Jeder wisse, dass ein Steinchen im Schuh oder eine dicke Naht am Strumpf extrem störend seien und sofort zur Veränderung des Gangbildes führen könnten, erklärt Jürgen Stumpf. „Einlagen wirken im positiven Sinne ähnlich: Sie führen mittels der stärksten Kraft der Erde, der Bodenreaktionskraft, teilweise zur sofortigen Schmerzlinderung oder Schmerzbeseitigung“, so Stumpf. Umgekehrt gelte, eine falsch gesetzte Pelotte könne großen Schmerzen verursachen.
Umso erstaunter waren die Mitglieder der ARGE PG 08 laut Stumpf, als sie bei den Gesprächen im vergangenen Jahr bezüglich der Ausschreibung der Techniker Krankenkasse (TK) und Barmer Krankenkasse (BK) zur Online-Versorgung in Bezug auf die PG 08 bei vielen Journalist:innen und sogar bei Vertreter:innen der zuständigen Krankenkassen auf Unverständnis bezüglich der Bedeutsamkeit von Einlagenversorgungen für die verschiedensten Indikationen gestoßen waren. Selbst die Gefahren durch eine fehlerhafte Versorgung wie Folgeerkrankungen oder sogar Amputationen sei vielen nicht bewusst gewesen.
Komplexität darstellen
Für die an den Gesprächen beteiligten Expert:innen aus der Orthopädieschuhtechnik, Orthopädie-Technik sowie der Ärzteschaft stellte sich daraufhin die Frage, inwieweit sie ihre Kommunikation zur Versorgung von Patient:innen mit medizinischen Einlagen verbessern könnten. „Wir waren uns schnell einig, dass wir wesentlich stärker auf den Prozess rund um das Produkt eingehen müssen – also Befundung und Beratung, Ganganalyse, aber auch Abstimmung mit den Schuhen der Einlagenpatient:innen sowie Abgabeprozess, Nachpassungen und Kontrollen“, sagt der Orthopädieschuhmachermeister. „Nur so können wir das Bewusstsein der ‚Nichtfachwelt‘ für Einlagen als hochwirksame Medizinprodukte schärfen.“
Podium für medizinische Einlagen auf der Weltbühne
Gedacht – getan: Nach diesem Motto planen Dr. Annette Kerkhoff und Jürgen Stumpf seit Monaten auf Initiative zahlreicher Fachverbände und ‑gesellschaften die erste Sonderausstellung, die Versorgungswelt „Einlagen“ auf der Weltleitmesse OTWorld (10. bis 13. Mai 2022). In der Sonderausstellung wird an fünf Stationen der gesamte Prozess der Versorgung von Patient:innen mit Einlagen gezeigt: vom Evidenzpoint über Befundung/Maßnehmen und Bewegungsanalyse mit großer Gangstrecke bis hin zur Einlagenfertigung und abschließender Anprobe mit Nachkontrolle.
Vielfältige Kompetenzen und Kenntnisse
All diese Schritte seien notwendig, um das Medizinprodukt Einlage herzustellen, welches selbstverständlich hohen Qualitätsstandards entsprechen müsse, wie die Orthopädietechnikerin und promovierte Sportwissenschaftlerin Dr. Annette Kerkhoff betont: „Für die fachgerechte Versorgung mit medizinischen Einlagen braucht es weit mehr als die reinen handwerklichen Fertigkeiten für die Einlagenerstellung. Umfassende anatomische Kenntnisse für die Untersuchung der Füße sind ebenso zwingend erforderlich.“ Neben Anamnese mit Palpation und Inspektion des Fußes gehöre die Auswahl der geeigneten Maßverfahren, die fachgerechte Maßnahme, die Auswahl der indikationsgerechten Materialkombinationen, die handwerkliche Fertigung der Einlagen, deren Anpassung sowie die Kontrolle des Gangbildes zu den Aufgaben der Orthopädieschuhmacher:innen und Orthopädietechniker:innen.
Welche Risiken ungenaue Untersuchungen, fehlende persönliche Untersuchungen des Fußes oder unzureichende Messungen für die Patient:innen bergen, werde die Ausstellung ebenfalls deutlich machen, so das Organisationsteam. Besonders deutlich seien die Risiken beim Diabetischen Fußsyndrom zu sehen: Laut Deutscher Diabetes Gesellschaft leide jeder dritte der rund 8,5 Millionen Diabetespatient:innen in Deutschland zusätzlich an einem Diabetischen Fußsyndrom. „Wenn hier keine adäquate Versorgung mit Einlagen oder Diabetesschuhen stattfindet, ist das Risiko einer Amputation enorm!“, warnt Orthopädieschuhmachermeister Jürgen Stumpf.
Evidenzbasierte Versorgung
Immer mehr nationale und internationale Studien zeigten die Wirksamkeit medizinischer Einlagen bei verschiedenen Indikationen oder Beanspruchungssituationen wie Diabetisches Fußsyndrom, Knick-Senkfuß, Spitzfuß, Hohlfuß, Fußsohlenpathologie, Zehenpathologie, Fußgelenkarthrose, Unterschenkel- und Kniepathologie, Klumpfuß, Lähmungen, Beinlängendifferenz oder Sportversorgung am Fuß, wie die beiden Expert:innen betonen. Deshalb sei ihnen die Einrichtung des Evidenzpoints mit einer digitalen Sammlung relevanter nationaler und internationaler Studien so wichtig, erklärt Jürgen Stumpf.
Mit Qualitätsstandards hohe Versorgungsqualität sichern
Mehrmals täglich führen Expert:innen während der OTWorld in 45-minütigen Rundgängen mit maximal zwölf Teilnehmer:innen durch die Versorgungswelt. Interessierte können sich über den Ticket-Shop der OTWorld für die kostenfreien Rundgänge anmelden. Zusätzlich finden auf der gemeinsamen Bühne der benachbarten Versorgungswelten „Einlagen“ und „Lympherkrankungen“ täglich 30-minütige Vorträge statt. Unter anderem wird die Deutsche Gesellschaft für interprofessionelle Hilfsmittelversorgung e.V. (DGIHV) ihr pünktlich zur OTWorld erscheinendes Kompendium „Qualitätsstandards im Bereich Fuß und Schuh“ täglich vorstellen. „Welche Veranstaltung könnte eine bessere Bühne für die fachgerechte und evidenzbasierende medizinische Einlagenversorgung bei zahlreichen Indikationen bieten als die OTWorld, deren Weltleitmesse und Weltkongress internationale Expert:innen ebenso anziehen wie Vertreter:innen von Kostenträgern, Politik und Medien“, meint Dr. Annette Kerkhoff abschließend. „All diese Zielgruppen wollen wir mit der Versorgungswelt ‚Einlagen’ erreichen, um für alle Patient:innen die höchstmögliche Qualität in der Versorgung nachhaltig zu erzielen.“
Ruth Justen
*In der „ARGE PG 08 Online-Einlagen TK/Barmer“ haben sich folgende Verbände zusammengeschlossen: Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik (BIV-OT), Cura-San, EGROH, Deutsche Gesellschaft für interprofessionelle Hilfsmittelversorgung e. V. (DGIHV), IETEC Orthopädische Einlagen, Innungsverband für Orthopädie-Schuhtechnik Nordrhein-Westfalen, Landesinnung Bayern für Orthopädie-Schuhtechnik, Landesinnung Hessen für Orthopädieschuhtechnik, Landesinnung für Orthopädie-Schuhtechnik Niedersachsen und Bremen, Ortheg Einkaufsgenossenschaft für Orthopädie-Technik, Rehavital, Sanitätshaus Aktuell/RSR und Zentralverband für Orthopädieschuhtechnik (ZVOS).
Relevante Veranstaltungen im Weltkongress der OTWorld:
• 11.05.2022, 09:15 – 10:15 (Kurs) Untersuchungstechniken des Fußes
• 11.05.2022, 09:15 – 10:15 (Kurs) Fuß und Sprunggelenk im Sport
• 11.05.2022, 10:45 – 12:00 (Symposium) Der Sportlerfuß, innovative Konzepte – Schuh und Einlage neu gedacht
• 11.05.2022, 15:00 – 16:00 (Werkstattgespräch) Einlagenversorgung im Hochleistungssport
• 11.05.2022, 16:45 – 18:00 (Interdisziplinäre Leuchttürme weltweit) Hochmoderne Versorgung des diabetischen Fußsyndroms durch ein interdisziplinäres Team
• 11.05.2022, 17:00 – 18:00 (Symposium) Leitlinien Fuß und Schuh, in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Interdisziplinäre Hilfsmittelversorgung (DGIHV)
• 12.05.2022, 09:15 – 10:15 (Kongressvortrag) Breitensport – Voraussetzungen und Wege zur Einlagenversorgung
• 13.05.2022, 09:15 – 10:15 (Kurs) Der Knickplattfuß in verschiedenen Altersstufen, in Kooperation mit der Gesellschaft für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie e.V. (GFFC)
• 13.05.2022, 09:15 – 10:15 (Kurs) Zehendeformitäten – Pathologie, Diagnostik, konservative und operative Therapie, in Kooperation mit der Deutschen Assoziation für Fuß und Sprunggelenk e.V. (D.A.F.)
• 13.05.2022, 14:30 – 15:45 (Symposium) Assessment in der Orthopädie-Technik und Orthopädieschuhtechnik als Instrument der Qualitätssicherung
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