Tech­ni­scher Sup­port bei den Invic­tus Games

Viele hatten lediglich eine Schraube locker, allerdings nicht die allseits bekannte im Kopf, sondern eine an Rollstuhl, Prothese und Co. Und die galt es möglichst schnell wieder hineinzudrehen.

Denn manch­mal blieb den mehr als 500 Teilnehmer:innen zwi­schen den Wett­kämp­fen nicht viel Zeit. Wäh­rend der Invic­tus Games, die vom 9. bis 16. Sep­tem­ber in Düs­sel­dorf aus­ge­tra­gen wur­den, stand in einer mobi­len Werk­statt ein ins­ge­samt 38-köp­fi­ges Team des Hilfs­mit­tel­her­stel­lers Otto­bock in Koope­ra­ti­on mit Sani­täts­häu­sern aus der Umge­bung für Repa­ra­tu­ren aller Art bereit.

Zum ers­ten Mal gehör­te Ortho­pä­die­tech­ni­ker Josch­ka Jäger vom Sani­täts­haus Köpp­chen in Solin­gen dazu. „Sol­che Events sind ein tol­les Erleb­nis. Man hat Din­ge in der Hand, die man sonst eher sel­ten zu Gesicht bekommt“, berich­tet er. Denn abseits von All­tags­pro­the­sen und ‑roll­stüh­len stan­den hier Sport­pro­the­sen und Race-Chairs im Fokus. Auch wenn vie­le klei­ne und all­täg­li­che Repa­ra­tu­ren anfie­len, All­tag war der Ein­satz nicht. Mit Trich­ter­frä­se, Bohr­ma­schi­ne, Wär­me­ofen, Gieß­harz­an­la­ge und Co. waren die zwei Con­tai­ner zwar bes­tens aus­ge­stat­tet – „im Worst Case hät­ten wir eine neue Pro­the­se bau­en kön­nen“ – doch die Zeit war teils der größ­te Feind und die Unvor­her­seh­bar­keit das ein­zig Vor­her­seh­ba­re. Vor­be­rei­ten muss­ten sich die 28 Techniker:innen auf alles und nichts, auf plat­te Rei­fen, defek­te Ven­ti­le, feh­len­de Schrau­ben und Druck­stel­len eben­so wie auf auf­wen­di­ge­re Schweiß­ar­bei­ten. Letz­te­re waren bei­spiels­wei­se am Race-Chair eines süd­ko­rea­ni­schen Ath­le­ten not­wen­dig, des­sen Ket­te immer wie­der absprang.

Ande­re Län­der, ande­re Sit­ten: Dass die Sportler:innen aus mehr als 20 Natio­nen kamen und dadurch von unter­schied­li­chen Betrie­ben und mit Hilfs­mit­teln ver­schie­dens­ter Her­stel­ler ver­sorgt waren, mach­te die Arbeit eben­so span­nend wie her­aus­for­dernd. Fehl­te bei­spiels­wei­se ein pas­sen­des Ven­til, galt es, erfin­de­risch zu wer­den. „Dann muss­ten wir bas­teln und mit dem arbei­ten, was da war“, so Jäger. Und er muss­te fest­stel­len: Vie­le der Athlet:innen aus Schwel­len­län­dern waren nur not­dürf­tig ver­sorgt. Als Bei­spiel nennt er einen nige­ria­ni­schen Teil­neh­mer, des­sen Pro­the­se mit Pap­pe ver­klei­det war. Neben Impro­vi­sa­ti­on war stets Team­work gefragt, auch weil jeder Tech­ni­ker und jede Tech­ni­ke­rin auf ande­re Berei­che spe­zia­li­siert ist. Jäger, des­sen Ste­cken­pferd die Pro­the­tik ist, konn­te dadurch neue Erfah­run­gen in ande­ren Ver­sor­gungs­be­rei­chen sam­meln. Eine Inspi­ra­ti­on, künf­tig den Bereich im Solin­ger Betrieb zu wech­seln? „Nein“, sagt er lächelnd und will der Pro­the­tik wei­ter­hin treu bleiben.

Abge­se­hen von der Werk­statt, die im Invic­tus Games Park und damit nahe der Trai­nings- und Wett­kampf­stät­ten gele­gen war, hiel­ten sich zwei Techniker:innen auch direkt am Spiel­feld bereit. Nur 20 Sekun­den Zeit blieb ihnen, um defek­te Räder am Boxen­stopp zu wechseln.

Dass die Werk­statt im öffent­li­chen Bereich zu fin­den war, gab dem Team die Mög­lich­keit, nicht nur mit den Sportler:innen selbst, son­dern eben­falls mit den Ange­hö­ri­gen sowie mit den Besucher:innen der Invic­tus Games in den Aus­tausch zu gehen, sie zu infor­mie­ren und auf­zu­klä­ren. Wie funk­tio­niert eine Pro­the­se? Was ist ein Schaft? Fra­gen wie die­se konn­ten anschau­lich mit­hil­fe der vor der Werk­statt aus­ge­stell­ten Pro­the­sen und Sport­roll­stüh­le beant­wor­tet wer­den. Dabei zeig­te sich: Das Vor­wis­sen ist gering. Der Groß­teil der Leu­te wuss­te wenig bis gar nichts über Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung. Ver­ständ­lich, fin­det Jäger. Denn oft feh­len im All­tag ein­fach die Berüh­rungs­punk­te zwi­schen Men­schen mit und ohne Behin­de­rung. Was theo­re­tisch erklärt wur­de, ver­such­te das Duder­städ­ter Unter­neh­men zusätz­lich prak­tisch erleb­bar und greif­bar zu machen: Wie es sich anfühlt, im Roll­stuhl zu sit­zen, tes­te­ten die Besucher:innen im gespon­ser­ten Roll­stuhl­par­cours. „Das öffent­li­che Inter­es­se war groß“, sagt Anna Sophia Hein­rich, Unter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­ti­on Otto­bock. Beson­ders freut sie sich dar­über, dass vie­le Kin­der und gan­ze Schul­klas­sen vor Ort waren und Otto­bock so hof­fent­lich sei­nem Ziel ein Stück näher­ge­kom­men ist: „Die Invic­tus Games sol­len dazu bei­tra­gen, Men­schen mit Behin­de­run­gen sicht­ba­rer zu machen und even­tu­ell vor­han­de­ne Berüh­rungs­ängs­te abzu­bau­en.“ Der Hilfs­mit­tel­her­stel­ler gab auch eini­gen ange­hen­den Orthopädietechniker:innen die Mög­lich­keit, die Arbeit in der mobi­len Werk­statt ken­nen­zu­ler­nen und sie so auf künf­ti­ge tech­ni­sche Sup­port-Ein­sät­ze bei Sport­ver­an­stal­tun­gen vorzubereiten.

Das Feed­back der Sportler:innen war durch­weg posi­tiv und von Dank­bar­keit geprägt. „Ich kann jedem Ortho­pä­die­tech­ni­ker, wenn er die Chan­ce dazu bekommt, auf jeden Fall emp­feh­len, mit­zu­ma­chen“, betont Jäger. „Es ist gut, nicht nur den nor­ma­len All­tag in der Werk­statt zu erle­ben, son­dern auch mal Pro­the­sen aus ande­ren Län­dern in der Hand zu haben und zu reparieren.“

Pia Engel­brecht

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