Vir­tu­el­le Wel­ten für digi­ta­le Dia­gnos­tik und kogni­ti­ve Rehabilitation

P. Chojecki, D. Runde, M. Gaebler, F. Klotzsche, J. Tromp, J. Belger, M. Blume, A. Thöne-Otto, B. Vehmeier, M. Hofman, S. Krohn, C. Finke
VR-Technologien (VR = Virtual Reality bzw. Virtuelle Realität) haben in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt und eröffnen vielfältige Chancen für digitale Therapien. Im BMBF-geförderten „VReha“-Projekt wurden VR-Diagnostik- und VR-Therapielösungen für kognitive Beeinträchtigungen des räumlichen Gedächtnisses und exekutiver Funktionen erarbeitet, die z. B. bei Alzheimer- oder Schlaganfallpatienten auftreten. Diese „immersiven“ Lösungen bieten sowohl praktische als auch therapeutische Vorteile gegenüber bisherigen „Papier-und-Bleistift-Verfahren“. Die vorliegenden Ergebnisse des Projektes machen das erwartete Potenzial von VR im medizinischen Bereich sichtbar und legen nahe, dass ein VR-basiertes Training für neurologische Patienten – auch mit anderen Störungsbildern – sehr gut einsetzbar ist.

Ein­lei­tung

Die Ent­wick­lung von Vir­tu­al-Rea­li­ty-Unter­hal­tungs­elek­tro­nik hat in den letz­ten Jah­ren gro­ße Fort­schrit­te erzielt 1. Beson­ders Auf­lö­sung, Sicht­feld und Bewe­gungs­sen­so­rik der VR-Sys­te­me wer­den mit jeder neu­en Hard­ware-Gene­ra­ti­on bes­ser. Auch ergo­no­mi­sche Fak­to­ren, ins­be­son­de­re der Tra­ge­kom­fort, spie­len zuneh­mend eine Rol­le bei der Gestal­tung der soge­nann­ten Head-Moun­ted Dis­plays (HMDs). Dabei han­delt es sich um augen­na­he Bild­schir­me, häu­fig in Form soge­nann­ter VR-Bril­len. Auch wenn die pri­mä­ren VR-Ziel­märk­te zunächst im Medi­en- und Unter­hal­tungs­be­reich gese­hen wur­den, sind die Gerä­te heu­te ver­mehrt auch im pro­fes­sio­nel­len Bereich im Ein­satz und ber­gen gro­ße Chan­cen, z. B. für digi­ta­le The­ra­pien unter­schied­li­cher kör­per­li­cher oder psy­chi­scher Erkran­kun­gen. So wur­den z. B. VR-Sys­te­me für die Ergo­the­ra­pie 2, die Spie­gel­the­ra­pie 3 und die Expo­si­ti­ons­the­ra­pie 4 entwickelt.

Im BMBF-geför­der­ten „VReha“-Projekt 5 ent­wi­ckelt ein inter­dis­zi­pli­nä­res Team aus kli­ni­schen, tech­ni­schen und wis­sen­schaft­li­chen Part­nern eine VR-basier­te Tool­box („Werk­zeug­kas­ten“) zur digi­ta­len Dia­gnos­tik und The­ra­pie kogni­ti­ver Beein­träch­ti­gun­gen, wie sie z. B. bei Alz­hei­mer- oder Schlag­an­fall­pa­ti­en­ten auf­tre­ten. Die VR-Tool­box beinhal­tet Test- und Trai­nings­auf­ga­ben, die die bis­he­ri­gen „Papier-und-Blei­stift-Ver­fah­ren“ ergän­zen und ver­bes­sern sol­len. Wie in Abb. 1 dar­ge­stellt, wur­den im Rah­men von „VRe­ha“ bis­lang zwei Auf­ga­ben ent­wi­ckelt: eine „immersi­ve Vir­tu­al Memo­ry Task” (imVMT; „M“ für „Memo­ry“) und eine „immersi­ve Vir­tu­al Super­mar­ket Task” (imVST; „S“ für „Super­mar­ket“). Die „imVMT“ adres­siert mit einer VR-Memo­ry-Auf­ga­be das räum­li­che Gedächt­nis. Die Basis­auf­ga­be besteht dar­in, sich zufäl­lig auf einem Tisch ver­teil­te All­tags­ge­gen­stän­de ein­zu­prä­gen und in einem zwei­ten Durch­gang die erin­ner­te Anord­nung mög­lichst prä­zi­se mit den eige­nen Hän­den wie­der auf den Tisch zu stel­len (Abb. 2). In der Anwen­dung „imVST“ wer­den mit­tels kom­ple­xe­rer Ein­kaufs­auf­ga­ben, bei denen sich die Pati­en­ten durch einen VR-Super­markt bewe­gen und vir­tu­el­le Pro­duk­te suchen und ein­sam­meln, exe­ku­ti­ve Funk­tio­nen ange­spro­chen. Bei­de Auf­ga­ben ent­hal­ten Unter­mo­du­le zur Dia­gnos­tik und zur dar­auf auf­bau­en­den Reha­bi­li­ta­ti­on und sind für den Ein­satz sowohl in Kli­ni­ken als auch – in naher Zukunft – im pri­va­ten, häus­li­chen Umfeld konzipiert.

In den fol­gen­den Kapi­teln wer­den die kon­zep­tio­nel­len, wis­sen­schaft­li­chen, tech­ni­schen und kli­ni­schen Details erläu­tert, die „VRe­ha“ zugrun­de lie­gen bzw. in die­sem Zusam­men­hang umge­setzt wer­den, um das viel­schich­ti­ge Poten­zi­al der VR-Tech­no­lo­gien für Dia­gnos­tik und Reha­bi­li­ta­ti­on auf­zu­zei­gen (Abb. 1).

VR in Grund­la­gen­for­schung und Machbarkeitstestung

VR – die Tech­no­lo­gie und ihre Geschichte

Die Tech­no­lo­gie der Vir­tu­el­len Rea­li­tät ermög­licht es, mit com­pu­ter­ge­nerier­ten Umge­bun­gen und Inhal­ten zu inter­agie­ren, um ein „immersi­ves“ Erleb­nis zu ermög­li­chen. Unter „Immersi­on“ (von lat. „immersio“ = Ein­tau­chung) ver­steht man das kom­plet­te Ein­tau­chen in eine vir­tu­el­le Welt, ohne dabei Rei­zen aus der rea­len Welt aus­ge­setzt zu sein. Bei „nicht­im­mersi­ver“ VR inter­agie­ren die Benut­zer mit 3D-Com­pu­ter­gra­fi­ken auf einem 2D-Bild­schirm, wäh­rend bei „immersi­ver“ VR die Men­schen durch die Ver­wen­dung von ste­reo­sko­pi­schen Head-Moun­ted Dis­plays (HMDs) und von Body-Track­ing-Sen­so­ren voll­stän­dig in die vir­tu­el­le Umge­bung „ein­ge­bet­tet“ wer­den. Nach­dem es in den 1960ern und den 1990ern bereits zwei „VR-Wel­len“ gege­ben hat­te, die aus ver­schie­de­nen Grün­den (z. B. die schlech­te Qua­li­tät der Bild­wie­der­ga­be) wie­der abebb­ten, erlebt der neue Anlauf seit der Grün­dung des Start­ups „Ocu­lus“ zur Ent­wick­lung und zum Ver­trieb eines erschwing­li­chen VR-Head­sets im Jahr 2012 in den USA eine rasan­te Ent­wick­lung mit immer güns­ti­ge­ren und per­for­man­te­ren VR-Gerä­ten (s. u.), was zu einer Ver­brei­tung auch in Anwen­dungs­ge­bie­te jen­seits der Unter­hal­tungs­elek­tro­nik führt, zum Bei­spiel in die empi­ri­sche Grundlagenforschung.

Die Lücke zwi­schen Labor und Leben: exter­ne Validität

Ein wich­ti­ges Güte­kri­te­ri­um von – zum Bei­spiel neu­ro­wis­sen­schaft­li­chen oder psy­cho­lo­gi­schen – For­schungs­er­geb­nis­sen ist ihre exter­ne Vali­di­tät: Las­sen sich Labor­er­geb­nis­se (z. B. Ände­run­gen des Ver­hal­tens oder der Phy­sio­lo­gie) auf ande­re Kon­tex­te ver­all­ge­mei­nern? Wel­che Rele­vanz haben sie im „ech­ten Leben“? Dadurch, dass bei Ver­suchs­auf­bau­ten alle mög­li­chen Stör­fak­to­ren ver­mie­den wer­den oder kon­trol­liert sein müs­sen, sind Expe­ri­men­te oft abs­trakt und „all­tags­fern”. Um die „Lücke zwi­schen Labor und Leben“ zu schlie­ßen, gibt es zwei Ansät­ze: Ent­we­der man inte­griert das Labor ins Leben oder man holt das Leben ins Labor. Ein Bei­spiel für den ers­ten Ansatz sind trag­ba­re Mess­ge­rä­te (z. B. Smart­phones oder ‑wat­ches), mit denen bspw. die Herz­fre­quenz von Pro­ban­den in ihrem All­tag gemes­sen wer­den kann z. B. 6.

Eine Brü­cke zwi­schen Labor und Leben: VR

Eine Lösung, das Leben ins Labor zu holen, bie­tet VR, mit der es mög­lich ist, eine kom­ple­xe, natu­ra­lis­ti­sche Umge­bung com­pu­ter­ge­neriert – und dadurch weit­ge­hend kon­trol­liert – ins Labor zu holen. Zen­tra­le Bau­tei­le der VR-Tech­no­lo­gie sind heu­te in fast jedem Smart­phone ver­baut (ein hoch­auf­lö­sen­des Dis­play, Beschleu­ni­gungs­sen­so­ren und tief­en­er­fas­sen­de Kame­ras), sodass VR-Bril­len im Kern nichts ande­res sind als hori­zon­tal vor die Augen geschnall­te Smart­phones. VR ent­spricht also der Anzei­ge räum­lich emp­fun­de­ner 360°-Inhalte, die an die Kopf­be­we­gun­gen und ande­re Nut­zer­inter­ak­tio­nen ange­passt wer­den. Dabei ist es mög­lich, das Ver­hal­ten der Pro­ban­den mit einer hohen Genau­ig­keit zu erfas­sen und aus­zu­wer­ten. Eben­so kön­nen zusätz­lich phy­sio­lo­gi­sche Para­me­ter wie die elek­tri­sche Signal­wei­ter­lei­tung im Gehirn (z. B. durch elek­tro­en­ze­pha­logra­phi­sche Ablei­tung an der Schä­del­de­cke) oder ande­ren Kör­per­tei­len (z. B. Elek­tro­kar­dio­gra­phie) gemes­sen werden.

Zusam­men­fas­send lässt sich fest­stel­len, dass die (neue Gene­ra­ti­on der) VR-Tech­no­lo­gie für die empi­ri­sche Grund­la­gen­for­schung viel­fach Vor­tei­le bie­tet und weit­rei­chen­de Hoff­nun­gen weckt, ins­be­son­de­re bezüg­lich der fol­gen­den Aspekte:

  1. Sie ist tech­nisch unauf­wen­dig und rela­tiv preis­güns­tig verfügbar,
  2. sie erlaubt eine natu­ra­lis­ti­sche­re Sti­mu­la­ti­on bei vol­ler expe­ri­men­tel­ler Kontrolle,
  3. sie erhöht dadurch mög­li­cher­wei­se die exter­ne Vali­di­tät (auch: All­tags­gül­tig­keit) der For­schungs­er­geb­nis­se und
  4. sie ermög­licht eine gleich­zei­ti­ge Mes­sung neu­ro­phy­sio­lo­gi­scher Signa­le durch die Kom­bi­na­ti­on mit ande­ren trag­ba­ren Geräten.

VR in der Klinik

Ein ähn­li­ches Poten­zi­al wie bei der Nut­zung von VR in der empi­ri­schen Grund­la­gen­for­schung herrscht im kli­ni­schen Bereich. Das bereits ange­spro­che­ne Prin­zip der exter­nen Vali­di­tät ist eng ver­wandt mit dem als „Trans­la­ti­on“ bezeich­ne­ten Prin­zip in der kli­ni­schen For­schung, also der Maxi­me, For­schungs­er­geb­nis­se von der Labor-„Bank” in eine Anwen­dung am Kran­ken­bett zu über­tra­gen. Mit ande­ren Wor­ten: Das, was kli­ni­sche For­scher im Labor ermit­teln, soll dem Pati­en­ten tat­säch­lich bei der Krank­heits­ver­mei­dung oder sei­ner Gene­sung hel­fen. Die klas­si­schen Ansät­ze dazu kön­nen mit­tels VR erwei­tert wer­den: Neben dem Petri­scha­len­mo­dell – „in vitro“ – und dem leben­den Modell – „in vivo“ – gibt es im Zeit­al­ter der Digi­ta­li­sie­rung nun auch das com­pu­ter­si­mu­lier­te Modell – „in sili­co“ – und das vir­tu­el­le (Realitäts-)Modell – „in vir­tuo“. Kurz gesagt ver­spricht die neue Tech­no­lo­gie, Krank­hei­ten mit­tels VR bes­ser erfor­schen, dia­gnos­ti­zie­ren und the­ra­pie­ren zu können.

Inter­ak­ti­ons­tech­no­lo­gie für immersi­ve Dia­gnos­tik- und Trainingstools

Auch wenn enor­me Fort­schrit­te bei den kom­mer­zi­ell erhält­li­chen VR-Sys­te­men erzielt wer­den konn­ten, gibt es wei­ter­hin vie­le Her­aus­for­de­run­gen, die sich wäh­rend der Imple­men­tie­rung von VR-Anwen­dun­gen im All­ge­mei­nen und ins­be­son­de­re im kli­ni­schen Anwen­dungs­kon­text erge­ben. Um sowohl The­ra­peu­ten als auch Pati­en­ten eine effek­ti­ve Nut­zung die­ser neu­en Tech­no­lo­gie zu ermög­li­chen, müs­sen ganz­heit­li­che VR-Lösun­gen ent­wi­ckelt wer­den, die neben struk­tu­rel­len, hygie­ni­schen und ergo­no­mi­schen auch unter­schied­li­che tech­ni­sche Aspek­te berück­sich­ti­gen. So wur­de in „VRe­ha“ bei der Ent­wick­lung der vir­tu­el­len Test­um­ge­bun­gen, in denen die Auf­ga­ben durch­ge­führt wer­den, neben einem neu­tra­len, aber rea­lis­ti­schen Design der Räu­me ins­be­son­de­re in der Anwen­dung „imVMT“ (der Gedächt­nis­auf­ga­be) gro­ßer Wert auf die Aus­wahl und Gestal­tung der ver­wen­de­ten vir­tu­el­len Gegen­stän­de gelegt. Die vir­tu­el­len Haus­halts­ob­jek­te, die für die ver­schie­de­nen Bedin­gun­gen der Memo­ry-Auf­ga­be genutzt wer­den, wur­den gezielt aus­ge­wählt, für die Inter­ak­ti­on opti­miert und umfang­reich vali­diert 7.

Da aktu­el­le VR-Bril­len eine qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge, rea­lis­ti­sche Dar­stel­lung von VR-Umge­bun­gen ermög­li­chen, erwar­ten VR-Nut­zer auch eine natür­li­che oder rea­lis­ti­sche Inter­ak­ti­on. In „VRe­ha“ liegt daher ein star­ker Fokus der tech­ni­schen Ent­wick­lung auf der natür­li­chen Inter­ak­ti­on und der Fort­be­we­gung (Loko­mo­ti­on) inner­halb der VR, und zwar unter beson­de­rer Berück­sich­ti­gung der Bedürf­nis­se neu­ro­lo­gi­scher Pati­en­ten (z. B. Durch­füh­rung von Übun­gen im Sit­zen bei Ein­schrän­kun­gen der Fort­be­we­gung). Tech­nisch wird die natür­li­che Inter­ak­ti­on mit­tels einer opti­schen Erfas­sung der Hän­de und Kör­per­tei­le des Pati­en­ten umge­setzt, die ohne am Kör­per getra­ge­ne Mar­ker oder Ein­ga­be­ge­rä­te aus­kommt. Wie in Abbil­dung 2 dar­ge­stellt, wer­den Hand- und Fin­ger­be­we­gun­gen über eine auf der VR-Bril­le (1) befes­tig­te Kame­ra (2) erfasst. Die Ganz­kör­per­be­we­gun­gen wer­den von außen über eine wei­ter ent­fern­te Kame­ra (3) auf­ge­nom­men. Dadurch kann der Pati­ent als sich natür­lich bewe­gen­der Ava­tar (4) in der VR-Test­um­ge­bung (5) reprä­sen­tiert werden.

Zur Aus­wer­tung der Kör­per­be­we­gun­gen und der Greif­ges­ten hat das Fraun­ho­fer HHI einen auf maschi­nel­lem Ler­nen basier­ten Ansatz ent­wi­ckelt: Farb- und Tie­fen­da­ten der 3D-Kame­ras wer­den ana­ly­siert, um anhand des­sen Hand­be­we­gun­gen und Hand­hal­tun­gen zu erken­nen, die ein zuver­läs­si­ges Grei­fen und Los­las­sen vir­tu­el­ler Objek­te unter­schied­li­cher Grö­ße und Form sowie eine genaue Dar­stel­lung der Hand ermög­li­chen 8. Wei­ter­hin wur­den zur Erhö­hung der Genau­ig­keit und der Gebrauchs­taug­lich­keit der Hand­in­ter­ak­ti­on Fil­ter für die Kame­ra-Roh­da­ten sowie beson­de­re audio­vi­su­el­le Feed­backs imple­men­tiert (Abb. 3).

Das „VReha“-Interaktionssystem erlaubt es Pati­en­ten, die „imVMT“-Memory-Aufgabe sowohl sit­zend als auch ste­hend durch­zu­füh­ren, was für die Ein­bin­dung von Men­schen mit Pare­sen beson­ders wich­tig ist. Falls erfor­der­lich, ist auch eine ein­hän­di­ge Bedie­nung mög­lich. Alle Instruk­tio­nen wer­den in der vir­tu­el­len Welt gezeigt und visu­ell erläu­tert. Dies erleich­tert auch Men­schen mit einer Apha­sie das Instruk­ti­ons­ver­ständ­nis. Da auch dieBear­bei­tung der Auf­ga­ben durch eine natür­li­che Hand­in­ter­ak­ti­on erfolgt, ist die­se eben­falls für Men­schen mit Apha­sie mög­lich. Außer­dem wer­den dadurch für die Bedie­nung und Mani­pu­la­ti­on der Objek­te kei­ne zusätz­li­chen kogni­ti­ven Res­sour­cen benö­tigt, sodass die­se voll­stän­dig für die Bear­bei­tung der eigent­li­chen kogni­ti­ven Auf­ga­be zur Ver­fü­gung ste­hen. Die „VReha“-Interaktionslösung ver­kürzt zudem die Vor­be­rei­tungs­zeit der Unter­su­chun­gen und Trai­nings, da die Pati­en­ten kei­ne zusätz­li­chen Gerä­te oder Ver­ka­be­lun­gen benötigen.

Ein nicht zu ver­nach­läs­si­gen­der Aspekt der VR-Nut­zung ist eine als „Cyber­sick­ness“ oder „VR-Krank­heit“ bekann­te Neben­wir­kung, die zu Unwohl­sein und Übel­keit vor allem bei der Fort­be­we­gung in der VR-Umge­bung füh­ren kann. Eine der mög­li­chen Ursa­chen dafür ist der Wahr­neh­mungs­kon­flikt, dass eine Bewe­gung in der VR gese­hen wird, die vom übri­gen Kör­per, vor allem vom Gleich­ge­wichts­or­gan, aber nicht wahr­ge­nom­men wird. Die­se Dis­kre­panz zwi­schen visu­el­ler und pro­prio­zep­ti­ver Wahr­neh­mung gilt es zu mini­mie­ren, z. B. durch einen ein­ge­schränk­ten Sicht­be­reich wäh­rend der Fort­be­we­gung 9. In „VRe­ha“ betrifft dies vor allem die „Super­markt­auf­ga­be“ („imVST“, s. o.), in der der Pro­band sich durch einen gro­ßen vir­tu­el­len Raum bewe­gen muss. Dazu wur­den im Pro­jekt neue, pati­en­ten­taug­li­che Fort­be­we­gungs­kon­zep­te ent­wi­ckelt, um die Sym­pto­me der VR-Krank­heit zu mini­mie­ren. Eine Eva­lua­ti­on und Publi­ka­ti­on die­ser Ergeb­nis­se wird in naher Zukunft erfolgen.

Nut­zer­freund­li­che und siche­re Schnittstellen

Neben den Anfor­de­run­gen der Pati­en­ten an die Inter­ak­ti­on inner­halb der VR-Auf­ga­ben wur­den auch die Bedürf­nis­se der Kli­ni­ker als Betrei­ber des Sys­tems berück­sich­tigt. Aus die­sem Grund wur­de im Rah­men des Pro­jek­tes eine zen­tra­le, ein­fach benutz­ba­re Online-Platt­form ent­wi­ckelt, auf der alle Stu­di­en­in­for­ma­tio­nen agg­re­giert wer­den. Das Hos­ting erfolgt bei einem Pro­jekt­part­ner in Deutsch­land, wodurch die bereits pseud­ony­mi­sier­te Pati­en­ten­da­ten zusätz­lich vor Fremd­zu­grif­fen geschützt wer­den. Die Web-Platt­form ist sowohl über eine Web-Benut­zer­schnitt­stel­le als auch über die VR-Appli­ka­tio­nen für die The­ra­peu­ten zugäng­lich. Sie ermög­licht die Ver­wal­tung der Stu­di­en­da­ten, die Durch­füh­rung von Befra­gun­gen mit­tels Fra­ge­bö­gen sowie optio­nal die Steue­rung der VR-Ver­fah­ren. Die erho­be­nen Infor­ma­tio­nen sind einem Stu­di­en­teil­neh­mer zuge­ord­net. Der jewei­li­ge The­ra­peut hat nur Zugriff auf die Daten der von ihm getes­te­ten Stu­di­en­teil­neh­mer aus sei­ner Einrichtung.

Die Web­ober­flä­che beinhal­tet alle not­wen­di­gen Fra­ge­bö­gen sowohl für die Stu­di­en­teil­neh­mer als auch für die durch­füh­ren­den The­ra­peu­ten. Dafür kom­men eigens ent­wi­ckel­te Fra­ge­bö­gen zum Ein­satz, die sowohl all­ge­mei­ne als auch VR-rele­van­te Aspek­te abfra­gen. Zur Erfas­sung von Sym­pto­men der VR-Krank­heit wer­den die Stu­di­en­teil­neh­mer zu ihrem Befin­den vor und nach der VR-Sit­zung befragt. Die Ant­wort­mög­lich­kei­ten bestehen größ­ten­teils aus Ein­fach- und Mehr­fach­aus­wahl, aber auch ande­re Ant­wort­for­men sind mög­lich. Zudem wer­den Ergeb­nis­se eta­blier­ter Test­ver­fah­ren (z. B. ROCF; s. u.) mit erfasst. Die Fra­ge­bö­gen kön­nen auf der Web­sei­te ange­legt und bear­bei­tet wer­den (Abb. 4).

Auf der „VReha“-Online-Plattform wer­den alle rele­van­ten Infor­ma­tio­nen zen­tral abge­legt. Es wer­den nur die mini­mal not­wen­di­gen Daten und kei­ne per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten erfasst. Die Iden­ti­fi­zie­rung der Stu­di­en­teil­neh­mer erfolgt über IDs, wobei die Zuord­nung rea­ler Per­so­nen zu IDs getrennt von der Platt­form erfolgt. Die erho­be­nen Daten wer­den sowohl wäh­rend der Über­tra­gung als auch inner­halb der Daten­bank ver­schlüs­selt über­tra­gen und abge­legt. Dies erfolgt auto­ma­tisch im Hin­ter­grund durch das Sys­tem und erfor­dert kei­ne spe­zi­el­len Ein­ga­ben des The­ra­peu­ten. Der Zugang der Web­sei­te ist auf auto­ri­sier­te Anwen­der limi­tiert. Jeder betei­lig­te The­ra­peut hat indi­vi­du­el­le Zugangs­da­ten, über die sei­ne Sicht auf die Stu­di­en­in­for­ma­tio­nen und die ver­füg­ba­ren Funk­tio­nen ein­ge­schränkt wird. Über eine Export­funk­ti­on wer­den die Daten für eine wei­ter­ge­hen­de sta­tis­ti­sche Aus­wer­tung zur Ver­fü­gung gestellt.

Gestal­tung vir­tu­el­ler Diagnostik-Werkzeuge

Im Rah­men des „VReha“-Projektes wur­den die VR-Tools zur neu­ro­ko­gni­ti­ven Dia­gnos­tik in meh­re­ren ite­ra­ti­ven Schrit­ten ent­wi­ckelt und eva­lu­iert. Dabei ent­stand umfang­rei­ches Know-how, das bei der Ent­wick­lung neu­er VR-basier­ter Werk­zeu­ge behilf­lich sein kann. Das „VReha“-Konsortium hat auf­bau­end auf den eige­nen Erfah­run­gen und Lite­ra­tur­re­cher­chen sys­te­ma­ti­sche Eva­lua­ti­ons­kri­te­ri­en in Form eines „VR-Check-Frame­works“ ent­wi­ckelt, um die Aus­schöp­fung des VR-Poten­zi­als in zukünf­ti­gen Ent­wick­lun­gen zu erleich­tern und zu maxi­mie­ren 10. Eine Aus­wahl wich­ti­ger Aspek­te für die Dia­gnos­tik kogni­ti­ver Stö­run­gen ist im Fol­gen­den näher dargestellt.

Ver­bes­ser­te öko­lo­gi­sche Relevanz

Bestehen­de neu­ro­psy­cho­lo­gi­sche Test­ver­fah­ren wer­den typi­scher­wei­se als Papier-und-Blei­stift-Tests durch­ge­führt und wei­sen häu­fig ein hohes Abs­trak­ti­ons­ni­veau auf. Ein Bei­spiel hier­für ist der Rey-Oster­rieth Com­plex Figu­re Test (ROCF, Abb. 5) zur Erfas­sung der räum­lich-visu­el­len Kon­struk­ti­ons- und Gedächt­nis­leis­tung 11. Dabei wird die Test­per­son auf­ge­for­dert, eine Figur aus kom­ple­xen geo­me­tri­schen Mus­tern zunächst abzu­zeich­nen und im wei­te­ren Ver­lauf aus dem Gedächt­nis zu repro­du­zie­ren. Wäh­rend die psy­cho­me­tri­schen Eigen­schaf­ten die­ser klas­si­schen Test­ver­fah­ren in der neu­ro­psy­cho­lo­gi­schen Lite­ra­tur gut unter­sucht sind, wird zuneh­mend in Fra­ge gestellt, inwie­fern mit der­ar­ti­gen Test­ver­fah­ren funk­tio­nell rele­van­te Defi­zi­te abge­bil­det wer­den können.

Die Fähig­keit, all­tags­re­le­van­te kogni­ti­ve Ein­schrän­kun­gen zu erfas­sen, kann als „öko­lo­gi­sche Rele­vanz“ eines Test­ver­fah­rens bezeich­net wer­den 12. Unter die­sem Aspekt bie­tet Vir­tu­al Rea­li­ty deut­li­che Vor­tei­le gegen­über klas­si­schen Ver­fah­ren: Die Erstel­lung vir­tu­el­ler Wel­ten ermög­licht die Simu­la­ti­on all­tags­na­her Umge­bun­gen (z. B. häus­li­ches Umfeld, Arbeits­platz) und all­tags­re­le­van­ter Anfor­de­run­gen (z. B. Ori­en­tie­rung im Stra­ßen­ver­kehr, Zube­rei­tung einer Mahl­zeit). Im Gegen­satz zur Durch­füh­rung sol­cher Auf­ga­ben im ech­ten Leben bie­tet VR dar­über hin­aus vol­le Kon­trol­le über poten­zi­el­le Stör­fak­to­ren (z. B. die Anzahl der Pas­san­ten auf einer Stra­ße), ver­rin­gert den logis­ti­schen Auf­wand (z. B. bezüg­lich des Trans­ports und der Beglei­tung der Pati­en­ten) und ver­mei­det die tat­säch­li­chen phy­si­schen Risi­ken (z. B. beim Über­que­ren einer Kreuzung).

Digi­ta­li­sie­rung und Auto­ma­ti­sie­rung der Testauswertung

Die Aus­wer­tung klas­si­scher Test­ver­fah­ren beruht typi­scher­wei­se auf der initia­len Daten­er­fas­sung im Rah­men der Test­sit­zung und der anschlie­ßen­den Bewer­tung der Test­leis­tung durch geschul­tes Per­so­nal. Der­ar­ti­ge per­so­nen­ge­bun­de­ne Aus­wer­tungs­ver­fah­ren bin­den Zeit­res­sour­cen und sind je nach Test­ver­fah­ren unter­schied­lich stark von der sub­jek­ti­ven Ein­schät­zung und Erfah­rung der aus­wer­ten­den Per­son abhän­gig. Dar­über hin­aus basiert die Aus­wer­tung klas­si­scher Ver­fah­ren typi­scher­wei­se auf dis­kre­ten Ska­len (z. B. „Anzahl der kor­rekt erin­ner­ten Tes­ti­tems“). Im Gegen­satz dazu erfolgt die Daten­er­fas­sung in VR digi­tal; com­pu­ter­ge­stützt kön­nen zeit­lich und räum­lich hoch­auf­ge­lös­te Ver­hal­tens­da­ten auto­ma­tisch auf­ge­zeich­net wer­den. Je nach Test und tech­ni­schem Set­up lässt sich das Test­ver­hal­ten neben den auf­ga­ben­spe­zi­fi­schen Aktio­nen über eine Viel­zahl poten­zi­ell infor­ma­ti­ver Mess­grö­ßen beschrei­ben, etwa die Bewe­gung im vir­tu­el­len Raum, die Dau­er bestimm­ter Inter­ak­tio­nen oder – im Fal­le einer VR-Bril­le – die Blick­rich­tung sowie die Kopf­be­we­gun­gen des Pro­ban­den. Die Aus­wer­tung die­ser Mess­grö­ßen erfolgt typi­scher­wei­se durch pro­gram­mier­te Ana­ly­se­al­go­rith­men, was die Dau­er der Aus­wer­tung ver­kürzt und – sofern erfor­der­lich – auch Feed­back in Echt­zeit ermög­licht. Dar­über hin­aus lässt sich die Test­leis­tung auf die­se Wei­se mit­tels kon­ti­nu­ier­li­cher Mess­grö­ßen beschrei­ben, was eine fein­glied­ri­ge­re Ein­ord­nung zulässt.

Ansät­ze für eine indi­vi­dua­li­sier­te Medizin

Ein sol­ches mul­ti­di­men­sio­na­les Ver­hal­tens­pro­fil bie­tet die Chan­ce, kogni­ti­ve Defi­zi­te nicht nur mög­lichst früh zu erfas­sen, son­dern auch in zuneh­mend indi­vi­dua­li­sier­ter Form zu cha­rak­te­ri­sie­ren. Ins­be­son­de­re im Hin­blick auf the­ra­peu­ti­sche Optio­nen ermög­licht die neu­ro­ko­gni­ti­ve Dia­gnos­tik mit VR auf die­se Wei­se die Anpas­sung der anschlie­ßen­den Trai­nings­pro­gram­me hin­sicht­lich Trai­nings­in­halt und ‑schwe­re­grad an die indi­vi­du­el­len Defi­zi­te der Patienten.

Vor­tei­le kogni­ti­ver VR-Rehabilitation

Im Pro­jekt „VRe­ha“ wird die VR-Tech­no­lo­gie nicht nur zur Unter­su­chung kogni­ti­ver Leis­tun­gen ein­ge­setzt, son­dern auch die Mög­lich­kei­ten von VR für die Ent­wick­lung von Trai­nings­auf­ga­ben genutzt. Dazu zäh­len fol­gen­de Aspekte:

  • Enge Ver­zah­nung zwi­schen Dia­gnos­tik und Trai­ning: Mit VR ist es mög­lich, Para­me­ter zu defi­nie­ren, auf deren Basis der Schwie­rig­keits­grad für ein Trai­ning direkt aus der Leis­tung in der Dia­gnos­tik­auf­ga­be abge­lei­tet und im Ver­lauf des Trai­nings jeweils indi­vi­du­ell ange­passt wird.
  • Zahl­rei­che Mög­lich­kei­ten zur För­de­rung der Trai­nings­mo­ti­va­ti­on: Da die Gestal­tung der vir­tu­el­len Wel­ten belie­big vie­le Mög­lich­kei­ten bie­tet, kann eine Viel­zahl von Trai­nings­auf­ga­ben gene­riert wer­den, sodass ähn­li­che Auf­ga­ben unter unter­schied­li­chen Umge­bungs­be­din­gun­gen trai­niert wer­den kön­nen. Dies stellt eine wesent­li­che Erleich­te­rung gegen­über tra­di­tio­nel­len Trai­nings­auf­ga­ben dar – ist doch inzwi­schen bekannt, dass Häu­fig­keit und Inten­si­tät des Trai­nings die wich­tigs­ten Ein­fluss­fak­to­ren auf den Trai­nings­er­folg sind 13. Kann das Trai­ning abwechs­lungs­reich gestal­tet wer­den, erhöht dies die Moti­va­ti­on, spe­zi­fi­sche Auf­ga­ben wie­der­holt zu trai­nie­ren. Dar­über hin­aus bie­tet sich eine Rei­he von Mög­lich­kei­ten, den Pati­en­ten ein spe­zi­fi­sches Feed­back in Bezug auf ihre jewei­li­ge Leis­tung oder auch ein moti­va­tio­na­les Feed­back im Ver­lauf des Trai­nings zu ver­mit­teln. Auch dadurch kön­nen Trai­nings­mo­ti­va­ti­on und ‑com­pli­ance erhöht werden.
  • Para­me­tri­sche Varia­ti­on des Schwie­rig­keits­gra­des: Des Wei­te­ren kön­nen die kogni­ti­ven Anfor­de­run­gen der Auf­ga­ben über unter­schied­li­che Para­me­ter vari­iert wer­den. Bei­spiels­wei­se kann in der „imVMT“-Aufgabe neben der Anzahl zu erin­nern­der Objek­te und der Rota­ti­ons­be­din­gun­gen, die auch in der Dia­gnos­tik­auf­ga­be vari­iert wer­den, auch die Dau­er der Lern- und Abruf­zeit vom Pati­en­ten selbst bestimmt wer­den. Dar­über hin­aus kön­nen Pati­en­ten durch die Ver­mitt­lung von Gedächt­nis­stra­te­gien und durch Hil­fe­stel­lun­gen sys­te­ma­tisch unter­stützt wer­den. So wird bei visu­ell­räum­li­chen Gedächt­nis­auf­ga­ben z. B. die Auf­merk­sam­keit auf die Explo­ra­ti­on der Umge­bungs­rei­ze oder auch auf die räum­li­che Bezie­hung der zu erin­nern­den Objek­te unter­ein­an­der gelenkt. Das Aus­maß der Unter­stüt­zung beim Ein­satz der Stra­te­gien wird dabei über die Sit­zun­gen hin­weg lang­sam redu­ziert. Die zeit­ge­naue Erfas­sung des Ver­hal­tens der Pati­en­ten bie­tet die Mög­lich­keit, früh­zei­tig zu erken­nen, ob ein Pati­ent von den dar­ge­bo­te­nen Stra­te­gien pro­fi­tiert oder nicht, und in der nächs­ten Sit­zung das Trai­ning ent­spre­chend anzu­pas­sen. So erhält jeder Pati­ent ein indi­vi­du­ell auf ihn zuge­schnit­te­nes Trai­ning, sodass der Trai­nings­er­folg opti­miert wird.

Ers­te Erfah­run­gen – Pra­xis­bei­spiel zu „imVMT“

In „VRe­ha“ wur­de eine ers­te Trai­nings­auf­ga­be mit einer aus­ge­wähl­ten Stich­pro­be neu­ro­lo­gi­scher Pati­en­ten unter­schied­li­cher Ätio­lo­gie durch­ge­führt. Neben dem eigent­li­chen Trai­nings­ef­fekt hin­sicht­lich der kogni­ti­ven Leis­tungs­fä­hig­keit rich­te­te sich die pri­mä­re Fra­ge­stel­lung auf Ver­träg­lich­keit und Akzep­tanz bei wie­der­hol­ter Nut­zung von VR. Die Pati­en­ten nah­men über 5 Sit­zun­gen am Trai­ning teil und führ­ten visu­ell-räum­li­che Gedächt­nis­auf­ga­ben in unter­schied­li­chen Schwie­rig­keits­gra­den und mit ver­schie­de­nen Lern­stra­te­gien durch. Die Aspek­te „Zufrie­den­heit“ sowie „Cyber­sick­ness“ wur­den mit ver­schie­de­nen Fra­ge­bö­gen vor und nach jeder Trai­nings­sit­zung erfasst vgl. 14. Ins­ge­samt waren die Pati­en­ten mit dem Trai­ning sehr zufrie­den; die Trai­nings­mo­ti­va­ti­on blieb über die 5 Sit­zun­gen hin­weg sta­bil. Mit Hil­fe des SSQ-Fra­ge­bo­gens (Simu­la­tor Sick­ness Ques­ti­on­n­aire) wur­den Sym­pto­me von Unwohl­sein nach Durch­füh­rung der „imVMT“-Diagnostik-Aufgabe erfasst. Dabei gaben die Pro­ban­den nach dem Trai­ning weni­ger Sym­pto­me von Cyber­sick­ness an (Abb. 6).

Fazit

Auch wenn Nut­zung und Ent­wick­lung von Dia­gno­se- und Reha­bi­li­ta­ti­ons­werk­zeu­gen mit neu­en VR-Tech­no­lo­gien eini­ge Her­aus­for­de­run­gen mit sich brin­gen, über­wie­gen die Chan­cen und das gro­ße Poten­zi­al für ein sol­ches Anwen­dungs­sze­na­rio. Da der VR-Markt sich rasant wei­ter­ent­wi­ckelt und die VR-Bril­len immer bes­se­re Qua­li­tät zu immer güns­ti­ge­ren Kos­ten bie­ten, wer­den sich Ver­brei­tung und Akzep­tanz die­ser Tech­no­lo­gie in naher Zukunft deut­lich erhö­hen. Die Hür­den für den Ein­satz der VR sind ins­be­son­de­re für tech­nik­frem­de Nut­zer – auch im medi­zi­ni­schen Kon­text – deut­lich gefal­len. Dies war auch eine der zen­tra­len Moti­va­tio­nen des „VReha“-Konsortiums, VR-Werk­zeu­ge zur Dia­gnos­tik und Reha­bi­li­ta­ti­on kogni­ti­ver Ein­schrän­kun­gen zu ent­wi­ckeln. Die bis­he­ri­gen Ergeb­nis­se des Pro­jek­tes machen das Poten­zi­al von VR im medi­zi­ni­schen Bereich sicht­bar. Die VR-Auf­ga­ben und die Inter­ak­ti­on mit den Objek­ten wer­den von den Pati­en­ten als natür­lich wahr­ge­nom­men. Die Mach­bar­keit und expe­ri­men­tel­le Strin­genz der Anwen­dung „imVMT“ wur­de bereits in zwei Stich­pro­ben (einer Stich­pro­be mit gesun­den Pro­ban­den und einer kli­ni­schen Stich­pro­be) empi­risch nach­ge­wie­sen 14.

Die nächs­ten Schrit­te befas­sen sich unter ande­rem mit den Her­aus­for­de­run­gen einer natür­li­chen und pra­xis­taug­li­chen Fort­be­we­gung in VR, die den Pati­en­ten mög­lichst wenig belas­tet und kei­ne VR-Krank­heit her­vor­ruft. Dies ist ein wich­ti­ger und grund­le­gen­der Bestand­teil vie­ler VR-Auf­ga­ben und daher auch der Kon­zep­te zur Umset­zung der Super­markt-Auf­ga­ben (Anwen­dung „imVST“) für exe­ku­ti­ve Funktionen.

Des Wei­te­ren wer­den die noch lau­fen­den Nut­zer­stu­di­en aus­ge­wer­tet und ver­öf­fent­licht. Infor­ma­tio­nen dazu wer­den auf der VRe­ha-Pro­jekt­web­sei­te 5 publi­ziert. Die bis­he­ri­gen Erfah­run­gen zei­gen, dass die „VReha“Tools in der Pra­xis sowohl von Pati­en­ten als auch von The­ra­peu­ten ein­fach und effi­zi­ent ein­ge­setzt wer­den kön­nen. Des­halb ist zu emp­feh­len, die im Rah­men des Pro­jekts gewon­ne­nen Erkennt­nis­se bei eige­nen Ent­wick­lun­gen VR-basier­ter Reha­bi­li­ta­ti­ons­werk­zeu­ge zu nut­zen und z. B. die frei ver­füg­ba­re VR-Objekt­bi­blio­thek 7 und den Kri­te­ri­en­ka­ta­log zur Opti­mie­rung kli­ni­scher VR-Anwen­dun­gen 10 zu verwenden.

Die Ergeb­nis­se des Pro­jek­tes wer­den in der Fach­welt posi­tiv wahr­ge­nom­men. So wur­de die Anwen­dung „imVMT“ auf der Inter­na­tio­na­len Kon­fe­renz für Vir­tu­el­le Reha­bi­li­ta­ti­on (ICVR) in Tel Aviv im Jahr 2019 als bes­te VR-Anwen­dung aus­ge­zeich­net. Dies ermu­tigt zu wei­te­ren Akti­vi­tä­ten in die­sem Bereich und legt nahe, dass ein Trai­ning mit VR für neu­ro­lo­gi­sche Pati­en­ten auch mit ande­ren Stö­rungs­bil­dern sehr gut ein­setz­bar ist.

Dank­sa­gung

Die hier vor­ge­stell­ten Arbei­ten wur­den im Rah­men des BMBF-Ver­bund­pro­jek­tes „VRe­ha“ unter dem Kenn­zei­chen 13GW0206A geför­dert. Wir bedan­ken uns für die Unter­stüt­zung durch das Minis­te­ri­um und den Pro­jekt­trä­ger VDI Tech­no­lo­gie­zen­trum GmbH.

Für die Autoren:
Dipl.-Psych. Paul Chojecki
Pro­ject Manager
Abtei­lung Visi­on & Ima­ging Technologies
Fraun­ho­fer-Insti­tut für Nachrichtentechnologie
Hein­rich-Hertz-Insti­tut, HHI
Ein­stein­ufer 37, 10587 Berlin
paul.chojecki@hhi.fraunhofer.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

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