Neu­ent­wick­lung eines mecha­ni­schen Prothesenkniegelenks

H. Trebbin, J. Andrysek, J. Weigel
Das AT-Knie (All-Terrain-Knie) ist ein neu entwickeltes mechanisches Kniegelenk, das eine sehr effektive Lösung eines Kniegelenkes mit kontinuierlicher Standphasensicherung und einer variabel einstellbaren Schwungphasenfunktion darstellt. Klinische Studien haben gezeigt, dass dieses Kniegelenk im Vergleich zu anderen herkömmlichen mechanischen Kniegelenken funktionelle Vorteile für Amputierte hat. Es stellt daher eine interessante Alternative auch für höhere Mobilitätsklassen dar, die eine wasserfeste, hochfunktionelle und robuste Prothese benötigen, um die Bedürfnisse in Alltag und Freizeit zu befriedigen.

Ein­lei­tung

Die Pro­the­tik­in­dus­trie erfährt der­zeit bedeu­ten­de tech­no­lo­gi­sche Fort­schrit­te, wodurch vie­le ampu­tier­te Men­schen Zugang zu leis­tungs­star­ken Pro­the­sen­sys­te­men haben. Trans­fe­mo­ral Ampu­tier­te benö­ti­gen ein Knie­ge­lenk, das ihnen wäh­rend der Belas­tungs­pha­se Sicher­heit und Sta­bi­li­tät ver­mit­telt und wäh­rend der Schwung­pha­se eine har­mo­ni­sche und exak­te Steue­rung des Bewe­gungs­ab­laufs gewähr­leis­tet. Um dies zu errei­chen, ver­wen­den moder­ne pro­the­ti­sche Knie­ge­len­ke kom­ple­xe Sys­te­me von Sen­so­ren und elek­tro­ni­schen Steue­run­gen, die den Gang­zy­klus kon­stant über­wa­chen und durch Ver­än­de­rung des Gelenk­wi­der­stan­des der hydrau­li­schen Dämp­fung steu­ern. Wäh­rend die­se Knie­ge­len­ke zuneh­mend in der kli­ni­schen Pra­xis ein­ge­setzt wer­den, ist ihre brei­te Anwen­dung durch die hohen Anschaffungs‑, Anwen­dungs- und War­tungs­kos­ten in vie­len Fäl­len begrenzt.

Wegen ihrer Ein­fach­heit und Erschwing­lich­keit wer­den rein mecha­ni­sche Pro­the­senknie­ge­len­ke wei­ter­hin welt­weit am häu­figs­ten ein­ge­setzt. Die­se Knie­ge­len­ke, die vor­wie­gend auf ein­fa­chen gewichts­ak­ti­vier­ten Brems­sys­te­men, poly­zen­tri­schen sta­bi­li­sier­ten Gelenk­geo­me­trien und ein­fa­chen, ein­ach­si­gen frei­en oder gesperr­ten Knie­ge­len­ken auf­bau­en, sind Tech­no­lo­gien, die in ihrem Ursprung bis vor dem Zwei­ten Welt­krieg datie­ren. Die­se Mecha­nis­men sind übli­cher­wei­se mit einer ein­fa­chen rei­bungs­ab­hän­gi­gen Schwung­pha­sen­steue­rung gekop­pelt oder seit ca. 30 Jah­ren mit pneu­ma­ti­schen oder hydrau­li­schen Sys­te­men aus­ge­stat­tet. Mecha­ni­sche Ver­bes­se­run­gen hin zu mehr Funk­tio­na­li­tät waren begrenzt, sodass die Leis­tungs­fä­hig­keit die­ser Knie­ge­lenkar­ten pri­mär für schwä­che­re Mobi­li­täts­klas­sen geeig­net ist, die typi­scher­wei­se als Mob-1- oder Mob-2-Mobi­li­täts­gra­de klas­si­fi­ziert sind. Per­so­nen der Mobi­li­täts­gra­de Mob 3 oder Mob 4 in Ent­wick­lungs- und Schwel­len­län­dern, die aber kei­nen Zugang zu hydrau­li­schen oder mikro­pro­zes­sor­ba­sier­ten Knie­ge­len­ken haben, sind auf die­se ein­fa­chen Knie­me­cha­nis­men ange­wie­sen, obwohl die­se bio­me­cha­nisch und funk­tio­nell für sie nicht geeig­net sind. Dies kann zu einer weni­ger effi­zi­en­ten Mobi­li­tät, Ein­schrän­kun­gen bei der Durch­füh­rung kör­per­li­cher Akti­vi­tä­ten und zu lang­fris­ti­gen sekun­dä­ren Gesund­heits­pro­ble­men wie Rücken­schmer­zen oder Gelenk­pro­ble­men führen.

Der Impuls für die Ent­wick­lung des All-Ter­rain-Knies war es, die­se Lücke bei den pro­the­ti­schen Knie­ge­len­ken zu über­brü­cken, indem Leis­tungs­fä­hig­keit und Erschwing­lich­keit kom­bi­niert wer­den. Dem All-Ter­rain-Knie liegt die Phi­lo­so­phie zugrun­de, dass ein intel­li­gen­tes, aber ein­fa­ches Design gleich­zei­tig hohe Funk­tio­na­li­tät, Halt­bar­keit und Erschwing­lich­keit bie­ten kann. Das All-Ter­rain-Knie basiert auf zwei neu­en Mecha­nis­men, die in den letz­ten zehn Jah­ren erforscht und ent­wi­ckelt wurden:

  • Zur Stand­pha­sen­si­che­rung wur­de die auto­ma­ti­sche Stand­pha­sen­si­che­rung (ASPL) ent­wi­ckelt, um das Knie ab dem Beginn der Stand­pha­se zu sta­bi­li­sie­ren, ohne den natür­li­chen Bewe­gungs­ab­lauf zu behindern.
  • Für die Schwung­pha­sen­steue­rung bie­tet das AT-Knie einen varia­bel ein­stell­ba­ren Frik­ti­ons­me­cha­nis­mus, der durch ein ein­stell­ba­res Feder­sys­tem ergänzt wird, um eine Dämp­fung ähn­lich der von Hydrau­lik­sys­te­men zu erreichen.

Die Sys­te­me wur­den als Teil einer Rei­he von kli­ni­schen und wis­sen­schaft­li­chen Stu­di­en sorg­fäl­tig recher­chiert und getes­tet 1.

Zweck die­ses Arti­kels ist es, die tech­ni­sche Ent­wick­lung des All-Ter­rain-Knie­ge­len­kes zu ver­an­schau­li­chen und die Funk­ti­on der auto­ma­ti­schen Stand­pha­sen­si­che­rung sowie der rei­bungs­ab­hän­gi­gen Schwung­pha­sen­steue­rung zu beschrei­ben. Des Wei­te­ren wird ein Über­blick über empi­ri­sche Erkennt­nis­se aus der Anwen­dung des All-Ter­rain-Knies in kli­ni­schen Stu­di­en ver­mit­telt. Abschlie­ßend wer­den die jüngs­ten Erfah­run­gen mit dem Knie­ge­lenk aus den USA und aus Deutsch­land vor­ge­stellt, nach­dem das Gelenk nun kom­mer­zi­ell in Nord­ame­ri­ka (über Leg­Works), in Deutsch­land (über die DOI ortho-inno­va­tiv GmbH) und ande­ren Län­dern Euro­pas erhält­lich ist. Haupt­ziel die­ses Arti­kels ist es, Inter­es­sier­te über die­se neue Tech­no­lo­gie zu infor­mie­ren und eine Anlei­tung zu ver­mit­teln, wie die­se Tech­no­lo­gie am bes­ten genutzt wer­den kann, um die Bedürf­nis­se einer Viel­zahl von Pati­en­ten mit unter­schied­li­chen Wün­schen zu bedie­nen. In die­ser Hin­sicht wur­de das All-Ter­rain-Knie erfolg­reich an einer brei­ten Anzahl von Pati­en­ten im Alter zwi­schen 10 und 70 Jah­ren erprobt, die die Mobi­li­täts­klas­sen Mob 1 bis Mob 4 umfass­ten und die sowohl in Indus­trie- als auch in Ent­wick­lungs­län­dern leben.

Die Tech­nik hin­ter dem All-Terrain-Knie

Das All-Ter­rain-Knie (AT-Knie) stellt eine radi­ka­le Abkehr von pro­the­ti­schem Design und pro­the­ti­scher Funk­ti­on dar, die das der­zei­ti­ge Ver­ständ­nis der Leis­tungs­fä­hig­keit übli­cher Knie­ge­lenk­me­cha­nis­men her­aus­for­dert. Sie basiert ins­be­son­de­re auf zwei neu­ar­ti­gen Mecha­nis­men der Stand­pha­sen­si­che­rung und der Schwung­pha­sen­kon­trol­le. Die­se ein­fa­chen, aber wirk­sa­men Mecha­nis­men sind in einem Knie­ge­lenk­de­sign aus spritz­gieß­ba­ren Poly­me­ren inte­griert, wodurch Her­stel­lungs­zei­ten und ‑kos­ten redu­ziert wer­den konn­ten. Das Ergeb­nis ist ein ein­fa­ches, robus­tes, was­ser- und schmutz­ab­wei­sen­des Design, das nur weni­ge Ein­schrän­kun­gen in Bezug auf die Ein­satz­mög­lich­kei­ten des AT-Knie­ge­lenks nach sich zieht (Abb. 1).

Die Auto-Lock-Tech­no­lo­gie

Das All-Ter­rain-Knie nutzt einen gänz­lich neu­en Mecha­nis­mus: die auto­ma­ti­sche Stand­pha­sen­si­che­rung, auch „Auto-Lock“ genannt. Im Gegen­satz zu den meis­ten ande­ren mecha­ni­schen Knie­ge­len­ken (ein­schließ­lich der als sehr sicher gel­ten­den, z. B. des 3R15-Sicher­heits­knies), sperrt das Auto-Lock-Sys­tem das Knie­ge­lenk sicher vor dem Fer­sen­kon­takt, um ein hohes Maß an Sicher­heit wäh­rend der initia­len Belas­tungs­pha­se zu gewähr­leis­ten. Am Ende der Stand­pha­se wird das Knie­ge­lenk ent­rie­gelt, um eine sanf­te und bio­me­cha­nisch effi­zi­en­te Initia­li­sie­rung der Schwung­pha­se ein­zu­lei­ten. Somit ver­spürt der Benut­zer des All-Ter­rain-Knies ein leich­tes und natür­li­ches Gehen, da das Knie­ge­lenk den Gang­zy­klus zu kei­nem Zeit­punkt ein­schränkt (Abb. 2).

Vor­läu­fi­ge Stu­di­en, die den Auto-Lock-Mecha­nis­mus mit übli­chen mecha­ni­schen Knien ver­glei­chen, zei­gen die poten­zi­el­len kli­ni­schen Vor­tei­le auf. In einer mit Jugend­li­chen durch­ge­führ­ten Stu­die, die das AT-Knie mit poly­zen­tri­schen Knie­ge­len­ken ver­gleicht 2 , wur­de ein signi­fi­kan­ter Rück­gang von Stür­zen von ein­mal pro Tag zu ein­mal pro Monat fest­ge­stellt. In einer neue­ren Stu­die wur­de bei einer Grup­pe von Jugend­li­chen in einem Ver­gleich des AT-Knies mit dem gewichts­ak­ti­vier­ten Brems­knie 3R15 3 erneut eine höhe­re Sta­bi­li­tät bestä­tigt. In der­sel­ben Stu­die zeig­te sich auch eine deut­lich höhe­re Effi­zi­enz des Gehens (ein im Durch­schnitt 40 % nied­ri­ge­rer Ener­gie­ver­brauch) mit dem All-Ter­rain-Knie im Ver­gleich zum 3R15. Eine mög­li­che Erklä­rung dafür besteht in den unter­schied­li­chen Mecha­nis­men des 3R15- und des AT-Knies, da der Anwen­der des 3R15 das Pro­the­sen­bein ent­las­ten muss, um die Beu­gung ein­zu­lei­ten, wäh­rend der Anwen­der des AT-Knies durch eine natür­li­che Vor­fuß­last die Schwung­pha­se einleitet.

Wäh­rend der Auto-Lock-Mecha­nis­mus vie­le funk­tio­na­le Vor­tei­le hat, gibt es eini­ge Ein­schrän­kun­gen hin­sicht­lich des Ein­sat­zes. Zunächst ist anzu­mer­ken, dass der Mecha­nis­mus kei­nen Stol­per­schutz hat, da er ver­rie­gelt, wenn er voll­stän­dig gestreckt ist. Da das Knie­ge­lenk in Stre­ckung immer gesperrt ist, muss es zum Sit­zen durch den Benut­zer ent­sperrt wer­den. Dies kann ent­we­der durch Belas­tung des Vor­fu­ßes oder durch Ent­sper­ren des Knies durch Druck von oben auf die Knie­ab­de­ckung gesche­hen. Obwohl das AT-Knie auf den meis­ten Ter­rains gut funk­tio­niert, kann die Ent­rie­ge­lungs­funk­ti­on bei sehr stei­len Gefäl­len auf­grund unzu­rei­chen­der Belas­tung des pro­the­ti­schen Vor­fu­ßes ein­ge­schränkt sein. Da das AT-Knie wäh­rend der Belas­tungs­pha­se immer gestreckt ist, ermög­licht es auch kein Yiel­ding beim Berg­ab- und Treppabgehen.

Abschlie­ßend soll auch das Poten­zi­al des Auto-Lock-Sys­tems für Trai­nings­ef­fek­te erwähnt wer­den. Vie­le Ampu­tier­te gewöh­nen sich einen schlech­ten Gang an und nut­zen dabei das Poten­zi­al ihrer Pro­the­se nicht voll aus. Dazu gehört, dass der Ampu­tier­te sei­ne Pro­the­se zu kurz belas­tet und sein Bein zur Ein­lei­tung der Schwung­pha­se vor­zei­tig ent­las­tet, anstatt den Gang­zy­klus durch das Abrol­len über den Vor­fuß abzu­schlie­ßen, wie es bio­me­cha­nisch eigent­lich nor­mal wäre. Die inhä­ren­te Funk­ti­on des Auto-Lock-Mecha­nis­mus kann dazu bei­tra­gen, die­se Ten­den­zen abzu­bau­en, da der Nut­zer über den gan­zen Fuß abrol­len muss, um das Knie­ge­lenk zu ent­sper­ren, und gleich­zei­tig die Hüf­te beu­gen muss, wie es auch der Nicht­am­pu­tier­te tut. Daher kann der Auto-Lock-Mecha­nis­mus dazu bei­tra­gen, eine sym­me­tri­sche Belas­tung zur Erzie­lung eines mög­lichst nor­ma­len und effi­zi­en­ten Gang­mus­ters zu erhal­ten. Dadurch kann das Knie­ge­lenk z. B. eine wich­ti­ge Unter­stüt­zung beim Über­gang eines Mob-2-Level-Läu­fers (der von der Sta­bi­li­tät des Knies pro­fi­tie­ren wird) zu einem Mob-3-Läu­fer dar­stel­len, da die­ser dann auch im Außen­be­reich effi­zi­ent aktiv sein kann.

Der varia­bel ein­stell­ba­re Brems­wi­der­stand (VEB)

Um die ein­zig­ar­ti­ge Funk­ti­on des VEB zu ver­ste­hen, ist es wich­tig, zunächst kon­ven­tio­nel­le Tech­no­lo­gien und deren Anwen­dung zu berück­sich­ti­gen. Die Schwung­pha­sen­steue­rung bezieht sich auf einen gerin­gen Dämp­fungs­wi­der­stand am Knie­ge­lenk, der zur Kon­trol­le der Beu­gung und Stre­ckung wäh­rend der Schwung­pha­se genutzt wird. Übli­cher­wei­se wird für nied­ri­ge Mobi­li­täts­gra­de (Mob 1 und Mob 2) ein kon­stan­ter Rei­bungs­wi­der­stand am Knie ein­ge­stellt, um es Benut­zern zu ermög­li­chen, mit einer ein­zi­gen, lang­sa­men Geschwin­dig­keit zu lau­fen. Stei­gen­de Geh­ge­schwin­dig­kei­ten sind hier nur mit kom­pen­sa­to­ri­schen Gang­be­we­gun­gen und grö­ße­rer Inef­fi­zi­enz mög­lich. Pneu­ma­ti­sche und hydrau­li­sche Sys­te­me lösen die­ses Pro­blem, indem sie den Wider­stand ver­rin­gern oder erhö­hen, wenn die Per­son lang­sa­mer oder schnel­ler läuft, wes­halb die­se Sys­te­me als „schritt­zy­klus­ab­hän­gig“ bezeich­net wer­den. Im Gegen­satz dazu füh­ren Knie­me­cha­nis­men mit kon­stan­tem Wider­stand zu einer über­mä­ßi­gen Knie­beu­gung und einem über­mä­ßi­gen Fer­sen­ab­hub sowie zu uner­wünsch­ten ver­län­ger­ten pro­the­ti­schen Seit­wärts­be­we­gun­gen bei höhe­ren Ganggeschwindigkeiten.

Ziel des VEB-Mecha­nis­mus ist es, die Funk­ti­on einer Hydrau­lik ohne Ver­wen­dung einer sol­chen zu errei­chen. Um die Wir­kung eines hydrau­li­schen Sys­tems nach­zu­ah­men, wobei der Wider­stand gegen die Beu­gung mit der Kadenz erhöht wird (d. h. Geh­ge­schwin­dig­keit), ver­wen­det der VEB eine Feder mit einer schnell zuneh­men­den Stei­fig­keit bei höhe­ren Beu­gungs­win­keln. Bei nied­ri­gen Geschwin­dig­kei­ten und gerin­gem Knie­beu­gungs­win­kel ist die Feder­kraft schwach. Hin­ge­gen steigt sie bei schnel­le­ren Geh­ge­schwin­dig­kei­ten und höhe­ren Knie­beu­gungs­win­keln an, um der Beu­gung ent­ge­gen­zu­wir­ken. Die dabei gespei­cher­te Ener­gie wird genutzt, um die fol­gen­de Knie­stre­ckung zu unter­stüt­zen und somit die Schwung­pha­sen­zeit zu ver­kür­zen. Durch die Ver­mei­dung einer über­mä­ßi­gen Knie­beu­gung und damit ein­her­ge­hen­der Ver­rin­ge­rung des Win­kel­aus­schla­ges und der Win­kel­ge­schwin­dig­keit des Unter­schen­kels wird auch der Streck­an­schlag gedämpft.

Der Streck­an­schlag wird durch das Sys­tem der varia­blen Rei­bungs­kon­trol­le ver­rin­gert. Die­ses erzeugt einen signi­fi­kant höhe­ren Wider­stand, beson­ders vor der voll­kom­me­nen Knie­stre­ckung, wodurch sich im Ver­gleich zu Knie­ge­len­ken mit kon­stan­tem Rei­bungs­wi­der­stand die Geschwin­dig­keit des Unter­schen­kels zum Ende der Schwung­pha­se ver­min­dert und ein phy­sio­lo­gi­sche­res Gehen ermög­licht wird (Abb. 3).

War­um wird die­se Art von varia­bel ein­stell­ba­rem Brems­wi­der­stand (VEB) nicht auch bei ande­ren Arten von Pro­the­senknie­ge­len­ken ver­wen­det? Dies kann zum Teil dar­auf zurück­ge­führt wer­den, dass die meis­ten Knie­ge­len­ke Vor­brin­ger­fe­dern als Mit­tel ver­wen­den, um sicher­zu­stel­len, dass das Knie in der spä­ten Schwung­pha­se voll­stän­dig gestreckt ist, um in der Belas­tungs­pha­se sicher zu sein. Da das AT-Knie einen Auto-Lock-Mecha­nis­mus hat, der das Knie in der spä­ten Schwung­pha­se voll gestreckt hält, kann die Funk­ti­on des Vor­brin­ger-Mecha­nis­mus bes­ser dazu genutzt wer­den, die Schwung­pha­se zu steu­ern. Im Gegen­satz zur her­kömm­li­chen Anwen­dung von Vor­brin­ger­fe­dern, die in der fina­len Streck­be­we­gung hohe Kräf­te lie­fern, lie­fert das VEB dann eine schwä­che­re Streck­kraft. Wenn das Bein um 40 Grad oder mehr gebeugt wird, wirkt dage­gen eine höhe­re Kraft in die Knie­ex­ten­si­on. Eine wei­te­re Ver­bes­se­rung die­ses Prin­zips wird durch ein Dop­pel­fe­der­sys­tem mit einer wei­che­ren Feder von 0 bis 40 Grad und einer viel stei­fe­ren Feder bei höhe­ren Fle­xi­ons­win­keln erreicht 4 5.

Anwen­der­er­fah­run­gen und Schlussfolgerungen

In einer Stu­die mit dem AT-Knie 6 wur­den Zeit-Distanz-Para­me­ter an sechs Ober­schen­kel­am­pu­tier­ten beim Gehen auf fes­tem und unste­tem Unter­grund mit Hil­fe einer Kame­ra und per Zeit­mes­sung unter­sucht. Alle sechs Pro­ban­den nutz­ten hier­bei das AT-Knie. Es wur­den kei­ne Ver­än­de­run­gen am Schaft der Pro­ban­den vorgenommen.

Die gewon­ne­nen Aus­sa­gen zu Ver­än­de­run­gen der betrach­te­ten Para­me­ter kön­nen zwar nicht auf die gesam­te Ziel­grup­pe über­tra­gen wer­den, jedoch zei­gen sie deut­lich, dass das ver­wen­de­te AT-Knie­ge­lenk bei vari­ie­ren­der kine­ma­ti­scher Bean­spru­chung auf ver­schie­de­nen Unter­grün­den ein siche­res und dyna­mi­sches Gehen ermög­licht (Abb. 4, 5).

Das All-Ter­rain-Knie wur­de in den ver­gan­ge­nen Jah­ren in über zehn Län­dern getes­tet 1 7 und durch die Berück­sich­ti­gung der gewon­ne­nen Erkennt­nis­se kon­ti­nu­ier­lich wei­ter­ent­wi­ckelt. Die Aus­sa­gen der über 50 Anwen­der waren über­wie­gend sehr posi­tiv, wobei die an den Stu­di­en teil­neh­men­den Ampu­tier­ten beson­ders die hohe Sicher­heit wäh­rend der Stand­pha­se und die dyna­mi­sche Geschwin­dig­keits­steue­rung wäh­rend der Schwung­pha­se her­vor­ho­ben. Die Rück­mel­dun­gen, sowohl von den Anwen­dern als auch von den Ortho­pä­die-Tech­ni­kern, haben dazu geführt, dass zusätz­li­che Fea­tures für das AT-Knie ent­wi­ckelt wer­den konn­ten. Im Unter­schied zu den ers­ten Ver­sio­nen ist das Knie­ge­lenk heu­te see­was­ser­fest, ver­fügt über einen ein­fa­chen Mecha­nis­mus, um es bei Bedarf ganz zu sper­ren, und kann bis zu einem Gewicht von 125 kg ver­wen­det wer­den. Bei Bedarf steht auch ein Son­der­mo­dell zur Ver­fü­gung, das eine Gewichts­be­las­tung von bis zu 150 kg ermöglicht.

Zusam­men­fas­send kann fest­ge­stellt wer­den, dass das AT-Knie ein sehr siche­res, funk­tio­nel­les und robus­tes Knie­ge­lenk ist, das durch sei­ne Ein­satz­mög­lich­kei­ten in allen Ter­rains sowohl in Indus­trie- als auch in Ent­wick­lungs­län­dern sei­ne Berech­ti­gung hat und eine wert­vol­le Erwei­te­rung der bestehen­den mecha­ni­schen Knie­ge­len­ke darstellt.

Für die Autoren:
Heinz Treb­bin, M. Sc., OTM
Geschäfts­füh­rer DOI ortho-inno­va­tiv GmbH
Beet­ho­ven­str. 23
87439 Kemp­ten
trebbin@ortho-innovativ.com

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Treb­bin H, Andry­sek J, Weigel J. Neu­ent­wick­lung eines mecha­ni­schen Pro­the­senknie­ge­lenks. Ortho­pä­die Tech­nik, 2016; 67 (12): 22–25
  1. Leg­Works. http://www.legworks. com (Zugriff am 29.09.2016)
  2. Andry­sek J, Nau­mann S, Cleg­horn W. Design and quan­ti­ta­ti­ve eva­lua­ti­on of a stance-pha­se con­trol­led pro­sthe­tic knee joint for child­ren. IEEE Trans Neu­ral Syst Reha­bil Eng, 2005; 13 (4): 369–378
  3. Andry­sek J, Wright V, Rot­ter K, Gar­cia D, Val­debe­ni­to R, Mit­chell CA, Roz­bac­zy­lo C, Cubil­los R. Long­term cli­ni­cal eva­lua­ti­on of the auto­ma­tic stance-pha­se lock-con­trol­led pro­sthe­tic knee joint in young adults with uni­la­te­ral abo­ve-knee ampu­ta­ti­on. Disa­bil Reha­bil Assist Tech­nol, 2016; 4: 1–7 [Epub ahead of print] 
  4. Fur­se A, Cleg­horn W, Andry­sek J. Impro­ving the gait per­for­mance of non-flu­id-based swing-pha­se con­trol mecha­nisms in abo­ve-knee pro­s­the­ses. IEEE Trans Bio­med Eng, 2011; 58 (8). doi: 10.1109/ TBME.2011.2155059 [Epub]
  5. Fur­se A, Cleg­horn W, Andry­sek J. Deve­lo­p­ment of a low-tech­no­lo­gy pro­sthe­tic swing-pha­se mecha­nism. J Med Bio­med Eng, 2011; 31 (2):145–150
  6. Frey­er M. Kine­ma­tik des Gehens Ober­schen­kel­am­pu­tier­ter mit einem neu­en Knie­ge­lenk auf unste­tem Unter­grund. Bache­lor­ar­beit, PFH Göt­tin­gen, 2016
  7. Andry­sek S, Klej­man S, Tor­res­Mo­reno R, Heim W, Stein­na­gel B, Glas­ford S. Mobi­li­ty func­tion of a pro­sthe­tic knee joint with an auto­ma­tic stance pha­se lock. Pro­sthet Orthot Int, 2011; 35: 163–170
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