ärz­ten berich­te­ten 41 % der Pati­en­ten unter Kom­pres­si­on über eine Schmerz­lin­de­rung und 64 % über eine Rück­bil­dung der Bein­schwel­lung. Trotz­dem ver­ord­ne­ten nur 26 % der kana­di­schen Ärz­te Kom­pres­si­ons­strümp­fe bei aku­ter Throm­bo­se 13. Mit Ein­ver­ständ­nis von Sus­an Kahn wur­den die­sel­ben Fra­gen an euro­päi­sche und japa­ni­sche Ärz­te aus­ge­schickt, wobei 60 bis 70 % der 318 Ant­wor­ten­den anga­ben, mit Kom­pres­si­on schon im aku­ten Sta­di­um zu begin­nen 14.

Wie die ange­führ­ten Punk­te zei­gen, wer­den pati­en­ten­ori­en­tier­te Erfah­run­gen oft nicht ernst genom­men und des­halb auch in ran­do­mi­sier­ten Stu­di­en nicht aus­rei­chend beachtet.

Frü­he oder sofor­ti­ge Mobi­li­sie­rung des Thrombosepatienten?

Die zuneh­men­de Erkennt­nis, dass es sich bei der Throm­bo­se der Bein­ve­nen auf­grund der sehr häu­fi­gen Asso­zia­ti­on mit einer Lun­gen­em­bo­lie um eine poten­zi­ell bedroh­li­che Erkran­kung han­delt, hat dazu geführt, der­ar­ti­ge Pati­en­ten lie­ber ins Bett zu legen. Wir spre­chen heu­te von einer „venö­sen Throm­bo­em­bo­lie“ und schlie­ßen hier auch die frü­her als harm­los gel­ten­de ober­fläch­li­che Phle­bi­tis mit ein.

Noch immer wer­den Pati­en­ten mit einer Throm­bo­se sta­tio­när auf­ge­nom­men, nach­dem etwa in einer Not­auf­nah­me­sta­ti­on die Dia­gno­se veri­fi­ziert wur­de. Nicht sel­ten wird der Pati­ent auch auf­ge­nom­men, um sei­nen Throm­bo­se­ver­dacht zu veri­fi­zie­ren, und wäh­rend­des­sen immo­bi­li­siert. Die Alter­na­ti­ve, den Pati­en­ten zu anti­ko­agu­lie­ren und mit einer adäqua­ten Kom­pres­si­on nach Hau­se zu ent­las­sen, wird oft schon aus dem bana­len Grund nicht wahr­ge­nom­men, dass die erst­be­gut­ach­ten­de Sta­ti­on zwar eine ent­spre­chen­de Anti­ko­agu­la­ti­on ein­lei­ten kann, aber nicht über geeig­ne­te Kom­pres­si­ons­mit­tel ver­fügt 12.

Prak­ti­sche Emp­feh­lun­gen zur Kom­pres­si­ons­the­ra­pie bei aku­ter Thrombose

Der Ver­fas­ser emp­fiehlt, schon bei Ver­dacht auf eine Throm­bo­se eines mobi­len Pati­en­ten gleich­zei­tig mit Anti­ko­agu­la­ti­on und Kom­pres­si­on zu begin­nen und den Pati­en­ten wei­ter mobil zu hal­ten. Wenn etwa die Ver­dachts­dia­gno­se aus orga­ni­sa­to­ri­schen Grün­den erst nach eini­gen Tagen veri­fi­ziert wer­den kann, soll­te nie­der­mo­le­ku­la­res Hepa­rin in the­ra­peu­ti­scher Dosis ver­ab­reicht wer­den und der Pati­ent mit guter Kom­pres­si­on wei­ter­hin gehen: Dazu ver­wen­det der Ver­fas­ser Kurz­zug-Kle­be­bin­den (für den Unter­schen­kel etwa Por­elast©, über das Knie bis zur Leis­te Pan­elast©), die mit sat­tem Druck ange­legt und bei Tag und Nacht belas­sen wer­den (Abb. 1). Nicht­kle­ben­de Ver­bän­de wie etwa Coban 2 sind eine geeig­ne­te Alternative.

Ist die Dia­gno­se veri­fi­ziert, wird die Anti­ko­agu­la­ti­on fort­ge­setzt, ent­we­der mit nied­rig­mo­le­ku­la­ren Hepa­ri­nen und über­lap­pen­der ora­ler Anti­ko­agu­la­ti­on oder mit einem der neue­ren ora­len Fak­tor-Xa-Inhi­bi­to­ren, und wei­ter kom­pri­miert. Zumin­dest für die ers­ten Wochen sind fes­te, unelas­ti­sche Kom­pres­si­ons­ver­bän­de zu emp­feh­len, z. B. mit Zink­leim (Fischer-Ver­band) am Unter­schen­kel und bei Schwel­lung des Ober­schen­kels zusätz­lich einer adhä­si­ven oder kohä­si­ven Bin­de bis zur Leis­te und reich­lich Geh­übun­gen (Anfangs­druck im Ste­hen > 60 mmHg). Nach­dem die Bein­schwel­lung rasch zurück­geht, lockert sich ein sol­cher Ver­band schnell und wird des­halb in der ers­ten Woche alle 2 bis 3 Tage gewech­selt. Das prak­ti­sche Pro­blem besteht vor allem dar­in, dass der­ar­ti­ge sehr wirk­sa­me Ver­bän­de man­gels einer ent­spre­chen­den Schu­lung nur sel­ten in aus­rei­chen­der Qua­li­tät ange­legt wer­den 15.

Alter­na­tiv kön­nen auch Kom­pres­si­ons­strümp­fe im Druck­be­reich 20 bis 30 mm Hg ver­wen­det wer­den. Dabei ist zu berück­sich­ti­gen, dass vor allem das täg­li­che An- und Aus­zie­hen als belas­tend emp­fun­den wird, wes­halb zu emp­feh­len ist, allen­falls die Strümp­fe in den ers­ten Tagen auch in der Nacht zu belassen.

Obwohl bis­her kei­ne ran­do­mi­sier­ten Stu­di­en zu die­sem The­ma vor­lie­gen, kann ange­nom­men wer­den, dass die neu­en Vel­cro-Sys­te­me (z. B. Circ aid©), die vom Pati­en­ten leich­ter anzu­le­gen sind als stär­ke­re Kom­pres­si­ons­strümp­fe, eine geeig­ne­te Alter­na­ti­ve zur Reduk­ti­on aku­ter Sym­pto­me der Bein­ve­nen­throm­bo­se dar­stel­len. Ana­lo­ges gilt für eine zusätz­li­che Behand­lung mit inter­mit­tie­ren­der pneu­ma­ti­scher Kom­pres­si­on, spe­zi­ell bei Pati­en­ten mit ein­ge­schränk­ter Geh­fä­hig­keit. Ein­schlä­gi­ge Stu­di­en hier­zu sind drin­gend zu befürworten.

Die ent­schei­den­den Wirk­me­cha­nis­men der Kom­pres­si­on bestehen wahr­schein­lich weni­ger in einer Beein­flus­sung des Venen­durch­mes­sers als viel­mehr einer anti­in­flamm­a­to­ri­schen Wir­kung, die erst in letz­ter Zeit auch durch ent­spre­chen­de Unter­su­chun­gen unter­mau­ert wer­den konn­te. Vor allem in Kom­bi­na­ti­on mit Gehen führt das unnach­gie­bi­ge Kom­pres­si­ons­ma­te­ri­al zu einem rhyth­misch pul­sie­ren­den Anstieg der Scher­kräf­te am venö­sen Endo­thel, was eine Frei­set­zung anti­in­flamm­a­to­ri­scher Media­to­ren im Bereich der End­strom­bahn zur Fol­ge hat.

Pati­en­ten, die eine prak­tisch sofort ein­set­zen­de Schmerz­lin­de­rung erfah­ren, berich­ten, dass sie mit einer guten Kom­pres­si­on weni­ger Schmer­zen beim Auf­tre­ten haben und bes­ser lau­fen kön­nen. Die­se Erfah­rung ist eine wesent­li­che Vor­aus­set­zung sowohl für eine ambu­lan­te Behand­lung als auch für eine bes­se­re Com­pli­ance bezüg­lich einer län­ger­fris­ti­gen Bestrump­fung, wenn es dar­um geht, Spät­fol­gen eines post­throm­bo­ti­schen Syn­droms zu ver­hin­dern. Mit Hil­fe einer gleich­zei­ti­gen Kom­pres­si­ons­be­hand­lung kön­nen Schmer­zen und Bein­schwel­lung der­art redu­ziert wer­den, dass der Pati­ent auf Bett­ru­he am Tag ver­zich­ten und so auch rascher wie­der voll resti­tu­iert wer­den kann. Eine Fort­füh­rung der Kom­pres­si­on ist zumin­dest so lan­ge zu emp­feh­len, wie Beschwer­den bestehen. Der Pati­ent kennt die wohl­tu­en­de Wir­kung einer guten Kom­pres­si­on und wird die­se auch anwen­den, wenn im spä­te­ren Ver­lauf Beschwer­den auf­tre­ten oder wenn es dar­um geht, die­se, etwa bei einer län­ge­ren Flug­rei­se, zu verhindern.

Ein beson­ders augen­fäl­li­ger Behand­lungs­ef­fekt der Kom­pres­si­ons­the­ra­pie ist die sofort ein­set­zen­de Rück­bil­dung der Bein­schwel­lung. Die­sem ein­fach nach­weis­ba­ren Effekt wur­de bis­her kaum Rech­nung getra­gen, obwohl es die Betrof­fe­nen über­aus schät­zen, wenn das schwe­re, geschwol­le­ne Bein rasch dün­ner wird. Der Ver­fas­ser konn­te zei­gen, dass sich damit auch die Lebens­qua­li­tät signi­fi­kant ver­bes­sert 6.

Bei Nach­kon­trol­le der Pati­en­ten des Ver­fas­sers mit pro­xi­ma­ler Throm­bo­se nach zwei Jah­ren fan­den sich bei 18 von 26 Pati­en­ten, die mit Kom­pres­si­on mobil gehal­ten wur­den, kei­ne kli­ni­schen Zei­chen für ein PTS, in der Grup­pe der mit Bett­ru­he und ohne Kom­pres­si­on behan­del­ten Pati­en­ten war dies nur bei 2 von 11 der Fall 16. Auch die­ses Ergeb­nis unter­streicht die Wich­tig­keit einer effek­ti­ven Kom­pres­si­on schon im Initi­al­sta­di­um der Thrombose.

Der Autor:
Univ.-Prof. Dr. Hugo Partsch
Stein­häusl 126, Zwackgasse
A‑3033 Alt­leng­bach, Österreich
Hugo.Partsch@meduniwien.ac.at

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on Partsch H. Schmerz­lin­dern­der Effekt von Kom­pres­si­on bei aku­ter Throm­bo­se? Ortho­pä­die Tech­nik, 2016; 67 (6): 72–75
Autoren, LandArt der Stu­dieAnzahl der Throm­bo­se­pa­ti­en­tenKom­pres­si­on bei aku­ter Thrombose
Blätt­ler und Ger­lach17, Deutsch­landRegis­try6 Ärz­te, 540 Patienten92 % Heim­be­hand­lung mit Kompression
Arpa­ia et al. 18, Ita­li­enRegis­try1931 sta­tio­nä­re Patienten67 % Kom­pres­si­on bei Entlassung
Ouvry et al. 19,Frank­reichE‑Mail-Befra­gung761 Ärz­te94 % ver­ord­nen Kom­pres­si­on bei Ent­las­sung (Strümp­fe 57 %, Ver­bän­de 43 %)
Roche-Nag­le et al. 20, IrlandBefra­gung225 Ärz­te, 150 Patienten75 % des „seni­or staff“, 21 % des „juni­or staff“ ver­ord­nen Strümp­fe; 75 % der Pati­en­ten tra­gen sie täglich
Tab. 1 Ver­ord­nung von Kom­pres­si­ons­strümp­fen bei aku­ter Throm­bo­se in Europa.
  1. Fischer H. Eine neue The­ra­pie der Phle­bi­tis. Med Kli­nik, 1910; 30: 1172–1175. Zitiert nach Haid-Fischer F, Haid H. Venen­er­kran­kun­gen. 5. Auf­la­ge. Stutt­gart, New York: Thie­me Ver­lag, 1985
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