3‑D-Druck in der Ortho­pä­die-Tech­nik – Grund­la­gen und Anwendungsbereiche

A. Gebhardt, J. Kessler, L. Thurn, K. Abbas
Der 3-D-Druck, auch „Additive Fertigung“, „Digitale Fertigung“ oder heute seltener „Rapid Prototyping“ genannt, wird in immer mehr Branchen erfolgreich eingesetzt, um digitale Produktentwürfe direkt in physische Bauteile oder deren Elemente zu überführen. Der Beitrag befasst sich mit den Potenzialen dieser Technologie, diskutiert aber auch ihre Limitierungen. Es wird auf die Grundlagen des 3-D-Drucks eingegangen, und es werden die Verfahren und Maschinen benannt, die heute kommerziell verfügbar sind. In diesem Zusammenhang werden auch die verarbeitbaren Materialien diskutiert, Beispielanwendungen vorzugsweise aus der Orthopädie-Technik besprochen und die Datenwege skizziert. Auf zwei Anwendungsbereiche wird exemplarisch näher eingegangen: auf Modelle und Bauteile zur Unterstützung der Prothetik, also auf Epithesen, Orthesen und Exoskelette, sowie auf individuelle Sohlen und Einlagen.

Ein­lei­tung

Jetzt haben wir sie, die 3‑D-Druck­tech­nik. Was machen wir nun damit? Die­se Fra­ge stel­len sich nicht nur Hand­werks­be­trie­be, son­dern auch Kon­zer­ne. Man­che haben sich sofort der Avant­gar­de ange­schlos­sen, ande­re haben sich lang­sam und struk­tu­riert der Tech­nik geöff­net, und wie­der ande­re war­ten bis heu­te ab. „Mit 3‑D-Druck kann man alles machen“, hört man häu­fi­ger, und meist wird auch noch sug­ge­riert, dass aus dem Dru­cker ein fer­ti­ges Pro­dukt kom­me. Das ist aber bis auf weni­ge Aus­nah­men nicht der Fall: Der Dru­cker lie­fert Bau­tei­le, die ähn­lich wie klas­si­sche Guss­tei­le end­be­ar­bei­tet und meist auch mit ande­ren gedruck­ten und nicht gedruck­ten Tei­len mon­tiert wer­den müs­sen, um ein­satz­be­reit zu sein.

Anzei­ge

Ein Ein­satz von 3‑D-Dru­ckern ist daher immer dann erfolg­reich, wenn im Rah­men einer sorg­fäl­ti­gen Ana­ly­se die Vor- und Nach­tei­le eines Pro­duk­tes und die größ­ten Kos­ten­trei­ber ermit­telt wer­den, und wenn es gelingt, die Nach­tei­le durch gedruck­te Bau­tei­le zu kom­pen­sie­ren. Im ein­fa­chen, aber häu­fig vor­kom­men­den Fall wer­den tra­di­tio­nell gefer­tig­te Tei­le sub­sti­tu­iert; im güns­tigs­ten Fall wer­den neue, bes­se­re und güns­ti­ge­re Pro­duk­te ent­wi­ckelt, weil der 3‑D-Druck deren Her­stel­lung ermög­licht. Damit wird klar, dass 3‑D-gedruck­te Pro­duk­te im bes­ten Fall aus Tei­len bestehen, die aus der Kom­bi­na­ti­on unter­schied­li­cher 3‑D-Druck­ver­fah­ren resul­tie­ren. Des­halb ist es wich­tig, sich nicht nur mit einem Ver­fah­ren zu befas­sen, son­dern die Poten­zia­le zumin­dest der wich­tigs­ten zu kennen.

Eigen­schaf­ten und Poten­zia­le der addi­ti­ven Fertigung

Die addi­ti­ve oder gene­ra­ti­ve Fer­ti­gung, aktu­ell als „3‑D-Druck“ bezeich­net, ist dann vorteilhaft,

  • wenn die Bau­tei­le geo­me­trisch kom­plex sind,
  • wenn sie an die Nut­zer indi­vi­du­ell ange­passt wer­den müssen,
  • wenn Ein­zel­stü­cke oder auch klei­ne Seri­en vor­zugs­wei­se mit indi­vi­du­el­len Ände­run­gen von Bau­teil zu Bau­teil benö­tigt werden.

Die­se Vor­aus­set­zun­gen wer­den umso bes­ser erfüllt, je inten­si­ver die Wech­sel­wir­kung der gedruck­ten Bau­tei­le mit dem Men­schen ist. Das trifft in beson­de­rem Maße auf die Ortho­pä­die-Tech­nik zu, weil es dabei um die Gestal­tung von Hilfs­mit­teln geht, die im Kon­text einer bestehen­den Situa­ti­on benö­tigt und dazu opti­mal gestal­tet und ent­spre­chend gefer­tigt wer­den müssen.

Die­se Auf­ga­be erfül­len addi­ti­ve Ver­fah­ren in beson­de­rem Maße, weil sie vir­tu­el­le, also im Com­pu­ter oder mit­tels eines medi­zi­ni­schen Bild­ge­bungs­ver­fah­rens erzeug­te 3‑D-Model­le direkt und ohne Zwi­schen­schal­tung von Werk­zeu­gen in phy­si­sche, also anfass­ba­re und belast­ba­re Bau­tei­le umset­zen. Des­halb ist das Ver­fah­ren des 3‑D-Drucks für medi­zi­ni­sche Anwen­dun­gen all­ge­mein und für die Anwen­dung in der Ortho­pä­die-Tech­nik beson­ders geeignet.

3‑D-Druck

3‑D-gedruck­te Bau­tei­le ent­ste­hen Schicht für Schicht. Die Schich­ten gewinnt man aus einem voll­stän­di­gen digi­ta­len 3‑D-Volu­men­mo­dell. Die­ses ent­steht, wie im Maschi­nen­bau üblich, durch eine 3‑D-Kon­struk­ti­on oder, wie in der Ortho­pä­die-Tech­nik ver­brei­tet, durch Abfor­men und Scan­nen. Den so erziel­ten rechner­ inter­nen (vir­tu­el­len) Daten­satz zer­legt man (mathe­ma­tisch) auto­ma­ti­siert in äqui­di­stan­te Schich­ten von übli­cher­wei­se 1/10 mm Schichtdicke.

Das Bau­teil ent­steht durch die Anwen­dung unter­schied­li­cher 3‑D-Druck­ver­fah­ren. Allen ist gemein­sam, dass die Ein­zel­schich­ten des vir­tu­el­len Daten­sat­zes in phy­si­sche (also rea­le, anfass­ba­re) Schich­ten über­führt und die­se in der rich­ti­gen Rei­hen­fol­ge auto­ma­ti­siert auf­ein­an­der­ge­schich­tet wer­den. Des­halb wird die Metho­de auch als „Schicht­bau­ver­fah­ren“ bezeich­net. Abbil­dung 1 zeigt das Prin­zip an einem 3‑D-Puz­zle. Es wird deut­lich, dass man dazu nur fol­gen­de Ele­men­te benötigt:

  • das Mate­ri­al,
  • die Schicht­di­cke jeder Einzelschicht,
  • die Kon­tur jeder Ein­zel­schicht sowie
  • die Rei­hen­fol­ge der Ein­zel­schich­ten oder die Lage der Schicht im Bauteil.

3‑D-Druck­ver­fah­ren

Kom­mer­zia­li­sier­te 3‑D-Druck­ver­fah­ren und ‑Dru­cker unter­schei­den sich nur dadurch voneinander,

  • aus wel­chem Mate­ri­al die Ein­zel­schich­ten bestehen,
  • wie die Über­füh­rung der vir­tu­el­len Ein­zel­schicht in eine rea­le Schicht des Bau­teils erfolgt (z. B. durch Aus­schnei­den der Kon­tur aus einem vor­ge­fer­tig­ten Halb­zeug, hier aus Pap­pe) und
  • wie die ein­zel­nen Schich­ten mit­einander ver­bun­den wer­den (z. B. durch Kleben).

Allen 3‑D-Druck­ver­fah­ren ist gemein­sam, dass die skiz­zier­te Pro­zess­fol­ge auto­ma­ti­siert in Maschi­nen abläuft, die man „3‑D-Dru­cker“ nennt. Allen 3‑D-Druck­ver­fah­ren gemein­sam ist auch ein Bau­raum oder eine Bau­platt­form, in dem oder auf der das Bau­teil schicht­wei­se ent­steht, und eine Ein­rich­tung, die die Kon­tu­rie­rung der Ein­zel­schicht über­nimmt. Aktu­ell gibt es 3‑D-Dru­cker für alle Werk­stoff­grup­pen (Kunst­stoff, Metall, Kera­mik) und in unter­schied­li­chen Grö­ßen (von unter 100 mm³ bis zu über 1 m³) und Preis­klas­sen (von weni­gen 100 bis zu 2 Mio. Euro), opti­miert für Pri­vat­an­wen­dun­gen, pro­fes­sio­nel­len Ein­satz und zuneh­mend auch für eine digi­ta­le Seri­en­fer­ti­gung. Vor die­sem Hin­ter­grund sind für die Anwen­dung in der Ortho­pä­die-Tech­nik vor allem vier Eigen­schaf­ten des 3‑D-Drucks interessant:

  • in wei­ten Gren­zen freie Formgebung,
  • Fer­ti­gung inter­ner Hohlstrukturen,
  • Ver­ar­beit­bar­keit von Mate­ria­li­en unter­schied­li­cher Elas­ti­zi­tät (Shore­här­te) sowie
  • Rea­li­sie­rung bio­ni­scher Strukturen.

Es haben sich fünf „Ver­fah­rens­fa­mi­li­en“ und dar­auf abge­stimm­te Maschi­nen mit eini­gen Deri­va­ten her­aus­ge­bil­det. Da es beim 3‑D-Druck wesent­lich dar­auf ankommt, das ein­ge­setz­te Mate­ri­al schicht­wei­se zu kon­tu­rie­ren, wozu meist auch der Aggre­gat­zu­stand gewech­selt wer­den muss, sind die Ver­fah­ren vor­zugs­wei­se – aber nicht exklu­siv – mit bestimm­ten Mate­ria­li­en ver­bun­den. Im Fol­gen­den wer­den die Ver­fah­ren kurz skiz­ziert. Dabei wird auf die Anwen­dung in der Ortho­pä­die-Tech­nik beson­ders ein­ge­gan­gen. Der wei­te­re schnel­le Ein­stieg ins The­ma gelingt mit Hil­fe der Quel­le 1, ein tie­fe­rer Ein­stieg wird durch die Quel­le 2 unterstützt.

Ste­reo­li­tho­gra­phie (SL), Poly­mer­prin­ting (Poly­Jet)

Bei den Ste­reo­li­tho­gra­phie- oder Poly­me­ri­sa­ti­ons­ver­fah­ren ent­ste­hen die ein­zel­nen Schich­ten durch die loka­le Ver­fes­ti­gung (Poly­me­ri­sa­ti­on oder Foto-Ver­net­zung) von flüs­si­gem Mono­mer (Acryl­harz, Epoxid­harz, Vinyl­ether) durch Lam­pen- oder Laser­strah­lung. Dies geschieht bei der klas­si­schen Laser­ste­reo­li­tho­gra­phie (Abb. 2) in einem Harz­bad, in dem das Bau­teil auf einer ver­ti­kal ver­fahr­ba­ren Platt­form Schicht für Schicht mit­tels Laser­strahl kon­tu­riert wird. Dazu fährt ein Laser die Schicht­kon­tur ab und schraf­fiert die ein­ge­schlos­se­nen Flächen.

Beim Poly­mer­prin­ting (oder Poly-Jet-Ver­fah­ren) wird das flüs­si­ge Harz Schicht für Schicht mit­tels eines Druck­kop­fes per Mehr­fach­dü­se auf die Bau­platt­form auf­ge­druckt und mit einer mit­lau­fen­den UV-Lam­pe direkt ver­fes­tigt (poly­me­ri­siert) – wie die Kunst­stoff­fül­lung beim Zahn­arzt. Dadurch ent­fällt das Harz­bad. Das Ver­fah­ren ermög­licht die Her­stel­lung von Bau­tei­len als Voll­farb-Dru­cke (300.000 Far­ben) und in „Mul­ti-Mate­ri­al-Tech­nik“ (6 unter­schied­li­che Mate­ria­li­en wer­den simul­tan gedruckt; Abb. 3). Bei bei­den Ver­fah­rens­va­ri­an­ten ver­bin­den sich auf­ein­an­der­fol­gen­de Schich­ten eben­falls durch Pho­to­po­ly­me­ri­sa­ti­on. Vor­tei­le der Poly­me­ri­sa­ti­ons­ver­fah­ren sind der hohe Detail­lie­rungs­grad und für vie­le Mate­ria­li­en Trans­lu­zenz oder gar Trans­pa­renz. Nach­tei­le der Poly­me­ri­sa­ti­ons­ver­fah­ren sind die gerin­ge mecha­ni­sche und ther­mi­sche Belast­bar­keit der Bau­tei­le. Bei­de Kenn­wer­te sind bei der Laser­ste­reo­li­tho­gra­phie auf­grund der ver­wen­de­ten Epoxid­har­ze höher als beim Polymerdrucken.

Ver­fah­ren, die im Harz­bad arbei­ten (Laser­ste­reo­li­tho­gra­phie), benö­ti­gen Stüt­zen, die vor dem Druck mit­tels Spe­zi­al­pro­gram­men auto­ma­tisch kon­stru­iert und nach dem Druck manu­ell ent­fernt wer­den müs­sen. Die Laser­ste­reo­li­tho­gra­phie kann prin­zip­be­dingt weder meh­re­re Mate­ria­li­en noch Far­ben simul­tan verarbeiten.

Selek­ti­ves Laser­sin­tern (SLS) oder ‑schmel­zen (SLM)

Die Nach­tei­le der Poly­me­ri­sa­ti­ons­ver­fah­ren kön­nen über­wun­den wer­den, wenn anstel­le pho­to­sen­si­ti­ver Har­ze Poly­amid­pul­ver (Poly­amid 12, ggf. auch Poly­amid 11) ver­wen­det wird. Die ein­zel­nen Schich­ten ent­ste­hen durch das loka­le Auf­schmel­zen der Pul­ver, vor­zugs­wei­se durch Laser­strah­lung. Die Ver­fes­ti­gung der Kon­tur erfolgt durch Wär­me­lei­tung in das umge­ben­de Pul­ver. Die­ses über­nimmt auch die Stüt­zung des teil­fer­ti­gen Bau­teils, sodass kei­ne geson­der­ten Stüt­zen gebaut und ent­fernt wer­den müs­sen (Abb. 4). Vor­tei­le der Sin­ter­ver­fah­ren sind eine deut­lich höhe­re mecha­ni­sche und ther­mi­sche Belast­bar­keit, als sie Bau­tei­le aus Kunst­har­zen auf­wei­sen. Nach­tei­le sind ein gerin­ge­rer Detail­lie­rungs­grad (gegen­über SL) und die feh­len­de Transluzenz.

Anstel­le von Poly­amid-Pul­vern kön­nen in einem modi­fi­zier­ten, aber grund­sätz­lich gleich­ar­ti­gen Pro­zess auch Metall­bau­tei­le aus Metall­pul­ver „gesin­tert“ (phy­si­ka­lisch rich­tig: „geschmol­zen“) wer­den. Auf­grund der erhöh­ten Ver­zugs­ge­fahr wer­den im Metall­pro­zess Stüt­zen benö­tigt. Ein Bei­spiel ist der nach bio­ni­schen Prin­zi­pi­en kon­stru­ier­te Rah­men des Elek­tro­mo­tor­ra­des in Abbil­dung 5, der zudem hohl ist. Er wur­de aus einem „Scal­mal­loy“ genann­ten pro­prie­tä­ren Pul­ver­werk­stoff selek­tiv erschmol­zen. Der Grund­ge­dan­ke ist ohne Wei­te­res auf Pro­the­sen zu übertragen.

Sin­ter- oder Schmelz­ver­fah­ren haben sich vor allem wegen der höhe­ren Fes­tig­keit der Bau­tei­le für scha­len­för­mi­ge Ele­men­te, für Frei­form­flä­chen und für tra­gen­de (last­auf­neh­men­de) Struk­tu­ren bewährt und sind daher beson­ders für Pro­the­sen-Ele­men­te geeignet.

Extru­si­ons­ver­fah­ren (FLM, FDM)

Auf­schmel­zen und loka­les Auf­tra­gen draht­för­mi­ger Ther­mo­plas­te mit­tels beheiz­ter Düse kenn­zeich­nen die Extru­si­ons­ver­fah­ren. Der Pro­zess ent­spricht grund­sätz­lich dem Prin­zip einer Heiß­kle­be­pis­to­le. Die Schicht­bil­dung (die Abküh­lung bis zur fes­ten Pha­se) erfolgt durch Wär­me­lei­tung in das teil­fer­ti­ge Bau­teil und in die Umgebung.

Zu den Extru­si­ons­ver­fah­ren zäh­len die pro­fes­sio­nel­len Ver­fah­ren, FDM (Fused Depo­si­ti­on Manu­fac­tu­ring) genannt. Aber auch die per Fused Fila­ment Fabri­ca­ti­on (FFF) arbei­ten­den soge­nann­ten Fab­ber (Digi­tal Fabri­ca­tor) oder Dru­cker fol­gen die­sem Prin­zip. Letz­te­re sind sehr preis­wer­te (ca. 500 bis 5.000 Euro), ein­fach auf­ge­bau­te, tech­nisch nicht sehr anspruchs­vol­le 3‑D-Dru­cker, die bei gerin­ger Anzahl von Bau­tei­len auch in klei­nen Werk­stät­ten pro­fi­ta­bel betrie­ben wer­den können.

Zu den Nach­tei­len der FFF-Dru­cker gehört, dass sie rela­tiv lang­sam sind, dass das Fila­ment von Hand ein­ge­führt wer­den muss und dass bei vie­len Geo­me­trien Stüt­zen not­wen­dig sind. Von Vor­teil ist ihr kos­ten­güns­ti­ger Ein­satz, dass kei­ne Flüs­sig­kei­ten im Pro­zess beherrscht wer­den müs­sen und dass far­bi­ge Bau­tei­le durch den Ein­satz far­bi­gen Bau­ma­te­ri­als gedruckt wer­den kön­nen. Bei­spie­le sind die Ver­bin­dungs­ele­men­te des Exo­ske­let­tes in Abbil­dung 6 und die Auf­biss­schie­ne in Abbil­dung 7.

Pul­ver-Bin­der-Ver­fah­ren („Pow­der Jetting“)

Bei dem auch als „Bin­der Jet­ting“ bekann­ten Ver­fah­ren wird eine Bin­der­Flüs­sig­keit ent­spre­chend der jewei­li­gen Kon­tur in die Pul­ver­schicht ein­ge­spritzt. An die­sen Stel­len ver­fes­tigt sich die Schicht. Die nach­fol­gen­den Schich­ten wer­den wie die vor­her­ge­hen­de kon­tu­riert. Das Bau­teil ent­steht zunächst als eine Art „Grün­teil“ und erhält sei­ne End­fes­tig­keit durch eine nach­fol­gen­de Infil­trie­rung mit­tels Wachs oder Kunstharz.

Durch den Ein­satz gefärb­ter Bin­der kann das Ver­fah­ren auch kon­ti­nu­ier­lich gefärb­te Bau­tei­le her­stel­len. Es exis­tiert zudem ein gips­ähn­li­cher Werk­stoff, mit dem Ortho­pä­die-Tech­ni­ker ver­traut sind. Er ist aber zur Sub­sti­tu­ti­on ver­stärk­ter Gips­for­men weder tech­nisch noch wirt­schaft­lich geeig­net. Am Bei­spiel des geschnit­te­nen Ohr­mo­dells (Abb. 8) wird deut­lich, dass das Ver­fah­ren sehr gut für Demons­tra­ti­ons­bau­tei­le geeig­net ist.

Schicht-Lami­nat-Ver­fah­ren (LLM, LOM, SDL)

Das auto­ma­ti­sier­te Aus­schnei­den und anschlie­ßen­de Ver­kle­ben der Ein­zel­schich­ten aus Plat­ten oder Foli­en wird als Schicht-Lami­nat-Ver­fah­ren oder „Lay­er Lami­na­te Manu­fac­tu­ring“ (LLM) bezeich­net. Es ist ins­be­son­de­re dann auch wirt­schaft­lich vor­teil­haft, wenn grö­ße­re mas­si­ve Bau­tei­le her­ge­stellt wer­den müs­sen, die viel Mate­ri­al erfor­dern, weil sich dann der nied­ri­ge Mate­ri­al­preis beson­ders posi­tiv aus­wirkt. Das Ver­fah­ren ist zwar eines der ältes­ten, hat­te aber kei­ne beson­de­re Bedeu­tung, bis es 2010 als „Sel­ec­ti­ve Depo­si­ti­on Lami­na­ti­on“ (SDL) von der Fir­ma MCor über­ar­bei­tet und in unter­schied­li­chen, auch far­bi­gen, Vari­an­ten erneut auf den Markt gebracht wur­de (Abb. 9).

Der Nach­teil die­ses Ver­fah­rens besteht dar­in, dass es recht lang­sam ist, eine kom­pli­zier­te Ent­for­mung ver­langt und eine Fixie­rung des fer­ti­gen Bau­teils not­wen­dig macht, da sonst die Gefahr einer Del­a­mi­na­ti­on besteht. Eine End­be­ar­bei­tung, z. B. durch Lackie­ren, ist erfor­der­lich. Vor­tei­le bei allen Vari­an­ten sind die hohe Druck­be­last­bar­keit der Bau­tei­le und dass kei­ne Stüt­zen und auch kei­ne Spe­zi­al­pa­pie­re not­wen­dig sind. Die Schicht-Lami­nat-Ver­fah­ren sind von Vor­teil beim Ein­satz als Anschau­ungs- und Schu­lungs­mo­del­le. Die Bau­tei­le sind auf Druck sehr belast­bar, auf Zug und Bie­gung dage­gen nicht.

Daten­hand­ling

Die Daten wer­den mit Hil­fe medi­zi­ni­scher Bild­ge­bungs­ver­fah­ren, vor­zugs­wei­se mit­tels Com­pu­ter­to­mo­gra­phie (CT) oder Ultra­schall (US), optisch zugäng­li­che Struk­tu­ren auch durch Scan­ner erfasst. Die meist im DICOM-For­mat vor­lie­gen­den 3‑D-CAD-Daten wer­den rela­tiv ein­fach durch Spe­zi­al­pro­gram­me (z. B. „Mimics“ von Mate­ria­li­se) in bau­ba­re Daten­sät­ze (Stan­dard: STL-For­mu­lie­rung; STL = Stan­dard Trans­for­ma­ti­on Lan­guage) über­führt und mit­tels 3‑D-Dru­ckern her­ge­stellt. Alter­na­tiv wer­den die Daten durch eine 3‑D-CAD-Kon­struk­ti­on oder durch Infor­ma­tio­nen aus 3‑D-Daten­ban­ken erzeugt. Für indus­tri­el­le Anla­gen gibt es eine gro­ße Anzahl her­stel­ler­sei­tig gelie­fer­ter Soft­ware, aber auch ein umfang­rei­ches Ange­bot an Share­ware für Pri­vat­an­wen­der und Semi-Profis.

Model­le und deren Anwen­dung – Epi­the­sen, Pro­the­sen, Exoskelette

Epi­the­sen sind äußer­lich getra­ge­ne, mög­lichst natür­lich wir­ken­de Körper„Ersatzteile“ wie künst­li­che Ohr­mu­scheln, Nasen oder Abde­ckun­gen gro­ßer blei­ben­der Defek­te. Sie erfor­dern eine sorg­fäl­ti­ge Anpas­sung, weil der Mensch auch bei sym­me­tri­schen Kör­per­tei­len indi­vi­du­el­le Aus­prä­gun­gen zeigt. Im Mit­tel­punkt steht der Epi­the­ti­ker oder die Epi­the­ti­ke­rin. Das Pul­ver-Bin­der-Ver­fah­ren mit­tels Stär­ke­pul­ver lie­fert ein porö­ses soge­nann­tes Roh­ohr, das mit Wachs infil­triert wird und mit tra­di­tio­nel­len manu­el­len Metho­den model­liert und aus­ge­ar­bei­tet wird (Abb. 10a u. b).

Pro­the­sen und Exo­ske­let­te sind äußer­lich tem­po­rär oder auch dau­er­haft zu tra­gen­de abnehm­ba­re künst­li­che Glied­ma­ßen oder Stütz­struk­tu­ren, die einen Hei­lungs­pro­zess för­dern oder eine dau­ern­de Schä­di­gung des Bewe­gungs­ap­pa­ra­tes über­win­den hel­fen. Ein Bei­spiel für ein Exo­ske­lett ist die bereits in Abbil­dung 6 gezeig­te Appa­ra­tur, die der klei­nen Emma, die seit ihrer Geburt an einer ange­bo­re­nen Gelenk­stei­fe mit unter­ent­wi­ckel­ten Mus­keln lei­det (Arth­ro­gry­po­sis mul­ti­plex con­ge­ni­ta, AMC), eine selbst­be­stimm­te, wenn auch ein­ge­schränk­te Bewe­gung ermög­licht. Exo­ske­let­te kann man gene­rell als Bewe­gungs- und Hebe­hil­fe für Gesun­de und Behin­der­te betrach­ten. Neben der pati­en­ten­spe­zi­fi­schen Kon­struk­ti­on ist die dar­auf abge­stimm­te Mate­ri­al- und Ver­fah­rens­wahl wich­tig. Ver­wen­det wer­den vor allem 3‑D-gedruck­te (gesin­ter­te) Ver­bin­dungs­ele­men­te und tra­di­tio­nell her­ge­stell­te Car­bon-Ele­men­te. Anfor­de­run­gen an Exo­ske­let­te sind ins­be­son­de­re die repro­du­zier­bar ertra­ge­ne mecha­ni­sche Belas­tung, ein gerin­ges Gewicht, die Sicher­stel­lung der Alte­rungs­be­stän­dig­keit gegen­über UV-Strah­lung und ande­ren auf die Struk­tur ein­wir­ken­den Ein­flüs­sen und vor allem bei Kin­dern das „Mit­wach­sen“ sowohl unter tech­ni­schen als auch unter öko­no­mi­schen Gesichts­punk­ten. Bevor­zugt wird daher das selek­ti­ve Laser­sin­tern von Poly­ami­den und das Extru­si­ons­ver­fah­ren (FDM) wie beim Exo­ske­lett von Emma (s. Abb. 6) oder dem in Abbil­dung 11. Das Bei­spiel einer voll­stän­dig gedruck­ten Pro­the­se aus Poly­amid (Laser­sin­tern) zeigt Abbil­dung 12. Die Daten stam­men z. B. von einem Gips­ab­druck oder von einem Modell (via Scan).

Die mit­wach­sen­de Hand­pro­the­se (Abb. 13) „AMa­Pro­sthe­sis (AMa­Pro)“ ist spe­zi­ell für Kin­der ent­wi­ckelt wor­den und kann dezen­tral auf „Fab­bern“ oder 3‑D-Dru­ckern sehr preis­wert her­ge­stellt, dem Wachs­tum ange­passt (Abb. 14) oder repa­riert wer­den. Werk­stof­fe sind vor allem PLA-Fila­men­te, die in allen Far­ben ver­füg­bar und zudem umwelt­freund­lich sind. Auch die Pro­the­se (Aus­schnitt in Abb. 13) besteht aus meh­re­ren Ele­men­ten, die ein­zeln gedruckt und dann mon­tiert wur­den. Zum Ein­satz kom­men unter­schied­li­che FFF-Dru­cker und Mate­ria­li­en sowie Bau­tei­le aus dem Poly­mer-Jet­ting-Ver­fah­ren. Auch die im wei­te­ren Sin­ne als Ver­brauchs­gut anzu­se­hen­de Auf­biss­schie­ne (sie­he Abb. 7) kann mit aus­rei­chen­der Genau­ig­keit schnell und sehr preis­wert mit Fab­bern aus PLA her­ge­stellt werden.

Soh­len und Einlagen

Indi­vi­dua­li­sier­te Ein­la­gen kön­nen mit unter­schied­li­chen 3‑D-Druck­ver­fah­ren her­ge­stellt wer­den. Auf Sei­ten der Daten muss dazu das Druck­pro­fil des Fußes (ana­log dazu bei Pro­the­sen das des Stump­fes) auf­ge­nom­men und unter Berück­sich­ti­gung der Elas­ti­zi­tät des ver­wen­de­ten Mate­ri­als in einen druck­ba­ren Daten­satz umge­wan­delt werden.

Aktu­ell wer­den zwei Mate­ri­al­li­ni­en bevor­zugt, die das Dru­cken elas­ti­scher Bau­tei­le unter­stüt­zen: TPE und TPU (Tab. 1). TPE (Ther­mo­plas­ti­sches Elas­to­mer, Abb. 15) ist ein elas­ti­sches Mate­ri­al zum Extru­die­ren in Fab­bern. TPU (Ther­mo­plas­ti­sches Poly­ure­than, Abb. 16) ist ein elas­ti­sches ver­schleiß­ar­mes Mate­ri­al zum Sin­tern in Kunst­stoff­La­ser-Sin­ter­ma­schi­nen. Es hat eine hart­gum­mi­ar­ti­ge Fle­xi­bi­li­tät, ist schlag­fest und dau­er­ver­wend­bar und erlaubt Haut­kon­takt. Tabel­le 1 zeigt wich­ti­ge Eigen­schaf­ten in der Gegen­über­stel­lung; Details fin­den sich in 3.

Die Bei­spie­le zei­gen auch, dass man die Elas­ti­zi­tät der Soh­len durch die Shore­här­te der Mate­ria­li­en (ggf. von meh­re­ren schicht­wei­se ange­ord­ne­ten), aber auch durch Kon­struk­ti­on einer Soh­len­struk­tur (Abb. 16) oder durch eine Kom­bi­na­ti­on von bei­dem erzie­len kann. Eine Son­der­ent­wick­lung ist das 3‑D-Dru­cken car­bon­ver­stärk­ter Bau­tei­le, z. B. als Soh­le (Abb. 17). Dazu wird ein 3‑D-Dru­cker mit einer mit­lau­fen­den Koh­le­fa­ser ver­wen­det (Her­stel­ler: Markf­or­ged), die in die zunächst gedruck­te Poly­mer­schicht ein­ge­bracht wird. Abbil­dung 17 zeigt unter­schied­li­che Konstruktionen.

Aus­blick: Zukünf­ti­ge Ver­fah­ren und Anwendungen

3‑D-Druck mit Bakterien

Neri Oxman, Pro­fes­so­rin am MIT in Cam­bridge bei Bos­ton, hat soge­nann­te Nat­to-Bak­te­ri­en, die äußerst sen­si­bel auf Feuch­tig­keit und Hit­ze reagie­ren, mit­tels eines Bio-Dru­ckers in Klei­dung ein­ge­druckt und so Funk­ti­ons­stof­fe her­ge­stellt, die ohne äuße­re Steue­rung eine akti­ve Ven­ti­la­ti­on bewir­ken (Abb. 18a u. b). Sie erhö­hen vor allem den Tra­ge­kom­fort, z. B. auch bei Prothesen.

Bei­trä­ge zur sozia­len Integration

Ein wesent­li­cher Vor­teil des 3‑D-Drucks besteht dar­in, dass Geo­me­trie­va­ria­tio­nen, ins­be­son­de­re das Ein­brin­gen von Orna­men­ten, Logos und leich­ten Ska­lie­run­gen, kei­ne Extra­kos­ten ver­ur­sa­chen – damit sind Indi­vi­dua­li­sie­run­gen leicht und schnell mög­lich. Da vor­zugs­wei­se dünn­wan­di­ge Scha­len­ele­men­te gedruckt wer­den kön­nen, sind vie­le stig­ma­ti­sie­ren­de Ele­men­te frü­he­rer Pro­the­sen leicht zu ver­mei­den. Der 3‑D-Druck unter­stützt damit den Trend, Pro­the­sen das Image des „Krank­seins“ zu neh­men und sie zuneh­mend als schmü­cken­des Ele­ment oder modi­sches Acces­soire zu begrei­fen (Abb. 19).

Ähn­lich den Han­dy-Covern ent­wi­ckelt sich ein Markt von indi­vi­dua­li­sier­ten „Sty­lish-Leg-Covern“, die als modi­sches Acces­soire an Pro­the­sen ange­bracht oder in sie inte­griert wer­den. Sie sind leicht aus­zu­wech­seln und kön­nen der Tra­ge­si­tua­ti­on leicht ange­passt werden.

Fazit

Der 3‑D-Druck ist eine Fer­ti­gungs­tech­nik, die die unter­schied­li­chen Kon­ struk­ti­ons- und Gestal­tungs­aspek­te in der Ortho­pä­die-Tech­nik posi­tiv unter­stützt und dadurch neue Lösun­gen ermög­licht. Das Poten­zi­al liegt vor­zugs­wei­se in der Kom­bi­na­ti­on unter­schied­li­cher 3‑D-Druck­ver­fah­ren unter­ein­an­der und mit tra­di­tio­nel­len Ver­fah­ren, Mate­ria­li­en und Dekorationsverfahren.

Der 3‑D-Druck ist des­halb vor allem geeig­net, die eta­blier­te Hand­werks­kunst an vie­len Stel­len wir­kungs­voll zu ergän­zen und wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Es besteht daher weni­ger die Gefahr einer Ver­drän­gung. Der 3‑D-Druck unter­stützt nach­hal­tig den Trend zur Digi­ta­li­sie­rung und die Inte­gra­ti­on tra­di­tio­nell-ana­lo­ger und digi­ta­ler Fertigungsschritte.

Es wird drin­gend emp­foh­len, sich mit die­ser Tech­no­lo­gie aus­ein­an­der­zu­set­zen. Auch wenn die Ent­schei­dung im Ein­zel­fall gegen die­se Tech­no­lo­gie fal­len soll­te, so soll­te dies auf jeden Fall auf der Basis der Kennt­nis der Mög­lich­kei­ten und Gren­zen des 3‑D-Drucks erfolgen.

Für die Autoren:
Prof. Dr.-Ing. Andre­as Gebhardt
Dekan Fach­be­reich Maschi­nen­bau und Mechatronik
FH Aachen, Uni­ver­si­ty of Appli­ed Sciences
Goe­thestr. 1
52064 Aachen
gebhardt@fh-aachen.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Geb­hardt A, Kess­ler J, Thurn L, Abbas K. 3‑D-Druck in der Ortho­pä­die-Tech­nik – Grund­la­gen und Anwen­dungs­be­rei­che. Ortho­pä­die Tech­nik, 2017; 67 (3): 28–33

Fila­mentShore A Hard­nessDen­si­tyPrint TempsChe­mi­cal Resis­tanceAbra­si­on Resistance
Shrin­kage
TPE85A (very soft)1.20g/cm3210–230C
HB–50C
MedMed–Low1.2–3.0%
TPU94A (pret­ty soft)1.21g/cm3210–230C
HB–50C
Med–HighHigh0.8–1.8%
Tab. 1 Elas­ti­sche Mate­ria­li­en für den 3‑D-Druck; eini­ge Kenn­zah­len für TPE (Ther­mo­plas­ti­sches Elas­to­mer) und TPU (Thermo­ plas­ti­sches PU).
  1. Geb­hardt A, Kess­ler J, Thurn L. 3D-Dru­cken. Grund­la­gen und Anwen­dun­gen des Addi­ti­ve Manu­fa­cu­ring (AM). 2., aktua­li­sier­te und erwei­ter­te Auf­la­ge. Mün­chen: Carl Han­ser Ver­lag, 2017
  2. Geb­hardt A. Addi­ti­ve Fer­ti­gungs­ver­fah­ren. Addi­ti­ve Manu­fac­tu­ring und 3D-Dru­cken für Pro­to­ty­p­ing – Too­ling – Pro­duk­ti­on. 5., aktua­li­sier­te und erwei­ter­te Auf­la­ge. Mün­chen: Carl Han­ser Ver­lag, 2016
  3. Geb­hardt A, Kess­ler J, Thurn L. 3D-Dru­cken. Grund­la­gen und Anwen­dun­gen des Addi­ti­ve Manu­fa­cu­ring (AM). 2., aktua­li­sier­te und erwei­ter­te Auf­la­ge. Mün­chen: Carl Han­ser Ver­lag, 2017
Tei­len Sie die­sen Inhalt
Anzeige