Kom­pres­si­ons­the­ra­pie: Was ist wich­ti­ger – Druck oder Stiffness?

H. Partsch
Die wichtigsten Voraussetzungen für eine effiziente Kompressionstherapie der unteren Extremitäten sind ein mäßiger, gut tolerierbarer Ruhedruck sowie ein hoher Druck im Stehen und beim Gehen. Dieses Qualitätskriterium kann durch Invivo-Messungen des „Static Stiffness Index“ (SSI) beurteilt werden, welcher durch die Differenz zwischen Andruck im Stehen minus Liegen definiert ist. Kompressionsmittel mit hoher Stiffness sind hämodynamisch wirksamer als elastisches Material, besonders beim Gehen, und haben einen stärkeren Massageeffekt, der Lymphdrainage und Mikrozirkulation fördert. Beispiele für Kompressionsmittel mit hoher Stiffness sind unelastische Kurzzugbandagen und MehrkomponentenVerbände mit kohäsiver oder adhäsiver Beschichtung. VelcroBand-Kompressionsbinden können eine gute Alternative darstellen.

Begriffs­be­stim­mun­gen

Druck

Der Druck ist ein Maß für den Wider­stand, den Mate­rie einer Ver­klei­ne­rung des zur Ver­fü­gung ste­hen­den Rau­mes ent­ge­gen­setzt, und ent­spricht der Kraft, die senk­recht auf eine Bezugs­flä­che wirkt. Mess­ein­heit ist das Pas­cal (1 Pa = 1 N/m², 133,32 Pa = 1 mmHg). Bei kon­stan­ter Kraft ist der Druck bei einer klei­nen Auf­la­ge­flä­che hoch, bei einer gro­ßen Auf­la­ge­flä­che klein. An einer Stel­le der Extre­mi­tät mit star­ker Krüm­mung (klei­nem Krüm­mungs­ra­di­us) wird der Andruck dem­nach hoch sein, bei einem gro­ßen Krüm­mungs­ra­di­us dage­gen klein (Gesetz von Laplace: Andruck ist direkt pro­por­tio­nal der Kraft und indi­rekt pro­por­tio­nal dem Radius).

Anzei­ge

Stiff­ness

Nach einem Euro­päi­schen Norm­pa­pier wird Stiff­ness fol­gen­der­ma­ßen defi­niert: „Anstieg des Kom­pres­si­ons­drucks pro Anstieg des Extre­mi­tä­ten­um­fan­ges, aus­ge­drückt in Hec­to­pas­cal pro cm oder mmHg/Zentimeter” 1. Im kli­ni­schen All­tag bezeich­net Stiff­ness dem­nach den Druck­an­stieg unter einem Kom­pres­si­ons­mit­tel, der bei einer Umfangs­zu­nah­me der Extre­mi­tät, etwa durch Mus­kel­an­span­nung beim Auf­ste­hen aus dem Lie­gen oder beim Gehen, auftritt.

Mess­me­tho­den

Labor

Für Kom­pres­si­ons­strümp­fe gilt in Deutsch­land die RAL-Norm als Stan­dard. Eine stich­pro­ben­ar­ti­ge Über­prü­fung von Mar­ken-Kom­pres­si­ons­strümp­fen erfolgt in regel­mä­ßi­gen Abstän­den durch das Tex­til­for­schungs­in­sti­tut in Hohen­stein, was eine Vor­aus­set­zung für die Zuer­ken­nung des Güte­zei­chens für medi­zi­ni­sche Kom­pres­si­ons­strümp­fe dar­stellt 2.

Für Kom­pres­si­ons­strümp­fe wird die jewei­li­ge von den Fir­men dekla­rier­te Druck­klas­se mit Hil­fe von Kraft-Deh­nungs-Kur­ven bestimmt, die mit­tels geeig­ne­ter Instru­men­te (Exten­sio­me­ter) gewon­nen wer­den. Ent­spre­chend den gemes­se­nen Bein-Umfangs­ma­ßen wer­den Druck­wer­te errech­net, wel­che als die auf der Ver­pa­ckung notier­te Druck­klas­se, jeweils bezo­gen auf den gerings­ten Bein­um­fang im Knö­chel­be­reich (B‑Maß), ange­ge­ben wer­den. Es wird ein Druck­gra­di­ent gefor­dert, dem­zu­fol­ge der Druck am pro­xi­ma­len Unter­schen­kel je nach Kom­pres­si­ons­klas­se nur mehr 50 bis 80 %, am pro­xi­ma­len Ober­schen­kel 20 bis 60 % im Ver­gleich zum Druck bei B betra­gen darf. Bedau­er­li­cher­wei­se wird bei der Dekla­rie­rung auf Anga­ben über die Elas­ti­zi­tät (Stiff­ness) des ver­wen­de­ten Strumpf­ma­te­ri­als bis­her ver­zich­tet 3.

Für Kom­pres­si­ons­bin­den wird die maxi­ma­le Dehn­bar­keit durch Exten­sio­me­ter-Mes­sun­gen bestimmt 4, wonach eine Klas­si­fi­zie­rung in Kurz­zug- (< 100 %) und Lang­zug-Bin­den (> 100 %) getrof­fen wer­den kann. Obwohl der von einer Bin­de aus­ge­üb­te Druck von dem bei Ver­bands­an­la­ge aus­ge­üb­ten Zug und vom Bein­um­fang und nicht pri­mär vom Bin­den­ma­te­ri­al abhängt, wer­den fälsch­li­cher­wei­se immer wie­der, etwa in der bri­ti­schen Norm, bestimm­te Pro­duk­te einem bestimm­ten Druck­be­reich zuge­ord­net 5.

Hirai und Mit­ar­bei­ter in Japan haben ein ein­fa­ches Ver­fah­ren ent­wi­ckelt, um die Stiff­ness von Strümp­fen und Ban­da­gen zu mes­sen 6. Dabei han­delt es sich um ein Modell­bein mit einem Schlitz in Längs­rich­tung, wel­cher durch einen Hebel um 0,5 cm ver­brei­tert wer­den kann, sodass der Umfang des Bein­mo­dells um 1 cm wächst (Abb. 1). Wird ein Kom­pres­si­ons­strumpf oder ein Ver­band über das Modell appli­ziert, so kann nicht nur der Ruhe­druck, son­dern auch die Druck­zu­nah­me bei einer Quer­deh­nung um 1 cm gemes­sen wer­den, die defi­ni­ti­ons­ge­mäß der Stiff­ness entspricht.

Abbil­dung 2 zeigt Druck­kur­ven unter 2 Strumpf­mo­del­len, die prak­tisch den­sel­ben Ruhe­druck um 30 mmHg aus­üben, sich aber bezüg­lich der Ampli­tu­den­hö­hen bei Umfang­zu­nah­me des Modell­beins um 1 cm (= Stiff­ness) klar unter­schei­den. Der Druck­an­stieg ist beim obe­ren Modell deut­lich höher, auch wenn durch schnel­le Hebel­be­we­gun­gen Gehen simu­liert wird. Die höhe­ren Druck­am­pli­tu­den bewir­ken einen stär­ke­ren Mas­sa­ge­ef­fekt beim Gehen, der dem Anwen­der man­gels einer ent­spre­chen­den Kenn­zeich­nung auf der Ver­pa­ckung ver­bor­gen bleibt.

Mes­sun­gen am Bein

Was für den Pati­en­ten mehr zählt als theo­re­ti­sche, im Labor gewon­ne­ne Wer­te, sind die Druck­wer­te, die auf die Extre­mi­tät ein­wir­ken und – in Ana­lo­gie zu einem Medi­ka­ment – die Dosis der The­ra­pie bestim­men. Heu­te steht eine Rei­he von Gerä­ten zur Ver­fü­gung, mit denen man zumin­dest für bestimm­te inter­es­sie­ren­de Regio­nen den Druck eines Kom­pres­si­ons­mit­tels auf die Extre­mi­tät recht gut abschät­zen kann. Ver­gleichs­mes­sun­gen haben gezeigt, dass unter den getes­te­ten Gerä­ten der Druck­ab­neh­mer von Pico­press® (Micro­lab Ita­lia), der auch län­ge­re Zeit am Bein belas­sen wer­den kann und mit dem auch dyna­mi­sche Druck­ver­läu­fe regis­triert wer­den kön­nen, für Mes­sun­gen beson­ders geeig­net ist 7. Bei ver­nünf­ti­ger, sach­ge­rech­ter Anwen­dung ist das Gerät theo­re­ti­schen Ein­wen­dun­gen zum Trotz 8 imstan­de, eben­so wie etwa eine metho­do­lo­gisch eben­so angreif­ba­re kon­ven­tio­nel­le Blut­druck­mes­sung sehr aus­sa­ge­kräf­ti­ge Infor­ma­tio­nen zu lie­fern. Der­ar­ti­ge Druck­mess­ge­rä­te sind nicht nur idea­le Trai­nings­hil­fen für Kom­pres­si­ons­kur­se und uner­läss­lich für wis­sen­schaft­li­che Ver­gleichs­stu­di­en ver­schie­de­ner Kom­pres­si­ons­mit­tel gewor­den, son­dern haben auch wesent­lich zum bes­se­ren Ver­ständ­nis ihrer Wir­kun­gen beigetragen.

In einer vom Inter­na­tio­nal Com­pres­si­on Club (ICC) orga­ni­sier­ten inter­na­tio­na­len Kon­sen­sus­grup­pe wur­de eine Eini­gung bezüg­lich eini­ger metho­do­lo­gi­scher Details zur Kom­pres­si­ons­druck­mes­sung erzielt 9. Dies war die Vor­aus­set­zung für den Ver­such, Kom­pres­si­ons­ver­bän­de auf­grund von In-vivo-Druck­mes­sun­gen zu klas­si­fi­zie­ren 10.

Die wich­tigs­ten Ergeb­nis­se die­ser bei­den Kon­sen­sus­pa­pie­re wer­den im Fol­gen­den kurz zusam­men­ge­fasst (Details sie­he unter www.icc-compressionclub.com):

  1. Der Druck eines Kom­pres­si­ons­ver­ban­des am Bein hängt vor allem von der Kraft beim Anle­gen und vom Krüm­mungs­ra­di­us des Beins ab, nicht vom Bindenmaterial.
  2. Zum Zweck eines gemein­sa­men Begriffs­ver­ständ­nis­ses wur­de emp­foh­len, Ver­bän­de mit einem Kom­pres­si­ons­druck von < 20 mmHg als „leicht” zu bezeich­nen, sol­che mit 20–40 mmHg als „mit­tel­stark”, mit 40–60 als „stark” und über 60 mmHg als „sehr stark”
  3. Es soll­ten Bin­den­la­gen von Ver­bands­kom­po­nen­ten unter­schie­den wer­den. Auf­grund einer Über­lap­pung der Bin­den­tou­ren ist jeder Ver­band mehr­la­gig, kann aber aus nur einer oder meh­re­ren Kom­po­nen­ten bestehen. Der soge­nann­te Four-Lay­er-Ver­band besteht aus 4 Kom­po­nen­ten, die Anzahl der Schich­ten ist wesent­lich höher.
  4. Die elas­ti­schen Eigen­schaf­ten des Fer­tig­ver­ban­des unter­schei­den sich von jenen der ein­zel­nen Bestand­tei­le und kön­nen nur durch Mes­sung der Stiff­ness am Bein beur­teilt werden.

„Stiff­ness” ver­sus  „elas­tisch und unelastisch”

Bevor­zug­ter Mess­punkt für die Druck­mes­sung eines Kom­pres­si­ons­mit­tels am Bein ist B1, also jene Stel­le, an der der mus­ku­lä­re Anteil des media­len Gas­tro­c­ne­mi­us­mus­kels in die Achil­les­seh­ne über­geht. Das ist jene Stel­le, wo der Unter­schen­kel­quer­schnitt am ehes­ten eine kreis­för­mi­ge Kon­fi­gu­ra­ti­on auf­weist, und auch jene Posi­ti­on, die bei Bewe­gung im Sprung­ge­lenk die größ­te Umfangs­zu­nah­me zeigt 11 und sich somit am bes­ten zur Beur­tei­lung der Stiff­ness eig­net. Zum erheb­li­chen Teil ist eine Zunah­me des Kom­pres­si­ons­dru­ckes an die­ser Stel­le durch das Vor­sprin­gen der Seh­ne bei Dor­sal­fle­xi­on bedingt, wodurch sich der loka­le Krüm­mungs­ra­di­us ver­klei­nert und der Druck nach dem Gesetz von Laplace ansteigt. Zusätz­lich zu die­sem varia­blen Fak­tor spie­len auch die jewei­li­ge Mus­kel­kraft und die Kon­sis­tenz des kom­pri­mier­ten Gewe­bes eine Rol­le, wes­halb die am Bein gewon­ne­nen Wer­te eine erheb­li­che inter­in­di­vi­du­el­le Vari­anz auf­wei­sen. Mes­sun­gen, die am sel­ben Mess­ort am sel­ben Bein durch­ge­führt wer­den, sind aber sehr aus­sa­ge­kräf­tig. So zeigt zum Bei­spiel Abbil­dung 3 eine fort­lau­fen­de Regis­trie­rung des Dru­ckes unter einem Kom­pres­si­ons­strumpf und unter einem unelas­ti­schen Ver­band am sel­ben Pati­en­ten über dem Punkt B1 im Lie­gen, unter Bewe­gung im Sprung­ge­lenk, im Ste­hen sowie beim Gehen. In bei­den Fäl­len kommt es zu einem Anstieg des Dru­ckes bei Mus­kel­kon­trak­ti­on unter Bewe­gung, aber auch schon durch das blo­ße Auf­ste­hen. Die Druck­an­stie­ge unter Dor­sal­fle­xi­on wur­den als „Dyna­mic Stiff­ness Index” (DSI) bezeich­net, der Druck­an­stieg beim Auf­ste­hen aus dem Lie­gen als  „Sta­tic Stiff­ness Index” (SSI) 12 13.

Es wur­de gezeigt, dass die Umrech­nung auf eine Umfangs­zu­nah­me von 1 cm kei­nen prak­ti­schen Infor­ma­ti­ons­ge­winn dar­stellt und dass SSI-Wer­te > 10 höhe­re Stiff­ness bedeu­ten („unelas­tisch”), Wer­te < 10 eher nied­ri­ge­re Stiff­ness („elas­tisch”) 14.

Es wur­de emp­foh­len, die Bezeich­nun­gen „elas­tisch” und „unelas­tisch” für ein­zel­ne Bin­den und die Bezeich­nung „Stiff­ness” im Zusam­men­hang mit Mehr­kom­po­nen­ten­ver­bän­den zu ver­wen­den. Besteht ein Fer­tig­ver­band aus ver­schie­de­nen elas­ti­schen Bin­den wie etwa der „Four-Lay­er-Ban­da­ge”, kann die elas­ti­sche Eigen­schaft des End­pro­duk­tes nur durch eine Invi­vo-Mes­sung wie beschrie­ben beur­teilt wer­den. Der­ar­ti­ge Ver­bän­de wei­sen SSI-Wer­te über 10 auf 15, wobei die hohe Stiff­ness des Ver­bands durch die Rei­bung zwi­schen den Ver­band­schich­ten erklärt wer­den kann. Kohä­si­ve und adhä­si­ve Beschich­tun­gen füh­ren stets zu einer hohen Stiffness.

Kli­ni­sche Konsequenzen

Unter­su­chung an Pati­en­ten haben gezeigt, dass zur Ödem­be­kämp­fung 16, zur Reduk­ti­on von venö­sen Reflu­xen 17 sowie für eine ver­bes­ser­te venö­se Pump­leis­tung 18 Kom­pres­si­ons­mit­tel mit höhe­rer Stiff­ness wirk­sa­mer sind als elas­ti­sche Pro­duk­te, auch dann, wenn der Ruhe­druck gleich war. Mes­sun­gen der Aus­wurf­frak­ti­on der Waden­pum­pe bei Pati­en­ten mit chro­ni­scher Venen­in­suf­fi­zi­enz zeig­ten eine posi­ti­ve Kor­re­la­ti­on mit den Kom­pres­si­ons­drü­cken und mit der Stiff­ness 19. Das liegt dar­an, dass im Ste­hen und im Gehen mit „stei­fen” Ver­bän­den wesent­lich höhe­re Druck­wer­te erzielt wer­den als etwa mit elas­ti­schen Kom­pres­si­ons­strümp­fen. Nach einer Woche fällt der Druck eines stei­fen Ver­ban­des im Lie­gen wesent­lich stär­ker ab als im Ste­hen und Gehen, wor­aus sich die zu die­sem Zeit­punkt noch immer vor­han­de­ne hämo­dy­na­mi­sche Wirk­sam­keit erklärt 20.

Mit­tels Magnet­re­so­nanz-Unter­su­chun­gen im Ste­hen 21 konn­te gezeigt wer­den, dass in der Regel erst Drü­cke über 70 mmHg zu einer Venen­ein­en­gung füh­ren, wel­che die Vor­aus­set­zung für eine hämo­dy­na­mi­sche Wirk­sam­keit dar­stellt. Der­ar­tig hohe Druck­wer­te wer­den vom Pati­en­ten nur mit Kom­pres­si­ons­mit­teln tole­riert, die eine hohe Stiff­ness auf­wei­sen. Sol­che Sys­te­me kön­nen auch als „intel­li­gen­te Kom­pres­si­on” bezeich­net wer­den, da sie in Ruhe tole­rier­ba­re Drü­cke auf­wei­sen und sich beim Auf­ste­hen auto­ma­tisch an das Erfor­der­nis anpas­sen, dem hydro­sta­tisch bedingt höhe­ren intra­ve­nö­sen Druck ent­ge­gen­zu­wir­ken. Woll­te man der­ar­tig hohe Drü­cke mit elas­ti­schem Mate­ri­al erzie­len, müss­ten Ruhe­drü­cke von über 60 mmHg ange­wen­det wer­den, was auf­grund der elas­ti­schen Rück­stell­kraft nicht tole­riert wür­de. Gleich­zei­tig wer­den unter den hohen Drü­cken im Ste­hen patho­lo­gi­sche venö­se Reflu­xe bei Venen­klap­pen­in­suf­fi­zi­enz redu­ziert 22. Ver­bän­de mit hoher Stiff­ness bewir­ken im Gehen eine inter­mit­tie­ren­de Venen­ein­en­gung jeweils am Höhe­punkt der Mus­kel­an­span­nung, wodurch ver­mehrt Blut hoch­ge­pumpt wird 23. Nach­dem die Waden­mus­kel­ve­nen wesent­lich mehr Blut spei­chern als die dista­len Unter­schen­kel­ve­nen, bewirkt ein höhe­rer Druck über der Waden­mit­te eine aus­ge­präg­te­re Zunah­me der venö­sen Pump­leis­tung als ein gra­du­ier­ter Druck­ver­lauf 24. Ein Anstieg der Aus­wurf­leis­tung der venö­sen Waden­mus­kel­pum­pe konn­te auch bei venen­ge­sun­den Sport­lern gezeigt wer­den, wenn unnach­gie­bi­ge Vel­cro­Bän­der über Sport­s­trümp­fe gewi­ckelt wer­den 25.

Der soge­nann­te „Mas­sa­ge­ef­fekt” von Kom­pres­si­ons­mit­teln mit höhe­rer Stiff­ness, also eine höhe­re Druck­am­pli­tu­de bei Bewe­gung, spielt kli­nisch vor allem beim Lymph­ödem eine wich­ti­ge Rol­le. Des­halb wer­den in der Lym­pho­lo­gie flach­ge­strick­te Kom­pres­si­ons­strümp­fe, die oft maß­ge­fer­tigt sind, bevor­zugt. Nach dem Gesetz von Pas­cal kommt es bei einem Druck­an­stieg in einem geschlos­se­nen, unnach­gie­bi­gen Behäl­ter zu einer Druck­ver­tei­lung nach allen Rich­tun­gen. Bei immo­bi­len Pati­en­ten, etwa Roll­stuhl­pa­ti­en­ten mit oft mas­si­ven Bein­öde­men, füh­ren kleins­te, auch durch Ange­hö­ri­ge oder Pfle­ge­per­so­nal aus­ge­führ­te Bewe­gun­gen, aber auch schon Atmen oder Betä­ti­gen der Bauch­pres­se unter stei­fen Kom­pres­si­ons­mit­teln zu einem Mas­sa­ge­ef­fekt. Ent­ge­gen dem kon­ven­tio­nel­len Dog­ma, dass Kurz­zug-Kom­pres­si­on nur im Gehen, nicht aber in Ruhe wirk­sam sei, bevor­zugt der Ver­fas­ser bei der­ar­ti­gen Pati­en­ten unnach­gie­bi­ges Mate­ri­al, das nach Locker­wer­den im Abstand von eini­gen Tagen gewech­selt wird 26. Der Mas­sa­ge­ef­fekt dürf­te nicht nur eine ver­stärk­te Lymphan­gio­mo­to­rik bewir­ken, son­dern auch eine gestei­ger­te Frei­set­zung ent­zün­dungs­hem­men­der und vaso­ak­ti­ver Media­to­ren aus den Kapillarendothelien.

Effek­te im Bereich der Mikro­zir­ku­la­ti­on erklä­ren auch die Tat­sa­che, dass es unter einer unnach­gie­bi­gen Kom­pres­si­on nicht nur bei Gesun­den 27, son­dern auch bei Pati­en­ten mit einer arte­ri­el­len Ver­schluss­krank­heit 28 bei einem Ruhe­druck bis zu 40 mmHg zu einem Durch­blu­tungs­an­stieg kommt. Bei Bewe­gung kön­nen die Druck­am­pli­tu­den unter einer Kom­pres­si­on mit hoher Stiff­ness mit dem Effekt inter­mit­tie­ren­der Druck­pum­pen ver­gli­chen wer­den, die auf­grund ihrer durch­blu­tungs­för­dern­den Wir­kung sogar bei schwe­ren Fäl­len mit arte­ri­el­ler Ver­schluss­krank­heit zum Ein­satz kom­men 29.

Bis­her konn­ten kli­ni­sche Unter­su­chun­gen zur Abhei­lung venö­ser Ulzera die Über­le­gen­heit von Kom­pres­si­ons­ma­te­ri­al mit hoher Stiff­ness nur teil­wei­se bestä­ti­gen 30, was vor allem damit zusam­men­hän­gen dürf­te, dass in ent­spre­chen­den Ver­gleichs­stu­di­en unelas­ti­sche Ver­bän­de meist unsach­ge­mäß und viel zu locker ange­legt wur­den. Wie­der­holt ist gezeigt wor­den, dass auch erfah­re­nes Per­so­nal Kurz­zug­ban­da­gen in drei Vier­tel der Fäl­le zu locker anlegt 31.

Adjus­tier­ba­re Vel­cro-Band-Kom­pres­si­ons­mit­tel (z. B. Cir­cAid®, Fa. Medi) könn­ten eine brauch­ba­re Alter­na­ti­ve dar­stel­len. Hier­bei han­delt es sich um die ein­zi­gen Kom­pres­si­ons­mit­tel mit hoher Stiff­ness, die vom Pati­en­ten nach kur­zer Instruk­ti­on selbst ange­legt wer­den kön­nen und deren Druck bei Locker­wer­den selbst nach­jus­tiert wer­den kann 32.

Prak­ti­sche Konsequenzen

Für Kom­pres­si­ons­strümp­fe im meist­ver­wen­de­ten Druck­be­reich von 20 bis 30 mmHg ist die kli­ni­sche Rele­vanz einer höhe­ren Stiff­ness für die Ödem­be­hand­lung gezeigt wor­den 33. Flach­ge­strick­te Mate­ria­li­en haben, beson­ders im höhe­ren Druck­be­reich, einen stär­ke­ren Mas­sa­ge­ef­fekt, was ihren bevor­zug­ten Ein­satz bei Lymp­s­h­ödem­pa­ti­en­ten rechtfertigt.

Bei Kom­pres­si­ons­ver­bän­den gibt der Ver­fas­ser auf­grund der aus­ge­präg­te­ren Wirk­sam­keit auf die venö­se Pump­leis­tung Pro­duk­ten mit höhe­rer Stiff­ness den Vor­zug. Der sofort nach Ver­band­an­la­ge auf­tre­ten­de Abfall des Kom­pres­si­ons­drucks wird nicht als Nach­teil ange­se­hen, solan­ge die Stiff­ness und damit der Arbeits­druck hoch blei­ben (Abb. 3b), womit die hämo­dy­na­mi­sche Wirk­sam­keit der­ar­ti­ger Ver­bän­de auch noch nach meh­re­ren Tagen erklärt wer­den kann 34. Der Druck­ver­lust unnach­gie­bi­ger Ver­bän­de ist außer­dem ein Zei­chen für die sofort ein­set­zen­de Ödem­re­duk­ti­on des geschwol­le­nen Beins.

Der Haupt­nach­teil von Kom­pres­si­on mit stei­fem Mate­ri­al ist, dass die sach­ge­mä­ße Anla­ge gelehrt und trai­niert wer­den muss. Selbst anleg­ba­re und ver­stell­ba­re Vel­cro-Band-Orthe­sen sind dies­be­züg­lich eine Berei­che­rung der Therapiemöglichkeiten.

Zusam­men­fas­sung

Die Dosis einer Kom­pres­si­ons­the­ra­pie wird durch den Andruck des Kom­pres­si­ons­mit­tels am Bein bestimmt: Als „Stiff­ness” bezeich­net man den Druck­an­stieg bei Mus­kel­span­nung im Ste­hen und im Gehen. Unnach­gie­bi­ges Kom­pres­si­ons­ma­te­ri­al bewirkt einen hohen Arbeits­druck und eine Bein­mas­sa­ge beim Gehen. Bei­des, Ruhe­druck und Arbeits­druck, der von der Stiff­ness abhängt, bestim­men die Wirk­sam­keit einer Kom­pres­si­on. Für zukünf­ti­ge Stu­di­en ist des­halb zu for­dern, dass Ruhe­druck und Stiff­ness gemes­sen und dekla­riert wer­den. Bei Kom­pres­si­ons­strümp­fen soll­ten neben den Druck­klas­sen auch Anga­ben über die Stiff­ness auf der Ver­pa­ckung gemacht wer­den. Ein stär­ke­rer Mas­sa­ge­ef­fekt kann bei (z. B. flach­ge­strick­ten) Kom­pres­si­ons­strümp­fen eine ver­stärk­te Ödem­re­duk­ti­on bewir­ken. Bei Ver­bän­den ist eine hohe Stiff­ness vor allem für eine Ver­bes­se­rung der venö­sen Pump­leis­tung von Bedeutung.

Der Autor:
Univ.-Prof. Dr. Hugo Partsch
Stein­häusl 126, Zwackgasse
A‑3033 Alt­leng­bach
Öster­reich
Hugo.Partsch@meduniwien.ac.at

Begut­ach­te­ter Artikel/reviewed paper

Zita­ti­on
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