Einleitung
Die Pedobarographie liefert seit Jahren wichtige Informationen über die Druckverteilung unter dem Fuß, beispielsweise für die Einlagenfertigung. Diese sind so wichtig, dass im Jahr 2008 einige gesetzliche Krankenkassen festgelegt haben, dass die Versorgung mit diabetesadaptierten Fußbettungen nur mit Wirksamkeitsnachweis durch eine pedobarographische Messung unter Realbedingungen im Schuh abrechenbar ist. Die Pedobarographie liefert eine Möglichkeit zur Bewertung sowohl der Fußanatomie als auch der vorliegenden physiologischen und unphysiologischen Bedingungen. Sie erlaubt die Lokalisation von Druckspitzen und die Darstellung der Druckverteilung unter dem Fuß. Um das Lastverteilungsprofil sinn voll zu ergänzen, hat sich in der Praxis die Erfassung des Fußumrisses durch einen Flachbettscanner etabliert. Dessen Vorteil besteht unter anderem in der Aufnahme und Darstellung zusätzlicher Bildinformationen wie beispielsweise der tatsächlichen Fußbreite und Fußlänge oder optischer Gewebeveränderungen der Fußsohle, die bei der Einlagenfertigung von Bedeutung sein können und bei einer reinen Pedobarographie verborgen bleiben.
Um beide Informationen kombiniert vorliegen zu haben, sind demnach ein Scanner und eine Druckmessplatte nötig, wobei Druck- und Scanbild im Anschluss in geeigneter Weise manuell überlagert werden. Im Vergleich zu einem durchaus üblichen Blauabdruck können mit dieser Messmethode detaillierte Informationen über die tatsächlich vorliegenden Druckwerte und die optischen Eigenschaften der Fußanatomie aufgenommen werden. Darüber hinaus liegen die Messdaten digital vor und können jederzeit abgerufen und bearbeitet werden.
Funktion
Um den Arbeitsablauf zu optimieren, wurde das transparente Pedobarographiemesssystem entwickelt und mit einem Flachbettscanner kombiniert (Abb. 1). Die daraus resultierende Verknüpfung der Bild- und Druckinformationen wird Ikonobarographie (IBG) genannt. Diese Wortverknüpfung leitet sich aus dem Griechischen ab und bedeutet so viel wie Bild- und Lastdarstellung. Auf den Flachbettscanner werden übereinander gelagerte transparente Folien aufgebracht, die drucksensitiv reagieren und die Lastverteilungsmessung ermöglichen, während der Kunde auf dem Gerät steht (Abb. 2). Die Pedobarographie erfolgt dabei mit einer Auflösung von 2,7 Sensoren pro Quadratzentimeter. Für die Bilderfassung sind 900 Bildpunkte pro Quadratzentimeter vorgesehen. Eine Vermehrung der Bildpunkte ist prinzipiell technologisch umsetzbar. Neben einem erhöhten Speicherbedarf gehen damit allerdings auch gesteigerte Kosten einher. Nach dem Messvorgang werden die beiden Bilder automatisch überlagert und lassen sich mit einem Regler überblenden, sodass entweder die Pedobarographie oder das Scanbild im Vordergrund steht und alle Transparenzübergänge dazwischen angezeigt werden können. Die Vorteile einer solchen Anordnung lassen sich anhand verschiedener Aspekte verdeutlichen.
Vorteile
Der größte offensichtliche Vorteil für den Kunden besteht darin, dass die Überlagerung der beiden Messdaten deutlich schneller und exakter erfolgen kann. Der aktuelle Stand der Technik für den Kunden besteht darin, dass sein Fuß zunächst pedobarographisch vermessen wird. Um dabei die Druckverteilung mit dem Fußumriss korrelieren zu können, wird dieser möglicherweise mittels eines elektronischen Blauabdrucks auf der Messplatte erfasst. Dies bedeutet einen zusätzlichen zeitlichen Aufwand, da der Orthopädie-Techniker den Fußumriss auf der Messplatte wie beim Blauabdruck „nachzeichnen“ muss. Vom zeitlichen Aufwand abgesehen ist diese Erfassung auch bei größter Sorgfalt nicht so genau wie eine Bilderfassung mit dem Scanner, da dieser auf den Zehntelmillimeter präzise arbeitet. Alternativ kann der Orthopädie-Techniker den Fuß des Kunden nach der pedobarographischen Untersuchung per Flachbettscanner erfassen und im Anschluss die beiden Messungen manuell in der Software überlagern. Auch bei diesem Verfahren gilt jedoch, dass es zeitaufwendiger ist und bezüglich der Genauigkeit deutliche Nachteile gegenüber der IBG aufweist. In diesem Fall ist die Genauigkeit begrenzt durch die manuelle Überlagerung der Messungen anhand markanter physiologischer Merkmale.
Die Vorteile für den Orthopädie-Techniker liegen ebenfalls in der Zeitersparnis während des Messvorganges. Mehr ins Gewicht fallen dürfte allerdings der völlige Wegfall einer nachträglichen manuellen Überlagerung der Messungen. Bei der IBG werden während der Messung automatisch und ohne zusätzlichen Zeitaufwand die Pedobarographie und das Bild in ihrer Position zueinander kalibriert. Das bedeutet neben der Zeitersparnis absolute Sicherheit bezüglich der topologischen Deckungsgleichheit der Messungen. Die örtliche Koinzidenz ist es denn auch, die einen weiteren Vorteil mit sich bringt: Platzersparnis. Denn die pedobarographische Messeinheit ist eine modularisierte Kombination aus Messfläche und Flachbettscanner, wobei die Druckmessung direkt auf dem Scanner erfolgt.
Die objektiven Vorteile kommen sowohl dem Patienten und dem Orthopädie-Techniker als auch der Einlagenfertigung zugute. In erster Linie ist die Verbesserung der Genauigkeit gegenüber der getrennten Messung hervorzuheben. Nicht nur die Überlagerung des Druckprofils und der Bilddaten der Fußtopographie ist auf den Zehntelmillimeter genau. Dadurch, dass die Messungen auch zeitlich koinzidieren, ist die Haltung des Fußes für beide Messungen identisch. Bei einer Messung auf zwei separaten Messgeräten ist es unvermeidlich, dass der Kunde vom einen zum anderen Gerät wechselt. Dabei wieder die gleiche Fußhaltung einzunehmen, kann nahezu ausgeschlossen werden. Allein die unterschiedlichen propriozeptiven Eigenschaften der Unterlagen lassen den Kunden unwillkürlich zwei unterschiedliche Fußhaltungen einnehmen: Auf der Druckmessplatte befindet sich ein Kunstledermaterial, auf dem Scanner eine Glasplatte.
Eine bezüglich der Herstellungszeit und Genauigkeit optimale Fertigung einer Einlage kann durch die IBG einfacher realisiert werden und kann folgendermaßen ablaufen: Häufig wird der Umriss der zu fertigenden Einlage vom Bild aus dem Flachbettscanner bestimmt. Bei Verwendung der IBG sind die ermittelten Druckspitzen jetzt innerhalb dieses Umrisses auf den Zehntelmillimeter genau positioniert. Bei Verwendung einer Projektion können diese Informationen nun zusammen auf den Einlagenrohling projiziert werden. Das Anzeichnen von Konturen für Umriss, Weichbettung oder retrokapitale Abstützung erfolgt mit der bestmöglichen Genauigkeit und zeitsparend.
Die Möglichkeiten der IBG gehen aber über den Ablauf einer „traditionellen“ pedobarographie- und scannerbasierten Einlagenfertigung hinaus: Die Ermittlung der Lage des Druckschwerpunktes (COP) unter dem jeweiligen Fuß während des Stehens kann jetzt nicht nur in Relation zur Auflagefläche des Fußes bewertet werden, sondern auch in Relation zu seinem Umriss. Erkennt der Orthopädie-Techniker also zum Beispiel eine Supinationsneigung während des Barfußstandes, so kann er mögliche Abstützungen im Fußgewölbe in Relation zum Fußumriss planen. Der Erfolg einer solchen Maßnahme lässt sich wieder eindrücklich durch eine Vergleichsmessung unter Verwendung der IBG mit und ohne Einlage im Schuh des Patienten darstellen.
Ausblick
Eine Messfrequenz von 25 Hz für die Pedobarographie bietet die Möglichkeit einer posturographischen Auswertung. Erstmals ist es mit diesem Verfahren möglich, den Verlauf des COP in Relation zur Aufstandsfläche und zur potenziellen Aufstandsfläche (Fußumriss) darzustellen (Abb. 3). Die bekannten Parameter und Verfahren zur Beurteilung der Standstabilität wie Romberg-Quotient oder COP-Verlauf lassen sich exakt im Fußumriss lokalisieren. Der Romberg-Quotient wird durch den Romberg-Test ermittelt. Dabei wird die Fähigkeit veranschaulicht, wie gut das Gleichgewichtsverhältnis stabilisiert werden kann. Dieses Verhältnis ergibt sich aus der Schwankung einer Person im Stand mit offenen und geschlossenen Augen. Dies ermöglicht eine deutlich verbesserte Aussage über die Standstabilität oder im Falle des Diabetikers über die verbliebene Standstabilität, die aufgrund des Sensibilitätsverlustes an der Fußsohle besonders beim Romberg-Test offensichtlich wird. Eine Messung des Kunden mit seinem Schuhwerk und den für ihn angefertigten Einlagen ermöglicht die Dokumentation der Verbesserung einer angestrebten Standstabilität und damit der Patientensicherheit.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die IBG viele Vorteile für die Fertigung von Einlagen mit sich bringt: Sie lässt sich schneller, exakter und bequemer erstellen, als es mit dem bisherigen System möglich war. Der zusätzliche Nutzen durch die Anwendung der posturographischen Messung erschließt neue Märkte im Bereich der neurologischen Patientenversorgung.
Für die Autoren:
Robert Janz, M. Sc.
T&T medilogic Medizintechnik GmbH
Mittelstraße 9
12529 Berlin-Schönefeld
janz@medilogic.com
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
Janz R, Reetz T, Tober H. Transparentes pedobarographisches Messsystem ergänzt den Flachbettscanner. Orthopädie Technik, 2016; 67 (8): 38–40
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