OT: Herr Prof. Dr. Mittelmeier. Bereits auf der OTWorld im vergangenen Mai wurde die Versorgung von Sportler:innen besonders in den Fokus genommen. Ist 2022 so etwas wie das „Jahr des Sports“?
Wolfram Mittelmeier: Die Corona-Pandemie hat unsere Sportaktivitäten auf voller Breite eingeschränkt. In der gesamten Gesellschaft gab es über Monate zu wenig Raum und Motivation zur Bewegung und insbesondere für sportliche Aktivitäten. In verschiedenen Studien wurden Leistungsminderungen unserer Kinder und Jugendlichen verschiedener Altersstufen entdeckt – in kognitiven und motorischen Fähigkeiten. Das beste Gegenmittel ist: regelmäßige Bewegung, Herausforderungen und Aktivitäten in Gemeinschaft – also Sport.
OT: Die Corona-Pandemie hat viele Athlet:innen im wahrsten Sinne von dem einen auf den anderen Tag ausgebremst. Welche Erfahrungen haben Sie bei der Versorgung von Sportler:innen in dieser Zeit gemacht?
Mittelmeier: Für unsere Leistungssportler gab es eine besondere Stresssituation mit der Angst, durch eine Corona-Infektion eventuell dauerhaft leistungsgemindert zu bleiben. Aber auch Trainingspläne mussten wiederholt verworfen, überarbeitet und angepasst werden. Sehr unterschiedliche Ansagen zu Corona-bezogenen Regularien in unserer föderalen Republik mit vielen darstellungsbedürftigen politischen Gesichtern erschwerten die Situation für die Sportler und deren Betreuer. Kurzum: Unsere Athleten freuen sich auf ein besseres Maß Normalität in Training und Wettkampf.
OT: Welche Rolle spielt Sport aus Ihrer Sicht bei der Inklusion?
Mittelmeier: Die Corona-Pandemie bedeutete besonders für unsere Parasportler eine zusätzliche Einschränkung und Belastung. Sportlicher Wettkampf ist gerade ein wichtiger Bestandteil der Inklusion in der Gesellschaft. Das Stecken von sportlichen Zielen, die gemeinsame Erarbeitung von Teilschritten zum Ziel und das Messen der eigenen Leistungsfähigkeit mit anderen gehandicapten Sportlern motiviert, gibt Lebensfreude, Bewegungssicherheit und Bestätigung. Also passen sportlicher, fairer Wettkampf und Inklusion sehr gut zusammen: Sport als Motor der Inklusion. Sportlicher Einsatz der Parasportler führt zugleich zu hoher gesellschaftlicher Anerkennung: Es ist doch faszinierend zum Beispiel Sprinter und Weitspringer im Parasport zu sehen, die sogar den nicht gehandicapten Weltklasse-Sportlern leistungsmäßig wenigstens ebenbürtig sind.
OT: Die DGIHV steht für interprofessionelle Hilfsmittelversorgung. Wie funktioniert die Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen im Bereich Sport?
Mittelmeier: Es ist durch verschiedene Verbände, aber auch durch ein zielgerechtes Sponsoring der Hilfsmittelhersteller bereits viel geleistet worden. Dies betrifft die Sportlerbetreuung, aber auch die Versorgung mit angemessenen sicheren, hoch belastbaren Hilfsmitteln. Weiteren Verbesserungsbedarf werden wir anlässlich der DGIHV-Tagung im August in Rostock mit den Beteiligten diskutieren. Aus meiner bisherigen Sicht können wir noch mehr für die Aufklärung und Motivation im Kindesalter in Richtung Parasport bei allen Beteiligten tun.
OT: Die DGIHV veranstaltet in Rostock ihre 6. offene Fachtagung. Was erwartet die Besucher:innen?
Mittelmeier: Wir haben einzelne spannende Vorträge aus medizinischer Sicht, aus dem Blickwinkel von Top-Parasportlern und Technikern zusammengestellt. Unser Ziel war es, wesentliche Akteure des Parasports in einem kompakten Format mit kurzen Impulsvorträgen und ausführlicher, offener Diskussion zusammenzubringen.
OT: Worauf freuen Sie sich persönlich am meisten?
Mittelmeier: Es ist eine besondere Freude, dass zahlreiche, hochdekorierte und vielbeschäftigte Player der Parasport-Bewegung sofort und mit Begeisterung zugesagt haben. Ich persönlich freue mich auf das kompakte Format der Veranstaltung in einem sehr schönen Veranstaltungsrahmen der historischen Aula unserer alten, ehrwürdigen Universität.
OT: Die Fachtagung steht unter der Leitfrage: „Was brauchen wir in der Zukunft?“. Werden die Teilnehmenden am Ende der Veranstaltung eine Antwort auf diese Frage haben?
Mittelmeier: Als Moderator der Abschlussdiskussion werde ich gerne die einzelnen Impulse zu bündeln versuchen und eine klare Antwort provozieren.
Die Fragen stellte Heiko Cordes.
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