Der schlecht belast­ba­re Unter­schen­kel­stumpf aus chir­ur­gi­scher Sicht

P. Schröter, B. Wendler, G. O. Hofmann
In Deutschland werden im Jahr etwa 20.000 Majoramputationen der unteren Extremität durchgeführt. Die Unterschenkelamputation ist hierbei die häufigste. Nicht jeder Amputierte ist nach Versorgung mit einer Prothese in der Lage, diese gut zu führen. Im folgenden Artikel soll auf verschiedene chirurgische Ursachen einer erschwerten Versorgung eingegangen werden. Es soll keine Operationsanleitung für die Unterschenkelamputation gegeben werden; hierfür gibt es sehr gute Standardwerke im deutsch- und englischsprachigen Raum. Aber die Autoren, welche seit 2006 eine Spezialsprechstunde für Gliedmaßenamputierte an der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Klinikums Bergmannstrost Halle führen, möchten die ihnen besonders wichtigen Aspekte der Amputations- und Stumpfrevisionschirurgie verdeutlichen. Zudem wird der von Brückner geforderte Paradigmenwechsel bezüglich der Rehabilitation Amputierter beleuchtet.

Ein­lei­tung

Majo­ram­pu­ta­tio­nen der unte­ren Ex­tremität bedin­gen für den Betrof­fe­nen einen deut­li­chen Ein­schnitt in die Lebens­füh­rung. Am häu­figs­ten ver­ur­sa­chen in Deutsch­land der Dia­be­tes, die arte­ri­el­le Ver­schluss­krank­heit oder eine Kom­bi­na­ti­on aus bei­dem die Ampu­ta­ti­on. Trau­ma­ti­sche Ampu­ta­ti­on, Tumo­re oder die chro­ni­sche Ost­ei­tis sind sel­te­ne­re Ampu­ta­ti­ons­ur­sa­chen. Wäh­rend die Grün­de für Ampu­ta­tio­nen in Deutsch­land gut unter­sucht sind, kann auf­grund eines feh­len­den Regis­ters kei­ne siche­re Aus­sa­ge über die Zahl oder Art von erfolg­ten Ampu­ta­tio­nen getrof­fen wer­den. Das wis­sen­schaft­li­che Insti­tut der AOK ver­sucht, eine Abschät­zung über Rou­ti­ne­da­ten ihrer Ver­si­cher­ten vor­zu­neh­men. So sind 2003 bei 45.000 Kran­ken­haus­auf­ent­hal­ten allein bei AOK-Ver­si­cher­ten Ampu­ta­tio­nen an der unte­ren Extre­mi­tät not­wen­dig gewe­sen 1. Nach neue­ren Anga­ben aus dem Jahr 2015 wer­den in Deutsch­land etwa 20.000 Major­amputationen der unte­ren Extre­mi­tät durch­ge­führt 2.

Die Mobi­li­tät im all­täg­li­chen Leben eines Ampu­tier­ten ist deut­lich ein­ge­schränkt. Die Selbst­ver­sor­gung des Betrof­fe­nen ist gefähr­det. Auch die Berufs­aus­übung wird erheb­lich erschwert, wenn nicht gar unmög­lich. Aus die­sen Gesichts­punk­ten erge­ben sich die anzu­stre­ben­den Reha­bi­li­ta­ti­ons­zie­le. Das lang­fris­ti­ge Ermög­li­chen einer selbst­stän­di­gen Lebens­füh­rung, die Teil­ha­be am sozia­len Umfeld und die Wie­der­ein­glie­de­rung ins Berufs­leben sind die Her­aus­for­de­run­gen, wel­che es zu meis­tern gilt. Um dies zu errei­chen, sind sowohl sei­tens des Ortho­pä­die-Tech­ni­kers als auch sei­tens der behan­deln­den Ärz­te grund­le­gen­de Kennt­nis­se über die ortho­pä­die­tech­ni­schen Ver­sor­gungs­mög­lich­kei­ten, deren Ein­schrän­kun­gen und die Anfor­de­run­gen an einen belast­ba­ren Stumpf notwendig.

Anfor­de­run­gen an den trans­ti­bi­al ampu­tier­ten Stumpf

Um einen Unter­schen­kel­stumpf pro­the­tisch ver­sor­gen zu kön­nen, ist es not­wen­dig, sich zunächst mit den idea­len Stumpf­ver­hält­nis­sen zu befas­sen. Eine gute stich­punkt­ar­ti­ge Über­sicht über die opti­ma­le Stumpf­be­schaf­fen­heit lie­fert das Kom­pen­di­um „Qua­li­täts­stan­dard im Bereich Pro­the­tik der unte­ren Extre­mi­tät“ 3. Zudem hat Brück­ner kürz­lich einen guten Über­blicks­ar­ti­kel zu die­sem The­ma ver­fasst 4. In einem sys­te­ma­ti­schen Unter­su­chungs­gang soll­te auf fol­gen­de Din­ge geach­tet werden:

Haut- und Unterhaut

  •  gute Durch­blu­tung (Reka­pil­la­ri­sie­rungs­zeit ca. 2–3 Sekunden)
  • kei­ne venöse/lymphatische Stauung
  • kei­ne Sensibilitätsstörung
  • schmerz­frei belastbar
  • Haut/Narbe über dem Unter­grund ver­schieb­lich und reizlos
  • Nar­ben nicht am Stump­fen­de lokalisiert
  • geschlos­se­ne Weichteile/keine Hin­wei­se auf Fis­tel­bil­dung bzw. Abszedierung
  • phy­sio­lo­gi­sche Schweißbildung

Muskulatur/tiefe Weich­tei­le

  • fixier­te Mus­kel­de­ckung des Stump­fes über dem knö­cher­nen Stumpf
  • Mus­kel­qua­li­tät (inak­tiv, ­kräf­tig, mit­tel, schwach) der Muskelgruppen
  • kei­ne stö­ren­den het­e­ro­to­pen Ossifikationen
  • Sen­si­bi­li­tät
  • gro­ße Gefä­ße kurz pro­xi­mal des knö­cher­nen Stump­fes chir­ur­gisch abgesetzt
  • gekürz­te Unter­schen­kel­ner­ven (N. tibia­lis, Nn. fibu­la­res, N. suralis)

Knö­cher­ner Stumpf

  • Tibi­a­spit­ze ist abge­run­det und ­vor­ne (ven­tra­les Drit­tel) angeschrägt
  • Fibu­la ist ca. 2 cm kür­zer als die ­Tibia und leicht angeschrägt
  • intak­te Mem­bran zwi­schen Fibu­la und Tibia
  • kei­ne stö­ren­den Exostosen

Beson­ders wich­tig ist der Bewe­gungs­um­fang im Knie­ge­lenk. Die­ses muss gestreckt wer­den kön­nen, um ein ener­gie­ef­fi­zi­en­tes und siche­res Lau­fen zu ermög­li­chen. Zudem soll­te das Knie­ge­lenk bis auf min­des­tens 80° gebeugt wer­den kön­nen, damit der Pro­the­sen­an­wen­der Trep­pen stei­gen und gut sit­zen kann.

Vie­le der not­wen­di­gen Fra­gen zur Beur­tei­lung der Stumpf­be­schaf­fen­heit kann der Ortho­pä­die-Tech­ni­ker durch Inspek­ti­on und Betas­ten beant­wor­ten. Lei­der ist es nicht gene­rell üblich, dass durch den betreu­en­den Arzt ein Rönt­gen­bild zur Ver­fü­gung gestellt wird. Gera­de für die Beur­tei­lung der knö­cher­nen Stumpf­spit­ze und der last­auf­neh­men­den Area­le ist die­ses Wis­sen aber wich­tig. Auch Infor­ma­tio­nen über hoch­gra­di­ge arte­ri­el­le Durch­blu­tungs­stö­run­gen (AVK) mit mög­li­cher­wei­se ein­lie­gen­dem Bypass/Stent, Throm­bo­sen am ampu­tier­ten Bein oder Ver­än­de­run­gen im Knie­ge­lenk sind bei der Anfer­ti­gung der Pro­the­se bedeutsam.

Eine AVK muss bei der stumpf­for­men­den früh­post­ope­ra­ti­ven Kom­pres­si­ons­the­ra­pie berück­sich­tigt wer­den. Eine Kom­pres­si­ons­be­hand­lung zur Ödem­be­hand­lung muss regel­mä­ßig, nach eige­ner Erfah­rung min­des­tens drei­mal täg­lich, in den ers­ten post­ope­ra­ti­ven Tagen über­prüft wer­den, da sonst eine Durch­blu­tungs­stö­rung mit Wund­hei­lungs­stö­rung und letzt­end­lich sogar einer Nacham­pu­ta­ti­on droht. Eine Throm­bo­se in der Becken­ach­se des ampu­tier­ten Bei­nes erklärt das deut­lich ver­zö­ger­te Abschwel­len eines Ampu­ta­ti­ons­stump­fes nach Ope­ra­ti­on und auch mög­li­che spä­te­re Stumpf­vo­lu­men­schwan­kun­gen. Liegt bei einem Pati­en­ten schon eine schwe­re Knie­ge­lenks­ar­thro­se vor, ist unter Umstän­den der sta­ti­sche Auf­bau der Pro­the­se anzu­pas­sen. Der Ortho­pä­die-Tech­ni­ker soll­te sich anhand der Krank­heits­ge­schich­te des künf­ti­gen Pro­the­sen­trä­gers mit sol­chen Aspek­ten aus­ein­an­der­set­zen und den mit­be­treu­en­den Arzt im Zwei­fel um zusätz­li­che Infor­ma­tio­nen bitten.

Ope­ra­ti­ons­tech­ni­ken der Unterschenkelamputation

Der trans­ti­bia­le Ampu­ta­ti­ons­stumpf kann grund­sätz­lich in drei wesent­li­che Höhen ein­ge­teilt wer­den: den lan­gen, den mitt­le­ren und den kur­zen Stumpf. Pro­xi­mal kann auf Mit­te des knö­cher­nen Ansat­zes der Patel­lar­seh­ne in der Tube­ro­si­tas tibiae ampu­tiert wer­den, und der Pati­ent ist den­noch in der Lage, das Knie­ge­lenk sicher zu bewe­gen. Dis­tal endet die trans­ti­bia­le Ampu­ta­ti­on nach der Defi­ni­ti­on von Baum­gart­ner ober­halb des Pilon tibia­le 5.

Ampu­ta­ti­ons­tech­ni­ken in Höhe des­ Sprung­ge­len­kes nach Syme soll­ten trotz trans­ti­bia­ler Resek­ti­on der Rück­fuß­am­pu­ta­ti­on und nicht dem lan­gen Unter­schen­kel­stumpf zuge­ord­net wer­den. Es erge­ben sich wesent­li­che Unter­schie­de der Funk­ti­on einer Syme-Ampu­ta­ti­on im Ver­gleich zum lan­gen Unter­schen­kel­stumpf. Der Syme-Stumpf weist eine erheb­lich grö­ße­re knö­cher­ne Auf­la­ge­flä­che auf und ist in Kom­bi­na­ti­on mit der Fer­sen­haut hier­durch deut­lich belast­ba­rer, sogar bis zur Vollbelast­barkeit. Dage­gen ist der lan­ge Unter­schen­kel­stumpf bedingt durch das bra­dy­tro­phe Gewe­be und den erheb­lich gerin­ge­ren Kno­chen­quer­schnitt nur sehr gering end­be­last­bar. Nicht sel­ten führt die schlech­te Weich­teil­de­ckung beim lan­gen Unter­schen­kel­stumpf zu Pro­ble­men und bedingt Nacham­pu­ta­tio­nen. Unter dem Aspekt der Voll­be­last­bar­keit des Syme-Stump­fes erge­ben sich zudem ande­re Ver­sor­gungs­kri­te­ri­en für die Pro­the­se und die last­auf­neh­men­den Stumpf­area­le. Die Autoren mei­den aus die­sen Grün­den den lan­gen Unter­schen­kel­stumpf und ampu­tie­ren, soll­te eine Syme-Ampu­ta­ti­on nicht mög­lich sein, im mitt­le­ren oder pro­xi­ma­len Drittel.

Es exis­tie­ren ver­schie­dens­te Tech­ni­ken der trans­ti­bia­len Ampu­ta­ti­on, und vie­le wer­den nach ihren Erst­be­schrei­bern benannt. Ziel ist es, einen belast­ba­ren Unter­schen­kel­stumpf mit erhal­te­nem Knie­ge­lenk zu ermög­li­chen. Das eige­ne Knie­ge­lenk ist von enor­mer Bedeu­tung für den Reha­bi­li­ta­ti­ons­er­folg. Auch sehr kur­ze Unter­schen­kel­stümp­fe sind durch die eigen­stän­di­ge akti­ve Knie­stre­ckung einer Knie­ex­ar­ti­ku­la­ti­on über­le­gen. Zudem ist die Wahr­neh­mung der Knie­beu­gung und das Gefühl der Posi­ti­on des Unter­schen­kels im Raum für ein siche­res Gehen von enor­mer Bedeu­tung. Die Wich­tig­keit des Knie­ge­lenks für ein phy­sio­lo­gi­sche­res und sturz­si­che­res Gang­bild wird von der Phy­sio­the­ra­peu­tin Ger­tru­de Mensch in ihrem Buch „Phy­sio­the­ra­pie und Pro­the­tik nach Ampu­ta­ti­on der unte­ren Extre­mi­tät“ sehr anschau­lich beschrie­ben 6. Ampu­ta­ti­ons­tech­ni­ken mit Bil­dung eines lan­gen pos­te­rio­ren Haut-Mus­kel-Lap­pens (Bur­gess, Brück­ner) wer­den im All­ge­mei­nen favo­ri­siert. Dage­gen sind Tech­ni­ken mit fischmaul­artiger und sagit­ta­ler Schnitt­füh­rung am Unter­schen­kel in der Unter­zahl. Die Ampu­ta­ti­ons­tech­nik nach Robin­son führt unter dem Ansatz einer bes­se­ren Haut­durch­blu­tung eine sogar leicht ver­dreh­te Haut­schnitt­füh­rung durch.

Die Nar­be soll­te außer­halb des Stump­fen­des und somit nicht in der End­be­las­tungs­zo­ne lie­gen. Dadurch kön­nen bei Last­auf­nah­me im Gegen­satz zur Posi­ti­on am Stump­fen­de Zug­kräf­te im Nar­ben­be­reich ver­hin­dert wer­den. Zudem kön­nen mecha­ni­sche Irri­ta­tio­nen durch Nar­ben im End­be­las­tungs­be­reich ver­mie­den wer­den.  Die welt­weit am wei­tes­ten ver­brei­te­te trans­ti­bia­le Ampu­ta­ti­ons­tech­nik ist die nach Bur­gess. Sir Ernest Bur­gess beschrieb Ende der 60er Jah­re des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts die­ses Vor­ge­hen. Er hat die sys­te­ma­ti­sche Ampu­ta­ti­ons­tech­nik unter Bil­dung eines lan­gen dor­sa­len Haut-Unter­haut-Mus­kel­lap­pens eta­bliert. In der Fol­ge konn­ten vie­le Ober­schen­kel­am­pu­ta­tio­nen ver­mie­den und das Knie­ge­lenk erhal­ten wer­den 7. Als pro­ble­ma­tisch erwies sich jedoch die intra­ope­ra­ti­ve Beur­tei­lung der Mus­ku­la­tur durch den Ope­ra­teur, um zu ent­schei­den, ob die­se ent­fernt wer­den muss. Die sub­jek­ti­ve Bewer­tung der Durch­blu­tung, die Mus­kel­ak­ti­vi­tät und das Aus­se­hen des Mus­kels sind schlecht repro­du­zier­bar und selbst durch den erfah­re­nen Ope­ra­teur nicht leicht zu tref­fen. Ver­bleibt schlecht durch­blu­te­te Mus­ku­la­tur und wird nekro­tisch, ist der gesam­te Stumpf gefähr­det. Bei der fort­ge­schrit­te­nen arte­ri­el­len Ver­schluss­krank­heit bestehen dadurch post­ope­ra­tiv häu­fig Wund­hei­lungs­stö­run­gen. Ins­be­son­de­re tre­ten die­se im ante­ro­la­te­ra­len Stumpf­be­reich auf. Brück­ner hat in sei­ner 1984 ver­tei­dig­ten Habi­li­ta­ti­ons­schrift his­to-bio­che­mi­sche Unter­su­chun­gen der Mus­ku­la­tur aus dem Ampu­ta­ti­ons­ge­biet durch­ge­führt. Ins­be­son­de­re bei Durch­blu­tungs­stö­run­gen im Sta­di­um 4 nach Fon­taine zeig­te sich eine Dekom­pen­sa­ti­on der Mus­ku­la­tur um die fibu­la­re Mus­kel­grup­pe. Der Gastrocne­mius media­lis et late­ra­lis hin­ge­gen wies kom­pen­sier­te bio­che­mi­sche Ver­hält­nis­se auf 8. McCollum unter­such­te mit­tels Wär­me­bild­ka­me­ras die Haut und berich­te­te eben­falls von schlech­ter ante­ro­la­te­ra­ler Durch­blu­tung 9. Dies mün­de­te in die zeit­wei­lig durch­ge­führ­ten Tech­ni­ken mit leicht ver­dreht und sagit­tal geführ­ten Haut­schnitt­li­ni­en, jedoch mit den ent­spre­chend nega­ti­ven Fol­gen der Nar­ben­po­si­ti­on 10 11.

Aus den Grün­den der ischä­mi­schen Mus­kel­de­kom­pen­sa­ti­on ent­wi­ckel­te Brück­ner ein stan­dar­di­sier­tes ope­ra­ti­ves Vor­ge­hen bei der Durch­blu­tungs­stö­rung im End­sta­di­um. Eine sub­jek­ti­ve Beur­tei­lung der Mus­kel­grup­pen fin­det bei die­sem Vor­ge­hen nicht statt. Neben dem Mus­cu­lus soleus wer­den alle Mus­keln des ante­ro­la­te­ra­len Mus­kel­kom­par­ti­men­tes und der tie­fen dor­sa­len Unter­schen­kel­mus­keln ent­fernt. Hier­durch ergibt sich eine unge­nü­gen­de Weich­teil­de­ckung der Fibu­la, wel­che aus die­sem Grund eben­falls ent­fernt wer­den muss. Die Mus­ku­la­tur des Gas­tro­c­ne­mi­us media­lis und ggf. des Gas­tro­c­ne­mi­us late­ra­lis wird über den knö­cher­nen Stumpf geschla­gen und mit Vor­span­nung an der late­ra­len Tibia am fas­zio­pe­rio­s­ta­len Über­gang refi­xiert. Dar­aus resul­tiert ein etwas kür­ze­rer, schlan­ke­rer trans­ti­bia­ler Stumpf im Ver­gleich zum Vor­ge­hen nach Bur­gess. Mit die­ser Tech­nik konn­te Brück­ner auch bei schwer durch­blu­tungs­ge­stör­ten Pati­en­ten in 95 % der Fäl­le das Knie­ge­lenk erhal­ten 12.
Aus die­sem Grund gehen die Autoren fol­gen­der­ma­ßen vor: Bei nicht oder nur gering durch­blu­tungs­ge­stör­ten Stümp­fen füh­ren die Autoren die Tech­nik nach Bur­gess durch. Beim fort­ge­schrit­ten durch­blu­tungs­ge­stör­ten Pati­en­ten mit Ruhe­schmer­zen oder gar bereits bestehen­den Nekro­sen ampu­tie­ren die Autoren nach der Tech­nik nach Brück­ner. Bei den Unter­schen­kel­am­pu­ta­ti­ons­tech­ni­ken gilt es eini­ge beson­de­re Aspek­te zu beach­ten, die im Fol­gen­den beschrie­ben werden.

Stumpf­mus­ku­la­tur

Das Kon­zept einer flä­chi­gen Last­auf­nah­me durch den Voll­kon­takt im Schaft benö­tigt eine suf­fi­zi­en­te Mus­ku­la­tur. Nur dadurch bestehen sta­bi­le Stumpf­ver­hält­nis­se. Schlecht fixier­te Mus­ku­la­tur und zu gro­ße Mus­kel­vo­lu­mi­na erschwe­ren eine Pro­the­sen­ver­sor­gung. Intra­ope­ra­tiv wer­den oft das nöti­ge Aus­dün­nen und eine güns­ti­ge Fixie­rung der ver­blei­ben­den Mus­ku­la­tur ver­nach­läs­sigt. Häu­fig ver­bleibt zu viel Unter­schen­kel­mus­ku­la­tur im Stumpf. Die­ser anfäng­lich gut weich­teil­ge­deck­te und mut­maß­lich belast­ba­re Stumpf wird sich durch die unwei­ger­lich ein­set­zen­de Mus­kel­atro­phie in den kom­men­den Mona­ten zu einem schwer zu ver­sor­gen­den und mit erheb­li­chen Weich­teil­über­hän­gen ver­se­he­nen Stumpf ent­wi­ckeln. Zudem bestehen bei Belas­sen des Mus­cu­lus soleus häu­fig Durch­blu­tungs­stö­run­gen. Vor allem durch die feh­len­de Mus­kel­ei­gen­ak­ti­vi­tät beding­te venö­se Abfluss­be­hin­de­run­gen in sei­nem Venen­ple­xus füh­ren zu Mus­kel­ve­nen­throm­bo­sen. Mög­li­che dar­aus resul­tie­ren­de post­ope­ra­ti­ve Infek­tio­nen und Mus­kel­ne­kro­sen gefähr­den den Stumpf. Aus die­sem Grund ist die Ent­fer­nung des Mus­cu­lus soleus obli­gat, auch wenn Bur­gess das Belas­sen die­ser Mus­kel­grup­pe beschreibt 13.

Bei allen Unter­schen­kel­am­pu­ta­ti­ons­tech­ni­ken ist ein beson­de­res Augen­merk auf die Mus­kel­de­ckung des Stump­fes zu legen. Fast alle Unter­schen­kel­mus­keln ver­lie­ren ent­we­der Ansatz oder Ursprung durch die Ampu­ta­ti­on. Die Mus­ku­la­tur ist unter Nut­zung der eige­nen Fas­zi­en mit einer „phy­sio­lo­gi­schen“ Vor­span­nung zu refi­xie­ren. Dies setzt eine erheb­li­che ope­ra­ti­ve Erfah­rung vor­aus. Es exis­tiert kein Mess­ver­fah­ren, wel­ches es dem Ope­ra­teur erleich­tert, die nöti­ge Mus­kel­span­nung abzu­schät­zen. Es ist wäh­rend der Ope­ra­ti­on unbe­dingt auf eine unnö­ti­ge Sepa­ra­ti­on der Mus­ku­la­tur von der Fas­zie zu ver­zich­ten, damit das fes­te Fas­zi­en­ge­we­be zum Fixie­ren der Mus­ku­la­tur genutzt wer­den kann. Bei der Tech­nik nach Bur­gess ist die fibu­la­re Mus­kel­grup­pe eben­falls unter Vor­span­nung zu brin­gen. Hier­zu ist ein gerin­ges Ein­kür­zen der sonst stö­ren­den Fibu­la not­wen­dig. Zu beach­ten ist aller­dings, dass ein zu wei­tes Ein­kür­zen zur Insta­bi­li­tät zwi­schen Fibu­la und Tibia auf­grund der pro­xi­mal feh­len­den Mem­bra­na interos­sea führt. Dar­aus resul­tiert eine Abduk­ti­ons­fehl­stel­lung der Fibu­la. Durch die Vor­span­nung der Mus­ku­la­tur im Rah­men der Refi­xie­rung und dadurch Erhalt eines Mus­kel­an­sat­zes und ‑ursprun­ges kann der fet­ti­gen Atro­phie par­ti­ell ent­ge­gen­ge­wirkt wer­den (Abb. 1a–c).

Da die Mus­ku­la­tur mit Näh­ten refi­xiert wird, benö­tigt der Stumpf eine Kon­so­li­die­rungs­zeit und darf in die­sem Zeit­raum nicht über­las­tet wer­den. Es kommt sonst zum Abrei­ßen der Mus­ku­la­tur und zum Ver­lust der phy­sio­lo­gi­schen Vor­span­nung. Die not­wen­di­ge Kon­so­li­die­rungs­zeit ist natür­lich abhän­gig von der Durch­blu­tungs­si­tua­ti­on. Aus die­sem Grund hat Brück­ner 2017 einen Para­dig­men­wech­sel zur Nach­be­hand­lung nach Ampu­ta­ti­on emp­foh­len. Er schlug vor, bei einem durch­blu­tungs­ge­stör­ten Stumpf eine 12-wöchi­ge und bei einem nicht durch­blu­tungs­ge­stör­ten Stumpf eine 8- bis 10-wöchi­ge Ruhe­pha­se ein­zu­hal­ten. In die­sem Zeit­raum soll­te kei­ne inten­si­ve Phy­sio­the­ra­pie und auch kei­ne pro­the­ti­sche Ver­sor­gung erfol­gen. Es ist bei ande­ren ope­ra­ti­ven Ver­sor­gun­gen mit not­wen­di­gen Muskel‑, Seh­nen- und Band­näh­ten abso­lut üblich, ähn­li­che Zeit­räu­me vor Auf­nah­me einer inten­si­ven Reha­bi­li­ta­ti­on ein­zu­hal­ten. Ein Reha­bi­li­ta­ti­ons­mo­dell ana­log der Pha­sen aus dem Bereich der Neu­ro­re­ha­bi­li­ta­ti­on soll­te für frisch ampu­tier­te Pati­en­ten ein­ge­führt wer­den, um dem Stumpf die nöti­ge Kon­so­li­die­rungs­zeit zu ermög­li­chen. In Abhän­gig­keit von der Kom­or­bi­di­tät kann die Über­gangs­pha­se bis zur inten­si­vier­ten Reha­bi­li­ta­ti­on zu Hau­se oder in einer sta­tio­nä­ren Ein­rich­tung erfol­gen. Dies gilt auch für Ampu­ta­ti­ons­tech­ni­ken wie die Syme-Ampu­ta­ti­on, die Knie­ex­ar­ti­ku­la­ti­on oder plas­tisch-rekon­struk­ti­ve Ver­fah­ren mit Mus­kel­sch­lin­gen­re­kon­struk­ti­on, da auch hier län­ge­re Kon­so­li­die­rungs­pha­sen zur siche­ren Stumpf­hei­lung not­wen­dig sind.

Stumpf­n­eu­ro­me

Schmerz­haf­te und somit sym­pto­ma­ti­sche Neu­ro­me sind ein häu­fi­ger Grund für eine ein­ge­schränk­te Pro­the­sen­nutz­bar­keit. Meist befin­den sich symp­tomatische Neu­ro­me an ungüns­ti­gen Stel­len im Stumpf. Die sich immer bil­den­de Ner­ven­nar­be nach Ampu­ta­ti­on ist einer erhöh­ten mecha­ni­schen Belas­tung aus­ge­setzt und führt bei unge­nü­gen­der Ner­ven­re­sek­ti­on im Rah­men der Ampu­ta­ti­on zu erheb­li­chen Beschwer­den. Sowohl bei der Tech­nik nach Bur­gess als auch nach Brück­ner soll­ten die Ner­ven aus den in der Pro­the­se belas­te­ten Stumpf­be­rei­chen he­raus ver­la­gert und 2 bis 5 cm pro­xi­mal der knö­cher­nen Resek­ti­ons­gren­zen abge­setzt wer­den. Hier­bei sind die Ner­ven in weni­ger belas­te­te Mus­kel­kom­par­ti­men­te zu ver­le­gen. Ins­be­son­de­re schmerz­haf­te Neu­ro­me der Nn. fibu­la­res und des N. sura­lis sind kei­ne Sel­ten­hei­ten (Abb. 2).

Kno­chen­brü­cke zwi­schen Tibia und Fibula

Kon­tro­vers wer­den Ver­fah­ren zur Kno­chen­brü­cke bei trans­ti­bia­len Ampu­ta­tio­nen dis­ku­tiert. Ver­schie­de­ne Vari­an­ten der Kno­chen­brü­cken­bil­dung wur­den beschrie­ben. Die Ope­ra­ti­on nach Ertl-Dede­rich formt eine peri­o­sta­le Kno­chen­brü­cke mit Antei­len der media­len Tibi­a­kor­ti­ka­lis. Nach Gue­des-Pin­to wird die Kno­chen­brü­cke durch Rotie­ren des dista­len Kno­chen­stü­ckes der Fibu­la in die Tibi­astumpf­spit­ze geschaf­fen, benö­tigt aber eine Osteo­syn­the­se oder K‑Drähte zum Fixie­ren der Fibu­la. Die­se Tech­ni­ken stel­len in Deutsch­land eine Rari­tät dar. Es kom­men dafür vor­wie­gend jün­ge­re Pati­en­ten mit trau­ma­ti­scher Ampu­ta­ti­on oder Tumo­ren in Frage.

Die ange­streb­te deut­lich ver­bes­ser­te Stump­fendbe­last­bar­keit bis sogar Voll­be­last­bar­keit im Ver­gleich zur „klas­si­schen“ trans­ti­bia­len Ampu­ta­ti­on ist in ein­zel­nen Fäl­len beschrie­ben wor­den 14. Meh­re­re ver­glei­chen­de Stu­di­en fin­den aller­dings kei­ne höhe­re End­be­last­bar­keit zu den „klas­si­schen“ Ampu­ta­ti­ons­ver­fah­ren 15 16. Ein ent­schei­den­der Vor­teil der Kno­chen­brü­cke ist jedoch, dass die Stumpf­län­ge bei Ver­lust der Mem­bra­na interos­sea gehal­ten wer­den kann. Eine Insta­bi­li­tät nach Trau­ma, wie zum Bei­spiel Explo­si­ons­ver­let­zun­gen, zwi­schen Fibu­la und Tibia erschwert eine pro­the­ti­sche Ver­sor­gung bei insta­bi­len Stumpf­ver­hält­nis­sen erheb­lich. Es kön­nen bei grö­ße­rer knö­cher­ner Belas­tungs­flä­che auch Stumpf­län­gen bis zum Über­gang vom mitt­le­ren bis ins dista­le Tibia­drit­tel erhal­ten wer­den. Ins­be­son­de­re bei jun­gen, akti­ven Pati­en­ten bedingt die­ser lan­ge Hebel­arm einen deut­li­chen Funk­ti­ons­ge­winn. Jedoch soll­ten die ver­län­ger­te Ope­ra­ti­ons­zeit und auch das gering gestei­ger­te Risi­ko für Kom­pli­ka­tio­nen unter Abwä­gung der Vor­tei­le einer Kno­chen­brü­cke Berück­sich­ti­gung fin­den 17.

Die Autoren haben bis­her nur nach Ertl-Dede­rich rekon­stru­iert. Das Ziel lau­te­te, die Stumpf­län­ge zu erhal­ten, eine sta­bi­le Ver­bin­dung zwi­schen Fibu­la und Tibia zu gene­rie­ren und die knö­cher­ne Unter­stüt­zungs­flä­che zu ver­grö­ßern. Osteo­syn­the­se­ma­te­ri­al wol­len die Autoren unter Berück­sich­ti­gung einer fremd­kör­per­as­so­zi­ier­ten Infek­ti­on ver­mei­den. Bei allen Pati­en­ten ist eine zusätz­li­che pro­xi­ma­le Last­auf­nah­me not­wen­dig ver­blie­ben (Abb. 3a–e).

Knie­ge­lenks­er­halt

Publi­ka­tio­nen, wel­che unter­schied­li­che Ampu­ta­ti­ons­tech­ni­ken beschrei­ben, zei­gen kom­pli­ka­ti­ons­lo­se Wund­hei­lungs­ra­ten nach Erst­ein­griff in nur etwa 60 bis 80 Pro­zent der Fäl­le auf. Zwi­schen 10 und 20 Pro­zent aller Pati­en­ten müs­sen mehr­fach ope­riert und even­tu­ell auch auf einem höhe­ren Niveau nacham­pu­tiert wer­den18 11. Auch unter Ein­satz moder­ner Anti­bio­ti­ka hat sich die­se Rate nur unwe­sent­lich ver­bes­sert. Die Autoren tref­fen häu­fig auf das Argu­ment der zu hohen Kom­pli­ka­ti­ons­ra­te und dass die­se durch eine pri­mä­re, wei­ter pro­xi­mal gele­ge­ne Ampu­ta­ti­on zu ver­rin­gern sei. Aber der Knie­er­hal­tungs­ver­such recht­fer­tigt die­se auf ande­ren chir­ur­gi­schen Gebie­ten inak­zep­ta­ble hohe „Kom­pli­ka­ti­ons­ra­te“. Soll­te es gelin­gen, eine Knie­ex­ar­ti­ku­la­ti­on oder gar Ober­schen­kel­am­pu­ta­ti­on zu ver­mei­den, stei­gen die Chan­cen einer erfolg­rei­chen Pro­the­sen­nut­zung deut­lich an.

Die oft unter­schätz­te früh­post­ope­ra­ti­ve Rehabilitation

Die Reha­bi­li­ta­ti­on nach Ampu­ta­ti­on hat eine enor­me Bedeu­tung. Es zei­gen sich aller­dings in eini­gen Aspek­ten lei­der häu­fig Defi­zi­te. Vie­le Pati­en­ten wer­den in den ers­ten Wochen nach Ampu­ta­ti­on von einem Gefühl der Hilf­lo­sig­keit begleitet.

Die Reha­bi­li­ta­ti­on beginnt bereits mit der Ope­ra­ti­on. Die Wahl der Ampu­ta­ti­ons­hö­he und die Kennt­nis­se um die idea­len Stumpf­kri­te­ri­en ver­set­zen den Ope­ra­teur über­haupt erst in die Lage, einen reha­bi­li­ta­ti­ons­fä­hi­gen Stumpf zu schaf­fen. Dazu muss der Ope­ra­teur über ortho­pä­die­tech­ni­sche Kennt­nis­se, aber auch der Ortho­pä­die-Tech­ni­ker über ope­ra­ti­ve Kennt­nis­se ver­fü­gen. Eine enge Zusam­men­ar­beit zwi­schen Ope­ra­teu­ren, Ortho­pä­die-Tech­ni­kern sowie Reha-Medi­zi­nern ist unbe­dingt not­wen­dig. Lei­der ist dies flä­chen­de­ckend in Deutsch­land noch nicht üblich. Zudem ist Grund­la­gen­wis­sen über die Reha­bi­li­ta­ti­on und die Pro­the­sen­ver­sor­gung aus Sicht der Autoren beim Ope­ra­teur not­wen­dig, um dem zukünf­ti­gen Anwen­der sinn­haf­te Infor­ma­tio­nen bereits zu Beginn geben zu kön­nen. Dies beginnt mit Fra­gen nach dem Zeit­punkt einer sta­tio­nä­ren Reha­bi­li­ta­ti­on: Soll­te die­se auf­grund der Kom­or­bi­di­tät unmit­tel­bar als Anschluss­heil­be­hand­lung oder doch ver­zö­gert nach Stumpf­kon­di­tio­nie­rung erfol­gen? Ab wann kann über­haupt eine Pro­the­se ange­passt wer­den? Wel­che Erwar­tun­gen an die Nut­zung einer Pro­the­se kön­nen erfüllt wer­den, und vor allem, wel­che nicht?

In Deutsch­land wer­den Ampu­ta­tio­nen meist von All­ge­mein- oder Gefäß­chir­ur­gen durch­ge­führt, da die häu­figs­ten Ursa­chen in die­sen Fach­ge­bie­ten zu fin­den sind. Kennt­nis­se über Exo­pro­the­tik und ampu­ta­ti­ons­spe­zi­fi­sche Reha­bi­li­ta­ti­on gehö­ren natur­ge­mäß nicht zum Reper­toire die­ser Fach­dis­zi­pli­nen. In der Mus­ter­wei­ter­bil­dungs­ord­nung der Bun­des­ärz­te­kam­mer zur Facharzt­ausbildung Ortho­pä­die und Unfall­chir­ur­gie sind Inhal­te der Tech­ni­schen Ortho­pä­die als eine zu erwer­ben­de Kom­pe­tenz ange­ge­ben. So sol­len Fähig­kei­ten wie die Indi­ka­ti­ons­stel­lung, die Gebrauchs­schu­lung und die Über­wa­chung von Hilfs­mit­teln an den Stütz- und Bewe­gungs­or­ga­nen, ins­be­son­de­re bei Ein­la­gen, Orthe­sen und Pro­the­sen, ver­mit­telt wer­den. In der Pra­xis wer­den die­se The­men jedoch sel­ten aus­rei­chend ver­mit­telt, und eine Richt­zahl an Ver­sor­gungs­be­glei­tun­gen, wie es bei ope­ra­ti­ven Ein­grif­fen oder ande­ren Kom­pe­ten­zen ver­langt wird, ist nicht vor­ge­se­hen. So ist es nicht ver­wun­der­lich, dass der Pati­ent erst­ma­lig wei­ter­füh­ren­de Infor­ma­tio­nen durch den ver­sor­gen­den Ortho­pä­die-Tech­ni­ker oder den Reha-Medi­zi­ner erhält. Dabei soll­ten bereits früh­post­ope­ra­tiv im Kran­ken­haus und auch unmit­tel­bar nach Ent­las­sung wich­ti­ge Din­ge beach­tet wer­den: Eine suf­fi­zi­en­te Kom­pres­si­ons­the­ra­pie zur Behand­lung des Stumpf­öde­ms und die Stumpf­form­ge­bung soll­ten zeit­nah unter Beach­tung even­tu­el­ler Durch­blu­tungs­stö­run­gen begon­nen wer­den. Beglei­tend soll­te eine Phy­sio­the­ra­pie zur Kräf­ti­gung der obe­ren ­Extre­mi­tä­ten sowie ein Roll­stuhl- und Trans­fer­trai­ning erfolgen.

Der Ampu­ta­ti­ons­stumpf benö­tigt ein spe­zi­el­les Trai­ning zur Abhär­tung, zur Ödem­pro­phy­la­xe und zur Form­ge­bung. Es gilt eine Kon­trak­tur­be­hand­lung der angren­zen­den Gelen­ke unter Beach­tung der Ope­ra­ti­ons­tech­nik durch­zu­füh­ren und der Pati­ent muss sei­tens der all­ge­mei­nen kör­per­li­chen Leis­tungs­fä­hig­keit auf die Pro­the­sen­nut­zung vor­be­rei­tet wer­den. Kon­zep­te der Sofort­ver­sor­gung, wie sie Bur­gess 19noch beschrie­ben hat, sind in der Pra­xis nicht mehr ver­brei­tet. Eine zu frü­he Ver­sor­gung, wie die Autoren sie lei­der manch­mal sehen, mit einer Inte­rims­pro­the­se bedeu­tet zwangs­läu­fig auf­grund der unab­ding­ba­ren Form­ver­än­de­run­gen des Stump­fes, dass die Schaft­pass­ge­nau­ig­keit zu früh ver­sa­gen wird. Inso­fern müs­sen fol­gen­de Fra­gen beant­wor­tet wer­den: Soll­te die Reha­bi­li­ta­ti­on mit oder ohne Pro­the­se auf­ge­nom­men wer­den? Pro­fi­tiert der Pati­ent von einer ambu­lan­ten oder sta­tio­nä­ren Reha­bi­li­ta­ti­on? Durch wen erfolgt die wei­te­re ortho­pä­die­tech­ni­sche Ver­sor­gung, falls die Inte­rims­pro­the­se in der Reha-Ein­rich­tung ange­fer­tigt wur­de? Wel­che Din­ge gilt es für die pri­va­te und even­tu­el­le beruf­li­che Wie­der­ein­glie­de­rung zu beach­ten? Wel­che Hilfs­mit­tel wer­den zusätz­lich zur Pro­the­se benötigt?.

Sobald der Pati­ent eine Reha­bi­li­ta­ti­on auf­ge­nom­men hat, kön­nen meist inter­dis­zi­pli­när und inter­pro­fes­sio­nell die kom­ple­xen Fra­ge­stel­lun­gen ange­gan­gen wer­den. Die Leit­li­nie „Reha­bi­li­ta­ti­on nach Majo­ram­pu­ta­ti­on an der unte­ren Extre­mi­tät“ 20 der DGOOC weist ein geeig­ne­tes Reha­bi­li­ta­ti­ons­kon­zept auf, jedoch wer­den vom Zeit­punkt der Ampu­ta­ti­on im Akut­kran­ken­haus bis zum Beginn der Reha­bi­li­ta­ti­on lei­der noch vie­le Pati­en­ten allein gelassen.

Ner­ven­ab­la­ti­ve Therapie/Botulinumtoxininfiltration

Häu­fi­ge Ursa­chen für Stumpf­schmer­zen sind sym­pto­ma­ti­sche Neu­ro­me. Ampu­ta­tio­nen füh­ren immer zu einer Ner­ven­nar­be, wel­che als „Neu­rom“ bezeich­net wird. Bei ent­spre­chen­der suf­fi­zi­en­ter Kür­zung im Rah­men der Ampu­ta­ti­on und Ver­la­ge­rung außer­halb der Belas­tungs­zo­nen blei­ben die­se meist asym­pto­ma­tisch. Bei unsach­ge­mä­ßer Ampu­ta­ti­on oder durch Neu­ein­wach­sen des Ner­ven­endes in eine ungüns­ti­ge Posi­ti­on kön­nen Neu­ro­me bis zur Unfä­hig­keit einer Pro­the­sen­nut­zung füh­ren. Die Autoren haben gute Erfah­run­gen mit neu­ro­ab­la­ti­ven Ver­fah­ren gemacht. Nach erfolg­rei­cher computer­tomographiegestützer dia­gnos­ti­scher Infil­tra­ti­on des Neu­roms mit einem Lokal­an­äs­the­ti­kum erfolgt sei­ne Kryo­ablation. Sind zusätz­lich zu dem Neu­rom wei­te­re ana­to­mi­sche Ein­schrän­kun­gen am Stumpf vor­han­den, favo­ri­sie­ren die Autoren jedoch eine ope­ra­ti­ve Stumpf­kor­rek­tur mit ent­spre­chen­der Ent­fer­nung des Neuroms.

Bei Neu­rom­schmer­zen mit beglei­ten­den neu­ro­pa­thi­schen Stumpf­schmer­zen kann mit der loka­len flä­chi­gen Infil­tra­ti­on mit Botu­li­num­to­xin Lin­de­rung erzielt wer­den. Die Autoren inji­zie­ren sowohl um das Neu­rom als auch flä­chig in die ent­spre­chen­den Area­le bis zu 300 IE Botu­li­num­to­xin. Pro Ein­zel­in­fil­tra­ti­on wer­den 10 IE appli­ziert. Soll­te die Erst­in­fil­tra­ti­on erfolg­reich sein, emp­feh­len die Autoren wie ande­re eine wie­der­hol­te Infil­tra­ti­on inner­halb von ein bis drei Mona­ten 21.

Die Kryo­ab­la­ti­on und die loka­le Botu­li­num­to­xin­in­fil­tra­ti­on sind nach Erfah­rung der Autoren erfolg­ver­spre­chend bei Stumpf­schmer­zen. Der rei­ne Phan­tom­schmerz oder auch das sehr unan­ge­neh­me schmerz­be­glei­ten­de Stumpf­schla­gen kön­nen damit lei­der nicht gut behan­delt werden.

Grün­de für eine ope­ra­ti­ve Stumpfkorrektur

Bei vor­han­de­nen Stumpf­pro­ble­men zie­len alle Maß­nah­men auf einen belast­ba­ren, funk­ti­ons­tüch­ti­gen und idea­ler­wei­se schmerz­frei­en Stumpf ab. Beim Ver­sa­gen der kon­ser­va­ti­ven Behand­lungs­maß­nah­men ist zu über­den­ken, ob eine ope­ra­ti­ve Stumpf­kor­rek­tur ange­zeigt ist. Die Nacham­pu­ta­ti­on auf einem höhe­ren Niveau soll­te bei die­sen Über­le­gun­gen eine abso­lu­te Aus­nah­me dar­stel­len. Sel­ten ist ein ein­fa­cher chir­ur­gi­scher Ein­griff mög­lich, son­dern es ist eine plas­ti­sche rekon­struk­ti­ve Stumpf­kor­rek­tur nötig. Augen­merk ist auf ein Abrun­den mög­li­cher Kno­chen­kan­ten, die Refi­xie­rung der Mus­ku­la­tur mit phy­sio­lo­gi­scher Vor­span­nung sowie eine suf­fi­zi­en­te Weich­teil­de­ckung des knö­cher­nen Stump­fes zu legen. Gefäß- und Ner­ven­struk­tu­ren sind aus den Belas­tungs­zo­nen durch Ein­kür­zen zu ent­fer­nen. Beim Haut­ver­schluss soll­te auf eine güns­ti­ge Posi­ti­on der Nar­ben außer­halb der Belas­tungs­zo­ne geach­tet wer­den. Viel Erfah­rung setzt das Redu­zie­ren der Weich­tei­le inklu­si­ve der Mus­ku­la­tur voraus.

Die unge­nü­gen­de Weich­teil­de­ckung des knö­cher­nen Stump­fen­des ist lei­der ein häu­fi­ges Pro­blem. Nach Erfah­rung der Autoren resul­tiert dies aus der bereits ange­spro­che­nen unge­nü­gen­den Fixie­rung der Mus­ku­la­tur über dem Stump­fen­de. Die Atro­phie der Weich­tei­le und ins­be­son­de­re der Mus­ku­la­tur führt zur Retrak­ti­on der Weich­tei­le nach dor­sal. Beim hori­zon­ta­len Hal­ten des Stump­fes zeigt sich das typi­sche Bild des weit nach unten durch­hän­gen­den Weich­teil­man­tels und der unmit­tel­bar unter der Haut frei­lie­gen­den und kaum gedeck­ten Tibia. Ursäch­lich dafür sind ent­we­der eine ope­ra­tiv unge­nü­gen­de Fixie­rung der Mus­ku­la­tur an der Stumpf­vor­der­sei­te oder ein nach­träg­li­ches Abrei­ßen der Mus­ku­la­tur. Die Autoren glau­ben, dass eine Früh­ver­sor­gung mit einem Pin-Liner­sys­tem die Stumpf­mus­ku­la­tur über­be­an­sprucht. So sehen die Autoren häu­fig jun­ge Pati­en­ten, wel­che weni­ge Mona­te nach Ampu­ta­ti­on bereits kei­ne fixier­te Mus­ku­la­tur mehr auf­wei­sen. Durch die ange­streb­te sehr rigi­de Fixie­rung der Pro­the­se und die zen­tra­le Posi­ti­on des Pins wer­den die Weich­tei­le im Liner häu­fig in eine ungüns­ti­ge Posi­ti­on am Stump­fen­de gezwun­gen. Ein all­mäh­li­ches Abrei­ßen der Weich­tei­le von der tibia­len Fixie­rung ist die Fol­ge. Im Lau­fe der Zeit bil­det sich auf­grund der mecha­ni­schen Mehr­be­las­tung des Kno­chens eine Pseu­do­b­ur­sa. Die­se besteht aus ver­narb­tem Gewe­be mit einem flüs­sig­keits­ge­füll­ten Hohl­raum. Kli­nisch lässt sich fast immer am Stump­fen­de ein kre­pi­tie­ren­des Gefühl mit beglei­ten­dem Stumpf­schmerz aus­lö­sen. Oft kommt es zu Ent­zün­dun­gen mit Rötung und Schwel­lung der Haut. Im fort­ge­schrit­te­nen Fall kön­nen sogar Abs­ze­die­run­gen auf­tre­ten. Ope­ra­tiv soll­te eine gro­ße Bur­sa ent­fernt wer­den. Beglei­tend muss eine suf­fi­zi­en­te Weich­teil­de­ckung des Stump­fen­des her­ge­stellt wer­den (Abb. 4a‑c).

Stumpf­n­eu­ro­me

Soll­te die kon­ser­va­ti­ve The­ra­pie von sym­pto­ma­ti­schen Stumpf­n­eu­ro­men erfolg­los sein oder wei­te­re Grün­de zur Revi­si­on bestehen, erfolgt eine voll­stän­di­ge ope­ra­ti­ve Frei­le­gung des Neu­roms und des ursprüng­li­chen Ner­vens. Nicht sel­ten zei­gen sich unge­kürz­te Ner­ven in der Mus­ku­la­tur. Ins­be­son­de­re sowohl der Ner­vus fibu­la­ris als auch der häu­fig in der Ampu­ta­ti­on „ver­ges­se­ne“ Ner­vus sura­lis stel­len immer wie­der eine Ursa­che für Neurom­be­schwer­den dar. Eine Pro­vo­ka­ti­on des Ner­vens durch Beklop­fen (patho­lo­gi­sches Hoff­mann-Tinel-Zei­chen) und eine ergän­zen­de Magnet­re­so­nanz­to­mo­gra­phie las­sen prä­ope­ra­tiv das Neu­rom immer gut fin­den. In der Ope­ra­ti­on kann dann gezielt, bei unter Umstän­den auch bereits erheb­lich ver­än­der­ter Ana­to­mie der Weich­tei­le, der Nerv mit dem Neu­rom dar­ge­stellt wer­den. Die Ner­ven wer­den gekürzt und pro­xi­mal des Ampu­ta­ti­ons­ni­veaus der Tibia ver­la­gert. Eine his­to­risch beschrie­be­ne Ver­la­ge­rung des Ner­ven­stump­fes in Venen oder sogar Kno­chen­fens­ter soll­te nicht erfol­gen (Abb. 5a–d).

Unge­nü­gen­de ­knö­cher­ne Stumpfform/Weichteil­verknöcherungen

Eine ungüns­ti­ge knö­cher­ne Stumpf­form ist durch den Ortho­pä­die-Tech­ni­ker nur bedingt aus­gleich­bar. Häu­fi­ge Pro­ble­me stel­len schlecht oder gar nicht abge­run­de­te Schien­bein­vor­der­kan­ten sowie unge­nü­gen­de oder fal­sche Kür­zun­gen der Fibu­la dar. Auch eine Zer­rei­ßung der Mem­bra­na interos­sea mit einer dar­aus resul­tie­ren­den Abduk­ti­ons­fehl­stel­lung der Fibu­la ist ortho­pä­die­tech­nisch schwer zu ver­sor­gen. Eben­so kön­ne Exosto­sen und het­e­ro­to­pe Ossi­fi­ka­tio­nen zu fin­den sein (Abb. 6a–e).

Fazit

Die Fül­le der heu­ti­gen ortho­pä­die­tech­ni­schen und ortho­pä­die­schuh­tech­ni­schen Ver­sor­gungs­mög­lich­kei­ten ist für Ärz­te nicht leicht zu über­bli­cken. Gleich­wohl wird von ihnen ver­langt, die ent­spre­chen­den Ver­ord­nun­gen vor­zu­neh­men und das tech­ni­sche Hilfs­mit­tel letzt­end­lich zu bewer­ten und abzu­neh­men. Der Ortho­pä­die-Tech­ni­ker und die Phy­sio­the­ra­peu­ten sind ande­rer­seits auf Infor­ma­tio­nen zu Kom­or­bi­di­tä­ten und zur stattgehab­ten ope­ra­ti­ven Ver­sor­gung ange­wie­sen. Mit­un­ter ist es nötig, auf­grund der Ope­ra­ti­ons­tech­nik vom „ortho­pä­die­tech­ni­schen Ver­sor­gung­stan­dard“ auf eine sehr indi­vi­du­el­le Ver­sor­gung aus­zu­wei­chen. Meist erschließt sich das sinn­haf­te Vor­ge­hen erst im inter­pro­fes­sio­nel­len Dia­log. Eine opti­ma­le Ver­sor­gung ist aus Sicht der Autoren nur mög­lich, wenn sich jeweils fach­kun­di­ge Ortho­pä­die-Tech­ni­ker und Ärz­te gemein­sam mit schwie­ri­gen Fäl­len befassen.

Für die Autoren:
Patrick Schrö­ter Fach­arzt für Allgemeinchirurgie
BG Kli­ni­kum Bergmannstrost
Kli­nik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
Mer­se­bur­ger Stra­ße 165
06112 Halle
Patrick.Schroeter@bergmannstrost.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

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