OT: Auf der OTWorld 2022 stand Philipp Schulte-Noelle als CEO noch im Zentrum des Ottobock-Teams. Wenige Tage später wird die Trennung voneinander bekanntgegeben. Was war der Auslöser für diese Dynamik?
Prof. Hans Georg Näder: Philipp Schulte-Noelle ist mit der Ambition zu Ottobock gekommen, das Unternehmen an die Börse zu bringen. Als die Eigentümer entschieden haben, dass aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage und des davon beeinflussten Kapitalmarktumfeldes ein Börsengang bis auf Weiteres nicht erstrebenswert ist, haben sich Marcus Brennecke und ich mit Herrn Schulte-Noelle über die Zukunft ausgetauscht und im gegenseitigen Einvernehmen entschieden, dass Philipp Schulte-Noelle das Unternehmen verlässt. Die OTWorld war für uns sehr erfolgreich und sehr gut für die F&E (Forschung und Entwicklung,
Anm. d. Red.).
OT: Philipp Schulte-Noelle ist einst von der Interims- zur Dauerlösung geworden. Könnte Oliver Jakobi den gleichen Weg gehen oder wird explizit nach einer alternativen externen Personallösung gesucht?
Näder: Unter Führung von Herrn Schulte-Noelle hat Ottobock, wie angestrebt, entscheidende Schritte vom Hidden Champion hin zum kapitalmarktfähigen Unternehmen erfolgreich umgesetzt. Oliver Jakobi übernimmt als langjährige sehr erfolgreiche Führungskraft die Rolle des CEO und damit bis auf Weiteres die Verantwortung für die Wachstumsstrategie. Dabei wird er vom Verwaltungsrat aktiv unterstützt.
OT: Was sind die spezifischen Anforderungen an den neuen Ottobock-CEO?
Näder: Wir fokussieren uns jetzt konsequent auf das operative Geschäft, die starke Kundennachfrage und die nachhaltige Steigerung unseres erfolgreichen Wachstums. Dafür haben wir die Geschäftsführung entsprechend umgebaut, im Sinne des Unternehmens und unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit Fokus auf die Bedürfnisse der Anwenderinnen und Anwender und unserer Kundinnen und Kunden.
OT: Neben der Personalie Schulte-Noelle wurde praktisch zeitgleich das Ausscheiden von Kathrin Dahnke und Andreas Goppelt publik. Was ist der Grund für diesen ungewöhnlich großen Austausch des Führungspersonals?
Näder: Wir sind Frau Dahnke sehr dankbar, dass sie im vergangenen Jahr kurzfristig den Posten der CFO übernommen hatte, nachdem Jörg Wahlers krankheitsbedingt ausgefallen war. Beim Antritt von Kathrin Dahnke als CFO liefen die Vorbereitungen, das Unternehmen kapitalmarktfähig zu machen. Im Falle eines zeitnahen Börsengangs hätte sie Ottobock sicher auch in der ersten Phase am Kapitalmarkt begleitet. Danach war ein Wechsel vorgesehen. Mit der Entscheidung, dass der Börsengang bis auf Weiteres nicht erstrebenswert ist, sind andere Ziele in den Fokus gerückt. Deshalb war jetzt der richtige Zeitpunkt, das Vorstandsteam umzubauen und den Fokus marktzentriert zu schärfen.
OT: In der Pressemitteilung zur Trennung von Herrn Schule-Noelle äußern Sie sich über die Pläne zum Börsengang des Unternehmens. Die aktuelle geopolitische Lage sei der Grund für ein Aussetzen der Pläne auf unbestimmte Zeit. Wie müssten sich die Rahmenbedingungen ändern, damit Ottobock wieder das Ziel Börsengang anvisiert?
Näder: Die wesentlichen Meilensteine der Vorbereitung auf einen möglichen Börsengang – allen voran die Umstellung auf die IFRS-Berichterstattung – sind erfolgreich abgeschlossen. Wir sind nun kapitalmarktfähig. Ottobock ist ein langfristig orientiertes Unternehmen und profitiert von einer verlässlichen Eigentümerstruktur und sehr engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: Seit der Gründung vor 103 Jahren ist meine Familie Haupteigentümerin von Ottobock. Wir haben keinerlei Druck, an die Börse zu gehen.
OT: HNA und Handelsblatt titeln zu den Personalentscheidungen „Chaostage bei Ottobock“. Was können Sie dieser Aussage entgegnen?
Näder: Solche Unterstellungen entsprechen wie auch andere mediale Stücke nicht der Realität. Alle, die mich kennen und das Unternehmen lange begleiten, wissen das sehr genau.
OT: Wenn der Börsengang aktuell kein Thema ist, bedeutet dies dann einen Strategiewechsel bei Ottobock? Und daran anschließend: Was bedeutet das für die Investoren?
Näder: Wir haben im Verwaltungsrat einvernehmlich entschieden, dass wir uns jetzt noch konsequenter auf das operative Geschäft, die starke Kundennachfrage und die nachhaltige Steigerung unseres erfolgreichen Wachstums fokussieren. Wir verfolgen eine offensive Wachstumsstrategie. Wir wollen sowohl organisch als auch durch gezielte Akquisitionen weiterwachsen. Außerdem werden wir unsere Mission fortsetzen, die Wertschöpfungskette in der Orthopädie-Technik zu digitalisieren, um unser Fach noch attraktiver für Nachwuchskräfte zu machen. Ein Börsengang ist eine von mehreren Optionen, um zusätzliche finanzielle Mittel für noch dynamischeres Wachstum zu generieren.
Die Fragen stellte Heiko Cordes.
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