OT: „Welcome back – Willkommen zurück“ – so lautet das Motto, mit dem die OTWorld 2022 die Rückkehr des persönlichen Austausches im Rahmen von Weltkongress und internationaler Messe feiert. Herr Prof. Dr. Engelhardt hatte bereits auf der Abschlussveranstaltung 2020 prognostiziert, dass die Branche sich wieder persönlich in Leipzig treffen wird. Wie froh sind Sie, dass aktuell alle Ampeln grünes Licht für die Veranstaltung zeigen?
Merkur Alimusaj und Martin Engelhardt: Großartig! Wir sind sehr glücklich und stolz, die OTWorld 2022 maßgeblich mitgestalten zu dürfen. Wir freuen uns auf das persönliche Wiedersehen mit nationalen und internationalen Kolleginnen und Kollegen und Freunden aus der Branche. Leipzig ist eine tolle Stadt und ein geschichtsträchtiger Ort, um die OTWorld stattfinden zu lassen. 2020 war unsere Prognose gewagt – jetzt hoffen wir, dass die OTWorld 2022 ein Erfolg wird.
OT: Die Corona-Pandemie hat ihre sichtbaren Spuren im Alltag hinterlassen. Wie verändert dies das Gesicht der OTWorld 2022?
Alimusaj/Engelhardt: Es bestehen viele Fragen bei Interessierten und Branchenvertretern: „Wie entwickelt sich die Pandemie und können wir wirklich zusammenkommen?“ Im Kongress werden für internationale Redner technische Möglichkeiten angeboten, um auch diesen trotz Reisebeschränkungen den Zugang zu ermöglichen. Gleichzeitig ist die OTWorld 2022 auch ein Statement für Stärke und Mut bei gleichzeitiger Umsicht und Besonnenheit, durch klare und professionelle Konzepte – hier seien die Teams der Confairmed und natürlich der Leipziger Messe klar hervorgehoben.
OT: Sie sind die diesjährigen Kongresspräsidenten und stehen auch dem Programmkomitee vor. Beschreiben Sie bitte den Austausch mit den Kolleg:innen und welche persönliche Note Sie dem Programm geben konnten.
Alimusaj: Professionell, kollegial und zukunftsorientiert! Das wären die Begriffe, die mir dazu spontan einfallen. Tolles Team möchte ich sagen! Alle Mitglieder haben sich sehr gut eingebracht. Wir konnten neue Akteure für das Komitee gewinnen, die die „alten Hasen“ sehr gut ergänzt haben. Insgesamt glaube ich, dass man die großartige Leistung im Programm erkennen wird. Ich selbst sehe mich als Vertreter einer hybriden Gattung mit drei Herzen – das größte gilt den Patienten – wir sind schließlich kein Selbstzweck. Die beiden anderen streiten manchmal und manchmal sind sie sich einig, wenn sie ihre jeweiligen Aspekte zu Wissenschaft und Handwerk vertreten. Genau dies habe ich hoffentlich auch in die OTWorld 2022 einbringen können.
Engelhardt: Die Zusammenarbeit in dem interdisziplinären Komitee, mit Confairmed und mit Merkur Alimusaj war zu jedem Zeitpunkt fachlich zielführend und angenehm. Persönlich konnte ich die Schwerpunkte Sportorthopädie – Behindertensport sowie Ausbildungsaspekte in das Programm einbringen. Der Kongress soll die Bedeutung des Sporttreibens und der Orthopädie-Technik für ein lebenswerteres Leben aufzeigen. Die Herausforderung „Ausbildung“ ist sowohl für die Zukunft der Orthopädie-Technik als auch für die konservative Orthopädie im Arztbereich von existenzieller Bedeutung. Unser Ziel ist es, mit dem Kongress die interdisziplinäre Teamarbeit von Orthopäditechnikern, Ärzten und Therapeuten zu verbessern.
OT: Können Sie ein persönliches Programmhighlight identifizieren oder eine unbedingte Teilnahmeempfehlung aussprechen?
Alimusaj/Engelhardt: Wir haben ein insgesamt sehr spannendes und breites Programm – von der Kinderorthopädie bis zur Sportorthopädie, von Ausbildung bis zu Zukunftsvisionen, von Handwerk bis Grundlagenforschung ist von allem etwas dabei, sodass jeder etwas innerhalb, aber auch außerhalb des eigenen Tellerrandes finden wird. Wirklich spannend sind sicherlich Themen rund um die Ausbildung, aber auch die Registerforschung ist ein zukunftsweisender Aspekt, der nicht zuletzt auch international sehr hoch im Kurs steht.
Alimusaj: Ich bin unheimlich froh, an der Stelle exemplarisch genannt mit Dr. Kenton Kaufman aus den USA einen ausgewiesenen Experten dabei zu haben. Aber auch Aspekte von Wirknachweisen durch sogenannte Outcome Measurements oder sogenannte Assessments werden uns in Zukunft stärker betreffen – wer sich früh, um (Zukunfts-)Themen kümmert, hat vermutlich später kein Problem und kann weiterhin individuelle Patientenversorgungen auf hohem Niveau durchführen.
Engelhardt: Neben den Keynote-Vorträgen sollten sich die Teilnehmer:innen die Vorträge von Prof. Beat Hintermann und die Symposien Sport und Orthetik, Sport und Prothetik sowie Bedeutung der Ausbildung und der interdisziplinären Zusammenarbeit anhören.
Positives Feedback aus der Branche
OT: Welches Feedback erhalten Sie bereits jetzt von Ihren internationalen und nationalen Kontakten zu dem Anfang Februar veröffentlichten Programm?
Alimusaj/Engelhardt: Alle sind froh, dass der Kongress und die Messe wieder live stattfinden werden. Das sorgt für viel Anerkennung und Freude. Alle Menschen sehnen sich nach Normalität und die OTWorld in Präsenz könnte einen Beitrag dazu leisten.
OT: Wie bewerten Sie selbst das Programm jeweils durch die Brille der eigenen Professionen?
Alimusaj/Engelhardt: Wir möchten ein großes Lob an die Confairmed und das Programmkomitee übermitteln, die alle eine großartige Arbeit geleistet haben. Trotz aller pandemischer Fallstricke und Bedenken konnten wieder hochkarätige nationale und internationale Expertinnen und Experten für den Kongress gewonnen werden – das spricht für das Format der OTWorld und das Netzwerk aller Beteiligten!
OT: Sie haben jetzt gut zwei Jahre Vorbereitungszeit in diese Veranstaltung investiert. Wie haben Sie diesen Prozess wahrgenommen und haben Sie in dieser Zeit „Überraschungen“ erlebt, mit denen Sie nicht gerechnet haben?
Alimusaj: Das ganze Leben ist eine große Überraschung! Warum also sollte dies in dem Kontext anders sein. Die Frage ist immer, wie man damit umgeht. Da ich schon länger Teil des Komitees bin, kannte ich die Abläufe prinzipiell schon, aber überrascht bin ich dennoch darüber, wie gut die Planungsarbeiten tatsächlich auch hinter den Kulissen funktionieren. Insofern habe ich bestimmt mit vielen Dingen nicht gerechnet, aber das spielt gar keine Rolle, denn es wird getan, was zu tun ist, um das Vorhaben umzusetzen.
OT: Der internationale Austausch ist ein wichtiger Faktor. Sie, Herr Alimusaj, werden Ihrerseits einen Vortrag im Rahmen der Kooperation mit der American Academy for Orthotics and Prosthetics in den Vereinigten Staaten halten. Mitglieder der AAOP werden wiederum auf der OTWorld im Zuge der „Satelliten“ Vorträge halten. Wie wichtig ist so eine Kooperation für das Fach?
Alimusaj: Internationalität und Vernetzung sind in einer globalisierten Struktur unerlässlich. Wir lernen voneinander – die hervorragende handwerkliche Ausbildung in Deutschland und der hohe akademische Anteil im Fach in den USA können zu zukunftsweisenden Synergien führen. Unsere Industriepartner, aber nicht zuletzt auch die Politik sind international ausgerichtet und spätestens darüber entstehen klare Wechselwirkungen und Einflüsse. Daher sind die Kooperation und der Austausch sowie die Beachtung internationaler Entwicklungen als klare Säule einer zukunftsorientierten Branche auch in Deutschland zu sehen. Dazu zählen auch andere Gesellschaften, wie beispielsweise die ISPO International. Wir müssen sicher nicht immer alles mitmachen, aber es tut uns sicherlich gut, mit offenen Augen, Ohren und mit einem geöffneten Verstand zu lernen und mitzugestalten, was nicht nur national, sondern auch international auf den Tisch kommt.
OT: Spezielle Angebote für Studierende und Auszubildende sind ein wichtiger Bestandteil des Programms. Mit Massiv Open Online Course — kurz MOOC — wird es ein neues Element auf der
OTWorld 2022 geben. Beschreiben Sie bitte Ihre Sicht auf dieses neue Angebot.
Alimusaj: Ein sehr hehres Ziel, dass die Kollegen Dr. Urs Schneider vom IPA Fraunhofer in Stuttgart und Prof. Michael Goldfarb von der Vanderbilt University in Nashville, USA, verfolgen. Eine international zugängliche On-Demand-Fortbildungs- und Informationsplattform, die die Zeit zwischen den OTWorld-Jahren überbrückt – das ist doch großartig! Einblicke in internationale Versorgungs- und Bildungseinrichtungen vom heimischen Schreibtisch oder Esstisch aus. Bei Bedarf auch morgens und abends in der Bahn und vielleicht sogar in Klassenräumen und Hörsälen – das hat es in der Form noch nicht gegeben. Ich freue mich, dass wir als Technische Orthopädie der Heidelberger Universitätsklinik angefragt worden sind, um ebenfalls einen Beitrag zu leisten. Ich bin sehr gespannt, wie das Konzept angenommen wird – ich glaube aber tatsächlich, wer davon hört, wird es nutzen. Ich hoffe und glaube weiterhin, dass da etwas sehr Langfristiges entsteht! Schön zu sehen, dass sich Menschen in der Form für eine internationale Aus- und Fortbildung in der TO einsetzen.
OT: Warum ist es so wichtig, bereits während der beruflichen bzw. akademischen Ausbildung an der Messe und dem Kongress teilzunehmen?
Alimusaj/Engelhardt: Den aktuellen Stand der Technik sehen und Trends erkennen, aber auch Menschen wiederzusehen oder neue kennenzulernen – das ist nach unserem Verständnis der Kern eines Messebesuchs. Zudem ist die Versorgung selbst in vielen Teilen immer noch ein Handwerksprozess. Da ergibt es doch nur Sinn, die Sachen auch mal in der Hand zu halten und sich direkt vor Ort zu informieren, aber auch eigene Erfahrungen zu teilen. Der Kongress ist eine unverzichtbare Ergänzung und stellt ein besonderes Merkmal der OTWorld dar. Schulung auf höchstem internationalen Niveau und noch dazu interdisziplinär ist einzigartig.
OT: Welche besonderen Erinnerungen haben Sie an Ihre erste OTWorld-Teilnahme?
Alimusaj: Um ehrlich zu sein, sind das sehr persönliche Erinnerungen. Ich war 2000 zu meinem ersten Besuch in Leipzig – mein erstes Gesellenjahr und damals hieß es, glaube ich noch Orthopädie + Reha-Technik – und ich durfte gemeinsam mit einem meiner damaligen Meister dorthin, der sich im weiteren Verlauf zu einem wirklich guten Freund entwickelte und uns leider dann viel zu früh verließ. Er und die Messe mitsamt dem Kongress zeigten mir eine spannende Perspektive auf, die mich bis heute motiviert. Dafür bin ich sehr dankbar!
Engelhardt: Prof. Dr. Bernhard Greitemann hat uns, von der Gesellschaft für orthopädisch-traumatologische Sportmedizin, vor vielen Jahren angesprochen, ein Ausbildungsprogramm für den Kongress zu organisieren. Bei meinem ersten Besuch in den Leipziger Messehallen war ich sehr beeindruckt. Ich hatte zuvor in Deutschland eine so große, spektakuläre Messe mit so vielen Besuchern im medizinischen Bereich noch nicht gesehen.
OT: Welche Impulse sollen über die vier Tage in Leipzig hinaus in die Branche transportiert werden?
Alimusaj: Dass Wissen und Schaffenskraft die Grundsteine für eine sichere Zukunft und Qualität in der Versorgung unserer Patienten und der Branche selbst sind. Weiterhin hoffe ich darauf, dass Offenheit, Neugierde und Begeisterung und das Eröffnen neuer Perspektiven vielleicht weitere Aspekte sein könnten, die wir alle mitnehmen.
Engelhardt: Die Orthopädie-Technik sowie die konservative Orthopädie und Sportorthopädie werden in der Medizinausbildung vernachlässigt. Sie sind jedoch für unsere Patienten von hohem Wert. Wenn Deutschland die führende Stellung in der Welt auf diesen Gebieten behalten will, muss mehr in die Ausbildung investiert werden. Die Pandemie und die digitale OTWorld 2020 haben die Digitalisierung der Unternehmen und aller Beteiligten befeuert und gezeigt, dass wir mit Problemlagen konstruktiv umgehen können. Digitale Formate werden jetzt die OTWorld 2022 ergänzen. Die OTWorld 2022 wird uns jedoch zeigen, dass der persönliche Austausch, der Messebesuch und die sozialen Kontakte mit Kolleg:innen aus dem In- und Ausland unverzichtbar sind.
Die Fragen stellte Heiko Cordes.
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