Zukunfts­vi­si­on: Weni­ger Ver­trä­ge, weni­ger Verhandler

Das Bündnis „Wir versorgen Deutschland“ (WvD) lud Anfang Dezember zu einem Digitaltalk mit Antje Domscheit vom Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) zu dem Thema „Gesundheitspolitischer Rück- und Ausblick 2022/23“ ein.

Von der Gast­ge­ber­sei­te führ­ten Dr. Hen­ning Schweer – für den erkrank­ten Gene­ral­se­kre­tär Patrick Gru­n­au – und Gene­ral­se­kre­tä­rin Kirs­ten Abel durch die 90-minü­ti­ge Ver­an­stal­tung. Vor allem die aktu­el­le WvD-Umfra­ge zu den gestie­ge­nen Kos­ten der OT-Betrie­be als auch der BAS-Son­der­be­richt waren zwei zen­tra­le The­men des Talks, der daher brand­ak­tu­ell war. Ant­je Dom­scheit, Abtei­lungs­lei­te­rin „Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­rung“ beim BAS, mach­te direkt bei der Vor­stel­lungs­run­de klar, dass ein Aus­tausch mit der Bran­che sehr will­kom­men ist: „Ich freue mich, dass ich an die­ser Run­de teil­neh­men darf und bin gespannt, wie Ihre Sicht auf die Lage ist und was man noch ändern muss.“

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Doch zunächst oblag es Dr. Hen­ning Schweer, Refe­rent Public Affairs & Kom­mu­ni­ka­ti­on bei Reha­vi­tal, die neu­es­ten Ergeb­nis­se der WvD-Umfra­ge vor­zu­stel­len. Rund 400 Betrie­be hat­ten an der Umfra­ge teil­ge­nom­men und vor allem die Fra­ge, wie die Kos­ten­stei­ge­run­gen abge­fe­dert wer­den kön­nen, beschäf­tig­te vie­le. „Eigent­lich müss­ten wir alle zwei Mona­te neue Ver­hand­lun­gen füh­ren“, erklär­te Kirs­ten Abel. Lang­fris­ti­ge Pla­nun­gen und Vor­aus­sa­gen wer­den immer wie­der von dem Tem­po des Welt­ge­sche­hens über­holt und stel­len die Ver­hand­ler auf bei­den Sei­ten vor neue Her­aus­for­de­run­gen. Covid-Pan­de­mie, Ukrai­ne-Krieg und Ener­gie­kri­se sind unvor­her­seh­ba­re Preis­trei­ber, die neben Kli­ma­wan­del und demo­gra­fi­scher Ent­wick­lung eben­so wie neue büro­kra­ti­sche Anfor­de­run­gen eigent­lich ein stän­di­ges Anpas­sen der Ver­trä­ge nötig machen.

Ant­je Dom­scheit kri­ti­sier­te in die­sem Zusam­men­hang, dass bei den Ver­hand­lun­gen von Sei­ten der Kos­ten­trä­ger zunächst ein­mal die Ver­trä­ge ver­han­delt wür­den, die das Gros der Leis­tungs­an­for­de­run­gen durch die Ver­si­cher­ten abde­cken wür­den – und dem­entspre­chend auch die meis­ten Kos­ten pro­du­zie­ren. Anders­her­um hät­ten es klei­ne Kran­ken­kas­sen schwer, an den Ver­hand­lungs­tisch mit den Leis­tungs­er­brin­gern zu kom­men, um ihre Ver­trä­ge aus­zu­han­deln. Es klingt para­dox – eigent­lich gibt es trotz der Fül­le an Ver­trä­gen zu wenig. Eini­ge Pro­dukt­grup­pen sind, wie man dem BAS-Son­der­be­richt ent­neh­men kann, gar nicht ver­trag­lich ver­han­delt und abge­schlos­sen wor­den. Das Fazit von Ant­je Dom­scheit lau­tet daher, dass das jet­zi­ge Ver­trags­mo­dell nicht funk­tio­niert oder nicht funk­tio­nie­ren kann. Es müs­se „(…) weni­ger Ver­trä­ge und weni­ger Ver­hand­ler“ geben, so die Mei­nung der BAS-Abtei­lungs­lei­te­rin. Dom­scheit prä­sen­tier­te im Talk auch bereits eine mög­li­che Lösung: Kol­lek­tiv­ver­trä­ge. Die­se kön­ne man auf Lan­des­ebe­ne schlie­ßen und damit den Auf­wand erheb­lich redu­zie­ren und gleich­zei­tig dabei regio­na­le Unter­schie­de berück­sich­ti­gen. Bun­des­wei­te Ver­trä­ge sieht Dom­scheit dage­gen nicht als umsetz­bar an, weil Ver­sor­ger von Bun­des­land zu Bun­des­land ande­re Vor­aus­set­zun­gen vor­fin­den. Die Bün­de­lung der Ver­trags­part­ner soll, laut Dom­scheit, übri­gens vor allem auf Sei­ten der Kos­ten­trä­ger ent­ste­hen. Heißt im Klar­text: Ver­trä­ge, die auf Lan­des­ebe­ne geschlos­sen wer­den, sol­len dann kas­sen­über­grei­fend gel­ten. Das Ziel müs­se sein, dass jede Kas­se auch einen Ver­trag schließt, erklär­te Domscheit.

Mit Blick auf den Son­der­be­richt des BAS kam die Juris­tin noch auf ver­schie­de­ne ande­re Din­ge zu spre­chen. Zum Bei­spiel, dass die Qua­li­täts­über­prü­fung der Kran­ken­kas­sen zu wün­schen übrig­las­se. Oder dass nach dem Ende der Aus­schrei­bun­gen eini­ge Pro­dukt­grup­pen enor­me Preis­stei­ge­run­gen erfah­ren hät­ten. „Ich habe da Ver­trä­ge vor­lie­gen gehabt, da habe ich der ent­spre­chen­den Kran­ken­kas­se ganz klar gera­ten, die­sen Ver­trag nicht zu unter­schrei­ben“, so Dom­scheit. Kirs­ten Abel hielt dage­gen, dass im Zuge der Aus­schrei­bung teil­wei­se enor­me Preis­sen­kun­gen hin­ge­nom­men wer­den muss­ten, die anschlie­ßend in Ver­trä­gen wie­der auf ein wirt­schaft­li­ches Niveau geho­ben wer­den mussten.

„Wir Leis­tungs­er­brin­ger sind seit dem GKV-Wett­be­werbs­stär­kungs­ge­setz im Jahr 2007 einen stei­ni­gen Weg gegan­gen. Wir wol­len daher genau prü­fen, wel­che Refor­men wirk­lich Sinn erge­ben“, erklär­te Abel und bedank­te sich beim BAS für die sys­te­ma­ti­sche Ana­ly­se des Hilfsmittelmarktes.

Hei­ko Cordes

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