Einleitung
Tapeverbände sind heutzutage keine Rarität mehr. In der täglichen Praxis des Verfassers zeigen sich diverse Indikationen zur Anlage eines Tapeverbandes, beispielsweise im Rahmen einer ambulanten Rehabilitation als Therapieoption oder auch zur Muskelbehandlung bei chronisch-degenerativen Prozessen am Stütz- und Bewegungssystem. Generell unterscheidet man den klassischen Stützverband von den etwas neueren kinesiologischen Klebeverbänden. Die klassische Tapeanlage wird vornehmlich zur mechanischen Unterstützung der Extremitätengelenke genutzt. Robbins et al. 1 konnten zeigen, dass ein solcher Verband durchaus propriozeptive Verbesserungen ergeben kann. Nimmt er deswegen auch Energie auf? Eigene Erfahrungen aus dem Sport lassen die Vermutung zu, dass diese mechanische Stabilisierung allenfalls relativ kurz wirkt. Greene und Hillman 2 konnten zeigen, dass nach 20 Minuten die Inversions- und Eversionstabilität bei Volleyballspielern abgenommen hat. Vom Verfasser betreute Fußballerinnen berichteten regelmäßig nach 30 bis 40 Minuten über nachlassende mechanische Stabilität.
Als Alternative zur Orthese wird heute noch, wenngleich es deutlich personalaufwendiger ist, der Tapeverband posttraumatisch angewandt. Beim Anlegen des Verbandes wird initial, zumeist mit einer selbsthaftenden Binde, ein „undertape“ angelegt. An den jeweiligen Enden kommt ein Anker zum Einsatz, der hälftig auf der Haut und der Haftbinde klebt (Abb. 1). Ein Verrutschen der Binde wird somit vermieden. Durch dieses Verfahren wird der Hautkontakt mit dem Kleber der Pflaster minimiert. Anschließend werden Zügelverbände in der gewünschten Form so angebracht, dass die Bewegungen, die inhibiert werden sollen, auch wirklich inhibiert werden. Abschließend erhält der Gesamtverband durch zwei aufgeklebte „Halbschalen“ seine Stabilität (Abb. 2a und 2b). Die Tapeanlage ist innerhalb von 10 Minuten erledigt und sehr individuell. Die Belastbarkeit nach dem Trauma ist je nach Verletzung schnell wieder gegeben. Ebenso lässt sich Kälte sehr gut applizieren.
Im Gegensatz dazu sind die in eine Richtung dehnbaren Pflasterverbände zu nennen. Mitte der 70er Jahre entwickelt, sind diese unter verschiedensten Namen im Handel zu erwerben. Markenrechtliche Gründe haben zwar zu diversen Anlagetechniken geführt, die Grundidee ist jedoch bei allen gleich: Es handelt sich um in einer Richtung dehnbare und relativ atmungsaktive Pflasterverbände, die die sensomotorische Funktion positiv beeinflussen und möglichst nicht oder nur wenig die Beweglichkeit behindern sollen.
Taping bei Gonarthrose
Das Projektteam des „Handbook of Non-Drug Intervention“ (HANDI) 3 kommt nach Sichtung einiger Arbeiten zu dem Schluss, dass eine klassische Tapeanlage zur Behandlung bei Gonarthrose erfolgreich anwendbar sein kann. Die Kollegen heben in diesem Zusammenhang hervor, dass es dadurch zu einer Schmerzlinderung und einer Patellakorrektur kommen könne. Patellakorrektur bedeutet in diesem Fall, dass die Gleitbahn der Kniescheibe beeinflusst wird. Der Verfasser hält hierbei jedoch eher die veränderten Druckverhältnisse am Gleitlager als eine echte Korrektur der Gleitbahn für maßgeblich. Die HANDI-Autoren beziffern das Evidenzlevel mit 1. In diesem Zusammenhang wurden die Arbeiten von Crossley et al. (2009) 4, Hochberg et al. (2012) 5, Page et al. (2011) 6 und Warden et al. (2008) 7 ausgewertet.
Crossley und Kollegen 4 führten dabei MRT-Aufnahmen bei 15° Knieflexion durch und werteten die MRT-Scans mit 2 Radiologen aus. Klinisch erfassten sie den Schmerz bei Squads, also einer bestimmten Art von Kniebeugen. Somit ließen sich also ein technischer und ein klinischer „Studienarm“ auswerten. Die Lateralisierungstendenz konnte durch den Tapeverband reduziert und die Schmerzen signifikant gesenkt werden. Es zeigte sich jedoch, dass von dieser Therapie lediglich Patienten profitierten, die eine retropatellare Degeneration zeigten.
Für die gleiche Indikation berichteten Page et al. 6 positive Ergebnisse durch Tapeanlagen. Ziel ist also immer die verbesserte Führung der Patella und somit eine Druckentlastung der überbeanspruchten Gleitlagerhälfte (Abb. 3a und 3b).
In der oben aufgeführten Metaanalyse konnten Warden et al. 7 zeigen, dass ebenfalls für die retropatellare Kniegelenksarthrose eine Tapebehandlung positive Wirkungen haben kann. 16 Studien wurden in die Betrachtungen einbezogen. Grundsätzlich wurden die Tapestudien als höherwertig bezeichnet als die Orthesenstudien.
Hochberg et al. 5 fürmulierten positive Aspekte für Osteoarthritis der Hand und des Kniegelenkes im Rahmen einer Expertenkommission. Zu den konservativen Behandlungsmöglichkeiten zählte neben vielen anderen auch die Anlage von Tapeverbänden.
Cho et al. (2015) 8 führten eine randomisierte kontrollierte Studie an 46 Patienten durch. Die eine Hälfte wurde mittels kinesiologischer Tapeverbände am M. quadriceps, die unter Spannung standen, behandelt. Die Kontrollgruppe erhielt ebenfalls kinesiologische Verbände, allerdings ohne Spannung und somit nach den Postulaten dieses Pflasters ohne Effekt, also Placebo. Im Mittel waren die Patienten 57,9 Jahre alt. Es erfolgte ein prä- und ein postinterventioneller Test (1 Std.). Ermittelt wurden Schmerzen (VAS) in Ruhe und bei Aktivität. Weiterhin erfolgte eine Druckalgometrie am M. quadriceps und am M. tibialis anterior. Erfasst wurden zudem die Range of Motion (ROM) und die Propriozeption. In der Verumgruppe kam es zu einer leichten Schmerzreduktion beim Gehen und bei der Druckalgometrie. Es zeigte sich auch eine signifikante Verbesserung der ROM und der Propriozeption. In der Placebogruppe konnten diese Veränderungen nicht nachgewiesen werden. Bezüglich der Schmerzen (VAS und Druckalgometrie) zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Es ließ sich nachweisen, dass der Schmerz beim Gehen signifikant mit der ROM und der Propriozeption korreliert.
Anandkumar und Mitarbeiter (2014) 9 untersuchten 2 × 20 Patienten nach einem Design, das als randomisiert und doppelt verblindet (Kinesiotape mit und ohne Spannung) angegeben wird. Wie die Doppelverblindung zu verstehen ist, bleibt allerdings unklar. Denn zumindest der Behandler, der die Pflaster aufklebt, sollte doch merken, ob mit oder ohne Spannung geklebt wird. Es wurden ein Prä- und ein Post-Test durchgeführt. Gemessen wurde das Drehmoment des M. quadriceps im Rahmen einer isokinetischen Messung. Es erfolgte weiterhin ein standardisierter Test („standardized stair-climbing task“, SSCT), bei dem der Schmerz beim Treppensteigen ermittelt wird. Die Ergebnisse zeigen hohe Effektstärken und signifikante Verbesserungen des Drehmomentes bei 90° und 120° pro Sekunde. Der Schmerz beim Treppensteigen besserte sich bei der Verumgruppe im Vergleich zur Placeboanwendung.
Taping „außerhalb“ der Gonarthrose
Oliveira et al. (2014) 10 untersuchten 47 Patienten 12 bis 17 Wochen nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes. Die Untersuchungen umfassten eine Gleichgewichtsanalyse sowie eine isokinetische Analyse der Knieextensoren mit EMG des Vastus lateralis. Die Autoren konnten keine signifikanten Unterschiede zur Kontrollgruppe feststellen.
Lim und Tay 11 veröffentlichten 2015 ein systematisches Review zum Thema Kinesiotaping bei myofaszialem Schmerz und Funktionseinschränkungen von mehr als 4 Wochen. Nach Sichtung von 17 klinischen Untersuchungen kommen die Autoren zu dem Schluss, dass Tapes die Beschwerden lindern, wenn sonst keine Intervention erfolgte. Allerdings haben Tapeanlagen bei intensiverer Behandlung (Manuelle Therapie, Krankengymnastik, Klassische Massagetherapie) allenfalls supportiven Charakter.
Nunes et al. (2015) 12 untersuchten 37 Sportler mit akuter Distorsion der Sprunggelenksregion. Es wurden abschwellende Kinesiotapeanlagen vs.- „Sham“-Kinesiotape für 3 Tage mit 15-Tages-Follow-up untersucht. Solche Tapeanlagen werden in praxi als „Lymphtape“ bezeichnet. Es wurden volumetrische Messungen durchgeführt. Ein Unterschied zwischen den Gruppen ließ sich nicht nachweisen.
Williams et al. 13 untersuchten 2012 im Rahmen einer Metaanalyse 10 kontrollierte Studien, die sich mit der Wirkung von Kinesiotaping in der Behandlung und Vorbeugung von Sportverletzungen auseinandersetzen. Es wurde postuliert, dass qualitativ höherrangige Studien einen positiven Effekt von Kinesiotapes zeigen könnten. Die Autoren nannten als mögliche Wirkungen Schmerzreduktion im Vergleich zu Placebotapes, Besserung der ROM (durch Schmerzreduktion?) und Minderung der Muskelspannung. Nicht nachweisbar waren dagegen Effekte auf Propriozeption und Muskelaktivität.
Fazit
Zusammenfassend zeigt sich eine insgesamt uneinheitliche Studienlage. Je nach Studie können Tapeanlagen – klassisch wie auch kinesiologisch – die Range of Motion bei Gonarthrose verbessern und den Schmerz, vor allem bei Bewegung, lindern. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass die retropatellaren Osteoarthritiden auf eine Tapingtherapie gut ansprechen. Tendenziell können aufwendigere Studien besser einen positiven Effekt anzeigen als weniger gut geplante.
Der Autor:
Dr. med. Norman Best
Institut für Physiotherapie,
Universitätsklinikum Jena
Erlanger Allee 101
07747 Jena
norman.best@med.uni-jena.de
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
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