Wie viel Schaft muss sein? Kon­ven­tio­nel­ler vs. modi­fi­zier­ter Schaf­trand­zu­schnitt bei Unterschenkelprothese

J. Becker, P. Deters, A. Hömme
Der Wunsch nach so wenig Hilfsmittel wie möglich ist bei der Prothesenversorgung allgegenwärtig. Besonders an der Schnittstelle Mensch – Prothese (dem Schaft) sind die Möglichkeiten jedoch eingeschränkt, da der Prothesenschaft zentrale Funktionen erfüllen muss, um die Prothese adäquat nutzen zu können. In einer Pilotstudie wurde der Fragestellung nachgegangen, welche Auswirkungen ein reduzierter Schaftrand­zuschnitt auf den Prothesenträger hat. Dazu wurden unilateral transtibial amputierte Probanden mit einer Unterschenkelprothese mit zwei unterschiedlichen Schaftrandzuschnitten versorgt. Um zu ermitteln, ob sich objektiv messbare Kriterien mit dem subjektiven Eindruck des Prothesenträgers decken, wurde eine gang­ analytische Untersuchung durch eine Befragung der Probanden ergänzt. Insgesamt zeigen die Ergebnisse eine tendenzielle Verbesserung der Gangparameter mit modifiziertem Schaftrandzuschnitt gegenüber dem konventionellen Schaftzuschnitt.

Ein­lei­tung

Bei der Ver­sor­gung Ampu­tier­ter mit Bein­pro­the­sen müs­sen stets zwei Aspek­te in Bezug auf die Schaft­ge­stal­tung ver­eint wer­den: Kom­fort und Funk­tio­na­li­tät. Der Kom­fort trägt maß­geb­lich zur Akzep­tanz der Pro­the­se bei und wird in der Regel vom Pro­the­sen­trä­ger als sehr wich­tig ein­ge­stuft. Die Bewer­tung, wie kom­for­ta­bel ein Schaft ist, erfolgt dabei eher sub­jek­tiv. Die Funk­tio­na­li­tät beinhal­tet Aspek­te wie Auf­nah­me des Stumpf­vo­lu­mens, Last­über­tra­gung, Haf­tung, Bewe­gungs­frei­heit und ‑über­tra­gung. Sind die­se Auf­ga­ben nicht hin­rei­chend erfüllt, so wird auch der Kom­fort gerin­ger sein. Funk­tio­nel­le Ein­bu­ßen kön­nen ent­ste­hen, wenn der Schaft zuguns­ten des Kom­forts oder auch des kos­me­ti­schen Erschei­nungs­bil­des zu stark redu­ziert wird. Dabei steht beson­ders der Ver­lust von wert­vol­ler Schaft­flä­che und ‑län­ge im Vor­der­grund. So wird mit einer klei­ne­ren Flä­che der Druck auf den Stumpf erhöht. Eben­so ver­schlech­tern sich die Hebel­ver­hält­nis­se zur Pro­the­sen­steue­rung und die Mög­lich­kei­ten der pro­prio­zep­ti­ven Wahr­neh­mung. Im Rah­men der vor­lie­gen­den Unter­su­chung wird aus die­sem Grund der Fra­ge nach­ge­gan­gen, wel­chen kon­kre­ten Ein­fluss die Reduk­ti­on des Schaf­tes im Hin­blick auf den Gang von uni­la­te­ral trans­ti­bi­al Ampu­tier­ten hat.

Anzei­ge

Ver­suchs­auf­bau und ‑durch­füh­rung

Zur Beant­wor­tung der Fra­ge­stel­lung wur­de eine drei­di­men­sio­na­le Gang­ana­ly­se mit 5 trans­ti­bi­al pro­the­tisch ver­sorg­ten Per­so­nen durch­ge­führt. Alle Pro­ban­den waren männ­lich, uni­la­te­ral trans­ti­bi­al ampu­tiert und ver­füg­ten über lang­jäh­ri­ge Pro­the­sen­er­fah­rung. Jeder der Teil­neh­mer war mit einem Liner und einem Vaku­um­schaft mit Knie­kap­pe vor­ver­sorgt. Das Vaku­um wur­de bei die­sen Ver­sor­gun­gen durch ein Aus­stoß­ven­til – in zwei Fäl­len durch eine zusätz­li­che Pum­pe – her­ge­stellt. Ein Pro­band war bereits in der Vor­ver­sor­gung mit einem modi­fi­zier­ten Schaf­trand­zu­schnitt ver­sorgt. Wei­te­re Daten sind Tabel­le 1 zu entnehmen.

Im Vor­feld der Unter­su­chung wur­de für die Pro­ban­den eine Pro­the­se mit kon­ven­tio­nel­lem Schaf­trand­zu­schnitt ange­fer­tigt und ange­passt (Abb. 1). Die­se bestand aus einem Test­schaft, einer Modu­lar-Rohr­ver­bin­dung und einem indi­vi­du­el­len Fuß­pass­teil. Die Stumpf­bet­tung erfolg­te zweck­form­ori­en­tiert in Ver­bin­dung mit einem 3 mm dün­nen TPE-Cushion-Liner. Die Haf­tung wur­de durch ein Aus­stoß­ven­til und eine Knie­kap­pe gewährleistet.

Für den zwei­ten Teil der Unter­su­chung wur­den die Schäf­te mit kon­ven­tio­nel­lem Schaf­trand­zu­schnitt bei allen Pro­ban­den geän­dert (Abb. 2). Nach Pal­pa­ti­on und Mar­kie­ren der Rand­ver­läu­fe auf dem Stumpf wur­den die­se Maße auf den Test­schaft über­tra­gen und ent­spre­chend frei­ge­legt. So war gewähr­leis­tet, dass die fron­ta­len Knie­an­tei­le bei Beu­gung genü­gend Frei­raum haben und den­noch eine M‑L-Sta­bi­li­tät gege­ben ist 1. Da es bei die­sem Vor­ge­hen trotz Liner häu­fig zu Kan­ten­druck kommt, muss­te bei der Anpas­sung des Schaf­tes genau­es­tens auf die Kan­ten­ge­stal­tung geach­tet wer­den. Ins­be­son­de­re die vor­de­ren Antei­le der Kon­dylen­an­la­gen (s. Abb. 2, gelb gestri­chelt mar­kiert) pro­vo­zie­ren Kan­ten­druck, wenn die Rän­der nicht „vom Kör­per weg“ ver­lau­fen 2.

Der ers­te Teil der Unter­su­chung bestand aus einer instru­men­tier­ten Gang­ana­ly­se der Pro­ban­den mit kon­ven­tio­nel­ler Ver­sor­gung (kon­ven­tio­nel­ler Schaf­trand­zu­schnitt, s. Abb. 1) und einer Befra­gung jedes Pro­ban­den zu des­sen Ein­druck zu eben­die­ser Ver­sor­gung mit­tels eines selbst kon­zi­pier­ten Fra­ge­bo­gens. Die Mes­sun­gen wur­den im Gang­la­bor des Insti­tuts für Mess­tech­nik und Bio­me­cha­nik (IMB) an der Bun­des­fach­schu­le für Ortho­pä­die-Tech­nik (BUFA) durch­ge­führt. Für die Bewe­gungs­ana­ly­se stand ein 3D-kine­ma­ti­sches Mess­sys­tem bestehend aus 12 Infra­rot­ka­me­ras und zwei ergän­zen­den Video­ka­me­ras (frontal/dorsal, sagit­tal) zur Ver­fü­gung (Fa. Vicon). Die Erfas­sung der Bewe­gung fand dabei mit einer Mess­fre­quenz von 200 Hz statt. Ange­wandt wur­de für die 3D-kine­ma­ti­sche Mes­sung das Plug-in-Gait-Modell (PiG) 3 der unte­ren Extre­mi­tät 456 (Abb. 3). Die Posi­tio­nie­rung jedes hier­zu not­wen­di­gen Mar­kers ist im PiG-Pro­to­koll fest­ge­legt und ori­en­tiert sich an den ana­to­mi­schen Struk­tu­ren des jewei­li­gen Pro­ban­den. Zu Beginn der Unter­su­chung wur­den hier­zu die PiG-Posi­tio­nen pal­piert und am Kör­per des jewei­li­gen Pro­ban­den mar­kiert. Anschlie­ßend wur­den die not­wen­di­gen Maße erfasst und die Mar­ker auf die zuvor mar­kier­ten Modell-Posi­tio­nen geklebt. Die Mes­sun­gen jedes Pro­ban­den fan­den dabei an jeweils einem Ter­min und zeit­lich direkt nach­ein­an­der statt. Auf die­se Wei­se konn­ten die auf­ge­kleb­ten Mar­ker zwi­schen der ers­ten und der zwei­ten Ver­sor­gungs­si­tua­ti­on bei­be­hal­ten wer­den. Dies kommt der Ver­gleich­bar­keit der Daten zugute.

Beim vor­lie­gen­den Pro­ban­den­kol­lek­tiv wur­de dar­über hin­aus der Mar­ker­punkt am Knie zunächst ohne Schaft pal­piert und mar­kiert. Dar­auf­hin wur­de die Pro­the­se ange­legt und der Knie-Mar­ker­punkt auf den Schaft über­tra­gen, erneut über­prüft und mit einem Mar­ker ver­se­hen. Die Posi­tio­nie­rung der Mar­ker auf dem Unter­schen­kel und dem Fuß fand ana­log zur erhal­te­nen Sei­te statt. Am Modul­ar­rohr muss­te zudem ein Abstands­hal­ter ange­bracht wer­den, damit der Unter­schen­kel im 3D-Modell pro­blem­los erkannt und berech­net wer­den konn­te. Nach Modi­fi­ka­ti­on des Schaf­tes und erneu­tem Anle­gen der Pro­the­se wur­de zunächst die Pass­form sowie die Weich­teil­si­tua­ti­on im Schaf­trand­be­reich über­prüft. Wur­den hier­bei kei­ne Pro­ble­me fest­ge­stellt, so wur­de mit der Über­prü­fung der über­tra­ge­nen Mar­ker­po­si­ti­on vom Knie auf den Schaft fort­ge­fah­ren. In der vor­lie­gen­den Unter­su­chung war nach Modi­fi­ka­ti­on des Schaf­tes und Über­prü­fung der Posi­ti­on jedoch kei­ne Ver­än­de­rung der Knie-Mar­ker-Posi­ti­on not­wen­dig. Die 3D-kine­ma­ti­sche Bewe­gungs­ana­ly­se wur­de dar­über hin­aus durch die simul­ta­ne Erfas­sung der Boden­re­ak­ti­ons­kräf­te ergänzt. Hier­bei wur­den 2 Kraft­mess­platt­for­men (Fa. Amti) genutzt, die in die Gangstre­cke inte­griert waren und mit einer Fre­quenz von 1000 Hz maßen.

Vor Beginn der 3D-kine­ma­ti­schen Daten­er­fas­sung gin­gen die Pro­ban­den zur Ein­ge­wöh­nung meh­re­re Male die Gangstre­cke in einer selbst gewähl­ten Geschwin­dig­keit ab. Die Dau­er der Ein­ge­wöh­nung betrug dabei unge­fähr fünf Minu­ten, dau­er­te jedoch min­des­tens so lan­ge, bis jeder Pro­band ein Gefühl von Sicher­heit und Kon­trol­le erlangt hat­te. Anschlie­ßend wur­de mit der Mes­sung begon­nen und die Pro­ban­den instru­iert, in einer selbst gewähl­ten Geschwin­dig­keit die Gangstre­cke ent­lang­zu­ge­hen. Um aus­sa­ge­kräf­ti­ge Ergeb­nis­se zu erhal­ten, gin­gen die Pro­ban­den meh­re­re Male über die Gangstre­cke, sodass letzt­end­lich min­des­tens 20 gül­ti­ge Tri­als auf­ge­zeich­net wer­den konn­ten. Ein Tri­al wird dabei als gül­tig ver­stan­den, wenn min­des­tens eine Stand­pha­se (uni­la­te­ral) voll­stän­dig von einer der Kraft­mess­platt­for­men auf­ge­zeich­net wer­den konnte.

Anschlie­ßend wur­den die Pro­ban­den mit­tels eines selbst kon­zi­pier­ten Fra­ge­bo­gens befragt, wie sie den Schaft­kom­fort, das Sicher­heits­ge­fühl beim Gehen und Ste­hen, den Kom­fort im Sit­zen sowie das all­ge­mei­ne Trage­ gefühl des Schaf­tes emp­fin­den. Die Bewer­tung erfolg­te anhand einer 10er-Ska­la von 1 („schlecht“) bis 10 („gut“). Im zwei­ten Teil der Unter­su­chung bewer­te­ten die Pro­ban­den zusätz­lich den Zustand vor­her (kon­ven­tio­nel­ler Schaf­trand­zu­schnitt) im Ver­gleich mit dem Zustand nach­her (modi­fi­zier­ter Schaf­trand­zu­schnitt). Da es sich bei der vor­lie­gen­den Unter­su­chung um eine Pilot­stu­die mit einem klei­nen Pro­ban­den­kol­lek­tiv han­delt, fand die Aus­wer­tung der Daten rein deskrip­tiv statt.

Ergeb­nis­se

Im Fol­gen­den wer­den die Ergeb­nis­se der vor­lie­gen­den Unter­su­chung aus­zugs­wei­se dar­ge­stellt und anschlie­ßend dis­ku­tiert. Im Hin­blick auf die erho­be­nen Boden­re­ak­ti­ons­kräf­te sowie die aus dem Gang­bild resul­tie­ren­den Gang­pa­ra­me­ter waren für das unter­such­te Pro­ban­den­kol­lek­tiv kei­ne Unter­schie­de zwi­schen den bei­den Schaft­si­tua­tio­nen zu erken­nen. Die 3D-kine­ma­ti­schen Daten wei­sen in Bezug auf die Hüft­ge­lenks­be­we­gung in der Sagit­tal­ebe­ne eben­falls kei­ne Unter­schie­de zwi­schen den bei­den Schaft­va­ri­an­ten auf. Die Gelenk­win­kel­ver­läu­fe des Knies und des obe­ren Sprung­ge­lenks (sagit­tal) las­sen jedoch ten­den­zi­el­le Unter­schie­de zwi­schen den bei­den Ver­sor­gungs­si­tua­tio­nen erken­nen (Abb. 4 u. 5). So zeigt sich bei Betrach­tung der Knie­ge­lenks­be­we­gung (sagit­tal) (s. Abb. 4), dass die Modi­fi­ka­ti­on des Schaf­tes eine leich­te Zunah­me an Fle­xi­on im Knie­ge­lenk der ver­sorg­ten Sei­te zur Fol­ge hat­te. Dies ist vor allem in der Belas­tungs­über­nah­me sowie in der mitt­le­ren Schwung­pha­se des ver­sorg­ten Bei­nes (links) zu erken­nen. Ein ver­gleich­ba­res Ergeb­nis ist in den Win­kel­ver­läu­fen des obe­ren Sprung­gelenks (sagit­tal) zu erken­nen (s. Abb. 5). Auch hier zeigt sich für die pro­the­tisch ver­sorg­te Sei­te eine leich­te Zunah­me des Bewe­gungs­aus­ma­ßes mit dem modi­fi­zier­ten Schaf­trand­zu­schnitt, sowohl in Plant­ar­fle­xi­on als auch in Dor­sal­ex­ten­si­on. Eben­falls ist in den Ver­läu­fen der Dreh­mo­men­te des Knie­ge­lenks (Abb. 6) eine Zunah­me an flek­tie­ren­den Momen­ten für die ver­sorg­te Sei­te mit modi­fi­zier­tem Schaf­trand­zu­schnitt erkennbar.

Die Ergeb­nis­se der Befra­gung (Abb. 7) zei­gen, dass die Pro­ban­den im direk­ten Ver­gleich bei­der Schaf­trand­zu­schnit­te zuein­an­der im Durch­schnitt 8 Punk­te auf der Ska­la von 1 („schlech­ter“) bis 10 („bes­ser“) anga­ben. Des Wei­te­ren zei­gen die Ergeb­nis­se des Fra­ge­bo­gens eine gering­fü­gig höhe­re Bewer­tung des Kom­fort-Aspek­tes beim modi­fi­zier­ten Schaf­trand­zu­schnitt. So wur­de im Durch­schnitt der Schaft­kom­fort mit + 0,4 Punk­ten und der Kom­fort im Sit­zen mit + 0,6 Punk­ten gegen­über dem kon­ven­tio­nell gestal­te­ten Schaft bewer­tet. Dage­gen wur­de der Aspekt der Sicher­heit als gerin­ger bewer­tet: So wur­de das Sicher­heits­ge­fühl im Ste­hen durch­schnitt­lich mit ‑0,4 und das Sicher­heits­ge­fühl beim Gehen mit ‑1,2 Punk­ten im Ver­gleich zum kon­ven­tio­nel­len Schaft­zu­schnitt angegeben.

Dis­kus­si­on

Die Ergeb­nis­se der vor­lie­gen­den Pilot­stu­die zei­gen, dass eine Redu­zie­rung des Schaf­tes zu Ver­än­de­run­gen im Gang­bild der unter­such­ten Pati­en­ten füh­ren kann. Das Aus­maß des Ein­flus­ses die­ser Modi­fi­ka­ti­on war im gewähl­ten Kol­lek­tiv jedoch nicht homo­gen, sodass nicht bei jedem Pro­ban­den eine kla­re, wenn auch gerin­ge Ver­än­de­rung des Bewe­gungs­ab­lau­fes zu erken­nen war. Den­noch zei­gen die exem­pla­risch dar­ge­stell­ten Ergeb­nis­se, dass es durch die Ver­än­de­rung des Schaf­tes zu erkenn­ba­ren Ver­än­de­run­gen im Bewe­gungs­aus­maß gekom­men ist.

Dies wird bei der Betrach­tung der Knie­win­kel­ver­läu­fe (s. Abb. 4) eben­falls deut­lich. Die­se zei­gen für die ver­sorg­te Sei­te ein höhe­res Maß an Knief­le­xi­on zum Zeit­punkt der Belas­tungs­über­nah­me bis hin zur frü­hen mitt­le­ren Stand­pha­se sowie in der mitt­le­ren Schwung­pha­se. Auch zei­gen die Win­kel­ver­läu­fe des OSG (s. Abb. 5) einen grö­ße­ren Bewe­gungs­um­fang für die ver­sorg­te Sei­te mit redu­zier­tem Schaft­zu­schnitt. Die Ver­grö­ße­rung des Bewe­gungs­aus­ma­ßes kann an die­ser Stel­le als Zunah­me an Gang­dy­na­mik ver­stan­den und in Anleh­nung an die Kri­te­ri­en nach Wetz et al. (2002) 7 als posi­tiv für den Pati­en­ten bewer­tet werden.

Die in Abbil­dung 6 exem­pla­risch dar­ge­stell­ten höhe­ren knief­lek­tie­ren­den Dreh­mo­men­te bis in die frü­he mitt­le­re Stand­pha­se und beglei­tend gerin­ge­re knie­ex­ten­die­ren­de Dreh­mo­men­te bis zum Stand­pha­se­n­en­de auf der pro­the­tisch ver­sorg­ten Sei­te zei­gen dabei eben­falls einen Zuge­winn für den Pro­ban­den mit redu­zier­tem Schaf­trand­zu­schnitt auf. Denn eine Zunah­me an flek­tie­ren­den und eine Abnah­me an exten­die­ren­den Momen­ten auf der Pro­the­sen­sei­te ist nach Wetz et al. (2002) 8 ein Indiz für einen Zuge­winn an Gangsicherheit.

Die Befra­gung der fünf Pro­ban­den zu den bei­den Schaf­trand­zu­schnit­ten zeigt, ergän­zend zu den Gang­ana­ly­se­da­ten, kon­trä­re Ergeb­nis­se: Auf­grund des modi­fi­zier­ten, redu­zier­ten Schaf­trand­zu­schnit­tes wur­de vor Beginn der Pilot­un­ter­su­chung bereits ver­mu­tet, dass der Kom­fort im Sit­zen auf­grund der gerin­ge­ren Schaft­flä­che im fron­ta­len Schaft­be­reich bes­ser bewer­tet wird. Dazu passt auch die bes­se­re Bewer­tung des Schaft­kom­forts all­ge­mein. Der Aspekt Sicher­heit hat sich nach sub­jek­ti­ver Ein­schät­zung der Pro­ban­den durch die Modi­fi­ka­ti­on jedoch nicht ver­bes­sert, wohin­ge­gen die Bewer­tung bei­der Schaf­trand­zu­schnit­te im direk­ten Ver­gleich zuguns­ten des modi­fi­zier­ten Schaf­trand­zu­schnit­tes aus­fällt. Dies scheint zunächst unlo­gisch, ist die Sicher­heit beim Gehen mit der Pro­the­se doch von ent­schei­den­der Bedeu­tung. Aller­dings wird hier­bei deut­lich, wie wich­tig der Sitz­kom­fort für den Pro­the­sen­trä­ger ist. Gera­de bei Ver­sor­gun­gen mit Knie­kap­pe (und Liner) wird häu­fig der Sitz­kom­fort bemän­gelt. Sub­jek­tiv betrach­tet wird der modi­fi­zier­te Schaf­trand­zu­schnitt hier als der bes­se­re bewertet.

Fazit

Die Mög­lich­kei­ten, den Pro­the­sen­schaft belie­big zu redu­zie­ren, sind begrenzt. Dabei bleibt die Fra­ge offen, wo genau die Gren­ze zwi­schen Kom­fort­ge­winn und Funk­ti­ons­ver­lust liegt. Im Rah­men der vor­lie­gen­den Pilot­stu­die konn­ten zwar durch­aus Unter­schie­de in den Gang­bil­dern der Pro­ban­den durch die Modi­fi­zie­rung des Schaf­tran­des abge­bil­det wer­den. Der Ein­fluss der Schaft­si­tua­ti­on beim unter­such­ten Pro­ban­den­kol­lek­tiv stell­te sich dabei jedoch als eher hete­ro­gen dar, sodass die Ergeb­nis­se kein gene­rel­les Urteil über die Aus­wir­kun­gen eines redu­zier­ten Schaf­trand­ver­lau­fes im Ver­gleich zu einem kon­ven­tio­nel­len Schaf­trand­ver­lauf zulas­sen. Den­noch ist in der Sum­me der Ergeb­nis­se zu erken­nen, dass sowohl in den erho­be­nen Gang­ana­ly­se­da­ten als auch in der Befra­gung nach dem sub­jek­ti­ven Emp­fin­den ein ten­den­zi­el­ler Zuge­winn für die Pro­ban­den durch den modi­fi­zier­ten Schaf­trand­zu­schnitt zu ver­zeich­nen ist.

Per­spek­ti­visch sind wei­te­re Unter­su­chun­gen mit einer grö­ße­ren Anzahl an Pro­ban­den und unter­schied­lich stark redu­zier­ten Schaft­zu­schnit­ten nötig, um zu ermit­teln, wo die kon­kre­ten Limi­tie­run­gen eines modi­fi­zier­ten Schaf­trand­zu­schnit­tes lie­gen. Auch soll­te in Fol­ge­un­ter­su­chun­gen ana­ly­siert wer­den, wel­che bio­me­cha­ni­schen Ver­än­de­run­gen durch eine Redu­zie­rung des Schaf­trand­zu­schnit­tes im Schaft entstehen.

Für die Autoren:
Jan Becker
Ortho­pä­die-Tech­ni­ker-Meis­ter (CPO‑G)
Fach­leh­rer für Trans­ti­bia­le Prothetik
Bun­des­fach­schu­le für Orthopädie-Technik
Schliep­stra­ße. 6–8, 44135 Dortmund
j.becker@ot-bufa.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Becker J., Deters P., Höm­me A. Wie viel Schaft muss sein? Kon­ven­tio­nel­ler vs. modi­fi­zier­ter Schaf­trand­zu­schnitt bei Unter­schen­kel­pro­the­sen. Ortho­pä­die Tech­nik, 2017; 68 (11): 26–31
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  8. Wetz HH, Drer­up B, Haf­ke­mey­er U. Richt­li­ni­en für eine kli­ni­sche Prü­fung von ortho­pä­di­schen Hilfs­mit­teln. Z Orthop, 2002; 140: 1–8
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