Zukunft gestal­ten – mit vol­ler Kraft voraus

Die Bundesfachschule für Orthopädie-Technik (Bufa) wird 70. Für die OT wirft Lars Grun, Vorsitzender des Vorstandes des Bufa e. V., einen Blick auf die kommenden Jahre.

Lars Grun ver­rät, wel­che Bedeu­tung er der Bun­des­fach­schu­le zuspricht und wel­chen Her­aus­for­de­run­gen sich die Ein­rich­tung wird stel­len müs­sen (Lesen Sie in die­sem Zusam­men­hang auch das aktu­el­le Inter­view mit Ste­fan Bier­in­ger, dem lang­jäh­ri­gen Schul­lei­ter der Bufa).

OT: Mit Blick auf die Geschich­te: Was sind für Sie die wich­tigs­ten Mei­len­stei­ne der Bufa?

Lars Grun: Den größ­ten Mei­len­stein fei­ern wir gera­de: Vor 70 Jah­ren, also 1953, wur­de die Bun­des­fach­schu­le in Frank­furt am Main gegrün­det. Schritt für Schritt ver­stand es unser Fach, die Bun­des­fach­schu­le zu dem heu­ti­gen Leucht­turm aus­zu­bau­en. Ein ent­schei­den­der Schritt war die Grün­dung des Bufa e. V. im Jahr 1970, der zwei Jah­re spä­ter die Trä­ger­schaft der Bun­des­fach­schu­le über­nahm. Mit dem Bau eines eige­nen Gebäu­des und dem damit ver­bun­de­nen Umzug nach Dort­mund 1981 konn­te die Bufa auch räum­lich die jewei­li­gen Anfor­de­run­gen unse­res Hand­werks abbil­den. Par­al­lel wur­de uner­müd­lich an der inhalt­li­chen Wei­ter­ent­wick­lung gear­bei­tet. Ob 2004 die Grün­dung des Insti­tuts für Qua­li­täts­si­che­rung und Zer­ti­fi­zie­rung (IQZ) oder 2013 die Eröff­nung des Insti­tuts für Mess­tech­nik und Bio­me­cha­nik (IMB) sowie die Koope­ra­ti­on der FH Dort­mund mit dem Stu­di­en­gan­g­an­ge­bot Bache­lor und Mas­ter of Engi­nee­ring der Ortho­pä­die- und Reha­bi­li­ta­ti­ons­tech­nik ab dem Win­ter­se­mes­ter 2015/16 – all die­se Schrit­te mün­de­ten schließ­lich in der Aus­zeich­nung der Bufa durch das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Wirt­schaft im August 2017 als Kom­pe­tenz­zen­trum nach den Richt­li­ni­en der Bun­des­re­gie­rung mit dem Schwer­punkt Ortho­pä­die- und Reha-Tech­nik. Zur­zeit läuft das Antrags­ver­fah­ren zur Erwei­te­rung des Kom­pe­tenz­zen­trums für Inno­va­ti­on und Digi­ta­li­sie­rung in der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung. Da nicht jede:r Schüler:in über die finan­zi­el­len Mit­tel für einen Meis­ter­lehr­gang oder ein auf­bau­en­des Stu­di­um ver­fügt, sorgt seit 2015 die Stu­di­en­stif­tung Ortho­pä­die- und Reha-Tech­nik für Chan­cen­gleich­heit. Ganz aktu­ell steht mit dem Umbau und der Moder­ni­sie­rung der Bun­des­fach­schu­le ein wei­te­rer Mei­len­stein an. Und das sind nur die wich­tigs­ten Eck­punk­te zur Geschich­te der Bufa. Wenn ich noch mehr auf­zäh­le, wird aus der Zeit­schrift OT dies­mal ein Buch werden.

OT: Das alles gilt für den deut­schen Raum. Wel­che Rol­le spielt die Bufa über die deut­schen Gren­zen hinaus?

Grun: Die Bun­des­fach­schu­le gilt welt­weit als füh­ren­des Bil­dungs­zen­trum der Tech­ni­schen Ortho­pä­die und Reha-Tech­nik. Seit Jahr­zehn­ten spielt die Bufa als Mit­ge­stal­ter für unser inter­na­tio­na­les Klas­sen­tref­fen, die OTWorld, eine gro­ße Rol­le. Inter­na­tio­na­ler Aus­tausch steht aber auch zwi­schen den Klas­sen­tref­fen auf dem Pro­gramm. So nut­zen inter­nationale Schüler:innen die Bufa-Ange­bo­te in Dort­mund, und die Bun­des­fach­schu­le bie­tet Semi­na­re im Aus­land an.

Inten­sivs­ter theo­re­ti­scher und prak­ti­scher Meisterunterricht

OT: Dem Fach feh­len die Fach­kräf­te. Was kann die Bufa ­leis­ten, damit sich mehr jun­ge Men­schen für den Beruf und die Erlan­gung des Meis­ter­brie­fes entscheiden?

Grun: Die Bufa kann den Unter­richt so attrak­tiv wie irgend mög­lich gestal­ten. Genau das tut sie: An der Bundes­fachschule wird der inten­sivs­te theo­re­ti­sche und prak­ti­sche Meis­ter­un­ter­richt in die­sem Land gelehrt. Jede:r Meisterschüler:in hat die Mög­lich­keit, meh­re­re Hilfs­mit­tel wäh­rend des Unter­richts anzu­fer­ti­gen und zu pro­bie­ren. Denn die Bufa kann aktu­ell auf ca. 60 Patient:innen zurück­grei­fen, die für den Unter­richt zur Ver­fü­gung ste­hen. Die Meisterschüler:innen wer­den in ihrer Vor­be­rei­tungs­zeit zudem in den inhalt­li­chen Auf­bau der Lehr­ver­an­stal­tun­gen mit ein­ge­bun­den. Dass der erfolg­rei­che Abschluss des Bufa-Meis­ter­lehr­gangs in Ver­bin­dung mit der bestan­de­nen Meis­ter­prü­fung als Kate­go­rie 1 der ISPO aner­kannt wird, erhöht zusätz­lich die Attrak­ti­vi­tät der Bufa für die Meister:innen von mor­gen. Die Moti­va­ti­on, einen Meis­ter­brief anzu­stre­ben, muss aller­dings aus einem sel­ber kom­men. Dazu soll­ten wir nie­man­den über­re­den. Ich kann nur immer wie­der emp­feh­len, sich wei­ter­zu­bil­den, den Meis­ter­ti­tel zu erlan­gen. Das Wis­sen, das an der Bufa ver­mit­telt wird, ist unglaub­lich und macht immer wie­der Hun­ger auf mehr davon. Das gilt für alle Fach­kräf­te. Die Bufa ist ja nicht nur Meis­ter­schu­le. Sie bie­tet zusätz­lich ein umfang­rei­ches Semi­nar­pro­gramm an, das eben­falls der Fach­kräf­te­si­che­rung dient. Denn mit der Ver­mitt­lung von Wis­sen und Fähig­kei­ten wer­den die fach­li­che und per­sön­li­che Ent­wick­lung von Mitarbeiter:innen mitgestaltet.

Stu­di­um ergänzt Meister

OT: Die zuneh­men­de Aka­de­mi­sie­rung wird mit­un­ter als Bedro­hung für das Hand­werk emp­fun­den. Wird einem Stu­di­um künf­tig mehr Bedeu­tung zukommen?

Grun: In der Ver­gan­gen­heit waren Hand­werks­be­ru­fe in unse­rer Gesell­schaft nicht mehr hoch ange­se­hen und die Auf­stiegs- und Wei­ter­bil­dungs­mög­lich­kei­ten stark begrenzt. Nach der Meis­ter­prü­fung war in der Regel Schluss. Heu­te sieht das anders aus: Es ent­steht ein Umden­ken in der Gesell­schaft und auch bei der Aus- und Wei­ter­bil­dung. Inzwi­schen ist der Gesell­schaft immer mehr bewusst, wie unglaub­lich toll Hand­werks­be­ru­fe sind. Und der tolls­te der Welt ist mei­ner Mei­nung nach der Beruf Orthopädietechnik-Mechaniker:in. Heu­te kann ich, nach­dem ich mir den Meis­ter­ti­tel ver­dient habe, auch noch mei­nen Mas­ter machen. Daher sehe ich die diver­sen Stu­di­en­gän­ge nicht als Bedro­hung, son­dern als Ergän­zung für unser Fach. ­Sei­en wir mal ehr­lich: Wenn wir alles Wis­sen aus den Stu­di­en­gän­gen zusam­men­tra­gen wür­den und in dem Meis­ter­vor­be­rei­tungs­kur­sus unter­rich­ten wür­den, wie lan­ge soll denn dann die­ser gehen?

OT: Für vie­le Schüler:innen ist der Weg zur Aus­bil­dungs­stät­te ein Fak­tor bei der Ent­schei­dung für oder gegen eine Aus­bil­dung. Wie sieht der Unter­richt der Zukunft aus? Wer­den digi­ta­le bzw. hybri­de Kon­zep­te mehr Raum einnehmen?

Grun: Für die Aus­bil­dung sind die Län­der zustän­dig, da haben wir kei­nen oder nur einen sehr gerin­gen Ein­fluss da­rauf. Was der Bun­des­in­nungs­ver­band geschafft hat, ist ein bun­des­wei­ter Aus­bil­dungs­rah­men­plan und eine bun­des­weit gel­ten­de Prü­fungs­ord­nung. Anders sieht das bei den Stu­di­en­gän­gen aus. Hier kann jede Hoch­schu­le ihre eige­ne Prü­fungs­ord­nung erstel­len. In der Pan­de­mie­zeit haben die Lehrer:innen der Bun­des­fach­schu­le sehr schnell den theo­re­ti­schen Unter­richt auf digi­tal umge­schal­tet. Dafür möch­te ich mich an die­ser Stel­le noch­mals herz­lich bedan­ken. Im Zuge des Jubi­lä­ums „70 Jah­re Bufa“ haben alle Lehrer:innen zudem ein digi­ta­les Lehr­an­ge­bot erstellt, an dem man kos­ten­los teil­neh­men konn­te. Mit gro­ßem Erfolg! Der Tag des Aus­zu­bil­den­den wird eben­falls als Hybrid­lösung ange­bo­ten, da nicht sämt­li­che Schüler:innen mal eben für einen Tag nach Dort­mund kom­men kön­nen. Hier stei­gen auch die Teil­neh­mer­zah­len online sehr stark an. Für theo­re­ti­sche Ange­bo­te den­ken wir also schon heu­te in digi­ta­len For­ma­ten. Prak­ti­sche Lehr­in­hal­te kön­nen nach wie vor in Prä­senz am bes­ten ver­mit­telt werden.

Trans­for­ma­ti­on aktiv gestalten

OT: Die Trans­for­ma­ti­on des Hand­werks ist in vol­lem Gan­ge. Kann der Lehr­plan der Bufa hier Schritt halten?

Grun: Unser Hand­werk ver­än­dert sich in einer unglaub­lichen Geschwin­dig­keit. Des­halb müs­sen und wer­den die Lehr­plä­ne immer wie­der ange­passt. Es gibt Unter­richts­ein­hei­ten, die wer­den nicht mehr so unter­rich­tet wie frü­her, wie zum Bei­spiel in der Werk­stoff­kun­de die Berei­che Gips, Metal­le und Holz. Dafür kom­men immer mehr Kunst­stof­fe und deren Ver­ar­bei­tungs­mög­lich­kei­ten hin­zu, wie Tief­zie­hen und Dru­cken. Die Bufa ist also aktiv an der Trans­for­ma­ti­on betei­ligt. Mit der Schrif­ten­rei­he der Bun­des­fach­schu­le wird das Wis­sen zudem nach drau­ßen getra­gen. Wir sind eben kein eli­tä­rer Ver­ein, son­dern möch­ten das erlern­te Wis­sen und Kön­nen wei­ter­ver­brei­ten für eine dem aktu­el­len Stand der Tech­nik ent­spre­chen­de Pati­en­ten­ver­sor­gung. Bei aller Trans­for­ma­ti­on dür­fen wir aber unse­re hand­werk­li­che Basis nicht aus dem Auge verlieren.

OT: Nicht nur das Hand­werk braucht Fach­kräf­te. Schu­len wie die Bufa sind auch auf kom­pe­ten­te Lehr­kräf­te ange­wie­sen. Ist der Bedarf an der Bufa gesichert?

Grun: Dank der Lehrer:innen, die sehr viel leis­ten, ist der Unter­richt an der Bun­des­fach­schu­le gesi­chert. Sie bewäl­ti­gen nicht nur den Meis­ter­un­ter­richt, son­dern füh­ren auch Semi­na­re für wei­te­re Ziel­grup­pen durch. Nicht zu ver­gessen: Die Bun­des­fach­schu­le wird auch immer wie­der aus euro­päi­schen und nicht­eu­ro­päi­schen Län­dern ein­ge­la­den, zu unter­rich­ten und Semi­na­re durch­zu­füh­ren. Kom­pe­ten­te Lehr­kräf­te sind daher immer gefragt. Inso­fern freu­en wir uns über Bewerbungen!

Bufa als Ver­eins­mit­glied finan­zi­ell unterstützen

OT: Vor wel­chen Her­aus­for­de­run­gen wird die Bufa in der ­Zukunft stehen?

Grun: Die größ­te Her­aus­for­de­rung ist die finan­zi­el­le Absi­che­rung der Bufa. Ins­be­son­de­re jetzt, da für jeden alles teu­rer wird. Das gilt auch für die Bun­des­fach­schu­le. Wenn die Semi­na­re und der Meis­ter­vor­be­rei­tungs­kur­sus immer teu­rer wer­den (müs­sen), könn­te sich das auf unse­re Anmel­de­zah­len aus­wir­ken. Die Bun­des­fach­schu­le für Ortho­pä­die-Tech­nik e. V. ist eine pri­va­te, ver­eins­ge­stütz­te Lehr­ein­rich­tung. Zugleich ist sie die ein­zi­ge Lehr­ein­rich­tung unse­res Hand­werks, die vom gesam­ten Fach unter­stützt wird und sowohl Meis­ter­schu­le als auch Ein­rich­tung für Fort- und Wei­ter­bil­dung ist. Wie jeder Ver­ein benö­ti­gen wir zah­len­de Mit­glie­der, um unse­re Schu­le zukunfts­si­cher aus­zu­rich­ten und lei­ten zu kön­nen. Alle Lan­des­in­nun­gen und der Bun­des­in­nungs­ver­band für Ortho­pä­die-Tech­nik (BIV-OT) zah­len jähr­lich eine Spen­de an die Bun­des­fach­schu­le. Hin­zu kom­men die Mit­glie­der des Bufa e. V. Die­se bestehen aus Ein­zel­per­so­nen, Sani­täts­häu­sern und Industrie­firmen, die ihren Mit­glieds­bei­trag in den Ver­ein ein­zah­len. Die­ses Geld kommt aus­schließ­lich der Bun­des­fach­schu­le zugu­te. Wenn ich einen Wunsch frei hät­te, dann wür­de ich mir wün­schen, dass jedes Sani­täts­haus, jede:r Orthopädietechniker:in und jede ortho­pä­die­tech­ni­sche Indus­trie Mit­glied im Bufa e. V. ist. Dann müss­te sich die Bun­des­fach­schu­le kei­ne Gedan­ken mehr über die Zukunft machen, son­dern könn­te sie mit vol­ler Kraft vor­aus für unser Fach gestal­ten. Schließ­lich wol­len wir doch alle unse­re Mitarbeiter:innen im Fach – in Theo­rie und Pra­xis – immer auf den neu­es­ten Wis­sens­stand brin­gen. Nicht zuletzt, um unse­re Betrie­be für die Zukunft aufzustellen.

OT: Wie sehen Sie per­sön­lich Ihre Rol­le an der Spit­ze des Bufa e. V. zur Siche­rung und Stär­kung der Bufa für die Zukunft?

Grun: Ich sehe es als mei­ne Auf­ga­be an, die Bil­dungs­ein­rich­tung noch wei­ter aus­zu­bau­en. Es gilt, gera­de auch gegen­über den Kran­ken­kas­sen, noch deut­li­cher zu machen, dass die Bufa die kom­pe­ten­te Fort- und Weiterbildungs­einrichtung unse­res Fachs in Deutsch­land ist. Auch wenn die Bufa schon jetzt in vie­len Fäl­len Ansprech­part­ner für Leis­tungs­er­brin­ger und Kran­ken­kas­sen ist, wenn es um Fra­gen zu Indi­ka­ti­on und Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung geht.

Die Fra­gen stell­te Pia Engelbrecht.

 

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