Kom­pres­si­ons­be­klei­dung im Sport und ihre Wirk­sam­keit bezüg­lich Leis­tung, Rege­ne­ra­ti­on und Pro­prio­zep­ti­on – ein Über­blick über die Studienlage

H. Lötzerich
Der Einfluss von Kompressionsstrümpfen im Sport wird auf mehreren Ebenen diskutiert: Sie werden in erster Linie getragen, um die sportliche Leistung und die Regeneration zu verbessern und dabei der Müdigkeit entgegenzuwirken. Weiterhin soll die Propriozeption verbessert werden. Während biologische Grundlagenuntersuchungen eine deutliche Verbesserung des venösen Abflusses durch eine Kompressionstherapie nachweisen können, variiert die Evidenz in vielen Studien aufgrund sehr unterschiedlicher methodischer Ansätze, verschiedener Probandengruppen und sehr unterschiedlicher Messparameter. Insgesamt sprechen jedoch etliche Befunde für eine Verbesserung der Ausdauerleistung und eine verbesserte Regeneration durch das Tragen von Kompressionsbekleidung im Sport – zudem verbessert sich dadurch nicht zuletzt auch die psychische Verfassung der Sportler. Bei den Befunden zeigt sich eine gewisse Tendenz: Je weniger trainiert, je älter und je übergewichtiger die Probanden sind, umso deutlicher zeichnen sich die positiven Effekte einer Kompressionsbestrumpfung ab.

Ein­lei­tung

Bei der Behand­lung venö­ser Erkran­kun­gen bil­den Kom­pres­si­ons­strümp­fe ein gut erforsch­tes, ein­fach anzu­wen­den­des und effek­ti­ves Hilfs­mit­tel ohne Neben­wir­kun­gen, wie sie bei medi­ka­men­tö­sen Behand­lun­gen auf­tre­ten kön­nen. Aber auch bei Men­schen ohne eine sol­che Erkran­kung wer­den immer häu­fi­ger Kom­pres­si­ons­be­strump­fun­gen ein­ge­setzt, und zwar vor allem im Pro­fi- und zuneh­mend auch im Brei­ten­sport. Aber ist auch die Wirk­sam­keit zwi­schen den ver­schie­de­nen Nut­zer­grup­pen tat­säch­lich ver­gleich­bar? Besteht Evi­denz bezüg­lich der Wirk­sam­keit von Kom­pres­si­ons­be­strump­fun­gen im Sport – sowohl im Pro­fi- als auch im Ama­teur­be­reich? Die­sen Fra­gen wid­met sich der vor­lie­gen­de Arti­kel, der sich auf eine umfas­sen­de Lite­ra­tur­aus­wer­tung zu die­sem The­ma stützt. Dabei ste­hen die Aspek­te Leis­tung, Rege­ne­ra­ti­on und Pro­prio­zep­ti­on bei der Kom­pres­si­ons­be­klei­dung im Sport im Vordergrund.

Anzei­ge

Wach­sen­des wis­sen­schaft­li­ches Inter­es­se an der Wir­kung von Kom­pres­si­ons­be­klei­dung im Sport

Das brei­te Ein­satz- und Wir­kungs­spek­trum von Kom­pres­si­ons­be­klei­dung im Sport beflü­gelt auch die wis­sen­schaft­li­che For­schung. Wäh­rend es bis zum Jahr 2000 welt­weit weni­ger als 10 Stu­di­en zu die­sem The­ma gab, hat sich die Zahl der Publi­ka­tio­nen in der fol­gen­den Deka­de ver­drei­facht (n = 22). Im Zeit­raum zwi­schen 2010 und 2020 kam es dann zu einer rasan­ten Zunah­me auf 155 Stu­di­en, womit der sie­ben­fa­che Wert gegen­über der Deka­de zuvor erreicht wur­de 1.

Inter­es­san­ter­wei­se han­delt es sich bei den Pro­ban­den der ein­schlä­gi­gen Stu­di­en fast immer um nicht­pro­fes­sio­nel­le Ath­le­ten (95 %), wobei es sich in der Regel um Män­ner (90 %) han­delt, die zwi­schen 20 und 64 Jah­ren alt sind. Unter­sucht wird am häu­figs­ten die Leis­tungs­fä­hig­keit (62 %) im Zusam­men­hang mit ver­än­der­ten Blut- oder Spei­chel­mar­kern (46 %) und mit kar­dio­vas­ku­la­ren Effek­ten (42 %). Die Ergeb­nis­se vari­ie­ren aller­dings teil­wei­se sehr stark; die unter­schied­li­chen Befun­de kön­nen in ers­ter Linie auf metho­di­sche Ursa­chen zurück­ge­führt wer­den. Häu­fig feh­len genaue Anga­ben zur Leis­tungs­fä­hig­keit der Pro­ban­den (z. B. VO2max), zum Tra­ge­zeit­raum und zum Kom­pres­si­ons­druck. Es kann aber in der Regel davon aus­ge­gan­gen wer­de, dass es sich bei der ver­wen­de­ten Sport­kom­pres­si­on in der über­wie­gen­den Zahl der Unter­su­chun­gen um Bestrump­fun­gen der Kom­pres­si­ons­klas­se I han­delt, wobei eini­ge Druck­ver­läu­fe der ver­wen­de­ten Pro­duk­te auch an Klas­se II her­an­rei­chen. Daher ist die Wir­kungs­wei­se ver­gleich­bar, den Sport­s­trümp­fen wird aber kein direk­ter medi­zi­ni­scher Nut­zen unter­stellt, sonst dürf­ten sie nur im Sani­täts­fach­han­del gekauft werden.

Wei­ter­hin wer­den in den Stu­di­en ver­schie­de­ne Kom­pres­si­ons­klei­dungs­stü­cke wie Knie­strümp­fe, Arm- und Bein­lin­ge (Abb.1 & 2), Hosen oder Ober­be­klei­dung untersucht.

Mög­li­che Wir­kun­gen von Kom­pres­si­on auf bio­lo­gi­scher Grundlagenebene

Bevor detail­lier­ter auf die Aus­wir­kun­gen von Kom­pres­si­ons­be­klei­dung im Sport ein­ge­gan­gen wer­den kann, stellt sich zunächst die Fra­ge nach mög­li­chen Wirk­me­cha­nis­men von Sport-Kom­pres­si­ons­strümp­fen auf bio­lo­gi­scher Ebe­ne. Seit Lan­gem ist bekannt, dass es beim Sit­zen ab etwa 90 Minu­ten zu hämo­dy­na­mi­schen Ver­än­de­run­gen im Unter­schen­kel kommt – unab­hän­gig davon, ob die Zeit vor­her im Ste­hen oder Lie­gen ver­bracht wur­de. Das Sit­zen führt zu einem ver­rin­ger­ten venö­sen Blut­fluss um ca. 13 % und zu einer Zunah­me des venö­sen Blut­pools um 17 % 2. Medi­zi­ni­sche Kom­pres­si­ons­strümp­fe unter­stüt­zen die Leis­tung der Mus­kel­pum­pe, und zwar sowohl bei Gesun­den als auch bei Vari­ko­se­pa­ti­en­ten und bei Post­throm­bo­ti­kern 3. Im Rah­men von Grund­la­gen­un­ter­su­chun­gen, bei denen die Mes­sun­gen per Venen­ver­schluss-Ple­thys­mo­gra­fie erfolg­ten, bele­gen die Befun­de eine ver­bes­ser­te Leis­tung der Mus­kel­pum­pe. Das Tra­gen knie­lan­ger Sport-Kom­pres­si­ons­strümp­fe führ­te bei einer Grup­pe von jun­gen Frau­en und Män­nern zu einer Stei­ge­rung des venö­sen Rück­flus­ses um ca. 30 % 4. Die­ser Befund belegt die Unter­stüt­zung des venö­sen Rück­flus­ses des Blu­tes aus den unte­ren Extre­mi­tä­ten durch die Kom­pres­si­on. Ein ein­ge­schränk­ter Rück­trans­port des venö­sen Blu­tes und der Lym­phe spie­gelt sich in anschwel­len­den Bei­nen wider.

In einer wei­te­ren Stu­die wur­de die Zunah­me des Unter­schen­kel­vo­lu­mens im Tages­ver­lauf sowohl bei Beru­fen, die über­wie­gend in sit­zen­der Hal­tung, als auch in sol­chen, bei denen das Ste­hen über­wiegt, mit Hil­fe eines Pero­me­ters bestimmt. Das Tra­gen von Kom­pres­si­ons­strümp­fen führ­te dem­nach zu schlan­ke­ren Bei­nen am Ende des Tages, bzw. ein Anschwel­len fiel wesent­lich schwä­cher aus. Der knie­ho­he Kom­pres­si­ons­strumpf erlaubt eine Zunah­me von 25 ml pro Waden, dage­gen wur­de mehr als die dop­pel­te Zunah­me von 58 ml beob­ach­tet, wenn am Tag kei­ne Kom­pres­si­ons­strümp­fe getra­gen wur­den 5.

In bei­den genann­ten Stu­di­en 6 7 wur­den Sport- bzw. Life­style-Kom­pres­si­ons­strümp­fe (ähn­lich wie die Bei­spie­le von Bau­er­feind Abb. 2) ver­wen­det, die anhand des jewei­li­gen Knö­chel- bzw. Waden­um­fangs der Pro­ban­den aus­ge­wählt wur­den. Es han­del­te sich dabei nicht um Strümp­fe der Klas­se II aus dem Sani­täts­haus, son­dern um Ware, die in Sport- oder Mode­ge­schäf­ten zu erwer­ben ist.

In einer wei­te­ren Stu­die konn­te gezeigt wer­den, dass Kom­pres­si­ons­strümp­fe über die phy­si­sche Wirk­sam­keit hin­aus auch eine posi­ti­ve psy­cho­lo­gi­sche Wir­kung auf ihre Trä­ge­rin­nen und Trä­ger aus­üben. Mit Hil­fe der Eigen­zu­stands­ska­la von Nit­sch konn­te gezeigt wer­den, dass sich das augen­blick­li­che emo­tio­na­le Befin­den ver­bes­sert. Sowohl bei den weib­li­chen als auch bei den männ­li­chen Teil­neh­men­den an der Stu­die wur­de durch das Tra­gen von Kom­pres­si­ons­strümp­fen eine signi­fi­kan­te Ver­bes­se­rung der aktu­el­len Hand­lungs­fä­hig­keit, der emo­tio­na­len Span­nung, der Kon­takt­be­reit­schaft, der Stim­mungs­la­ge und der Ermü­dung erreicht 8.

Wirk­sam­keit von Kom­pres­si­on im Sport

Im Sport – und zwar sowohl im Pro­fi- als auch im Brei­ten­sport – konn­te ins­be­son­de­re bezüg­lich drei­er Aspek­te eine Wirk­sam­keit von Kom­pres­si­ons­be­klei­dung nach­ge­wie­sen werden:

  • im Bereich Leistung,
  • im Bereich Rege­ne­ra­ti­on sowie
  • im Bereich Propriozeption.

Auf die­se drei Aspek­te wird im Fol­gen­den – unter Aus­wer­tung der ein­schlä­gi­gen Stu­di­en – genau­er eingegangen.

Kom­pres­si­on und Leistung

Die Fra­ge, inwie­weit es zu einer effek­tiv mess­ba­ren Leis­tungs­stei­ge­rung durch Kom­pres­si­ons­strümp­fe kom­men kann, ist ange­sichts der Defi­zi­te vie­ler Stu­di­en und der vari­ie­ren­den Bedin­gun­gen im Wett­kampf oder bei Feld­un­ter­su­chun­gen schwie­rig zu beant­wor­ten. Eine sehr gut design­te Labor­stu­die zum Ein­fluss knie­lan­ger Kom­pres­si­ons­strümp­fe auf die sport­li­che Leis­tung wur­de von Kemm­ler und Mit­ar­bei­tern 9 durch­ge­führt, wobei 21 mode­rat trai­nier­te Läu­fer mit VO2max (maxi­ma­ler Sau­er­stoff­auf­nah­me) von 52,0 ml × kg-1 × min-1 einen Stu­fentest auf einem Lauf­band durch­führ­ten. Es zeig­te sich, dass die Lauf­dau­er (Zeit unter Belas­tung) mit Kom­pres­si­ons­strümp­fen um 5 % län­ger und die geleis­te­te Arbeit um 6 % erhöht waren. Eben­so waren die Geschwin­dig­kei­ten an der aero­ben und an der aerob-anae­ro­ben Schwel­le erhöht. Auch die maxi­ma­le Sau­er­stoff­auf­nah­me war ten­den­zi­ell um ca. 3 % höher 10. Damit erweist sich, dass sich das Tra­gen von Kom­pres­si­ons­stümp­fen ins­ge­samt posi­tiv auf die Lauf­leis­tung auswirkt.

In einer wei­te­ren Labor­un­ter­su­chung 11 zeig­ten gut trai­nier­te Rad­fah­rer (VO2max: 66,6 ml x kg-1-min-1) bei einem halb­stün­di­gen Test auf dem Fahr­ra­d­er­go­me­ter eine ver­bes­ser­te Leis­tung mit Kom­pres­si­on. Bei dem Test wur­den die ers­ten 15 Minu­ten in vor­ge­ge­be­ner Geschwin­dig­keit absol­viert und die zwei­te Häl­fe wie ein Zeit­fah­ren durch­ge­führt. Wäh­rend der ers­ten Pha­se zeig­te sich eine signi­fi­kant nied­ri­ge Herz­fre­quenz mit Kom­pres­si­on. Dage­gen konn­te kein Ein­fluss auf die Lak­tat­bil­dungs­ra­te oder den Umfang von Unter- und Ober­schen­kel fest­ge­stellt wer­den – wobei zu hin­ter­fra­gen ist, ob es sinn­voll ist, über zwei Umfang­mes­sun­gen auf Volu­men­ver­än­de­run­gen des Bei­nes zu schlie­ßen. Ins­ge­samt zeigt sich damit aber auch bei den sehr gut trai­nier­ten Rad­fah­rern eine, wenn auch nur mini­ma­le Leis­tungs­ver­bes­se­rung auf dem Fahr­ra­d­er­go­me­ter 12.

In einer wei­te­ren Stu­die absol­vier­ten 12 männ­li­che Rad­fah­rer (VO2max: 55,2 ml × kg-1 × min-1) einen Stu­fentest (100 Watt Beginn/ alle 2 Minuten/ Stei­ge­rung um 50 Watt) und ein ein­stün­di­ges Zeit­fah­ren an der anae­ro­ben Schwel­le mit und ohne Kom­pres­si­ons­ho­sen. Dabei zeig­te sich jedoch kein Anstieg der Leis­tung und nur eine gerin­ge phy­sio­lo­gi­sche Ver­bes­se­rung, was die Sau­er­stoff­sät­ti­gung angeht 13.

Die­sel­be Arbeits­grup­pe unter­such­te in einer wei­te­ren Stu­die die Wir­kung einer Ganz­kör­per­kom­pres­si­on bei einem ein­stün­di­gen hoch­in­ten­si­ven Inter­vall­trai­ning. Bei 8 männ­li­chen gut trai­nier­ten Spiel­sport­lern (VO2max: 57,5 ml x kg-1-min-1) konn­te jedoch nur eine ver­bes­ser­te Sau­er­stoff­sät­ti­gung wäh­rend und nach der Belas­tung im Gewe­be fest­ge­stellt wer­den, ohne dass sich Lauf­ge­schwin­dig­kei­ten, Sau­er­stoff­auf­nah­me, Herz­fre­quenz oder Lak­tat­wer­te im Ver­gleich zur Kon­troll­grup­pe ver­än­der­ten 14.

Es konn­ten aber auch bei ande­ren Unter­su­chun­gen eine gestei­ger­te Lauf­leis­tung und eine ver­min­der­te Mus­kel­er­mü­dung sowie – mit höhe­rem Kom­pres­si­ons­druck – eine gestei­ger­te Rad­fahr­leis­tung im Zeit­fah­ren und eine ver­rin­ger­te Ermü­dung belegt wer­den 15 16.

Für einen Sprung­kraft­test im Rah­men einer wei­te­ren Stu­die absol­vier­ten 36 pro­fes­sio­nel­le Vol­ley­ball­spie­ler (18 w, 18 m) 10 ver­ti­ka­le Coun­ter­mo­ve­ment-Sprün­ge, wobei die Leis­tun­gen mit kur­zen Kom­pres­si­ons­ho­sen signi­fi­kant bes­ser waren 17.

Die­ser Befund wird von neue­ren Stu­di­en gestützt, bei denen sich durch das Tra­gen von Kom­pres­si­ons­ho­sen Sprung­hö­he, Maxi­mal­kraft und durch­schnitt­li­che Leis­tung erhöh­ten 18. Aber auch in ande­ren Sport­ar­ten außer den klas­si­schen Ball- und Lauf­sport­ar­ten wie beim Biath­lon kann eine ver­bes­ser­te Leis­tung bei beim Cross-Coun­try-Ski­lauf beob­ach­tet wer­den 19.

Dane­ben gibt es aber auch etli­che Stu­di­en, die kei­nen direk­ten Effekt auf die Leis­tungs­fä­hig­keit nach­wei­sen konn­ten, was aber zumin­dest teil­wei­se an einem ungüns­ti­gen Unter­su­chungs­de­sign lie­gen mag. Ins­ge­samt zeigt sich jeden­falls eine deut­li­che Ten­denz, dass sich bei weni­ger gut trai­nier­ten Brei­ten­sport­lern ein grö­ße­rer Effekt von Kom­pres­si­ons­klei­dung als bei Spit­zen­ath­le­ten nach­wei­sen lässt.

Kom­pres­si­on und Regeneration

Ein immer mehr beach­te­tes Ein­satz­feld von Kom­pres­si­ons­be­klei­dung im Sport ist der Aspekt der Rege­ne­ra­ti­on, die sowohl im Brei­ten- als auch im Leis­tungs­sport eine immer grö­ße­re Rol­le spielt. Zunächst bie­tet Kom­pres­si­ons­be­klei­dung in die­sem Zusam­men­hang den Vor­teil, dass sie im Gegen­satz zu allen ande­ren bekann­ten Rege­ne­ra­ti­ons­maß­nah­men wie Mas­sa­ge, akti­ve Erho­lung, Kryo­the­ra­pie, Tauch­bä­der in Was­ser mit Tem­pe­ra­tur­dif­fe­ren­zen, hyper­ba­re Sau­er­stoff­the­ra­pie, Stret­ching, Luft­feuch­tig­keits­the­ra­pie, Elek­tro­sti­mu­la­ti­on etc. kein zusätz­li­ches Zeit­fens­ter benö­tigt. Ins­be­son­de­re im Rad­sport und im Tri­ath­lon bil­det der Ein­satz von Kom­pres­si­ons­be­klei­dung schon in den letz­ten 10 Jah­ren einen fes­ten Bestand­teil bei den rege­ne­ra­ti­ven Maßnahmen.

Bezüg­lich ent­spre­chen­der wis­sen­schaft­li­cher Stu­di­en besteht aller­dings auch hier eine gro­ße Varia­bi­li­tät hin­sicht­lich des Stu­di­en­de­signs: Der unter­such­te Tra­ge­zeit­raum bezieht sich ent­we­der auf den Wett­kampf plus Rege­ne­ra­ti­on oder nur auf die Rege­ne­ra­ti­on nach der Trai­nings- oder Wett­kampf­be­las­tung, wobei vie­le Stu­di­en eine län­ge­re Rege­ne­ra­ti­ons­zeit von 24, 48 oder 72 Stun­den untersuchen.

Im Fol­gen­den wer­den zunächst die Stu­di­en mit einer kur­zen Rege­ne­ra­ti­ons­zeit betrach­tet, bei denen Rad­fah­rer zwei Maxi­mal­tests über 5 Minu­ten mit einer Pau­se von 80 Minu­ten absol­vier­ten. Der Leis­tungs­ab­fall im zwei­ten Test fiel signi­fi­kant gerin­ger aus, wenn Kom­pres­si­ons­klei­dung getra­gen wur­de 20. Bei den Pro­ban­den (n = 12) han­del­te es sich um eine 63-jäh­ri­ge trai­nier­te Rad­fah­re­rin, also nicht um Top-Leis­tungs­sport­ler. In einer ande­ren Stu­di­en wur­de ver­sucht, einen Wett­kampf­tag von Bahn­sprin­tern zu simu­lie­ren 21. Hoch­trai­nier­te pro­fes­sio­nel­le Rad­fah­rer absol­vier­ten dazu drei maxi­ma­le Sprints über 30 Sekun­den; die Pau­sen­zei­ten zwi­schen den drei maxi­ma­len Leis­tun­gen betru­gen jeweils 20 Minu­ten. Es zeig­te sich, dass der Leis­tungs­ab­fall im Ver­gleich zur Kon­troll­grup­pe deut­lich höher aus­fiel, wenn kei­ne Kom­pres­si­ons­trümp­fe getra­gen wurden.

Schließ­lich darf auch der Aspekt des psy­chi­schen Wohl­be­fin­dens in der Rege­ne­ra­ti­on auf kei­nen Fall unter­schätzt wer­den. Zur Beur­tei­lung die­ses Kon­strukts wer­den welt­weit zwei Abfra­ge­me­tho­den eingesetzt:

  • Die DOMS-Ska­la (DOMS = „delay­ed onset of mus­cle soreness“) bezieht sich auf Muskelschmerzen
    bezie­hungs­wei­se Muskelkater;
  • mit­tels RPE-Ska­la (RPE = „rating of per­cei­ved exer­ti­on“) wird die emp­fun­de­ne kör­per­li­che bezie­hungs­wei­se mus­ku­lä­re Erschöp­fung abgefragt.

Die Wir­kung der Kom­pres­si­on wird häu­fig nach 24, 48 oder 72 Stun­den pro­to­kol­liert. Eine posi­ti­ve Wir­kung wird in der Mehr­zahl der Stu­di­en beschrie­ben, was auch durch neue­re Stu­di­en unter­mau­ert wird, in denen knie­ho­he oder lan­ge Kom­pres­si­ons­strümp­fe oder ‑hosen ein­ge­setzt wer­den 22 23 24 25 26 27 28.

Ein kla­res Ergeb­nis bezüg­lich der kör­per­li­chen Rege­ne­ra­ti­on, die die Leis­tungs­fä­hig­keit in den Berei­chen Kraft und Aus­dau­er betrifft, ist nach Aus­wer­tung der ein­schlä­gi­gen Stu­di­en nur schwer zu gewin­nen. Es gibt eine Rei­he von Kraft­tests wie „squat jump“, „coun­ter move­ment jump“ oder „drop iump“, die häu­fig zur Beur­tei­lung der Sprung­kraft aus­ge­wählt wer­den. Dabei wird oft zu einem bis drei Zeit­punk­ten (24 bis 72 Stun­den nach Belas­tung) getes­tet. Häu­fig ver­bes­sern sich dabei ein­zel­ne Wer­te zu ver­schie­de­nen Zeit­punk­ten. Dabei muss aller­dings berück­sich­tigt wer­den, dass der leis­tungs­be­ding­te Abfall der Sprung­kraft je nach der Inten­si­tät der vor­her­ge­hen­den Belas­tun­gen stark vari­iert und dass Maxi­mal­kraft­tests sehr stark moti­va­ti­ons­ab­hän­gig sind.

Etwas ein­heit­li­cher fal­len die Befun­de im Aus­dau­er­be­reich aus. Bei einer Wie­der­ho­lung eines 40-Kilo­me­ter-Zeit­fah­rens nach 24 Stun­den erzie­len mode­rat trai­nier­te Rad­fah­rer eine höhe­re Leis­tung, wenn wäh­rend der Rege­ne­ra­ti­on lan­ge Kom­pres­si­ons­ho­sen statt lan­ger Rad­fahr­ho­sen ohne Kom­pres­si­ons­wir­kung getra­gen wer­den, die zum Ver­gleich her­an­ge­zo­gen wur­den 29. Eben­so schnei­det die Kom­pres­si­ons­grup­pe bei einer Rad­fahr­leis­tung bes­ser ab, wenn nach zwei jeweils fünf Minu­ten dau­ern­der Maxi­mal­leis­tung nach ein­stün­di­ger Pau­se getes­tet wird. Dabei kön­nen eine ver­bes­ser­te Durch­blu­tung und ein als schwä­cher emp­fun­de­ner Mus­kel­ka­ter wäh­rend der Erho­lungs­pha­se beob­ach­tet wer­den 30.

Wei­te­re Stu­di­en unter­su­chen die Aus­wir­kung von Kom­pres­si­ons­strümp­fen auf die Mus­kel­schä­di­gung bezie­hungs­wei­se die Dau­er von Repa­ra­tur­pro­zes­sen. Das Aus­maß der Mus­kel­schä­di­gung wird in der Regel anhand des CK-Wer­tes (CK = Crea­tin­ki­na­se) ermit­telt. Dabei ent­ste­hen Mikro­trau­men im Bereich der Z‑Scheiben in den Mus­kel­fa­sern, die das Ein­drin­gen von Was­ser ermög­li­chen, was zu einer Ödem­bil­dung nach 24 bis 36 Stun­den führt. Der dadurch ent­ste­hen­de Deh­nungs­schmerz der anschwel­len­den Mus­kel­fa­ser wird als Mus­kel­ka­ter wahr­ge­nom­men. Da aber bei vie­len ver­schie­de­nen Belas­tun­gen kein ein­heit­li­cher Anstieg oder Abfall des CK-Wer­tes zu beob­ach­ten ist, kön­nen etli­che Stu­di­en dies­be­züg­lich kei­nen Effekt nach­wei­sen. Daher erschei­nen in eini­gen Stu­di­en ganz unty­pi­sche kör­per­li­che Belas­tungs­for­men. So wird teil­wei­se ver­sucht, durch unge­wöhn­li­ches exzen­tri­sches Berg­ab­wärts­ge­hen belas­tungs­in­du­zier­te Schä­den in der Mus­ku­la­tur her­vor­zu­ru­fen, um den Ein­fluss von Kom­pres­si­ons­strümp­fen auf den Mus­kel­schmerz und auf neu­ro­mus­ku­lä­re Tests zu über­prü­fen. Für die Zwe­cke der ent­spre­chen­den Stu­die gin­gen 8 jun­ge Män­ner 30 Minu­ten lang bei einer Geschwin­dig­keit von 3,6 km/h auf einem Lauf­band rück­wärts und berg­ab­wärts (Gefäl­le 12 Pro­zent). Erschwert wur­de die Belas­tung noch durch das Tra­gen eines Zusatz­ge­wichts (12 % des Kör­per­ge­wichts). Danach tru­gen sie an einem Bein 5 Stun­den täg­lich Kom­pres­si­ons­strümp­fe. Tests bezüg­lich Mus­kel­ka­ter und neu­ro­mus­ku­lä­rer Tests wur­den nach 24, 48 und 72 Stun­den durch­ge­führt. Das Ergeb­nis: Die Mus­kel­schmer­zen waren durch die Kom­pres­si­ons­strümp­fe nach 72 Stun­den um 28 % gerin­ger als im Kon­troll­bein; bei den Kraft­tests dage­gen konn­ten kei­ne wesent­li­chen Unter­schie­de fest­ge­stellt wer­den 31.

Für die Zwe­cke einer ver­gleich­ba­ren Stu­die gin­gen 11 männ­li­che Frei­zeit­sport­ler eben­falls 30 Minu­ten berg­ab­wärts (Geschwin­dig­keit 6 km/h, Gefäl­le ‑25 %) und leg­ten danach eine ein­bei­ni­ge Kom­pres­si­ons­ho­se an 32.

Ver­gleich­ba­re Belas­tun­gen kom­men aber weder im Brei­ten- noch im Leis­tungs­sport vor. Einen star­ken Anstieg des CK-Wer­tes erzeugt man durch Elek­tro­sti­mu­la­ti­on. Eine ent­spre­chen­de Stu­die belegt: Kom­pres­si­ons­be­klei­dung wirkt sich nach dem Ein­satz von Elek­tro­sti­mu­la­ti­on, die zu einem star­ken Anstieg der CK-Wer­te führt, posi­tiv aus: Die­se stei­gen nicht so hoch an und fal­len schnel­ler wie­der ab, wenn wäh­rend der Rege­ne­ra­ti­on lan­ge Kom­pres­si­ons­ho­sen getra­gen wer­den 33.

Noch schwie­ri­ger ist es bei ande­ren bio­lo­gi­schen Mar­kern wie C‑reaktivem Pro­te­in, Myo­glo­bin, Lak­tat, Lak­tat­de­hy­dro­ge­na­se, Interleukin‑6 oder Inter­leu­kin-10 einen Ein­fluss nach­zu­wei­sen. Hier rei­chen nor­ma­le Trai­nings­be­las­tun­gen oft nicht aus, um Effek­te sicht­bar zu machen. Daher las­sen sich mit die­sen Para­me­tern kaum Effek­te von Kom­pres­si­ons­be­strump­fung nachweisen.

Ins­ge­samt wird im Bereich Rege­ne­ra­ti­on der posi­ti­ve Ein­fluss von Kom­pres­si­ons­be­klei­dung auf die Psy­che am deut­lichs­ten sicht­bar. Die­se men­ta­le Stär­ke kann eine wich­ti­ge Rol­le im Sport spie­len, wenn man schmerz­frei ist und damit eine grö­ße­re Leis­tungs­be­reit­schaft ein­her­geht. Im Aus­dau­er­be­reich zeich­net sich dies­be­züg­lich ein posi­ti­ver Trend ab. Dage­gen vari­ie­ren bio­lo­gi­sche Mar­ker sehr stark und füh­ren zu kei­nem ein­heit­li­chen Ergeb­nis in Bezug auf das Tra­gen von Kompressionsstrümpfen.

Kom­pres­si­on und Propriozeption

Ins­be­son­de­re beim Fuß­ball, aber auch beim Ski­lau­fen spielt der Ein­fluss von Kom­pres­si­ons­klei­dung auf die Pro­prio­zep­ti­on eine gro­ße Rol­le, da die unbe­dingt not­wen­di­ge Fein­ko­or­di­na­ti­on nur über exak­te Bewe­gun­gen im Knie und in den Sprung­ge­len­ken erzielt wer­den kann. Bei Pro­fi-Fuß­bal­lern kann mit Hil­fe eines Win­kel­re­pro­duk­ti­ons­tests eine ver­bes­ser­te Pro­prio­zep­ti­on beim Tra­gen von Kom­pres­si­ons­be­klei­dung nach­ge­wie­sen wer­den 34.

Beim Win­kel­re­pro­duk­ti­ons­test schnit­ten Pro­ban­den mit Kom­pres­si­ons­strümp­fen bes­ser ab als bei Ver­su­chen mit und ohne Stut­zen. Wei­ter­hin emp­fan­den von 19 Pro­fi-Fuß­bal­lern fast drei Vier­tel ein sta­bi­le­res Gefühl und mehr als 80 Pro­zent ein bes­se­res Lauf­ge­fühl, wenn sie Kom­pres­si­ons­be­klei­dung tru­gen 35.

Es gibt eini­ge Unter­su­chun­gen, die das Gleich­ge­wichts­ge­fühl und die Koor­di­na­ti­on bezie­hungs­wei­se die Sta­bi­li­tät über­prü­fen. Hier erzeug­te das Tra­gen von Kom­pres­si­ons­strümp­fen eben­falls posi­ti­ve Effek­te 36.

Dis­ku­tiert wird, inwie­fern dies ins­be­son­de­re bei älte­ren Men­schen zu einer gerin­gen Sturz­ge­fahr füh­ren könn­te. Ähn­li­che Befun­de konn­ten auch für die obe­re Extre­mi­tät nach­ge­wie­sen wer­den 37.

Fazit

Zusam­men­ge­fasst weist die Mehr­zahl der für die­sen Arti­kel aus­ge­wer­te­ten Stu­di­en ein­zel­ne posi­ti­ve Effek­te im Bereich der Leis­tung, der Rege­ne­ra­ti­on und der Pro­prio­zep­ti­on durch das Tra­gen von Kom­pres­si­ons­be­klei­dung im Sport auf. Dem­ge­gen­über gibt es kei­ne ein­zi­ge Stu­die, in der eine Leis­tungs­min­de­rung beob­ach­tet wird. Inter­es­sant ist der Befund, dass sich bei jün­ge­ren Spit­zen­sport­lern durch Kom­pres­si­ons­be­klei­dung eher klei­ne­re Effek­te zei­gen, wäh­rend Älte­re und Untrai­nier­te mehr von Kom­pres­si­ons­strümp­fen pro­fi­tie­ren. Bei die­ser Grup­pe wird das Bin­de­ge­we­be schwä­cher und die Mus­kel­kraft lässt nach, womit die Mus­kel­pum­pe an Effek­ti­vi­tät ver­liert. Daher soll­te sich das Tra­gen von Kom­pres­si­ons­strümp­fen bei den Betrof­fe­nen nicht auf den Sport beschrän­ken, son­dern auch auf den beruf­li­chen All­tag aus­ge­dehnt wer­den. Gera­de in Beru­fen mit hohem Sitz- oder Steh­an­teil kann dadurch ein Anschwel­len der Bei­ne ein­ge­schränkt wer­den. In der Sum­me kann dies zu einer ver­bes­ser­ten phy­si­schen und psy­chi­schen Ver­fas­sung im Berufs­all­tag füh­ren, die sich in ver­bes­ser­ter Moti­va­ti­on und Zufrie­den­heit der Berufs­tä­ti­gen wider­spie­geln kann.

Hin­weis

Der Bei­trag ist bereits in ähn­li­cher Form in der Aus­ga­be 02/2019 des Fach­ma­ga­zins Ortho­pä­die­schuh­tech­nik unter dem Titel „Die Wir­kung von Kom­pres­si­ons­strümp­fen im Sport und in der Frei­zeit“ erschienen.

Der Autor
Prof. Dr. Hel­mut Lötzerich
Stell­vertr. Institutsleiter
Stu­di­en­gangs­lei­ter Basisstudium
Immun­bio­lo­ge, Lei­ter Radsport
Deut­sche Sporthochschule 
Insti­tut für Out­door Sport und Umweltforschung 
Am Sport­park Mün­gers­dorf 6
D‑50933 Köln
loetzerich@dshs-koeln.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
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