OT: Herr Grun, montags sind Sie auf der digitalen Delegiertenversammlung gewählt worden, am Mittwoch haben Sie sich dem Fach in der neuen Rolle des Vorsitzenden des Berufsbildungsausschusses im Rahmen der Eröffnung der Jugend.Akademie auf der OTWorld.connect präsentiert. Wie verlief für Sie der Einstieg in Ihre neue Aufgabe?
Lars Grun: Um es kurz auf den Punkt zu bringen: sehr schnell. Leider konnten wir in der OTWorld.connect nicht sehen, wie viele Menschen die Liveschalte verfolgen. Fragen wurden keine gestellt. So haben wir keine wirkliche Rückmeldung erhalten. Ich bin gespannt auf die Auswertungen.
OT: Stichwort OTWorld.connect: Die Teilnehmenden der Jugend.Akademie hatten auf Grund der digitalen Ausgestaltung die Möglichkeit, alle Kongressvorträge und Workshops zu verfolgen, statt ausgewählte Vorträge zu besuchen. Hatten Sie das Gefühl, dass diese Wahlfreiheit genutzt wurde oder sollte es in Zukunft wieder ein mehr zielgerichtetes Programm geben?
Grun: Ich persönlich habe es klasse gefunden, zwischen den Vorträgen hüpfen zu können oder auch mal „kurz“ reinschnuppern zu können. Als großen Vorteil finde ich es auch, dass man sich die Vorträge jetzt nochmal anschauen kann.
OT: Wie würden Sie den aktuellen Stand der Aus- und Fortbildung im Fach beschreiben?
Grun: Ich glaube, dass sich unser Fach nicht im Bereich der Aus- und Fortbildung verstecken muss. Der Versorgungsbereich in der OT ist riesig. Die Möglichkeit ein „Modell“ zu erstellen, vervielfacht sich. Vom Gipsen über Scannen oder gleich in den 3D-Drucker … Welches Handwerk bietet solche Möglichkeiten und Verfahren? Wir müssen uns im Bereich der Fort- und Weiterbildung für die Zukunft rüsten.
OT: Wo sehen Sie Potenziale für eine Verbesserung der fachlichen Ausbildung?
Grun: Meiner Meinung nach sollte die handwerkliche Fähigkeit, Hilfsmittel ordentlich und sauber zu fertigen und der Umgang mit den Materialien mehr in den Fokus für alle Auszubildenden rücken. Wir müssen sicherstellen, dass ein Auszubildender in einem kleinen Sanitätshaus die gleichen Kompetenzen vermittelt bekommt wie ein Auszubildender in einem großen Unternehmen. Und umgekehrt!
OT: Welche Trends der Branche müssen sich in Zukunft auch im Lehrplan der Auszubildenden wiederfinden?
Grun: Das digitale Abformen von Körperteilen und die Modellerstellung müssen vermittelt werden. Aber auch das händische Ver- und Anformen von Metall sollte wieder in den Fokus rücken.
OT: Ein zentrales Anliegen des ZDH ist es, berufliche und akademische Ausbildung gleichzustellen. Eine der geforderten Maßnahmen ist es beispielsweise, dass Auszubildende während ihrer Lehrzeit über die Eltern krankenversichert sein sollen. Halten Sie das für eine sinnvolle Forderung und was wäre noch wünschenswert, um die berufliche Bildung zu stärken?
Grun: Die berufliche und akademische Ausbildung gleichzustellen, finde ich gut und notwendig. Es bringt uns nichts, wenn wir überschwemmt werden von Akademikern, aber niemand mehr in der Werkstatt eine Prothese richtig aufbauen oder die Schienen anrichten kann. Wenn wir hier das gesunde Mittelmaß finden, wäre das gut. Der Forderung, dass Auszubildende dieselbe Unterstützung wie Studierende erhalten sollten, kann ich mich voll und ganz anschließen.
OT: Die Digitalisierung des Fachs ist in vollem Gange. Spätestens jetzt ist klar, dass für eine gute und zeitgemäße Versorgung auch die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen bei den Versorgern vorhanden sein muss. Haben die Betriebe das erkannt und bilden sie ihre Mitarbeitenden entsprechend weiter?
Grun: Mir fällt dazu ein Sprichwort ein „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“. Der Fortschritt in unserem Handwerk ist rasant. In den vergangenen 20 Jahren hat sich viel verändert. Wer sich nicht ständig weiterbildet, wird den Anschluss verpassen. Ich persönlich kenne niemanden, der den Anschluss in unserem Handwerk verpasset hat. Jeder, mit dem ich spreche, setzt sich für Weiterbildung ein und sieht das als sehr notwendig an.
OT: Ein Ort, der diese Fort- und Weiterbildung anbietet, ist die Bundesfachschule für Orthopädie-Technik in Dortmund. Sehen Sie die BUFA für die kommenden Jahre gut aufgestellt?
Grun: An der BUFA, unserem Leuchtturm der Wissensvermittlung, haben wir ein breites und hochkarätiges Aus‑, Fort- und Weiterbildungsprogramm. Die Fortbildung an der BUFA ist nicht herstellerbezogen, sondern fachbezogen aufgebaut. Es herrscht eine Herstellerneutralität und der Patient und die Versorgung stehen im absoluten Mittelpunkt von jedem Seminar. Es werden nicht nur Zertifizierungsseminare gemacht, sondern es findet auch Versorgungsforschung an den angeschlossenen Instituten statt. Daher denke ich, dass die Bundesfachschule für Orthopädie-Technik, unsere Schule des Faches, für die Zukunft gestärkt ist und bleibt.
OT: Wie kann man sich außerdem über den neuesten Stand der Versorgungstechnik informieren?
Grun: Neugierig bleiben. Seminare der BUFA besuchen – und wo Sie schon so fragen: Mit dem neuen Fachportal der OT können sich jetzt auch alle Auszubildenden schneller und fundiert über die Entwicklungen im Fach informieren. Die OT selbst ist und bleibt für mich Pflichtlektüre.
Die Fragen stellte Heiko Cordes.
- Handwerkszeichen in Gold für Wollseifer — 20. Februar 2023
- Programmkomitee nimmt Arbeit für OTWorld 2024 auf — 13. Februar 2023
- Austausch auf Augenhöhe — 8. Februar 2023