Orthe­sen­ver­sor­gung bei Läsi­on des Ple­xus brachialis

M. Leßke
Läsionen des P. brachialis können Menschen jeden Alters betreffen, ziehen Folgeschäden nach sich und schränken die Betroffenen massiv ein. Trotz immer besser werdender Therapiemöglichkeiten müssen sich viele Betroffene ihrem Alltag mit bleibenden funktionellen Ausfällen stellen. Im Folgenden werden zwei verschiedene orthetische Versorgungskonzepte vorgestellt. Das erste dient der Lagerung des Armes im Alltag und zielt darauf ab, Folgeschäden zu reduzieren. Das andere Konzept unterstützt Anwender beim Fahrrad- oder Motorradfahren. Myoelektrische Orthesen und die Versorgung von geburtsassoziierten Plexusläsionen werden in diesem Artikel nur kurz thematisiert.

Ana­to­mie und Pathologie

Die Hand ist das Greif- und Tast­or­gan des Men­schen, der Arm des­sen Stüt­ze. Wird die Hand in ihrer Funk­ti­on gestört, hat dies häu­fig kata­stro­pha­le Fol­gen für das Leben der Betrof­fe­nen. Zahl­lo­se Akti­vi­tä­ten des täg­li­chen Lebens müs­sen neu erlernt wer­den, mög­li­cher­wei­se sind Hob­bys oder der Beruf nicht mehr aus­führ­bar1.

Anzei­ge

Der Ple­xus bra­chia­lis ist ein Ner­ven­ge­flecht, wel­ches sich aus den Rücken­mark­seg­men­ten C5-TH1 bil­det und fast alle Mus­keln der obe­ren Extre­mi­tät inner­viert. Außer­dem ist er für die Sen­si­bi­li­tät des Armes ver­ant­wort­lich2.

Geburts­as­so­zi­ier­te Pare­sen, Tumo­re oder ent­zünd­li­che Erkran­kun­gen sind eini­ge der mög­li­chen Ursa­chen für eine Schä­di­gung des P. bra­chia­lis. Die mit Abstand häu­figs­te Ursa­che sind jedoch Trau­ma­ta in Fol­ge von Motor­rad­un­fäl­len. Je nach betrof­fe­nen Rücken­mark­seg­men­ten und Art und Umfang der Schä­di­gung erge­ben sich unter­schied­lichs­te Läh­mungs­bil­der3.

Das knö­chern nur wenig geführ­te und dadurch extrem beweg­li­che Schul­ter­ge­lenk (A. hume­ri, gebil­det von Hume­rus und Sca­pu­la) wird größ­ten­teils mus­ku­lär sta­bi­li­siert. Fällt die sta­bi­li­sie­ren­de Mus­ku­la­tur aus, zieht das Gewicht des Armes den Hume­rus­kopf unter Elon­ga­ti­on der Bän­der nach unten aus der Gelenk­pfan­ne her­aus, mit der Zeit kommt es zur oft­mals schmerz­haf­ten Sub­lu­xa­ti­on der Schul­ter. Der Schul­ter­gür­tel (bestehend aus Sca­pu­la und Cla­vicu­la) ist bei Läsio­nen des P. bra­chia­lis häu­fig nur teil­wei­se von Läh­mun­gen betrof­fen. Grund dafür ist, dass eini­ge der hier anset­zen­den Mus­keln, bei­spiels­wei­se der M. tra­pe­zi­us, über höher lie­gen­de Rücken­mark­seg­men­te inner­viert wer­den4.

Typisch für Läsio­nen des P. bra­chia­lis ist, abhän­gig vom Läh­mungs­bild, eine Stel­lung des Armes in Adduk­ti­on, Innen­ro­ta­ti­on und Pro­na­ti­on, wel­che über die Zeit kon­trakt wer­den kann5. Außer­dem kön­nen Läh­mun­gen der Hand zu Beu­ge­kon­trak­tu­ren der Fin­ger füh­ren. Schrei­ten die­se weit genug fort, kann dies die Pfle­ge der Beu­ge­fal­ten der Fin­ger erschwe­ren oder unmög­lich machen. Um dies zu ver­mei­den, ist kon­se­quen­tes Deh­nen der Fin­ger durch den Betrof­fe­nen wich­tig (Abb. 1, 2).

Ein lose seit­lich am Kör­per hän­gen­der Arm in Kom­bi­na­ti­on mit feh­len­der Sen­si­bi­li­tät ist einem erhöh­ten Ver­let­zungs­ri­si­ko aus­ge­setzt, bei­spiels­wei­se durch Ansto­ßen oder Kon­takt mit hei­ßen Gegen­stän­den. Eini­ge Betrof­fe­ne ste­cken den Arm in Hosen- oder Bauch­ta­schen, dies führt zu einem natür­li­che­ren Erschei­nungs­bild und redu­ziert das Ver­let­zungs­ri­si­ko zumin­dest etwas.

Wil­mer Trageorthese

Die Wil­mer Tra­ge­or­the­se wur­de in den 1960er Jah­ren in den Nie­der­lan­den an der TU Delft für die Ver­sor­gung von Pati­en­ten mit läh­mungs­be­ding­ter (Sub-)Luxation des Schul­ter­ge­lenks ent­wi­ckelt. Sie besteht aus einer Schul­ter­ban­da­ge, an wel­cher eine Unter­arm­la­ge­rung auf­ge­hängt wird. Das Wirk­prin­zip lässt sich anhand einer Wip­pe beschrei­ben. Der Punkt, an wel­chem die Unter­arm­la­ge­rung auf­ge­hängt wird, ist der Dreh­punkt. Unter­arm und Hand haben einen lan­gen Hebel­arm und wer­den von ihrem Gewicht nach unten gezo­gen. Dadurch wer­den auf der ande­ren Sei­te des Dreh­punk­tes Ellen­bo­gen und Ober­arm, wel­che einen kur­zen Hebel­arm haben, ange­ho­ben. Somit wird der Hume­rus­kopf in der Pfan­ne zen­triert und die Sub­lu­xa­ti­on ver­hin­dert6 (Abb. 3).

Wesent­li­che Vor­tei­le des Ver­sor­gungs­kon­zep­tes sind das ver­läss­li­che bio­me­cha­ni­sche Wirk­prin­zip zum Ver­hin­dern der Sub­lu­xa­ti­on und die Mög­lich­keit, die Ver­sor­gung sehr unauf­fäl­lig unter nor­ma­ler Klei­dung zu tra­gen (Abb. 4). Ohne­hin emp­fiehlt es sich, die Orthe­se direkt auf der Haut zu tra­gen, da sie so weni­ger ver­rutscht. Dadurch, dass der Ober­arm durch Druck auf das Ole­cra­non von unten ange­ho­ben wird, wir­ken außer­dem deut­lich weni­ger Scher­kräf­te auf die Haut als bei Ban­da­gen, wel­che den Arm zir­ku­lär umschlie­ßen und über die Weich­tei­le nach oben zie­hen7.

Die Lage­rung des Unter­ar­mes hori­zon­tal vor dem Bauch und der Schutz durch die Orthe­se selbst ver­rin­gern auch das oben ange­spro­che­ne Risi­ko, den Arm durch unbe­ab­sich­tig­tes Ansto­ßen zu verletzen.

Die Wil­mer Tra­ge­or­the­se ist seit ihrer Ent­wick­lung als kon­fek­tio­nier­te Orthe­se mit ver­schie­de­nen Mög­lich­kei­ten der Hand­la­ge­rung erhält­lich und wird von der Fa. Ambroi­se (Ensche­de, Nie­der­lan­de) pro­du­ziert. Der Ver­trieb in Deutsch­land erfolgt über OrthoRe­ha Neu­hof (Nürn­berg). Das Wirk­prin­zip lässt sich sehr gut in indi­vi­du­el­len Ver­sor­gun­gen umsetzen.

Die Ver­tix-Spu­le

Bei der ursprüng­li­chen kon­fek­tio­nier­ten Wil­mer Tra­ge­or­the­se erfolgt die Ver­bin­dung von Schul­ter­ban­da­ge und Unter­arm­la­ge­rung mit­hil­fe einer sog. „Ver­tix“ (Abb. 5). Sie wird mit einem Gurt an der Schul­ter­ban­da­ge befes­tigt und besteht aus einer Spu­le mit einem Seil, an wel­chem ein Haken befes­tigt ist. Die Spu­le kann vom Anwen­der an der Unter­arm­auf­la­ge ein- und aus­ge­hakt wer­den. So kann der Anwen­der erst die Schul­ter­ban­da­ge anzie­hen, dann die Unter­arm­auf­la­ge anle­gen und zum Schluss bei­de mit­ein­an­der ver­bin­den – dies erleich­tert das Anle­gen der Orthe­se wesentlich.

Durch Betä­ti­gen eines groß­flä­chi­gen Druck­knop­fes am Gehäu­se der Spu­le lässt sich das Seil von der Spu­le abwi­ckeln und der Arm kann in Stre­ckung gebracht wer­den. Wird der Arm anschlie­ßend manu­ell in Beu­gung gebracht, wickelt ein Feder­me­cha­nis­mus das Seil wie­der auf. Dabei ras­tet der Mecha­nis­mus in regel­mä­ßi­gen Abstän­den ein, sodass sich der Beu­ge­win­kel des Armes in Stu­fen ein­stel­len lässt. Die Mög­lich­keit, den Arm in Stre­ckung zu brin­gen, erleich­tert es, Klei­dung an- und auszuziehen

Mitt­ler­wei­le ist ein Nach­fol­ger­mo­dell der Wil­mer Tra­ge­or­the­se, die Wilmer2, erhält­lich. Die Auf­hän­gung erfolgt hier nicht mehr über die Ver­tix-Spu­le, son­dern über ein Sys­tem mit einem elas­ti­schen Gum­mi­zug und ist für den Anwen­der leich­ter hand­zu­ha­ben. Aller­dings ist der Ellen­bo­gen hier ent­we­der gestreckt oder ganz in Beu­gung, Zwi­schen­stu­fen gibt es nicht mehr. In indi­vi­du­el­len Unter­arm­la­ge­run­gen ist die­ses Sys­tem kaum umsetzbar.

Ver­sor­gungs­bei­spiel Wil­mer Trageorthese

Herr E. erlitt vor ca. zehn Jah­ren durch einen Motor­rad­un­fall ein Poly­trau­ma, neben Quet­schun­gen von Lun­ge und Herz und meh­re­ren Hals­wir­bel­frak­tu­ren auch eine Läsi­on des P. bra­chia­lis. Nach dem Unfall sind Sen­si­bi­li­tät und Moto­rik des gan­zen Armes und des Schul­ter­ge­len­kes kom­plett aus­ge­fal­len. Die genaue Unter­su­chung und Behand­lung der Ple­xus­pa­re­se ist neben den ande­ren, zum Teil lebens­be­droh­li­chen Ver­let­zun­gen aber erst­mal zweit­ran­gig. Man geht von einer Quet­schung der Ner­ven durch aus dem Rücken­marks­ka­nal aus­ge­tre­te­nen Liqu­or aus. In der Hoff­nung, dass die Ner­ven sich mit der Zeit erho­len, ver­sorgt man ihn zunächst mit einem Gil­ch­rist­ver­band. Zwei Mona­te nach dem Unfall erfolgt ein MRT. Es zeigt sich, dass eini­ge der betrof­fe­nen Ner­ven­strän­ge stär­ker als gedacht und dau­er­haft geschä­digt sind. Hand- und Unter­arm­mus­ku­la­tur ver­bes­sern sich wie erhofft, eine Mus­kel­trans­plan­ta­ti­on und eine Ner­ven­ver­pflan­zung brin­gen wei­te­re Verbesserungen.

Auf Emp­feh­lung eines Arz­tes aus dem Bekann­ten­kreis wird er 2016 im fol­gen­den Zustand bei uns vor­stel­lig: Fin­ger­stre­cker haben einen Mus­kel­sta­tus von 3 nach Jan­da, die Beu­ger 4 nach Jan­da. Er kann kräf­tig zugrei­fen und die Hand aktiv, wenn auch mit ein­ge­schränk­ter ROM pro- und supi­nie­ren. Ellen­bo­gen­beu­ger und ‑stre­cker sind kom­plett aus­ge­fal­len. Im Schul­ter­ge­lenk sind Ante­ver­si­on und Abduk­ti­on mit einem Mus­kel­sta­tus von Jan­da 2–3 mög­lich, die ande­ren Bewe­gun­gen wer­den mit Jan­da 0 bewer­tet. Die Sen­si­bi­li­tät von Arm und Schul­ter­gür­tel ist stark redu­ziert, aber vorhanden.

Mit dem Ziel, der Sub­lu­xa­ti­on der Schul­ter ent­ge­gen­zu­wir­ken und den Arm zu lagern, folgt die Ver­sor­gung mit einer kon­fek­tio­nier­ten Wil­mer Tra­ge­or­the­se. Die­se trägt er außer­halb des häus­li­chen Umfel­des, haupt­säch­lich bei der Arbeit. Er ist Teil­in­ha­ber eines Restau­rants, in wel­chem er sowohl am Gast als auch in der Küche tätig ist. Unter den Hem­den, wel­che er dabei trägt, fällt die Orthe­se kaum auf. Die Lage­rungs­po­si­ti­on ermög­licht es, die betrof­fe­ne Sei­te zum Hal­ten von Gegen­stän­den einzusetzen.

Nach­dem sich das Kon­zept bewährt hat, kommt es 2021 zur Fol­ge­ver­sor­gung mit einer nach Scan gedruck­ten Unter­arm­la­ge­rung und eigens gefer­tig­ter Schul­ter­ban­da­ge. Die indi­vi­du­el­le Ver­sor­gung beschreibt er als ange­neh­mer zu tra­gen, da die Scha­le am Bauch flä­chi­ger anliegt als die Rohr­kon­struk­ti­on der kon­fek­tio­nier­ten Orthe­se. Außer­dem ver­rutscht sie nicht so leicht und ist durch die Ver­wen­dung von Magnet­ver­schlüs­sen an der Ban­da­ge leich­ter an- und aus­zu­zie­hen. Beim Fer­ti­gen der Ban­da­ge muss dar­auf geach­tet wer­den, dass die Gur­te und Ver­schlüs­se nicht am häu­fig durch Atro­phie sehr pro­mi­nen­ten Schlüs­sel­bein rei­ben. Beden­ken, dass das gedruck­te Mate­ri­al nicht sta­bil genug sein könn­te, erwei­sen sich als unbe­grün­det, nach­dem der Pati­ent berich­tet, mit der Orthe­se meh­re­re Klet­ter­stei­ge und die Zug­spit­ze bestie­gen zu haben. Dabei nutz­te er teil­wei­se auch die betrof­fe­ne Sei­te, um sich fest­zu­hal­ten. Ein Nach­teil die­ser Ver­sor­gung ist, dass die Umgrei­fung der Epi­con­dylen und des Ole­cra­nons dazu führt, dass Hem­den im Bereich des Ellen­bo­gens deut­lich stär­ker span­nen als bei der kon­fek­tio­nier­ten Orthe­se. Um dies zu ver­mei­den, wird bei zukünf­ti­gen Ver­sor­gun­gen der Rand­ver­lauf ange­passt (Abb. 6, 7, Video 1).

Orthe­sen zum Fahr­rad- und Motorradfahren

Unser Kon­zept für Orthe­sen zum Fahr­rad- und Motor­rad­fah­ren begann 2013 mit Pati­en­ten, wel­che unab­hän­gig von­ein­an­der mit dem Wunsch, wie­der auf zwei Rädern unter­wegs zu sein, und dem Wil­len, selbst viel Zeit und Geduld in ihre Ver­sor­gun­gen zu ste­cken, zu uns kamen. Im Rah­men die­ser ers­ten Ver­sor­gun­gen ent­steht unter inten­si­ver Mit­ar­beit der Pati­en­ten das Ver­sor­gungs­kon­zept, wel­ches in unse­rem Hau­se in sei­nem Grund­prin­zip unver­än­dert bis heu­te ange­wandt wird.

Beim „ein­hän­di­gen“ Fah­ren von Zwei­rä­dern, egal ob mit oder ohne Motor, stel­len sich fol­gen­de Pro­ble­me: Den Len­ker mit nur einer Hand zu sta­bi­li­sie­ren, ist auf ebe­nem Unter­grund zwar gut mög­lich, wird mit zuneh­men­den Uneben­hei­ten oder Nei­gun­gen aber immer schwie­ri­ger und kraft­for­dern­der. Die­ses kann mit einer Orthe­se gelöst wer­den, die eine Kraft­über­tra­gung vom Len­ker direkt auf den Ober­arm oder Brust­korb ermöglicht.

Je nach Art der funk­tio­nel­len Aus­fäl­le kom­men dafür ver­schie­de­ne Kom­po­nen­ten zum Ein­satz: bei Aus­fall der Greif­funk­ti­on eine Scha­le für Unter­arm und Hand, die am Len­ker befes­tigt wird. Bei Aus­fall der Ellen­bo­gen­mus­ku­la­tur eine Ellen­bo­gen­or­the­se, wel­che mit einem Dämp­fer ver­steift wird. Wenn sich auf­grund insuf­fi­zi­en­ter Bän­der der Hume­rus­kopf im Schul­ter­ge­lenk stark nach dor­sal ver­schie­ben lässt oder sich der Schul­ter­gür­tel (bestehend aus Schul­ter­blatt und Schlüs­sel­bein) nicht mehr aktiv bewe­gen lässt, ist es nicht sinn­voll, die Kraft vom Len­ker auf den pro­xi­ma­len Ober­arm zu über­tra­gen. In die­sen sel­ten vor­kom­men­den Fäl­len ist ein Schul­ter­korb indi­ziert, wel­cher Kraft direkt auf den Brust­korb überträgt.

Ein wei­te­res Pro­blem ist, dass die betrof­fe­ne Hand nicht ver­wen­det wer­den kann, um Brem­sen, Schal­tung, Gas oder Blin­ker zu bedie­nen. Dies erfor­dert, dass der Anwen­den­de sein Zwei­rad in einer ent­spre­chen­den Werk­statt so umbau­en lässt, dass er alle nöti­gen Funk­tio­nen auf ande­re Wei­se betä­ti­gen kann. Beim Fahr­rad bedeu­tet das in der Regel, dass Brems­he­bel, Klin­gel und Schal­tung auf die ande­re Sei­te des Len­kers umge­legt wer­den. Eini­ge Anwen­der berich­ten, dass absenk­ba­re Sat­tel­stüt­zen das Auf- und Abstei­gen erleichtern.

Bei Motor­rä­dern sind, zusätz­lich zum eigent­li­chen Umbau, Prü­fun­gen durch den TÜV und ärzt­li­che Gut­ach­ten nötig, um das Motor­rad legal auf der Stra­ße bewe­gen zu dür­fen. Die­se Über­prü­fun­gen durch offi­zi­el­le Stel­len sind wich­tig, da die Beur­tei­lung von Ver­kehrs­taug­lich­keit und Sicher­heit des Gesamt­sys­tems weder im Kom­pe­tenz- noch im Zustän­dig­keits­be­reich der Ortho­pä­die­tech­nik liegt.

Beim Umbau von Zwei­rä­dern und dem Bewäl­ti­gen der büro­kra­ti­schen Hür­den kann der Ver­ein „Ein­arm­hel­den“ Hil­fe­stel­lung leis­ten8.

Ver­sor­gungs­bei­spiel Fahrrad

Frau H. erlitt vor über 25 Jah­ren bei einem Motor­rad­un­fall eine Läsi­on des P. bra­chia­lis rechts. Die Sen­si­bi­li­tät nimmt unter­halb der Schul­ter ab und ist ab dem Ellen­bo­gen nicht mehr vor­han­den. Die kom­plet­te Hand- und Ellen­bo­gen­mus­ku­la­tur ist ohne Funk­ti­on. Die Schul­ter­ab­duk­to­ren haben einen Mus­kel­sta­tus von 2 nach Jan­da, Ante- und Retro­ver­si­on sind mit 0 zu bewer­ten. Die Pro­na­ti­on der Hand in den Radioul­nar­ge­len­ken ist leicht ein­ge­schränkt, ansons­ten ist die ROM unauf­fäl­lig. Der Arm berei­tet ihr star­ke Dys­äs­the­sien und in den Schul­ter­gür­tel aus­strah­len­de Schmer­zen. Medi­ka­men­tös las­sen die­se sich redu­zie­ren, aber nicht gänz­lich verhindern.

2021 kommt sie im Alter von gut 50 Jah­ren im beschrie­be­nen Zustand zu uns und äußert den Wunsch nach einer Orthe­se zum Fahr­rad­fah­ren. Ein­hän­dig unter­nahm sie bereits Fahr­ver­su­che, wel­che auf ebe­nem Unter­grund auch gelan­gen. Bord­stei­ne, Nei­gun­gen oder Schot­ter sind aber kaum zu bewäl­ti­gen, sodass auch gemä­ßig­te Rad­tou­ren kaum mög­lich und mit gro­ßer Unsi­cher­heit ver­bun­den sind.

Die Ver­sor­gung mit einer Wil­mer Tra­ge­or­the­se wird bespro­chen, aber von der Pati­en­tin, die ihren All­tag mit Läh­mung seit über zwei Jahr­zehn­ten ohne Hilfs­mit­tel gut bewäl­tigt, zu die­sem Zeit­punkt abgelehnt.

Es folgt die Ver­sor­gung mit einer Ganz­ar­mor­the­se zum Fahr­rad­fah­ren. Die Abform­tech­nik erfolgt mit Gips, die Scha­len wer­den mit C‑Faser armiert und gegos­sen (Abb. 8). Unter­arm und Hand wer­den in einer rigi­den Scha­le gela­gert, das Hand­ge­lenk befin­det sich in leich­ter Dor­sal­ex­ten­si­on, um den Arm am Vor­rut­schen zu hin­dern. Unter Berück­sich­ti­gung des leich­ten Pro­na­ti­ons­de­fi­zits wird die Hand nicht ganz par­al­lel zum Len­ker posi­tio­niert. In der Anpro­be zeigt sich, dass der Dau­men, wel­cher nicht mit in der Scha­le gebet­tet ist, zwi­schen Orthe­se und Len­ker ein­ge­klemmt wer­den kann. Um dies zu ver­hin­dern wird ein zusätz­li­cher Gurt ver­wen­det, wel­cher um den Dau­men und quer über alle Fin­ger ver­läuft. Rück­bli­ckend wäre es sinn­voll gewe­sen, den Dau­men mit in der Hand­scha­le zu lagern, in ver­gan­ge­nen Ver­sor­gun­gen war dies auf­grund deut­lich stär­ker ein­ge­schränk­ter Mobi­li­tät der Fin­ger nicht nötig. Die Ober­arm­scha­le ver­fügt schul­ter­nah über eine fron­ta­le Anla­ge, wel­che der Kraft­über­tra­gung dient, und ellen­bo­gen­nah über eine dor­sa­le Anla­ge, wel­che ver­hin­dert, dass der Arm in der Orthe­se nach hin­ten rutscht. Die­se Spi­ral­form erschwert zwar das Anzie­hen, aber ver­rin­gert den Längs­hub in der Orthe­se beim Fah­ren deut­lich (Abb. 9, 10, Video 2).

Ver­bin­dung zum Lenker
Da die Greif­funk­ti­on der Hand nicht mehr gege­ben ist, muss eine kraft­über­tra­gen­de, aber trotz­dem beweg­li­che Ver­bin­dung zwi­schen Orthe­se und Len­ker her­ge­stellt wer­den. Wäre die­se Ver­bin­dung unbe­weg­lich, wür­de dies die Beweg­lich­keit des Ober­kör­pers beim Fah­ren zu stark ein­schrän­ken. Außer­dem muss die Ver­bin­dung so fest sein, dass sie sich nicht unbe­ab­sich­tigt vom Len­ker lösen kann, aber gleich­zei­tig so locker, dass die Anwen­de­rin die Orthe­se selbst­stän­dig am Fahr­rad anbrin­gen und von die­sem lösen kann. Auch im Fal­le eines Stur­zes muss sich die Ver­bin­dung auf jeden Fall lösen können.

Die­se Anfor­de­run­gen wer­den durch eine zwei­tei­li­ge Kon­struk­ti­on erfüllt: eine mit der Orthe­se ver­schraub­te Klam­mer, wel­che auf den Len­ker „geklickt“ wird, und ein Paar Klemm­rin­ge, wel­che mit einem längs zum Len­ker ver­lau­fen­den Steg ver­bun­den sind. Die Klemm­rin­ge ver­hin­dern, dass die Klam­mer seit­lich vom Len­ker abrutscht. Der Längs­steg schränkt die Rota­ti­on der Klam­mer um den Len­ker ein, sodass sich die Orthe­se vom Len­ker löst, falls der Anwen­der sich über den Len­ker nach vor­ne bewe­gen soll­te. Seit­li­ches Ver­kip­pen der Orthe­se zum Len­ker führt eben­falls zum Abhe­beln der Klam­mer vom Len­ker. Auf Zug ist die Ver­bin­dung jedoch sehr belast­bar (Abb. 11).

Die Klam­mer am Len­ker anzu­brin­gen, ist für Frau H. zunächst schwie­rig, stellt mit etwas Übung aber kein Pro­blem dar. Indem man die Öff­nung der Klam­mer ver­grö­ßert, kann das Anbrin­gen erleich­tert wer­den. Dies kann aber schnell dazu füh­ren, dass sich die Orthe­se bei der Fahrt zu leicht vom Len­ker lösen lässt. Des­we­gen ist es wich­tig, Anwen­den­den aus­rei­chend Gele­gen­heit zu geben, sich mit dem Sys­tem ver­traut zu machen und ver­schie­de­ne Tech­ni­ken zum Anbrin­gen aus­zu­pro­bie­ren, bevor man die Öff­nung vergrößert.

Ellen­bo­gen­ge­lenk
Um Kraft über den Ellen­bo­gen hin­aus zu über­tra­gen, wird uni­la­te­ral ein frei beweg­li­ches Orthe­sen­ge­lenk in Ver­bin­dung mit einem Gas­druck­dämp­fer ver­wen­det (Abb. 12). Duo­zen­tri­sche Gelen­ke haben sich hier­bei bewährt, da die­se sowohl flach als auch sta­bil sind. Die Inkon­gru­enz des duo­zen­tri­schen Gelenks zum Ellen­bo­gen­ge­lenk kann bei die­ser Art von Ver­sor­gung ver­nach­läs­sigt wer­den, weil das Gelenk beim Fah­ren nur sel­ten und kurz gebeugt wird. Der Dämp­fer fixiert das Orthe­sen­ge­lenk in einem über ein Schlitz­teil ein­stell­ba­ren Win­kel. Exten­si­on über den ein­ge­stell­ten Win­kel hin­aus ist nicht mög­lich, Fle­xi­on nur gegen den Wider­stand des Dämp­fers. Dämp­fer mit einem Wider­stand von 150 N haben sich bei vie­len Anwen­den­den bewährt, abhän­gig von Kör­per­ge­wicht, Kraft, Sitz­po­si­ti­on und Anwen­dungs­ge­biet kön­nen aber auch wei­che­re oder här­te­re Dämp­fer sinn­voll sein. Beim nor­ma­len Fah­ren bleibt das Gelenk im ein­ge­stell­ten Win­kel, der Anwen­der lenkt über den Ober­kör­per und Schul­ter­gür­tel. Die so erreich­ba­ren Lenk­aus­schlä­ge sind zwar klei­ner als nor­mal, aber für die beim Fah­ren nöti­gen Lenk­be­we­gun­gen mehr als aus­rei­chend. Soll­ten z. B. beim Ran­gie­ren doch stär­ke­re Lenk­be­we­gun­gen nötig sein, kann der Anwen­der, indem er sich mit dem Ober­kör­per gegen die Orthe­se lehnt, den Dämp­fer zusam­men­drü­cken und das Ellen­bo­gen­ge­lenk beu­gen. Außer­dem schwächt der Dämp­fer bei unebe­nem Unter­grund Stö­ße, wel­che vom Len­ker über die Orthe­se auf den Kör­per über­tra­gen wer­den, ab.

In den drei Jah­ren, die Frau H. die Orthe­se nun hat, stan­den kür­ze­re und län­ge­re Rad­tou­ren an Wochen­en­den oder im Urlaub häu­fig auf der Tages­ord­nung. Ihr Ehe­mann, der zuge­ge­be­ner­ma­ßen ohne Motor und bei län­ge­ren Tou­ren mit Anhän­ger fuhr, hat­te dabei teil­wei­se Schwie­rig­kei­ten mitzuhalten.

Ver­sor­gungs­bei­spiel Motorrad

Herr B. zog sich bei einem Motor­rad­un­fall eine Läsi­on des P. bra­chia­lis zu. Arm‑, Hand- und Schul­ter­mus­ku­la­tur fal­len funk­tio­nell aus. Unter­arm und Hand sind nicht, der Ober­arm nur in Tei­len sen­si­bel. 2013 gehört er zu den ers­ten, die in unse­rem Haus mit einer Orthe­se zum Zwei­rad­fah­ren ver­sorgt wur­den. An der Pla­nung und Umset­zung sei­ner Orthe­se wirk­te er inten­siv mit.

Die Grund­le­gen­den Anfor­de­run­gen an die Ver­sor­gung sind, genau wie bei Frau H., eine Ver­bin­dung zum Len­ker und das Ermög­li­chen einer Kraft­über­tra­gung über den Ellen­bo­gen zu schaf­fen. Die Ver­bin­dung zum Len­ker ist iden­tisch mit der im Fall­bei­spiel von Frau H. beschrie­be­nen Kon­struk­ti­on. Um die Kraft­über­tra­gung über den Ellen­bo­gen zu ermög­li­chen, kommt hier aber kein Gasdruck‑, son­dern ein Feder­dämp­fer zum Ein­satz, wel­chen Herr B. selbst zusam­men­stell­te. Die­ser ermög­licht nicht nur eine gedämpf­te Fle­xi­on, son­dern auch eine gedämpf­te Exten­si­on. Außer­dem lässt sich der Anbin­dungs­punkt des Dämp­fers an die Orthe­se am Dämp­fer selbst ver­stel­len, sodass das Schlitz­teil zum Ein­stel­len des Aus­gangs­win­kels des Ellen­bo­gen­ge­lenks hier nicht benö­tigt wird. Die Ver­wen­dung die­ser Art von Dämp­fer ist ein Ein­zel­fall, grund­sätz­lich ver­wen­den wir auch für Motor­rad­fah­rer die im Fall­bei­spiel von Frau H. bereits beschrie­be­ne Kon­struk­ti­on aus Gas­druck­dämp­fer und Schlitzteil.

Da die band­haf­te Siche­rung des Schul­ter­ge­len­kes von Herrn B. nicht mehr aus­rei­chend gege­ben ist, kommt ein Schul­ter­korb zum Ein­satz. Die­ser wird mit­hil­fe eines Tama­rac-Gelenks mit der Ober­arm­scha­le ver­bun­den, ein zusätz­li­cher Gurt zwi­schen Ober­arm­scha­le und Schul­ter­korb sorgt für eine gleich­mä­ßi­ge­re Kraft­über­tra­gung auf den Brust­korb. Um die Orthe­se bes­ser trans­por­tie­ren zu kön­nen, ist das Tama­rac-Gelenk auf einer Sei­te mit einer trenn­ba­ren Steck­ver­bin­dung gesi­chert, sodass sich der Schul­ter­korb demon­tie­ren lässt. Eine Kap­pe aus PE bewahrt die Hand davor vom Fahrt­wind aus­ge­kühlt zu wer­den (Abb. 13). Über den Weg des lei­den­schaft­li­chen Motor­rad­fah­rers zurück auf zwei Räder mit Umbau des Motor­ra­des und der auf­wen­di­gen Stra­ßen­zu­las­sung und Aner­ken­nung der Ver­kehrs­tüch­tig­keit wird in einem Arti­kel der Zeit­schrift „Motor­rad“ (Aus­ga­be 6/2017) berich­tet9.

Vie­le Rad­fah­rer geben an, dass die Mög­lich­keit, Klei­dung über die Orthe­se zu zie­hen, für sie zweit­ran­gig ist, da sie haupt­säch­lich bei gutem Wet­ter fah­ren und dafür maxi­mal dün­ne lang­ärm­li­ge Ober­tei­le unter der Orthe­se tra­gen. Eine Pro­tek­to­ren­ja­cke tra­gen zu kön­nen, ist für Motor­rad­fah­rer aber ent­schei­dend. Pro­ble­ma­tisch ist hier ins­be­son­de­re die Bet­tung der Hand. Soll die­se für zusätz­li­chen Schutz kom­plett in einer Scha­le gefasst wer­den, kann es schwie­rig sein, die Orthe­se durch den Ärmel zu bekom­men. Eine wei­te­re Eng­stel­le ist der Dämp­fer. Die mög­lichst kör­per­na­he Gestal­tung die­ser bei­den Eng­stel­len ermög­lich­te es den meis­ten unse­rer Anwen­den­den, even­tu­ell nach eini­ger Suche nach einem geeig­ne­ten Modell, kon­fek­tio­nier­te Pro­tek­to­ren­ja­cken über die Orthe­se zu zie­hen. Wenn dies nicht mög­lich ist, müs­sen Abän­de­run­gen kon­fek­tio­nier­ter Jacken oder Son­der­an­fer­ti­gun­gen in Betracht gezo­gen werden.

Geburts­as­so­zi­ier­te Ple­xus­lä­sio­nen und myo­elek­tri­sche Orthesen

Die beschrie­be­nen Kon­zep­te und Fall­bei­spie­le decken weder die Ver­sor­gungs­mög­lich­kei­ten noch die Grup­pe der Betrof­fe­nen voll­stän­dig ab. Geburts­trau­ma­ti­sche Ple­xus­lä­sio­nen und die Ver­sor­gung mit myo­elek­tri­schen Orthe­sen sind The­men­ge­bie­te, in denen der Autor nur wenig Erfah­rung hat. Gänz­lich uner­wähnt sol­len die­se The­men trotz­dem nicht bleiben.

Geburts­trau­ma­ti­sche Plexusläsionen

Geburts­trau­ma­ti­sche Ple­xus­lä­sio­nen kom­men bei ca. 1,5 ‰ aller Gebur­ten vor. In leich­ten Fäl­len kön­nen kor­rek­te Lage­rung und phy­sio­the­ra­peu­ti­sche Behand­lung aus­rei­chen, um eine voll­stän­di­ge Hei­lung zu errei­chen. Ist dies nicht der Fall, steht zusätz­lich eine Viel­zahl ope­ra­ti­ver Inter­ven­tio­nen wie Ner­ven­re­kon­struk­tio­nen oder Mus­kel­trans­plan­ta­tio­nen zur Ver­fü­gung, wobei die Vor­stel­lung beim Chir­ur­gen bereits im Alter von zwei Mona­ten erfol­gen soll­te10.

Beson­de­re Her­aus­for­de­run­gen bei der Behand­lung von Kin­dern sind unter ande­rem deren kör­per­li­che und kogni­ti­ve Ent­wick­lung, das sozia­le Umfeld und die Com­pli­ance der jun­gen Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten. Außer­dem müs­sen die Eltern inten­siv in alle the­ra­peu­ti­schen Maß­nah­men mit ein­be­zo­gen wer­den11 12.

Orthe­sen kom­men meist bei sym­pto­ma­tisch aus­ge­präg­ten Fäl­len zur Unter­stüt­zung der kon­ser­va­ti­ven Kon­trak­tur­be­hand­lung, deren Pro­phy­la­xe oder post­ope­ra­tiv in einer Viel­zahl von Aus­füh­run­gen zum Ein­satz. Bei­spiel­haft lässt sich hier die sog. Con­cept-4D-Orthe­se, eine Nacht­la­ge­rungs­or­the­se zur dyna­mi­schen Kor­rek­tur, nen­nen. Sie kann sowohl post­ope­ra­tiv als auch zur kon­ser­va­ti­ven Behand­lung ein­ge­setzt wer­den und wur­de in einem Arti­kel in der Aus­ga­be 07/2023 der „Ortho­pä­die-Tech­nik“ im Detail beschrie­ben13.

Myo­elek­tri­sche Handorthesen

Wäh­rend die Nut­zung myo­elek­tri­scher Signa­le zur Steue­rung eines Hilfs­mit­tels in der Pro­the­tik schon lan­ge eta­bliert ist, kommt die­se in der Orthe­tik noch deut­lich sel­te­ner zum Ein­satz. In den letz­ten Jah­ren kamen mit Sys­te­men wie der „Myo­Pro“, der „Neo1“ oder der „Exo­mo­ti­on hand one“ aller­dings meh­re­re myo­elek­tri­sche Orthe­sen­sys­te­me auf den Markt. Die­se ermög­li­chen Anwen­den­den akti­ves Grei­fen und bei der „Neo1“ auch akti­ve Ellen­bo­gen­ex­ten­si­on und ‑fle­xi­on14 15 16. Ellen­bo­gen­freie Sys­te­me wie die „Exo­mo­ti­on hand one“ las­sen sich auch mit der Wil­mer Tra­ge­or­the­se kom­bi­nie­ren17. Kon­trak­tu­ren und das Fin­den eines geeig­ne­ten EMG-Signals sowie ein insta­bi­les Schul­ter­ge­lenk kön­nen die Ver­sor­gung von Pati­en­ten mit Läsi­on des P. bra­chia­lis mit myo­elek­tri­schen Orthe­sen erschwe­ren, müs­sen je nach ver­wen­de­tem Orthe­sen­sys­tem aber kei­ne abso­lu­ten Kon­tra­in­di­ka­tio­nen sein. Eine myo­elek­tri­sche Orthe­se im All­tag effek­tiv ein­set­zen zu kön­nen, benö­tigt zwar lan­ges und inten­si­ves Trai­ning, kann den Anwen­den­den aber bei zahl­rei­chen Akti­vi­tä­ten des täg­li­chen Lebens eine gro­ße Hil­fe sein. Als The­ra­pie­ge­rä­te, bei­spiels­wei­se zum Ver­bes­sern der ROM oder zur Kor­rek­tur­pro­phy­la­xe, sind myo­elek­tri­sche Orthe­sen in der Regel nicht gedacht, auch wenn dies ein regel­mä­ßig auf­tre­ten­der erfreu­li­cher Neben­ef­fekt ist18 19 20.

Fazit

Die von Läsio­nen des P. bra­chia­lis betrof­fe­ne Kli­en­tel ist durch den hohen Anteil an ver­un­fall­ten Motor­rad­fah­rern eine sehr akti­ve Pati­en­ten­grup­pe. Indi­vi­du­el­le Patho­lo­gien und Lebens­um­stän­de machen jede Ver­sor­gung ein­zig­ar­tig und tra­gen immer neue Her­aus­for­de­run­gen in die ortho­pä­die­tech­ni­schen Werk­stät­ten. Die­sen gerecht zu wer­den for­dert Krea­ti­vi­tät, Empa­thie, fach­li­ches Ver­ständ­nis und hand­werk­li­ches Geschick – hier zeigt sich unser Hand­werk von sei­nen schöns­ten Sei­ten. Gelun­ge­ne Ver­sor­gun­gen bedeu­ten für Anwen­den­de mehr Mög­lich­kei­ten, mehr Nor­ma­li­tät und mehr Lebensqualität.

Die Ent­ste­hung eines breit anwend­ba­ren Orthe­sen­kon­zep­tes zum Fahr­rad- und Motor­rad­fah­ren wäre ohne den gro­ßen Ein­satz der ers­ten Anwen­der und die Bereit­schaft aller Betei­lig­ten, ein Pro­jekt mit unge­wis­sem Erfolg anzu­ge­hen, nicht mög­lich gewesen.

Auf Infor­ma­tio­nen über die bestehen­den Ver­sor­gungs­mög­lich­kei­ten sto­ßen Betrof­fe­ne häu­fig erst in Eigen­re­cher­che oder durch Emp­feh­lun­gen aus dem sozia­len Umfeld. Vie­le unse­rer Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten hat­ten bei der Rück­kehr in ihren All­tag nach dem Trau­ma im bes­ten Fall einen Gil­ch­rist-Ver­band, jedoch kei­ner­lei Infor­ma­tio­nen, wie und wo sie sich über Ver­sor­gungs­mög­lich­kei­ten hät­ten bera­ten las­sen kön­nen. Die Ver­sor­gung von Herrn E. mit einer Wil­mer Tra­ge­or­the­se ca. ein Jahr nach sei­nem Unfall ist hier lei­der als Bei­spiel für eine ver­gleichs­wei­se frü­he Ver­sor­gung zu nennen.

Im Bewusst­sein der Ortho­pä­die­tech­nik ist die Wil­mer Tra­ge­or­the­se trotz ihrer ver­läss­li­chen Wirk­wei­se und brei­ten Anwend­bar­keit kaum präsent.

Die Infor­ma­tio­nen in die­sem Arti­kel stel­len nur einen Bruch­teil des­sen, was es zur Ver­sor­gung von Läsio­nen des P. bra­chia­lis zu wis­sen gibt, dar. Trotz­dem hat der Autor die Hoff­nung, damit einen Bei­trag für die gute Bera­tung und Ver­sor­gung der Betrof­fe­nen leis­ten zu können.

 

Der Autor:
Micha­el Leßke
Orthopädietechniker-Meister
Orte­ma GmbH
Kurt-Lin­de­mann-Weg 10
71706 Markgröningen
michael.lesske@ortema.de
Tel.: 07145–9153800

 

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Leß­ke M. Orthe­sen­ver­sor­gung bei Läsi­on des Ple­xus bra­chia­lis. Ortho­pä­die Tech­nik, 2024; 75 (12): 44–51

 

Video 1:
Der Anwen­der Herr E. demons­triert die Hand­ha­bung der indi­vi­du­el­len Wil­mer Trageorthese.

Video 2:
Ver­sor­gungs­bei­spiel Fahr­rad: Frau H. macht eine Pro­be­fahrt mit der Orthe­se auf ihrem E‑Bike.

 

Quel­len­ver­zeich­nis

  1. Hoh­mann D, Uhl­ig R. Ortho­pä­di­sche Tech­nik. 9. Aufl. Stutt­gart: Thie­me, 2005 
  2. Schün­ke M et al. Pro­me­theus Lern­At­las der Ana­to­mie. All­ge­mei­ne Ana­to­mie und Bewe­gungs­sys­tem. 5. Aufl. Stutt­gart, New York: Thie­me, 2018 
  3. Niet­hard FU, Pfeil J, Biber­tha­ler P. Dua­le Rei­he Ortho­pä­die und Unfall­chir­ur­gie. 7. Aufl. Stutt­gart: Thie­me, 2014 
  4. Schün­ke M et al. Pro­me­theus Lern­At­las der Ana­to­mie. All­ge­mei­ne Ana­to­mie und Bewe­gungs­sys­tem. 5. Aufl. Stutt­gart, New York: Thie­me, 2018 
  5. Hoh­mann D, Uhl­ig R. Ortho­pä­di­sche Tech­nik. 9. Aufl. Stutt­gart: Thie­me, 2005 
  6. van Leer­dam N. De WILMER Draag­or­the­se: An effec­ti­ve ortho­tic device for the neu­tra­li­sa­ti­on of should­er sub­lu­xa­ti­ons. In dit Ver­band, 2004; (14) Juni: 31–35. Eine Über­set­zung des Arti­kels ins Eng­li­sche ist auf Anfra­ge an info@ambroise.nl  verfügbar. 
  7. van Leer­dam N. De WILMER Draag­or­the­se: An effec­ti­ve ortho­tic device for the neu­tra­li­sa­ti­on of should­er sub­lu­xa­ti­ons. In dit Ver­band, 2004; (14) Juni: 31–35. Eine Über­set­zung des Arti­kels ins Eng­li­sche ist auf Anfra­ge an info@ambroise.nl  verfügbar. 
  8. Ein­arm­hel­den. https://www.einarmhelden.de/ (Zugriff am 13.09.2024)
  9. May­er P. Mit Links, Motor­rad, 2017; 6: 116–117. https://www.einarmhelden.de/wp-content/uploads/2022/07/MRD_2017_06-LEBEN_Portrait-Bernd-Brand.pdf (Zugriff am 19.09.2024)
  10. Schwen­zer T, Bahm J. Schul­ter­dys­to­kie und Ple­xus­pa­re­se. Hei­del­berg, Ber­lin: Sprin­ger, 2016 
  11. Schwen­zer T, Bahm J. Schul­ter­dys­to­kie und Ple­xus­pa­re­se. Hei­del­berg, Ber­lin: Sprin­ger, 2016 
  12. Schä­fer M, Bahm J. Neu­ar­ti­ge Orthe­sen­ver­sor­gung für Kin­der mit geburts­trau­ma­ti­scher Ple­xus­lä­si­on. Ortho­pä­die Tech­nik, 2023; 74 (7): 50–55
  13. Schä­fer M, Bahm J. Neu­ar­ti­ge Orthe­sen­ver­sor­gung für Kin­der mit geburts­trau­ma­ti­scher Ple­xus­lä­si­on. Ortho­pä­die Tech­nik, 2023; 74 (7): 50–55
  14. Schulz S, Rose­wich S. Neue Ver­sor­gungs­mög­lich­keit bei Läsi­on des Ple­xus bra­chia­lis durch ein myo­elek­trisch gesteu­er­tes Exo­ske­lett: neo1. Ortho­pä­die Tech­nik, 2023; 74 (8): 56–63
  15. Hano K. Test­ver­sor­gung mit einer myo­elek­tri­schen Armor­the­se anhand eines Fall­bei­spiels. Ortho­pä­die Tech­nik, 2021; 72 (4): 36–39
  16. Matyssek S, Hepp D. Grei­fen trotz Hand­läh­mung – Ver­sor­gungs­bei­spiel mit myo­elek­tri­scher Hand­orthe­se. Ortho­pä­die Tech­nik, 2021; 72 (7): 44–48
  17. HKK-Bio­nics. Häu­fi­ge Fra­gen. https://hkk-bionics.de/haeufige-fragen/ (Zugriff am 14.10.2024)
  18. Schulz S, Rose­wich S. Neue Ver­sor­gungs­mög­lich­keit bei Läsi­on des Ple­xus bra­chia­lis durch ein myo­elek­trisch gesteu­er­tes Exo­ske­lett: neo1. Ortho­pä­die Tech­nik, 2023; 74 (8): 56–63
  19. Hano K. Test­ver­sor­gung mit einer myo­elek­tri­schen Armor­the­se anhand eines Fall­bei­spiels. Ortho­pä­die Tech­nik, 2021; 72 (4): 36–39
  20. Matyssek S, Hepp D. Grei­fen trotz Hand­läh­mung – Ver­sor­gungs­bei­spiel mit myo­elek­tri­scher Hand­orthe­se. Ortho­pä­die Tech­nik, 2021; 72 (7): 44–48
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