Nar­ben­the­ra­pie – Auf­ga­ben und Lösungswege

H. Pauli
Bei allen tiefergehenden Verletzungen reagiert die Haut mit Narbenbildung. Die Ausreifung der Narbe kann durch verschiedene Therapiemöglichkeiten positiv beeinflusst werden. Wesentlicher Bestandteil der Therapie ist die Kompressionsbehandlung. Sowohl der Narbentyp als auch die Lokalisation der Narbe stellen dabei individuelle Anforderungen an die Versorgung. Anhand exemplarischer Versorgungsbeispiele von Kopf bis Fuß vermittelt der Beitrag einen Einblick in die Komplexität des Themas.

Ein­lei­tung

Unter einer Nar­be ver­steht man ein faser­rei­ches Ersatz­ge­we­be, das nach einer Läsi­on der Haut wäh­rend der Wund­hei­lung von den akti­ven Bin­de­ge­webs­zel­len auf­ge­baut wird. Die­sen Pro­zess bezeich­net man als „Nar­ben­bil­dung“. Nar­ben kön­nen sich in ver­schie­de­nen For­men zei­gen – von unauf­fäl­lig und strich­för­mig über deut­lich sicht­bar bis zu ein­ge­zo­gen oder wulstig.

Sowohl hyper­tro­phe Nar­ben als auch Nar­ben­kel­oide sind gut­ar­ti­ge Binde­gewebsvermehrungen. Bei hyper­tro­phen Nar­ben beschränkt sich die Kol­la­gen­fa­ser­bil­dung auf die Flä­che der Haut­ver­let­zung. Das umlie­gen­de gesun­de Haut­are­al wird nicht hyper­troph und ist nicht von der ver­mehr­ten Kol­la­gen­fa­ser­bil­dung betrof­fen. Bei Kel­oid­nar­ben hin­ge­gen wächst die Kol­la­gen­fa­ser­bil­dung über die ursprüng­li­che Läsi­on in das umlie­gen­de gesun­de Gewe­be hin­aus. Kel­oide kön­nen auch erst deut­lich ver­spä­tet nach der eigent­li­chen Läsi­on auf­tre­ten (z. B. mehr als 6 Mona­te nach einem Ohrloch­stechen). Eine stär­ke­re Haut­pig­men­tie­rung ist als Risi­ko­fak­tor für eine ver­stärk­te Kel­oid­bil­dung bekannt.

Grund­la­gen der Narbenkompressionsversorgung

Alle Nar­ben erfor­dern indi­vi­du­el­le und mil­li­me­ter­ge­nau pas­sen­de Kom­pres­si­ons­ver­sor­gun­gen. Um dies sicher­zu­stel­len, ist von den soge­nann­ten spe­zia­li­sier­ten Per­so­nen für Nar­ben­kom­pres­si­on laut Kri­te­ri­en­ka­ta­log des Spit­zen­ver­ban­des Bund der Kran­ken­kas­sen (Spi­Bu) zur Prä­qua­li­fi­zie­rung für die Nar­ben­kom­pres­si­ons­ver­sor­gung ein Zer­ti­fi­kat nach den Richt­li­ni­en der Bun­des­fach­schu­le für Ortho­pä­die-Tech­nik (BUFA) gefor­dert. Dar­über hin­aus for­dert die AOK Bay­ern ein sol­ches Zer­ti­fi­kat auch von erfah­re­nen Ortho­pä­die-Tech­ni­ker- oder Ban­da­gis­ten-Meis­tern als Abrech­nungs­grund­la­ge. Im Fol­gen­den wer­den die wesent­li­chen Prin­zi­pi­en der Nar­ben­kom­pres­si­ons­ver­sor­gung erläutert.

Mate­ria­li­en

Die Her­stel­ler Thuas­ne, Juzo und Jobs­kin sind im deutsch­spra­chi­gen Raum die am häu­figs­ten genutz­ten Anbie­ter von Nar­ben­kom­pres­si­ons­ban­da­gen. Die Pro­duk­te unter­schei­den sich in Mate­ri­al­zu­sam­men­set­zung und Mate­ri­al­ei­gen­schaf­ten. Dem Anwen­der ste­hen Gewe­be und Gewir­ke mit unter­schied­li­chem Deh­nungs­ver­hal­ten (Langzug/ Kurz­zug) in ver­schie­de­nen Mate­ri­al­stär­ken zur Ver­fü­gung. Eini­ge Mate­ria­li­en ermög­li­chen den Tech­ni­kern selbst das nach­träg­li­che Anpas­sen der Ban­da­gen durch Zuschnitt oder, wenn die ent­spre­chen­den Maschi­nen zur Ver­fü­gung ste­hen, indi­vi­du­el­les Abnä­hen. Teil­wei­se erfor­dern not­wen­di­ge Anpas­sun­gen das Ein­schi­cken an den Hersteller.

Anpas­sen der Versorgung

Beim Anmes­sen von Kom­pres­si­ons­ver­sor­gun­gen ist prä­zi­ses, mil­li­me­ter­ge­nau­es Mes­sen nach den Vor­ga­ben der jewei­li­gen Her­stel­ler Stan­dard. Ein Auf­run­den auf den hal­ben Zen­ti­me­ter, wie es bei ande­ren Indi­ka­tio­nen für Kom­pres­si­ons­ver­sor­gun­gen teil­wei­se üblich ist, führt nicht zum gewünsch­ten Erfolg. Ein­schnü­run­gen am Ban­da­gen­en­de sowie ein Anschwel­len der pro­xi­ma­len oder dista­len nicht ver­sorg­ten Berei­che sol­len bei allen Ver­sor­gun­gen ver­mie­den werden.

Je nach der zu ver­sor­gen­den Kör­per­re­gi­on kann es erfor­der­lich wer­den, das nächst­ge­le­ge­ne Gelenk über­grei­fend mit zu ver­sor­gen. Reicht die Nar­be bei­spiels­wei­se bis knapp vor das Gelenk, muss ein Ban­da­gen­ab­schluss an die­ser Stel­le als kri­tisch bewer­tet wer­den, da er durch Rutsch­ten­denz auf der Haut zu uner­wünsch­ten Scher­kräf­ten füh­ren kann bzw. bei Bewe­gung die Nar­be nicht mehr kom­plett abdeckt.

Zur Ver­bes­se­rung der Hand­ha­bung oder aus hygie­ni­schen Grün­den kann es erfor­der­lich sein, Ver­sor­gun­gen mehr­tei­lig zu gestal­ten. So erleich­tern sepa­ra­te Hand­schu­he die Hand­hy­gie­ne bei einem Arm­strumpf bzw. einer Wes­te mit lan­gem Arm, weil dann nur kurz­fris­tig der Hand­schuh aus­ge­zo­gen wer­den muss, ohne die Kom­pres­si­ons­zeit der rest­li­chen Ver­sor­gung zu verkürzen.

Zur Ver­rin­ge­rung von Schie­be­kräf­ten auf der Haut oder zur Erleich­te­rung des An- und Aus­zie­hens der Kom­pres­si­ons­ban­da­gen bie­ten alle Her­stel­ler diver­se Ver­schluss­mög­lich­kei­ten an. Dabei kom­men Reiß­ver­schlüs­se, Haken/Ösen, Druck­knopf- und Klett­ver­schlüs­se zum Einsatz.

Vor­wie­gend bei Erst­ver­sor­gun­gen kann es durch den Druck der Nar­ben­kom­pres­si­ons­ban­da­gen rasch zu Volu­men- und Umfangs­ver­än­de­run­gen der betrof­fe­nen Kör­per­re­gio­nen kom­men. Auf­grund der beson­de­ren Mate­ri­al­ei­gen­schaf­ten bie­ten Jobs­kin-Pro­duk­te die Mög­lich­keit einer nach­träg­li­chen indi­vi­du­el­len Anpas­sung durch Ortho­pä­die-Tch­ni­ker mit­tels Zuschnitt und Abnä­her. Nach einer sol­chen Ände­rung muss der Kom­pres­si­ons­druck mit Hil­fe eines spe­zi­el­len Druck­mess­ge­räts zwin­gend über­prüft wer­den (Abb. 1). Damit wer­den zeit­na­he Mehr­fach­ver­sor­gun­gen und somit erheb­li­che Mehr­kos­ten für die Kos­ten­trä­ger vermieden.

Kon­ka­ve Kör­per­re­gio­nen, die von der Kom­pres­si­ons­ban­da­ge über­spannt wer­den oder unzu­rei­chen­den Kom­pres­si­ons­druck erhal­ten, erfor­dern zusätz­lich Kom­pres­si­ons­druck­pe­lot­ten, die indi­vi­du­ell ange­fer­tigt wer­den und meist aus Sili­kon oder ande­ren mög­lichst nicht kom­pri­mier­ba­ren Mate­ria­li­en bestehen. Auch hier lässt sich der exak­te Druck nur mit Hil­fe eines Mess­ge­rä­tes über­prü­fen. Bei den Ver­sor­gun­gen soll­te ein Kom­pres­si­ons­druck zwi­schen 18 und 32 mmHg erreicht wer­den 1. Die Ein­tei­lung in Kom­pres­si­ons­klas­sen, wie sie in ande­ren Ver­sor­gungs­be­rei­chen üblich ist, fin­det in der Nar­ben­the­ra­pie kei­ne Anwendung.

The­ra­pie

Eine Ver­sor­gungs­ein­heit (Grund­ver­sor­gung) soll aus zwei glei­chen Ver­sor­gun­gen bestehen, um eine Tra­ge­zeit von 23 Stun­den pro Tag zu gewähr­leis­ten 1. Die ver­blei­ben­de Zeit des Tages wird für Waschen, Cre­men und Mas­sie­ren genutzt. Je nach Haut­zu­stand kön­nen län­ge­re Mas­sa­ge­zei­ten die The­ra­pie begüns­ti­gen. Mas­sa­gen kön­nen je nach Haut­ge­ge­ben­hei­ten auch mehr­fach am Tag erfol­gen. Eine sol­che noch inten­si­ve­re The­ra­pie ver­kürzt zwar die täg­li­che Tra­ge­dau­er der Nar­ben­kom­pres­si­ons­ban­da­gen, opti­miert aber die The­ra­pie insgesamt.

Wei­te­re The­ra­pie­for­men wie Medi­cal bzw. Sur­gi­cal Need­ling, phy­si­ka­li­sche The­ra­pie, Was­ser­strahl­the­ra­pie, Kran­ken­gym­nas­tik, Ergo­the­ra­pie und manu­el­le Nar­ben­mas­sa­ge durch aus­ge­bil­de­te The­ra­peu­ten wer­den in der Nar­ben­the­ra­pie eben­falls ange­wen­det. Unter­stüt­zend kann es erfor­der­lich sein, indi­vi­du­ell maß­ge­fer­tig­te sta­ti­sche oder dyna­mi­sche Orthe­sen ein­zu­set­zen, um Kon­trak­tu­ren und Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen entgegenzuwirken.

The­ra­pie­dau­er und Aus­rei­fung der Narbe

Eine regel­mä­ßi­ge Kom­mu­ni­ka­ti­on mit den Betrof­fe­nen ist wäh­rend der gesam­ten The­ra­pie­dau­er uner­läss­lich. Kon­troll­ter­mi­ne nach Erst- bzw. Neu­ver­sor­gun­gen soll­ten inner­halb von 2 Tagen erfol­gen, im wei­te­ren Ver­lauf pati­en­ten und dia­gno­se­ab­hän­gig: bei Kin­dern spä­tes­tens vor Ablauf von 3 Mona­ten, bei Teen­agern und Erwach­se­nen spä­tes­tens vor Ablauf von 6 Monaten.

Bei der Nar­ben­ent­wick­lung spricht man nicht von Aus­hei­lung, son­dern von Aus­rei­fung. Die­se ist abhän­gig von der Grö­ße und Tie­fe der Ver­let­zung, den ggf. erfor­der­li­chen Ope­ra­tio­nen und Trans­plan­ta­tio­nen, even­tu­ell vor­han­de­nen Kon­trak­tu­ren, der Ein­hal­tung der The­ra­pie­vor­ga­ben, der Heilungs­fähigkeit der Haut und der Com­pli­ance der Betrof­fe­nen. In den meis­ten Fäl­len geht man von einer Aus­rei­fungs­zeit von 6 bis 24 Mona­ten aus, aber auch wesent­lich län­ge­re The­ra­pie­zei­ten von bis zu 4 Jah­ren und län­ger kön­nen erfor­der­lich wer­den. Ein UV-Schutz zusätz­lich zu den Kom­pres­si­ons­ban­da­gen ist über den gesam­ten Zeit­raum erforderlich.

Zwi­schen­fa­zit

Durch die hier beschrie­be­nen Wege der Nar­ben­the­ra­pie und deren Kom­bi­na­tio­nen wird erreicht, dass Nar­ben fla­cher, wei­cher und elas­ti­scher wer­den und dass Kon­trak­tu­ren sowie Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen ver­bes­sert werden.

Nicht ver­ges­sen wer­den darf dabei die see­li­sche Belas­tung der Betrof­fe­nen. Die­se kann durch eine Ver­bes­se­rung der Nar­ben­si­tua­ti­on zwar ver­rin­gert, aber nicht gänz­lich über­wun­den wer­den. Es ist daher emp­feh­lens­wert, die Betrof­fe­nen über ein­schlä­gi­ge Selbst­hil­fe­grup­pen wie den Bun­des­ver­band für Brand­ver­letz­te e. V., Cica­trix e. V.­­für Erwach­se­ne und Pau­lin­chen e. V. für Kin­der auf­zu­klä­ren und ihnen ent­spre­chen­de Infor­ma­tio­nen auszuhändigen.

Ver­sor­gungs­bei­spie­le von Kopf bis Fuß

Kopf (Abb. 2)

Die Ansprü­che an die Ver­sor­gung und die Ein­be­zie­hung der Wün­sche der Betrof­fe­nen sind manch­mal nicht ein­fach zu rea­li­sie­ren, wie der in Abbil­dung 2 gezeig­te Fall doku­men­tiert: Die Nar­ben­flä­chen der Wan­ge (Abb. 2a) bzw. am Schä­del (Abb. 2c) benö­ti­gen eine zusätz­li­che Kom­pres­si­on mit indi­vi­du­ell her­ge­stell­ter Sili­kon­druck­pe­lot­te. Am Hals genügt in bei­den Fäl­len ein locke­res Anlie­gen der Ban­da­ge. Indi­vi­du­ell zuge­schnit­te­ne Ohr­öff­nun­gen sind erfor­der­lich. Ohne Naht wird ein ange­neh­me­res Tra­ge­ge­fühl erreicht. Bei dem gezeig­ten Bei­spiel wur­de der Wunsch der Pati­en­tin rea­li­siert, die Kopf­ban­da­ge auch mit Haar­zopf tra­gen zu kön­nen (Abb. 2c).

Hals (Abb. 3)

Der Kom­pres­si­ons­hals­kra­gen „Pau­lin­chen­rol­le“ (Abb. 3a u. b; die Bezeich­nung stammt von der Selbst­hil­fe­grup­pe Pau­lin­chen e. V.) dient im Hals­be­reich zur Nar­ben­deh­nung, im Kinn‑ und Brust­be­reich zur Nar­ben­kom­pres­si­on. Die Ver­sor­gung soll­te so hoch an­gemessen wer­den, dass der vor­de­re Bereich im ange­zo­ge­nen Zustand eine Fal­te erzeugt. Damit wird ein pas­si­ves Kopf­nei­gen Rich­tung Brust ver­hin­dert sowie eine Nar­benstre­ckung am Hals und eine Kom­pres­si­on der Nar­ben am Kinn und am Brust­bein realisiert.

Rumpf/obere Extre­mi­tät (Abb. 4)

Groß­flä­chi­ge Nar­ben an Brust, Schul­ter und Armen, bei­spiels­wei­se nach Ver­brü­hung durch hei­ße Flüs­sig­kei­ten, wer­den mit Nar­ben­kom­pres­si­ons­wes­ten ver­sorgt (Abb. 4a–c). Wenn Gesicht und Hals mit­be­trof­fen sind, kom­men Kom­bi­na­ti­ons­ver­sor­gun­gen zum Ein­satz, z. B. Nar­ben­kom­pres­si­ons­wes­te, Pau­lin­chen­rol­le und modi­fi­zier­te Teil­ge­sichts­mas­ke (Abb. 4d). Soll­te bei Arm­ver­let­zun­gen, wie beim abge­bil­de­ten Bei­spiel nach Stark­strom­un­fall, die Hand mit­ge­schä­digt sein, ist eine ergän­zen­de Ver­sor­gung mit Nar­ben­kom­pres­si­ons­hand­schuh erfor­der­lich. Die­se kann ein­tei­lig erfol­gen; aus hygie­ni­schen Grün­den ist eine zwei­tei­li­ge Ver­sor­gung – Hand­schuh und Arm­strumpf getrennt – im doku­men­tier­ten Fall jedoch sinn­vol­ler (Abb. 5a u. b).

Hand (Abb. 6 u. 7)

Syn­d­ak­ty­lie-Ope­ra­tio­nen fin­den meist im Kleinst­kin­des­al­ter statt. Bei der Ver­sor­gung gilt dem Hei­lungs­ver­lauf der Fin­ger­zwi­schen­räu­me der ope­rier­ten Fin­ger ein beson­de­res Augen­merk, ver­bun­den mit häu­fi­gen Kon­trol­len (Abb. 6a–c).

Nach einer Ver­bren­nung mit Teil­ab­spren­gung der Hand (Abb. 7a–c) durch ille­ga­le Knall­kör­per wur­de eine kom­ple­xe Ver­sor­gung mit indi­vi­du­el­len Nach­pas­sun­gen an den Fin­gern erfor­der­lich. Im wei­te­ren The­ra­pie­ver­lauf wur­den indi­vi­du­ell her­ge­stell­te Fin­ger-Hand-Orthe­sen zur Auf­deh­nung der Kon­trak­tu­ren ange­wen­det. Bei der in Abbil­dung 8 doku­men­tier­ten Ver­sor­gung ent­stand infol­ge der Ver­brü­hung bei­der Bei­ne eine sehr star­ke Strang­bil­dung im rech­ten Knie­ge­lenk. Des­halb wur­de im rech­ten Bein der Nar­ben­kom­pres­si­ons­ho­se zusätz­lich eine Auf­la­ge aus Silon­tex – ein sehr dün­nes sili­kon­be­schich­te­tes Stoff­ma­te­ri­al – ver­näht. Wegen des hohen spas­ti­schen Tonus ist im gezeig­ten Fall eine Ver­sor­gung mit einer HTV-Sil­kon­druck­pe­lot­te, wie sie sonst in Erwä­gung gezo­gen wür­de, nicht mög­lich. Die Rest­stei­fig­keit der Sili­kon­pe­lot­te (20 Shore) ver­ur­sach­te einen höhe­ren Tonus. Stän­di­ge Bemü­hun­gen des Kin­des, die Pelot­te zu ver­schie­ben, ver­ur­sach­ten zusätz­li­che Haut­rei­zun­gen durch Rei­bungs­kräf­te – allein das Gefühl einer Sili­kon­pe­lot­te auf der Haut pro­vo­zier­te einen erheb­lich höhe­ren Tonus. Auch dün­ne Sili­kon­auf­la­gen, ob indi­vi­du­ell gefer­tigt oder in Form vor­ge­fer­tig­ter Sheets, ver­ur­sach­ten ent­spre­chen­de Reak­tio­nen und wur­den nicht tole­riert. Ein­zig eine Silon­tex-Auf­la­ge, fest in der Nar­ben­kom­pres­si­ons­ban­da­ge ver­näht, führ­te zum Erfolg.

Der in Abbil­dung 9 doku­men­tier­te Fall betrifft eine Ver­sor­gung nach Motor­rad­un­fall. Der hei­ße Aus­puff ver­ur­sach­te eine tief dritt­gra­di­ge ther­mi­sche Ver­let­zung. Die Betrof­fe­ne nimmt seit ihrem 6. Lebens­jahr an Motor­rad­ren­nen teil und woll­te schnellst­mög­lich ihr Hob­by wie­der betrei­ben. Das Ver­sor­gungs­kon­zept beinhal­tet Nar­ben­kom­pres­si­ons­ho­sen mit zusätz­li­cher Druck­pe­lot­te aus bei Rei­bung nicht schmel­zen­dem, schwerst­ent­flamm­ba­rem Mate­ri­al und für nachts zusätz­li­che Silikonauflagen.

Lap­pen­plas­ti­ken stel­len beson­de­re Anfor­de­run­gen an den Kom­pres­si­ons­druck. Beim hier doku­men­tier­ten Fall (Abb. 10) erfolg­te eine Vor­ga­be des Ope­ra­teurs, wie viel Druck in wel­chen Berei­chen des Lap­pens wir­ken darf, um eine Gefäß­schä­di­gung und somit eine Durch­blu­tungs­stö­rung des Lap­pens zu ver­mei­den. Der Ortho­pä­die-Tech­ni­ker ist in einem sol­chen Fall in Zusam­men­ar­beit mit dem Her­stel­ler der Nar­ben­kom­pres­si­ons­ban­da­ge gefor­dert, die­se Vor­ga­ben umzu­set­zen. Außer­dem ist ein Ein­schnei­den der Ver­sor­gung z. B. an den Lap­pen­rän­dern oder wie hier am obe­ren Sprung­ge­lenk zu ver­mei­den. Sehr gute Ergeb­nis­se wur­den mit dem 6‑Naht-Strumpf von Jobs­kin erreicht. Bei die­ser Tech­nik besteht der Strumpf aus meh­re­ren Stoff­tei­len, was eine opti­ma­le Pass­form und indi­vi­du­el­le Nach­pas­sun­gen bei Kör­per­ver­än­de­run­gen durch Abnä­her oder das Ein­set­zen von Erwei­te­run­gen ermöglicht.

Fuß (Abb. 11 u. 12)

Nar­ben­ver­sor­gun­gen am Fuß wer­den mit Nar­ben­kom­pres­si­ons­so­cken the­ra­piert. Vari­an­ten mit und ohne Spit­ze sind die häu­figs­ten Ver­sor­gun­gen. Eine wei­te­re Ver­sor­gungs­va­ri­an­te hat anste­le der geschlos­se­nen Spit­ze ein­zeln aus­ge­ar­bei­te­te Zehen. Die­se Form kommt zur Anwen­dung, wenn Nar­ben bis in die Zehen aus­ge­prägt sind. Zusätz­lich kön­nen Sili­kon­auf­la­gen bzw. indi­vi­du­ell gefer­tig­te Sili­kon-Druck­pe­lot­ten die Ver­sor­gung ergän­zen (Abb. 11a u. b).

Ver­sor­gun­gen nach Vor­fuß­ver­lust for­dern im The­ra­pie­ver­lauf weit mehr als „nur“ eine Nar­ben­kom­pres­si­on. Mit die­ser beginnt die Ver­sor­gungs­ket­te. Zusät­ze wie Reiß­ver­schluss, gepols­ter­ter Fuß­rü­cken mit zusätz­li­chem Silon­tex, ver­stärk­te Fer­se oder eine indi­vi­du­el­le, von der übli­chen Stumpf­ver­sor­gung abwei­chen­de Naht­füh­rung am Stump­fen­de kön­nen erfor­der­lich sein. Im Anschluss dar­an fol­gen Liner-Ver­sor­gung mit indi­vi­du­el­len Pols­te­run­gen und danach Sili­kon­fuß­pro­the­sen­ver­sor­gung. So wird dem Betrof­fe­nen ermög­licht, ohne Spe­zi­al­schu­he durchs Leben zu gehen (Abb. 12a–f).

Fazit

Die Ver­sor­gung mit Kom­pres­si­ons­ban­da­gen zur Nar­ben­the­ra­pie erfor­dert indi­vi­du­el­le, im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes maß­ge­schnei­der­te Lösun­gen und damit neben Fach­wis­sen häu­fig auch eine gehö­ri­ge Por­ti­on Krea­ti­vi­tät des Ver­sor­gers. Wenn durch eine adäqua­te Pass­form dann aber sowohl die Akzep­tanz der 23-stün­di­gen Tra­ge­dau­er pro Tag als auch der für die best­mög­li­che Aus­rei­fung der Nar­be vor­ge­ge­be­ne Kom­pres­si­ons­druck erreicht wird, belohnt dies den erhöh­ten Auf­wand. Der Gesamt­auf­wand lässt sich erheb­lich redu­zie­ren und die Ver­sor­gung beschleu­ni­gen, wenn Kom­pres­si­ons­be­klei­dung ver­wen­det wird, die vom Tech­ni­ker selbst geän­dert wer­den kann. Zusätz­li­che The­ra­pien kön­nen die Aus­rei­fung der behan­del­ten Nar­be zwar beschleu­ni­gen und ver­bes­sern, aber die Kom­pres­si­ons­be­hand­lung bleibt die tra­gen­de Säu­le im Behand­lungs­kon­zept. Daher muss die Grund­ver­sor­gung stets aus zwei glei­chen Ver­sor­gun­gen bestehen, damit eine kon­ti­nu­ier­li­che The­ra­pie gewähr­leis­tet wer­den kann. Eine lücken­lo­se Foto­do­ku­men­ta­ti­on bei jedem Kon­troll­ter­min hilft bei der Bewer­tung des Behandlungserfolges.

Der Autor:
Hol­ger Pauli
Sani­täts­haus Pau­li GmbH & Co. KG
Mann­hei­mer Str. 107–109
60327 Frank­furt
Holger.Pauli@sanitaetshaus-pauli.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Pau­li H. Nar­ben­the­ra­pie – Auf­ga­ben und Lösungs­we­ge. Ortho­pä­die Tech­nik. 2018; 69 (12): 48–52
  1. S2k-Leit­li­nie „Behand­lung ther­mi­scher Ver­let­zun­gen des Erwach­se­nen“ (AWMF-Leit­li­ni­en­re­gis­ter Nr. 044–001). Stand: 01.08.2018, gül­tig bis 01.08.2020. https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/044–001l_S2k_Thermische_Verletzungen_Erwachsene_2018-10.pdf (Zugriff am 14.11.2018)
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