Das Instrument der öffentlichen Ausschreibungen als Mittel zur Vertragsanbahnung für Hilfsmittelversorgungen wird abgeschafft. Dafür hatte der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik (BIV-OT) seit 2008 stetig plädiert, sodass dies als großer Erfolg zu werten ist. Die Abschaffung des Ausschreibungsinstruments gilt für alle medizinischen Hilfsmittel, die in den Versorgungsbereich des § 33 SGB V fallen.
Für die Versorgung mit Verbandsmitteln, Harn- und Blut-Teststreifen sowie für die Versorgung mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung sieht der Gesetzesentwurf vor, dass es bei der bisherigen Rechtslage verbleibt, der zufolge entsprechende Lieferverträge der Krankenkassen weiterhin im Wege von Ausschreibungen vergeben werden können. Im Bereich der enteralen Ernährung werden von dieser Regelung nur die Nahrungsprodukte als solche, nicht jedoch die technische Ausrüstung für die Nahrungsgabe (Applikationshilfen) erfasst.
Der Gesetzgeber hat weiterhin klargestellt, dass für Hilfsmittel das Vertragsprinzip gilt, nachdem Versorgungsverträge im Wege von Vertragsverhandlungen zu schließen sind. In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber in seiner Begründung auch klargestellt, dass die Open-House-Praxis für Hilfsmittel nach § 33 SGB V nicht anwendbar ist. Im Hinblick auf die nach Einschätzung des Gesetzgebers überbordende Aufzahlungspraxis wurde nunmehr festgeschrieben, dass den Versicherten im Wege des Sachleistungsprinzips eine hinreichende Anzahl an mehrkostenfreien Hilfsmitteln zur Verfügung zu stellen ist. Diese Regelung war vormals explizit nur für den Bereich der Ausschreibungsverträge gültig. Nunmehr ist diese Vorgabe auch in jedem Verhandlungsvertrag zu berücksichtigen.
Für noch bestehende Ausschreibungsverträge im Zeitpunkt des Inkrafttretens des TSVG hat der Gesetzgeber eine sechsmonatige Auslauffrist installiert, nach der die Ausschreibungsverträge ihre Rechtswirkung verlieren. In formeller Hinsicht hat der Gesetzgeber auch klargestellt, dass die durch die Leistungserbringer zu erbringende Versorgungsdokumentation nicht nur in Schriftform, sondern zukünftig auch elektronisch erbracht werden kann.
Es ist davon auszugehen, dass Krankenkassen mit Ausschreibungsverträgen versuchen werden, innerhalb der Auslauffrist ersetzende Verträge im Wege der Vertragsverhandlung zu installieren. Einige Krankenkassen haben bereits aktuell laufende Ausschreibungsverfahren in Anbetracht der neuen Gesetzeslage ausgesetzt. Diese Krankenkassen werden zum Stichtag weder einen Ausschreibungsvertrag für die betreffenden Produktgruppen haben noch einen Verhandlungsvertrag. Insofern ist damit zu rechnen, dass diese Krankenkassen für eine Übergangszeit bis zur Installation neuer Verhandlungsverträge über das Instrument der Einzelkostengenehmigung agieren werden. Da mit der Aufhebung der Ausschreibung das Exklusivitätsrecht des Ausschreibungsgewinners entfällt, ist es für kein Unternehmen, auch nicht für die Ausschreibungsgewinner, wirtschaftlich sinnvoll, an Ausschreibungspreismodellen festzuhalten. Maßstab für Kostenvoranschläge können zunächst vorhandene Verhandlungsverträge anderer Kassen bilden.
Sofern eine Krankenkasse ein laufendes Ausschreibungsverfahren vor dem Stichtag abschließt und die Ausschreibungspreise für den sechsmonatigen Übergangszeitraum anwenden will, kann nur jedem betroffenen Versicherten geraten werden, sich auf die Regelung des § 33 Abs. 6 SGB V zu berufen und ein berechtigtes Interesse an der Versorgung mit seinem angestammten Leistungserbringer geltend zu machen. Eine Verweisung auf den Ausschreibungsgewinner muss er nicht akzeptieren, denn das gesetzliche Krankenversicherungssystem ist als Einheit zu betrachten und es ist keinem Versicherten zumutbar, lediglich für den Auslaufzeitraum von sechs Monaten einen Leistungserbringerwechsel zu vollziehen.
Mit dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes werden viele neue Verhandlungsverträge durch die Rahmenvertragsverhandlungspartner installiert werden müssen. Insoweit ist es unabdingbar, dass die Leistungserbringer den Markt im Hinblick auf neue Vertragsabschlüsse besonders im Blick haben müssen, um einen schnellen Markzugang zu aktuellen Vertragskonditionen zu erhalten.
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