Einleitung
Die heutige Welt ist reich an Kommunikationsmitteln und ‑verfahren. In Sekundenschnelle werden Bilder und Gedanken ausgetauscht und alles Mögliche analysiert und dokumentiert. So auch im Bereich der Bewegung: Auf dem Markt findet sich eine Fülle von Analysesystemen und ‑verfahren. Aber welche Bedingungen sollten diese erfüllen, damit eine reibungslose, kosteneffiziente und zielgruppengerechte Kommunikation zwischen Ärzten, Physiotherapeuten und Patienten stattfindet?
Hochkomplexe, teure Analysesysteme und ‑verfahren liefern zwar exzellente Daten, sind aber zeitaufwendig, und weder Investitions- noch Anwendungskosten werden von den Krankenkassen übernommen. Für den Alltag werden daher eher einfache Analyse-Instrumente benötigt, die treffsichere und eindeutige Resultate liefern und auch bei unregelmäßigem Gebrauch einfach zu bedienen sind.
Seit einigen Monaten werden den Patienten und Kunden des Unternehmens des Autors deren Bewegungen und Statik mit unterschiedlichen Apps auf einfache Weise vermittelt. Der Fokus liegt auf Hudl Technique, Coach’s Eye und SloPro. Jede dieser Apps unterstützt die einfache Kommunikation zwischen Physiotherapeuten und Ärzten, da sowohl auf dem Smartphone als auch auf dem Tablet dieselben Anwendungen installiert werden.
So kann jede Ganganalyse in Sekundenschnelle den Kommunikationspartnern sowie den Kunden direkt zur Verfügung gestellt werden. Die Apps stellen für viele Fragestellungen der täglichen Anwendung eine sehr einfache Analyseform dar, die bei hoher Transparenz, minimalem zeitlichem Aufwand und geringen Investitionskosten eine günstige Alternative zu aufwendigen apparativen Systemen bildet. Je nach Anforderung wählt der Benutzer seine App nach Oberfläche oder Benutzerfreundlichkeit aus.
Was und wie soll analysiert werden?
Der Umgang mit Smartphones, Tablets und Apps ist für jüngere Menschen eine Selbstverständlichkeit und für die anderen bei innovationsfreundlicher Grundhaltung meist rasch erklärt und einfach erlernt.
Damit mit den Apps eine treffsichere Analyse möglich wird, sind einige technische und biomechanische Kriterien zu beachten, die im Folgenden aufgezeigt werden.
Technische Kriterien
Bei der Objekterfassung muss die eigene Körperposition beachtet werden, das heißt, dass für vergleichende Analysen alle Aufnahmen möglichst in gleicher Form, also je nach Fragestellung im Stehen oder in der Hocke aufzunehmen sind.
Damit der Kamerawinkel immer gleich bleibt, hilft es, Markierungen mit Malerklebeband auf dem Boden anzubringen, z. B. für Ganglinien, Distanzangaben, Kameraposition etc.
Der Kunde sollte keine schwarze Kleidung tragen, weil anschließend keine sinnvolle Winkelausmessung auf dem Smartphone bzw. Tablet erfolgen kann.
Der Film-Hintergrund der Aufnahme muss beachtet werden: Je neutraler, desto besser ist die spätere Orientierung, besonders auf kleinen Bildschirmen (Abb. 1).
Biomechanische Kriterien
Die folgende Auflistung muss gegebenenfalls analysespezifisch individuell ergänzt werden.
- Wie stehen die Füße zur Gangachse? (außenrotiert, neutral, innenrotiert)
- Aufsetzen des Fersenbeines (nach innen gekippt, neutral, nach außen gekippt)
- Eintauchmomente im Längsgewölbe (wie stark/symmetrisch links/rechts)
- „Spur“-Breite (breit, neutral, Absätze touchieren)
- Regelmäßigkeit der Schrittlänge (Ist sie rhythmisch [hörbar], oder tritt ein Hinken auf?)
- Schrittabwicklung (läuft über Mittelfuß und Vorfuß oder nur Vorfuß)
- Schrittdämpfung/Bremsung (tritt hart auf dem Absatz auf, geht gedämpft über Absatz, Mittel- und Vorfuß)
- X- oder O‑Beine
- Körperneigung/Pendeln (nach vorne, nach hinten, zur Seite, symmetrisch)
- Armbewegung (symmetrisch, asymmetrisch, verkrampft)
- Schulterbewegung (Gegenbewegung, starr)
- Kopfhaltung gegenüber Schulter (Lotabweichungen) (Abb. 2)
Verständliche Auswertung
Ist die Aufnahme erstellt und vom Anwender analysiert, muss das Ergebnis dem Patienten/Kunden auf leicht verständliche Weise erläutert werden. Für eine sinnvolle Auswertung bzw. Argumentation sind folgende Faktoren zu berücksichtigen:
- Wer ist der Adressat, die Zielgruppe? (Kunde/Arzt)
- Werden die altersabhängigen Gang- oder Bewegungsspezifikationen erklärt bzw. verstanden?
- Gibt es eine eindeutige Fragestellung hinsichtlich des Problems?
- Ist die manuelle Patientenanamnese (Winkelprüfungen, Muskelstatustest etc.) im Kontext mit der apparativen Analyse?
- Kann der Kunde die sportspezifisch bekannte Parametrisierung nachvollziehen? Erkennt er in Form eines Spiegeleffekts seine Bewegungen gegenüber dem möglichen Optimum?
- Ist die Analyse für alle Beteiligten wirklich verständlich, berücksichtigen alle die gleichen Kriterien?
Lernprozess mit Apps: methodischer und didaktischer Wert
Die Anwendung einer App in der Bewegungsanalyse fördert das gefahrlose und entspannte Ausprobieren. Schon eine Kaffeepause eignet sich, um Ergebnisse nochmals zu prüfen, das Handling zu üben oder Verbesserungen nachzugehen.
Grundsätzlich nimmt es Zeit in Anspruch, etwas Neues zu lernen. Seit der Einführung von Apps wurde der Aufwand für das Lesen und Verstehen von Gebrauchsanweisungen praktisch auf null reduziert und das blitzschnelle Begreifen markant gefördert. Dabei unterstützen Tutorials und Foren die Problemlösung und tragen viel zur Inspiration im Lernprozess bei.
Lernprozess mit Apps
Die Auswahl der App erfolgt nach persönlichen Bedürfnissen. Jede App hat endazu für den Lerneinstieg eine Vorschau und bietet teilweise Kommentare von Anwendern, welche die Auswahl begrenzen und unterstützen; Bewertungen erfolgen durch User.
Der App-Einstieg sollte duch eine gezielte Programmführung stattfinden und qualifiziert eine App als tauglich oder untauglich ansprechend oder weniger ansprechend.
Dank der vielen Beispiele in Tutorials und in Foren lernt der user, Analyseprozesse zu kopieren, oder findet sogar einen verbesserten Einsatz. In der Lernmethodik spricht man dabei vom ANimationsprozess, der zum Ausprobieren, Weiterentwickeln und Mitgestalten beiträgt und somit den persönlichen Wissensfundus auf spielerische Weise ergänzt.
Praktischer Wert von Apps
- preisgünstig oder sorgar kostenlos (Basisversion)
- geeignet für gegenseitige Kommunikation, da verschiedenste Anwender beteiligt werden können
- einfacher Datentransfer an Kunden, Ärzte und Therapeuten
- schnell und mehrmals abrufbar
- geeignetes Medium auch zur Reflexion seltener Lernsequenzen (für Lernende)
- personalisierte Analysen und Tipps: Anziehhandling für Prothesen und Orthesen, rasche Demonstration von Übungen für den Patienten, der diese evtl. auf seinem Smartphone abspeichern kann, individualisierte Gebrauchsanweisungen
Vergleich von Apps mit Highspeed-Kameras
Derzeit unterscheidet sich die Bildqualität von Highspeed-Kameras und Smartphone-Kameras noch deutlich. Für die meisten Fragestellungen des Alltags ist die Auflösung moderner Smartphone-Kameras zwar völlig ausreichend. Dennoch werden die Unterschiede im Folgenden kurz aufgeführt:
Highspeed-Kameras
- Highspeed-Kameras mit 1.800 Bildern/Sekunde und 5 Megapixeln kosten rund 900 Euro.
- Sie generieren hohe Datenmengen, die durch hoch getaktete Kameras noch deutlich vergrößert werden.
- Optimale Bildqualität wird nur durch Beleuchtung mit Kaltlichtstrahlern erreicht. Dadurch ergibt sich eine gleichmäßige und schattenfreie Ausleuchtung des Analysebereichs.
- Damit einher gehen aufwendige Positionierung, begrenzte Mobilität und meist hoher Installationsaufwand.
- Hinzu kommen teure Soft- und Hardware-Updates.
Smartphones mit App-Technik
- Datenmengen können einfach via Cloud gespeichert werden
- überall installierbar ohne aufwendige Zusatzhilfsmittel oder Lichtquellen
- schnelle Kommunikation mit Ärzten, Therapeuten und Kunden
- Anschaffungs- und App-Kosten sehr gering
- dauerhafte Gewährleistung von Updates
- Mitentwicklung und Bewertung der Apps durch User, dadurch Gewährleistung permanenter Aktualität
- Bildauflösung abhängig von der Kameraqualität des Smartphones bzw. Tablets
Wahl der App
Im Unternehmen des Verfassers werden Apps aus dem Foto‑, Video- und Sportbereich verwendet, die bereits in einschlägigen PC- bzw. Mac-Magazinen ausführlich getestet wurden. Die unten vorgestellten Apps sind meist in der Basis-Version kostenlos und nur in der Pro-Version kostenpflichtig. Für das Einzeichnen und Vermessen von Winkeln beispielsweise muss die Pro-Version installiert werden, die zwischen 10 und 15 Euro kostet.
Empfehlenswerte Apps für die Betriebssysteme Android und iOS sind:
- Coach’s Eye
- Hudl Technique
- SloPro
Alle drei Apps haben den Vorteil, dass zwei Aufnahmen synchronisiert und gleichzeitig auf dem Smartphone dargestellt werden können (duale Bilddarstellung). Somit können Versorgungen verglichen und Sequenzen verlangsamt oder gar im Standbild betrachtet werden, sodass auch der Laie nachvollziehen kann, wie sich beispielsweise das Gangbild mit oder ohne Hilfsmittel darstellt (Tab. 1).
Fazit
Für den Alltagsgebrauch ist teure hochmoderne Technologie häufig wenig nützlich, wenn dem Kunden die Ergebnisse nicht verständlich vermittelt werden können, sofern zur Beurteilung der Daten eine entsprechende Vorbildung erforderlich ist. Bisweilen führt Hightech sogar dazu, dass nicht mehr der Anwender, sondern der Computer vorgibt, welche Parameter analysiert werden. Vor allem aber sind aufwendige Analysen zeitintensiv und daher oft sowohl für den Mitarbeiter als auch für den Kunden unattraktiv.
Smartphones, Tablets und Apps sind zeitgemäße Lösungen. Sie finden Platz in der Tasche oder sogar Hosentasche, werden automatisch aktualisiert bzw. weiterentwickelt, sind nahezu überall einsatzbereit, und das alles bei erfreulich niedrigen Einstandskosten.
Der Autor:
Christian Roth
Eidg. dipl. Orthopädist CPO – FA-Ausbilder
Roth4foot GmbH
Poststraße 3
CH-9100 Herisau
roth@roth4foot.ch
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
Roth Ch. Mobile Bewegungsanalyse dank Smartphone und Tablet. Orthopädie Technik, 2015; 66 (12): 46–49
Coach’s Eye | Ubersense (Hudl) | SloPro | |
---|---|---|---|
Betriebssystem | iOS und Android | iOS und Android | iOS und Android |
Sprache | Englisch/Deutsch | Englisch/Deutsch | Englisch/Deutsch |
Homepage des Herstellers | coachseye.com | ubersense.com | sloproapp.com |
Aufnahme direkt aus der App | ja | ja | ja |
Videoimport | ja | ja | ja |
Slow-Motion-Wiedergabe | 1/2, 1/4, 1/8 | 1/2, 1/4, 1/8 | slow, slower, slowest, fast, faster, fastest |
Zoomfunktion | ja | ja | ja |
Winkelmessung | gegen Aufpreis | ja | gegen Aufpreis |
Duales Bild, Video neben Video | Basisversion: nein | ja | Basisversion: nein |
Video-Synchronisierung | ja | ja | ja |
Videos in Aufnahmeordner speichern | ja | ja | ja |
Videos per Mail senden | Basisversion: nein | ja | Basisversion: nein |
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