Tem­pe­ra­tur­mess­soh­le zur Prä­ven­ti­on eines dia­be­ti­schen Fußsyndroms

L. Eschenburg
Einer von vier Diabetespatienten entwickelt im Laufe der Erkrankung eine Neuropathie in den Füßen. Das Fehlen von Druck-, Schmerz- und Hitzeempfinden wiederum begünstigt die Entstehung eines diabetischen Fußsyndroms, das letztlich bis zur Amputation führen kann. Am häufigsten wird es bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 festgestellt. Weltweit sind heute über 125 Mio. Menschen davon betroffen, und eine individuelle vollumfängliche Betreuung ist auch in Industrienationen kaum möglich. Allerdings kann, bevor sich ein Geschwür bildet, bereits weit im Voraus ein lokaler Temperaturanstieg gemessen und zeitnah eine adäquate Therapie eingeleitet werden. Sinnvoll ist es daher, die Fußtemperatur engmaschig, am besten kontinuierlich, zu kontrollieren. Bei der im Folgenden vorgestellten Temperaturmesssohle wurden die bekannten Herausforderungen einer präventiven Überwachung im Alltag wie technische Machbarkeit, Mess-Adhärenz und eine schnelle und klare Informationsübermittlung für Patienten und Leistungserbringer aus Sicht der Entwickler adäquat gelöst. Dieser Artikel beschreibt den Entwicklungsprozess der entsprechenden Temperaturmesssohle und das finale Produkt.

Ein­lei­tung

Dia­be­tes ist ein gro­ßes Gesund­heits­pro­blem, das mitt­ler­wei­le ein alar­mie­ren­des Niveau erreicht hat. Die dia­be­tes­be­ding­ten Gesund­heits­aus­ga­ben auf glo­ba­ler, natio­na­ler und regio­na­ler Ebe­ne sind gestie­gen, und beson­ders Schwel­len­län­der wie Indi­en, Bra­si­li­en, Mexi­ko und Chi­na sind schwer betrof­fen. Welt­weit sind über eine hal­be Mil­li­ar­de Men­schen dar­an erkrankt. Die­se Zahl wird vor­aus­sicht­lich bis 2045 auf 700 Mio. anstei­gen 1. Das macht Dia­be­tes zu einem der am schnells­ten wach­sen­den glo­ba­len Gesund­heits­not­fäl­le des 21. Jahrhunderts.

Anzei­ge

Dia­be­tes hat neben ande­ren Beschwer­den in vie­len Fäl­len auch eine Neu­ro­pa­thie zur Fol­ge. Eine häu­fi­ge Form ist die soge­nann­te peri­phe­re Poly­neu­ro­pa­thie, oft ein­her­ge­hend mit einer pAVK (peri­phe­ren arte­ri­el­len Ver­schluss­krank­heit). Hier­bei ver­liert der Pati­ent das Emp­fin­den in den Extre­mi­tä­ten, sehr häu­fig begin­nend in den Füßen. Durch den Ver­lust des Schmerz­emp­fin­dens ent­wi­ckeln vie­le Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten ein dia­be­ti­sches Fuß­syn­drom (DFS).

Etwa 25 % aller Dia­be­ti­ke­rin­nen und Dia­be­ti­ker erlei­den im Ver­lauf ihrer Krank­heit eine mehr oder weni­ger schwe­re Form des DFS. Durch den aus dem Gleich­ge­wicht gelang­ten Insu­lin­haus­halt ent­ste­hen sowohl an den Ner­ven­enden als auch in den Blut­ge­fä­ßen der Extre­mi­tä­ten Schä­den – Druck­schmerz, Hit­ze und Fehl­be­las­tung wer­den von den Betrof­fe­nen nicht mehr wahr­ge­nom­men. Das führt zu über­be­an­spruch­ten Par­tien im Fuß. Wenn die­se unbe­han­delt blei­ben, sind Geschwü­re und Wun­den unver­meid­bar. Sehr häu­fig sind klei­ne oder gro­ße Ampu­ta­tio­nen das End­re­sul­tat. Eine ent­spre­chen­de Fuß­bet­tung bie­tet zwar not­wen­di­gen Schutz und Dämp­fung, ist aber nicht immer aus­rei­chend, um Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten vor den Fol­gen eines DFS zu schützen.

Wie ver­mut­lich alle Leis­tungs­er­brin­ger aus dem ortho­pä­di­schen Bereich haben auch die Part­ner der Osen­tec GmbH über die letz­ten Jah­re eine Zunah­me der Fäl­le mit dia­be­ti­schen Füßen ver­zeich­nen müs­sen. Erschre­ckend dabei ist, dass man vie­le Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten immer wie­der sieht und dass sich die Gesund­heit und der Zustand der Füße zuse­hends ver­schlech­tern. Dies hat der Impuls­ge­ber, die Ortho­pä­die-Tech­nik-Ser­vice aktiv GmbH, zum Anlass genom­men, zusam­men mit dem KDK (Kom­pe­tenz­zen­trum Dia­be­tes Karls­burg) ein durch EU-Mit­tel geför­der­tes Ver­bund­for­schungs­pro­jekt ins Leben zu rufen, um Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten bei der Prä­ven­ti­on eines DFS zu unter­stüt­zen und ihre Mobi­li­tät zu erhal­ten (Abb. 1).

Wis­sen­schaft­li­che Grundlagen

Die Ursa­chen für dia­be­ti­sche Fuß­ge­schwü­re kön­nen von einer aku­ten Ver­let­zung bis hin zu einer dau­er­haf­ten Fehl­be­las­tung des Fußes rei­chen. Es han­delt sich um eine offe­ne Wun­de oder ein Geschwür am Fuß, das sich in der Regel an der Unter­sei­te befin­det, aber auch an ande­ren Stel­len des Fußes ent­ste­hen kann. Ein Fuß­ge­schwür kann zu Haut­ver­let­zun­gen, Infek­tio­nen, Wund­brand und im schlimms­ten Fall zu einer Ampu­ta­ti­on füh­ren. Bei der Ent­ste­hung spie­len meh­re­re Fak­to­ren eine Rol­le, wie im Fol­gen­den aus­ge­führt wird.

Im Jahr 1975 erkann­ten der Dia­be­to­lo­ge Paul Brand und sei­ne Kol­le­gen erst­mals, dass eine Ent­zün­dung des Fußes eine Vor­stu­fe zu Fuß­kom­pli­ka­tio­nen bei Hoch­ri­si­ko­pa­ti­en­ten mit Dia­be­tes mel­li­tus ist. Seit­dem wird die Tem­pe­ra­tur­mes­sung zur Vor­beu­gung dia­be­ti­scher Fuß­ge­schwü­re ein­ge­setzt. Ihr Erfolg wur­de in meh­re­ren von Exper­ten begut­ach­te­ten Stu­di­en gemes­sen und bewer­tet 2. Die sich an die Tem­pe­ra­tur­mes­sung anschlie­ßen­de tem­pe­ra­tur­ge­führ­te Prä­ven­ti­on wird inzwi­schen in kli­ni­schen Praxis­leitlinien für Hoch­ri­si­ko­pa­ti­en­ten mit Dia­be­tes von der Inter­na­tio­na­len Arbeits­grup­pe zum dia­be­ti­schen Fuß (Inter­na­tio­nal Working Group on the Dia­be­tic Foot, IWGDF) und vie­len wei­te­ren natio­na­len und inter­na­tio­na­len Orga­ni­sa­tio­nen emp­foh­len 3. Abge­se­hen von der ers­ten Stu­die aus den 1970er Jah­ren haben neue­re Stu­di­en die Wirk­sam­keit der Ther­mo­me­trie bei der Erken­nung und Vor­beu­gung von dia­be­ti­schen Fuß­kom­pli­ka­tio­nen bestä­tigt. Im Jahr 2017 stell­te die US-ame­ri­ka­ni­sche Agen­cy for Health­ca­re Rese­arch and Qua­li­ty (AHRQ) fest, dass die häus­li­che Über­wa­chung der Fuß­tem­pe­ra­tur nach­weis­lich wirk­sam ist, um das Auf­tre­ten und/oder Wie­der­auf­tre­ten von Fuß­ge­schwü­ren zu ver­hin­dern 4.

In wei­te­ren ran­do­mi­sier­ten und kon­trol­lier­ten Stu­di­en (RTCs), bei­spiels­wei­se im Jahr 2004 5 und zwei­mal im Jahr 2007 6 7, wur­de die Ther­mo­me­trie mit posi­ti­ven Ergeb­nis­sen unter­sucht. Die drei RCTs berich­te­ten über eine durch­schnitt­li­che rela­ti­ve Ver­rin­ge­rung der dia­be­ti­schen Fuß­ge­schwü­re um 70 %, was sich auch in der Auf­nah­me der Ther­mo­me­trie in die kli­ni­schen Pra­xis­leit­li­ni­en wider­spie­gelt 8.

In aktu­el­len Stu­di­en wer­den die­se Erkennt­nis­se auf­ge­grif­fen und detail­lier­te­re Unter­su­chun­gen durch­ge­führt. So beschrei­ben Rovers et al., inwie­fern die Adhä­renz bei der Fuß­tem­pe­ra­tur­mes­sung in einer Kohor­te über die Zeit abnimmt 9. Die Kon­klu­si­on der Autoren lau­tet, dass eine kon­ti­nu­ier­li­che Unter­stüt­zung bei der Mes­sung der Fuß­tem­pe­ra­tur im All­tag nötig ist, um gute Ergeb­nis­se bei der Vor­beu­gung zu erzie­len. Dar­aus ergibt sich im Umkehr­schluss, dass Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten ohne exter­ne Anrei­ze im All­ge­mei­nen mit der Zeit auf­hö­ren, ihre Füße zu kon­trol­lie­ren. Eine rei­bungs­lo­se Inte­gra­ti­on der Tem­pe­ra­tur­mes­sung in den Pati­en­ten­all­tag erscheint dem Autor daher sehr för­der­lich, um eine hohe Adhä­renz zu gewährleisten.

In einer Stu­die aus dem Febru­ar 2022 unter­su­chen Grech et al. unter­schied­li­che Sys­te­me zum Moni­to­ring der Fuß­soh­len­tem­pe­ra­tur. Es erwies sich dabei, dass bis­he­ri­ge mobi­le Sys­te­me, die für den All­tag gedacht sind, mit maxi­mal 8 Sen­so­ren pro Fuß arbei­ten und somit gegen­über Wär­me­bil­dern wesent­lich unge­nau­er sind 10. Dies führt unter ande­rem dazu, dass betrof­fe­ne Area­le am Fuß nicht indi­vi­du­ell genug erfasst wer­den kön­nen. Mit der hier vor­ge­stell­ten Ent­wick­lung wur­de ver­sucht, die­ser Erkennt­nis Rech­nung zu tra­gen: Die Anzahl der Sen­so­ren pro Fuß wur­de auf 16 ver­dop­pelt, um so die Mess­dich­te und damit die Genau­ig­keit zu erhöhen.

Umfang des Forschungsprojekts

Auf der Basis die­ser wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se und der gesam­mel­ten lang­jäh­ri­gen Erfah­rung in der Ver­sor­gung von Pati­en­ten mit dia­be­ti­schem Fuß­syn­drom wur­de das For­schungs­pro­jekt gestar­tet. Das grund­le­gen­de Ziel des Pro­jekts bestand in der Ent­wick­lung und kli­ni­schen Erpro­bung einer Mess­soh­le zur Prä­ven­ti­on eines dia­be­ti­schen Fuß­syn­droms durch kon­ti­nu­ier­li­che Mes­sung der plantaren Tem­pe­ra­tur. Auf die­se Wei­se kann recht­zei­tig, teil­wei­se sogar meh­re­re Wochen vor der Wund­ent­ste­hung, eine adäqua­te The­ra­pie ein­ge­lei­tet werden.

Begon­nen wur­de mit der Ent­wick­lung einer sys­te­ma­ti­schen und objek­ti­ven Beur­tei­lung des Haut­ge­we­bes zur Detek­ti­on ent­zün­dungs­re­le­van­ter Para­me­ter. Dies geschah mit­tels nicht­in­va­si­ver bio­phy­si­ka­li­scher Mess­me­tho­den. Dabei wur­den 21 Pro­ban­din­nen und Pro­ban­den in fol­gen­de Grup­pen unterteilt:

  • Grup­pe 1: Hoch­ri­si­ko­grup­pe mit aus­ge­präg­ter Poly­neu­ro­pa­thie ohne Ulzeration/Wunde (n = 7)
  • Grup­pe 2: Wund­grup­pe mit aus­geprägter Poly­neu­ro­pa­thie mit ­Ulzeration/Wunde (n = 7)
  • Grup­pe 3: gesun­de Pro­ban­den ohne Poly­neu­ro­pa­thie und ohne Ulzeration/Wunde (n = 7)

Neben den eigent­li­chen Unter­su­chun­gen der Pro­ban­din­nen und Pro­ban­den am Funk­ti­ons­mus­ter der Sen­sor­soh­le wur­den zahl­rei­che Ver­gleichs­mes­sun­gen durch­ge­führt, die der Metho­den­eta­blie­rung dienten:

  • tcpO2-Mes­sun­gen
  • Laser-Dopp­ler-Ima­ging der Mikro­zir­ku­la­ti­on des Blutes
  • Hyper­spek­tral-Ima­ging
  • Auf­nah­men mit einer Wärmebildkamera
  • Pedo­gra­fie-Mes­sun­gen

Für einen ent­spre­chen­den Abgleich der Wär­me­ent­wick­lung bzw. zur mög­li­chen Detek­ti­on von ent­ste­hen­den Ent­zün­dun­gen wur­den ver­schie­de­ne Tech­ni­ken wie tcpO2-Mes­sun­gen oder Laser-Dopp­ler-Ima­ging zur Mes­sung der Mikro­zir­ku­la­ti­on des Blu­tes durch­ge­führt und aus­ge­wer­tet (Abb. 2). Spe­zi­ell die Laser-Dopp­ler-Auf­nah­men bedurf­ten gro­ßer Sorg­falt und bedeu­te­ten einen hohen Zeit­auf­wand. Dies wur­de von den Pro­ban­din­nen und Pro­ban­den oft als unan­ge­nehm emp­fun­den, und jede Bewe­gung führ­te unwei­ger­lich zu nicht aus­wert­ba­ren Bil­dern. Die mit die­sem Ver­fah­ren gesam­mel­ten Daten waren daher häu­fig zu ungenau.

Wäh­rend Laser-Dopp­ler- und tcpO2-Mes­sun­gen sich als sehr zeit­auf­wen­dig her­aus­stell­ten, erwie­sen sich Auf­nah­men mit­tels Wär­me­bild­ka­me­ra und Hyper­spek­tral­ka­me­ra zur Ver­mes­sung von Pati­en­ten als deut­lich geeig­ne­ter (Abb. 3). Ein beson­de­rer Vor­teil die­ser Ver­fah­ren bestand dar­in, dass die Aus­wer­tung hier­bei sowohl ein Maß für die gesam­te Fuß­flä­che als auch für einen ein­zel­nen Punkt zuließ – wodurch auch ein­zel­ne Hot­spots detek­tiert wer­den konnten.

Auf­nah­men mit der Hyper­spek­tral­ka­me­ra ver­deut­li­chen zwar die kom­ple­xen Unter­schie­de in der Durch­blu­tung der Füße, zei­gen aber kei­ne Unter­schie­de in der Tem­pe­ra­tur. Die­se Mes­sun­gen sind aller­dings sehr gut geeig­net, um Ent­zün­dun­gen zu detek­tie­ren (sie­he den Hot­spot bei „Oxy­ge­nie­rung Tie­fe“; Abb. 4). Die Kom­bi­na­ti­on bei­der Ver­fah­ren führ­te zu einer aus­sa­ge­kräf­ti­gen Daten­lage. Ver­glei­chend wur­den immer wie­der Pedo­gra­fie-Mes­sun­gen her­an­ge­zo­gen, um ein bes­se­res Ursa­chen­ver­ständ­nis zu errei­chen (Abb. 5a u. b).

In einer frü­hen Pha­se des Pro­jekts wur­de der Ein­satz der ent­spre­chen­den Tem­pe­ra­tur­sen­so­ren getes­tet. Um zunächst Pro­ble­me zu umge­hen, die sich durch den Ein­satz einer fle­xi­blen Ein­le­ge­soh­le erge­ben könn­ten, wur­den die Sen­so­ren in eine Plat­te ein­ge­baut. Auch war dadurch der Ein­satz einer hohen Anzahl an Sen­so­ren pro Flä­chen­ein­heit mög­lich, da auch das Abstrahl­ver­hal­ten (bzw. der Bereich, der von den Sen­so­ren erfasst wer­den kann) noch ermit­telt wer­den muss­te. Ein wei­te­rer Vor­teil bestand in der kli­ni­schen Tes­tung unter Labor­be­din­gun­gen, um ers­te Daten zur Tem­pe­ra­tur­ver­tei­lung und zur Sta­bi­li­tät zu sam­meln. Die Tem­pe­ra­tur­mess­plat­te (Abb. 6) hat­te die Gestalt einer Per­so­nen­waa­ge und wur­de somit von den Pro­ban­din­nen und Pro­ban­den sehr gut akzep­tiert. Die Tem­pe­ra­tur­ent­wick­lung im Ent­zün­dungs­ver­lauf und die Kor­re­la­ti­on der Tem­pe­ra­tur­ver­än­de­rung mit den gemes­se­nen Ent­zün­dungs­pa­ra­me­tern konn­ten auf die­se Wei­se adäquat cha­rak­te­ri­siert werden.

Zwi­schen­er­geb­nis

In die­ser Stu­die konn­ten hohe Kor­re­la­tio­nen zwi­schen den Mess­da­ten der Sen­sor­mess­plat­te, den Sen­sor­soh­len, den Bil­dern der Wär­me­bild­ka­me­ra und auch der Hyper­spek­tral­bil­der fest­ge­stellt wer­den. Im Gegen­satz dazu konn­ten kei­ne direk­ten Zusam­men­hän­ge zwi­schen den Tem­pe­ra­tur­da­ten und den Daten der Pedo­gra­fie­mes­sun­gen ermit­telt wer­den (Abb. 7). Im direk­ten Ver­gleich der mit den Tem­pe­ra­tur­sen­so­ren ermit­tel­ten Daten und denen, die mit Hil­fe der Wär­me­bild­ka­me­ra erho­ben wur­den, konn­te eine hohe Über­ein­stim­mung nach­ge­wie­sen wer­den. Auch konn­te erfolg­reich gezeigt wer­den, dass eine bestehen­de Ent­zün­dung am Fuß durch die erho­be­nen Mess­da­ten nach­ge­wie­sen wer­den konn­te. Spe­zi­ell anhand der in Abbil­dung 8 dar­ge­stell­ten Fer­sen­in­fek­ti­on zeig­te sich die kli­ni­sche Rele­vanz der Messergebnisse.

Es konn­te nach­ge­wie­sen wer­den, dass Tem­pe­ra­tur­ver­än­de­run­gen mit einer tat­säch­li­chen Ent­zün­dungs­aus­prä­gung kor­re­lie­ren und früh­zei­tig von den Sen­so­ren erkannt wer­den. Eben­so konn­ten Schwel­len­wer­te ermit­telt wer­den, die den Beginn einer Ent­zün­dung anzeigen.

Dies wur­de in allen kli­ni­schen Arbeits­pa­ke­ten ent­spre­chend wei­ter­ver­folgt. Dabei erwies sich, dass der in der Lite­ra­tur 11 beschrie­be­ne Schwel­len­wert von 2 bis 3 Grad Cel­si­us über den Wer­ten des umge­ben­den Gewe­bes in den Mess­da­ten klar detek­tiert und auch von nor­ma­len Schwan­kun­gen der Mess­wer­te unter­schie­den wer­den konnte.

Ins­ge­samt wur­den über 90 Daten­sät­ze bei den 21 Pro­ban­din­nen und Pro­ban­den erho­ben. Wei­te­re Daten­sät­ze zur Simu­la­ti­on einer Ent­zün­dung wur­den mit ver­schie­de­nen ande­ren Ansät­zen gene­riert, bei­spiels­wei­se mit ein­ge­leg­ten Wär­me­plätt­chen. Ent­spre­chen­de Ver­gleichs­ver­su­che zur Simu­la­ti­on von „Hot­spots“ wur­den zu unter­schied­li­chen Zei­ten durch­ge­führt und dien­ten der gene­rel­len Über­prü­fung der Theo­rie bzw. der Mess­ge­nau­ig­keit der Sen­so­ren (Abb. 9).

Fall­bei­spiel

Final konn­ten mit Hil­fe der Tem­pe­ra­tur-Mess­da­ten erfolg­reich Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mit einer ange­hen­den, jedoch nicht visu­ell erkenn­ba­ren Ent­zün­dung iden­ti­fi­ziert wer­den. Als Bei­spiel sei die Pro­ban­din MP-089 genannt. MP-089 klag­te zudem über Schmer­zen am lin­ken Fuß. An den ent­spre­chen­den Stel­len konn­ten zwar Schwie­len iden­ti­fi­ziert wer­den, es lag aber kei­ne star­ke Rötung oder gar Anzei­chen einer Wun­de vor (Abb. 10a u. b). Die­se Pati­en­tin wur­de ent­spre­chend dem Arzt vor­ge­stellt. In der Fol­ge wur­de die Pati­en­tin zum Podo­lo­gen über­wie­sen, um eine fach­ge­rech­te Behand­lung der Pro­blem­zo­ne ein­zu­lei­ten. Die­se Behand­lung führ­te zu einer Ver­bes­se­rung der Ent­zün­dung am lin­ken Fuß – der iden­ti­fi­zier­te Hot­spot war nach 2 Tagen verschwunden.

Ergeb­nis des Forschungsprojekts

Das Resul­tat des For­schungs­pro­jekts ist ein Spin-off (Aus­grün­dung) namens Osen­tec GmbH (Ortho­pe­dic Sen­sor Tech­no­lo­gies), das die­se Lösung zur Früh­erken­nung von Geschwü­ren und Wun­den bei Dia­be­tes­pa­ti­en­ten auf den Markt bringt. Die Lösung besteht aus zwei Komponenten:

  • einer Ein­la­ge mit Sen­so­ren (Abb. 11a u. b) und
  • einer dazu­ge­hö­ri­gen App, die den Algo­rith­mus enthält.

Die Ein­la­ge kann sowohl kon­fek­tio­niert als auch maß­ge­nau gefer­tigt wer­den. Ein­la­gen­ma­te­ri­al, Deck­schicht und wei­te­re Kom­po­nen­ten kön­nen dabei frei gewählt wer­den. Die Tech­no­lo­gie ist auch in einer dia­betesadaptierten Fuß­bet­tung (DAF) ein­setz­bar. Kern ist immer ein 0,5 Mil­li­me­ter dün­nes Sen­sor­netz, das die Fuß­soh­len­tem­pe­ra­tur mit­tels Ther­mis­to­ren (Tem­pe­ra­tur­sen­so­ren) auf 0,1 Kel­vin genau misst. Die­ses ist in einer pla­nen fle­xi­blen Folie ent­hal­ten, die kei­ner­lei Bedin­gun­gen an die Ein­la­gen­geo­me­trie stellt oder Druck­stel­len erzeugt, dar­ge­stellt in Abbil­dung 11c. In der App wer­den die Mess­wer­te des Nut­zers aus­ge­wer­tet. Der Algo­rith­mus ver­gleicht diver­se Para­me­ter und ermit­telt Tem­pe­ra­tur­dif­fe­ren­zen, die auf begin­nen­de Ent­zün­dun­gen schlie­ßen las­sen. Nut­ze­rin­nen und Nut­zern wird somit die Mög­lich­keit eröff­net, bereits bis zu meh­re­re Wochen vor der Bil­dung eines Ulkus oder einer Wun­de einen Arzt bzw. eine Ärz­tin auf­zu­su­chen. Die­se kön­nen dann ent­spre­chen­de prä­ven­ti­ve Maß­nah­men ergrei­fen bzw. eine The­ra­pie ein­lei­ten. Abbil­dung 11d stellt den Auf­bau der Ein­la­ge sche­ma­tisch dar. Ein kom­ple­men­tä­res Pro­dukt zur „Smart Sen­so­ry Inso­le“ ist die bereits erwähn­te Smart­phone-Appli­ka­ti­on für den Anwen­der, sche­ma­tisch dar­ge­stellt in Abbil­dung 12.

Meh­re­re Fir­men und Insti­tu­te arbei­ten an der Früh­erken­nung von Geschwü­ren und Wun­den anhand von Tem­pe­ra­tur­dif­fe­ren­zen der Fuß­soh­len bzw. per Druck­mo­ni­to­ring. Ein wich­ti­ger Aspekt ist die Ver­füg­bar­keit der Sen­so­rik im All­tag. Druck­ba­sier­te Sys­te­me neh­men meh­re­re Mess­wer­te pro Sekun­de auf, was dazu führt, dass die Akkus der Ein­la­gen mehr­mals in der Woche bis täg­lich auf­ge­la­den wer­den müs­sen. Die hier vor­ge­stell­te Lösung gibt sich mit deut­lich weni­ger Mess­wer­ten zufrie­den und erlaubt den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten eine lade- und kabel­freie Über­wa­chung ihrer Fuß­soh­len durch die Nut­zung ein­fa­cher Knopf­bat­te­rien. Die­se lie­fern Ener­gie für meh­re­re Monate.

Das Pro­blem der Dau­er­fes­tig­keit im All­tag wur­de durch eine ent­spre­chen­de Kon­struk­ti­on gelöst. Die ver­wen­de­ten Mate­ria­li­en sichern aus­ge­hend von den Dau­er­be­las­tungs­ver­su­chen eine tech­ni­sche Pro­dukt­halt­bar­keit der Elek­tro­nik von über einem Jahr. Die Pro­dukt­ent­wick­lung ist mitt­ler­wei­le so weit fort­ge­schrit­ten, dass die Markt­ein­füh­rung kurz bevor­steht (Stand: Okto­ber 2022).

Inter­es­sen­kon­flikt

Der Autor ist Geschäfts­füh­rer des Spin-offs Osen­tec GmbH (Ortho­pe­dic Sen­sor Technologies).

Der Autor:
Dipl.-Wirt.-Ing. Lars Eschenburg 
Geschäfts­füh­rer
Osen­tec GmbH
Fried­rich-Engels-Ring 6 
17033 Neu­bran­den­burg
lars.eschenburg@osentec.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Eschen­burg L. Tem­pe­ra­tur­mess­soh­le zur Prä­ven­ti­on eines dia­be­ti­schen Fuß­syn­droms. Ortho­pä­die Tech­nik, 2022; 73 (10): 40–46
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