Inter­view mit Prof. Hans Bru­no Bau­er­feind: Erfolg mit Qua­li­tät und Service

Prof. Hans B. Bauerfeind: „Wir sind ein Unternehmen, in dem es keine Rolle spielt, woher jemand kommt und welche Sprache jemand spricht."

OT: Herr Pro­fes­sor Bau­er­feind, das Unter­neh­men Bau­er­feind fei­ert 90-jäh­ri­ges Jubi­lä­um. Wel­ches ist für Sie in der Rück­schau die bedeu­tends­te Neu­ent­wick­lung im Bereich Pro­duk­te bzw. Dienst­leis­tun­gen, die dem Unter­neh­men gelun­gen ist?

Anzei­ge

Prof. Hans B. Bau­er­feind: In 90 Jah­ren ent­ste­hen vie­le Neu­ent­wick­lun­gen, ange­fan­gen bei der Erfin­dung unse­rer Train-Ban­da­gen vor fast 40 Jah­ren. Das war gat­tungs­prä­gend. Heu­te geht es zuneh­mend um mehr­stu­fi­ge The­ra­pie­kon­zep­te, wie wir es aktu­ell zum Bei­spiel in der ­Rücken­the­ra­pie mit unse­ren Spi­no­va-Orthe­sen bie­ten. Seit 2003 ­beschäf­ti­gen wir uns außer­dem inten­siv mit der Ent­wick­lung von digi­ta­ler Mess­tech­nik, um die Passgenauig­keit von Hilfs­mit­teln zu ver­bes­sern und die Arbeit im Fach­han­del zu erleich­tern. Indem wir ein dreidimensionales­ ­Abbild des Kör­pers gene­rie­ren, kön­nen wir davon die ­exak­ten Maße ablei­ten. Sie bil­den die Grund­la­ge für pass­ge­naue Kom­pres­si­ons­strümp­fe und Ban­da­gen – beson­ders auch für Pati­en­ten, die auf­grund ana­to­mi­scher Beson­der­hei­ten ein Maß­pro­dukt benö­ti­gen. Hin­ter all die­sen Ent­wick­lun­gen steckt immer unser Anspruch, durch­ge­hend Qua­li­tät zu bie­ten – bei den Pro­duk­ten und im Ser­vice. Die­sen Gedan­ken ­haben wir 2007 als Grund­satz­idee im Qua­li­täts­part­ner­pro­gramm nie­der­ge­schrie­ben – und set­zen ihn seit­dem zusam­men mit 1.100 Fach­händ­lern in Deutsch­land um. Das hal­te ich auch unbe­dingt für erwäh­nens­wert, wenn wir auf 90 Jah­re Bau­er­feind blicken!

OT: Was waren Irr­we­ge – und aus wel­cher unter­neh­me­ri­schen Fehl­ent­schei­dung haben Sie am meis­ten gelernt?

Prof. Bau­er­feind: Es gab Pro­dukt­ideen, die waren gut, aber zu früh auf dem Markt, und wir haben gelernt, dass das „Timing“ mit­ent­schei­det über Erfolg oder Miss­erfolg. Mit Zeu­ba, einer Mar­ke, unter der wir Anfang der 2000er-Jah­re Sport­ban­da­gen ver­kau­fen woll­ten, waren wir zum Bei­spiel zu früh. Heu­te sind Sport­s­trümp­fe, Sport­ein­la­gen und Sport­ban­da­gen über­all zu fin­den – und wir konn­ten auf ­unse­re frü­he­ren Erfah­run­gen mit Zeu­ba zurückgreifen.

OT: Nicht zuletzt sorg­te der Schritt zurück zu den Wur­zeln des Unter­neh­mens, nach Zeu­len­ro­da, für eini­ges Auf­se­hen. Wie hat der Wech­sel nach Thü­rin­gen die Kul­tur im Unter­neh­men verändert?

Prof. Bau­er­feind: Wir sind ein Unter­neh­men, in dem es kei­ne Rol­le spielt, woher jemand kommt und wel­che Spra­che jemand spricht. Es zählt, was der­je­ni­ge kann, wel­che Qua­li­fi­ka­tio­nen und Fähig­kei­ten er oder sie mitbringen.

OT: Bau­er­feind ist nach wie vor ein Fami­li­en­un­ter­neh­men. Was ist das Erfolgs­re­zept? Und wird Bau­er­feind ein Fami­li­en­un­ter­neh­men bleiben?

Prof. Bau­er­feind: Es gibt nicht das eine, ulti­ma­ti­ve Erfolgs­re­zept. Es braucht sicher­lich Durch­hal­te­ver­mö­gen, dann natür­lich Fleiß und ganz klar den Mut, Chan­cen auch zu ­ergrei­fen. Hin­zu kommt immer auch eine Por­ti­on Glück oder eben Zufall, denn nicht alle erfolg­rei­chen Ent­wick­lun­gen sind vor­her­seh­bar. Und ja, wir wer­den ein Fami­li­en­un­ter­neh­men blei­ben. Um dies zu gewähr­leis­ten, haben mei­ne Kin­der und ich 2014 eine Fami­li­en­stif­tung gegründet.

OT: Bereits 2016 haben Sie Antei­le an der Medi­zin­tech­nik­fir­ma Codon AG über­nom­men, Spe­zia­list für die Züch­tung kör­per­ei­ge­ner Knor­pel­zel­len zur gelenk­er­hal­ten­den Behand­lung von Gelenk­knor­pel­schä­den. Ist dies ein Anzei­chen, dass Bau­er­feind sei­ne Pro­dukt­pa­let­te in neue Rich­tun­gen erwei­tern wird?

Prof. Bau­er­feind: Das ist ein Anzei­chen dafür, dass wir ganz­heit­lich und in Part­ner­schaf­ten den­ken. Gelenk­er­halt vor Gelenk­er­satz lau­tet der Leit­ge­dan­ke von Codon. Für mich ist das mehr als eine Idee, die gera­de dem Zeit­geist ent­spricht, son­dern Zukunft. Zusam­men mit unse­ren Ban­da­gen und Orthe­sen bie­tet die gelenk­er­hal­ten­de Behand­lung von Gelenk­knor­pel­schä­den Mög­lich­kei­ten für mehr­stu­fi­ge The­ra­pie­kon­zep­te. Heißt das, dass wir nicht mehr in post­ope­ra­ti­ve Pro­duk­te inves­tie­ren? Auf kei­nen Fall, da kön­nen Sie noch eini­ges erwarten.

OT: Wie muss sich Bau­er­feind stra­te­gisch auf­stel­len, um auch in Zukunft erfolg­reich zu bleiben?

Prof. Bau­er­feind: Wir wer­den erfolg­reich blei­ben, wenn wir wei­ter­hin auf Qua­li­tät und auf Ser­vice set­zen – für End­ver­brau­cher, die online ein­kau­fen, für unse­re Part­ner im Fach­han­del, für End­ver­brau­cher, die lie­ber ins Geschäft gehen. Sie alle benö­ti­gen auch in Zukunft wirk­sa­me Produkte­ für die kon­ser­va­ti­ve The­ra­pie, für den post­ope­ra­ti­ven Ein­satz, für den Ein­satz im All­tag, im Beruf und im Sport. ­Dabei wer­den wir als glo­bal agie­ren­der Her­stel­ler immer die Beson­der­hei­ten der ver­schie­de­nen Erstat­tungs­sys­te­me und Märk­te welt­weit berück­sich­ti­gen müs­sen. Aber eines wird immer gleich sein: unser Anspruch, als Qua­li­täts­füh­rer stets hoch­wirk­sa­me Pro­duk­te her­zu­stel­len, die den ­neu­es­ten medi­zi­ni­schen Erkennt­nis­sen entsprechen.

OT: Mit Dirk Nowitz­ki als Tes­ti­mo­ni­al soll­te auch der US-ame­ri­ka­ni­sche Markt ange­kur­belt wer­den sowie eben­so der in Asi­en – ist dies gelungen?

Prof. Bau­er­feind: Ja, das ist gut gelun­gen, und wir wach­sen in die­sen Märk­ten. Anfang des Jah­res haben wir mit der Natio­nal Bas­ket­ball Asso­cia­ti­on (NBA) eine neue, mehr­jäh­ri­ge Part­ner­schaft ver­ein­bart. Sie macht die „Genu­Train NBA“ zur offi­zi­ell lizen­zier­ten Knie­ban­da­ge der Pro­fi­li­ga. Dirk Nowitz­ki prä­sen­tiert das Pro­dukt in den USA und in Kana­da als Zei­chen die­ser Partnerschaft.

OT: Mit der Bau­er­feind Aka­de­mie för­dern Sie seit 2007 welt­weit die Wei­ter­bil­dung im Gesund­heits­hand­werk und im Fach­han­del. Wel­che The­men wer­den hier beson­ders gut angenommen?

Prof. Bau­er­feind: Pro­dukt­the­men sind die Num­mer eins. Beson­ders gefragt sind immer die indi­vi­du­el­len Ange­bo­te wie unse­re Inhouse-Schu­lun­gen zum akti­ven Ver­kau­fen. Immer aus­ge­bucht sind auch die Ange­bo­te für Zusatz­qua­li­fi­ka­tio­nen wie der Sport­or­tho­pä­die­tech­ni­ker oder die Kur­se Quer- bzw. Berufs­ein­stei­ger im Sani­täts­fach­han­del. Auf Anhieb aus­ge­bucht war unser neu­es­tes Ange­bot: das vier­tä­gi­ge Azu­bi-Camp im August, in dem wir Aus­zu­bil­den­de im Gesund­heits­fach­han­del auf den Berufs­all­tag und den Umgang mit Pati­en­ten einstimmen.

OT: Der Man­gel an Nach­wuchs- und Fach­kräf­ten gehört zu den gro­ßen Her­aus­for­de­run­gen der kom­men­den Jah­re in Deutsch­land. Wel­che Ideen hat die Bau­er­feind AG, hier gegenzusteuern?

Prof. Bau­er­feind: Wir ver­su­chen jun­ge Men­schen in der Regi­on zu hal­ten, indem wir attrak­ti­ve Ange­bo­te unter­brei­ten – sei es in der Schu­le, in der Frei­zeit oder in der Aus­bil­dung. Das machen wir in Koope­ra­ti­on mit Schu­len und Fach­hoch­schu­len sowie mit Ver­ei­nen, Stadt- und Kreis­ver­wal­tun­gen. Wir unter­stüt­zen Schu­len zum Bei­spiel beim Ein­rich­ten von Com­pu­ter­räu­men und ver­mit­teln Prak­ti­ka. Wir för­dern die loka­le Ver­eins­ar­beit mit Sach- und Geld­spen­den. Dar­über hin­aus öff­nen wir unse­re Türen und laden ein, Ein­bli­cke in unse­re Arbeits­welt und in ­unse­re Aus­bil­dung zu nehmen.

OT: Die Bau­er­feind AG baut eine neue Betriebs­stät­te in ­­Gera auf. Sind wei­te­re neue Betriebs­stät­ten in naher Zukunft geplant?

Prof. Bau­er­feind: Der Bedarf an Hilfs­mit­teln und damit die Nach­fra­ge nach unse­ren Pro­duk­ten stei­gen. Wir wach­sen und benö­ti­gen ent­spre­chen­de Kapa­zi­tä­ten. In Zeu­len­ro­da haben wir bereits im ver­gan­ge­nen Jahr wie­der eine neue Fer­ti­gungs­hal­le in Betrieb genom­men. Jetzt bau­en wir erst ein­mal in Gera – 30 Auto­mi­nu­ten von Zeu­len­ro­da ent­fernt – einen wei­te­ren Stand­ort auf. Bis 2021 ent­ste­hen dort über 100 neue Arbeitsplätze.

OT: Nach wie vor pro­du­ziert Bau­er­feind in Deutsch­land – bleibt „Made in Ger­ma­ny“ das Mar­ken­zei­chen oder wird künf­tig auch im Aus­land gefertigt?

Prof. Bau­er­feind: Wir sind ein Fami­li­en­un­ter­neh­men, das in Zeu­len­ro­da sei­ne Wur­zeln hat. Wir sind hier zu Hau­se. Wir haben in Deutsch­land die Fach­kräf­te und Pro­duk­ti­ons­stät­ten, die den Erfolg unse­rer Pro­duk­te aus­ma­chen. Das sind alles sehr gute Grün­de, auf das Mar­ken­zei­chen „Made in Ger­ma­ny“ zu set­zen. Wir möch­ten wei­ter in Deutsch­land pro­du­zie­ren und von Zeu­len­ro­da aus unse­re Pro­duk­te welt­weit liefern.

OT: Heil- und Hilfs­mit­tel­ver­sor­gungs­ge­setz (HHVG), ein neu­es Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis, Knock-out für Hilfs­mit­tel-Aus­schrei­bun­gen durch das Ter­min­ser­vice- und Ver­sor­gungs­ge­setz (TSVG) – stellt die Poli­tik die rich­ti­gen Wei­chen, damit ein ­Unter­neh­men wie die Bau­er­feind AG in Deutsch­land lebens- und kon­kur­renz­fä­hig bleibt?

Prof. Bau­er­feind: Hilfs­mit­tel fin­den in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung end­lich mehr statt. Die Debat­ten gehen in die rich­ti­ge Rich­tung. Am Ende dreht sich aber alles um die Fra­ge, wie Gesund­heit in Deutsch­land künf­tig finan­ziert wer­den soll. Wor­auf soll man set­zen? Die beschränk­ten finan­zi­el­len Mög­lich­kei­ten der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV) sind nicht weg­zu­dis­ku­tie­ren und die ­Demo­gra­phie spricht eine ein­deu­ti­ge Spra­che. Rück­la­gen wer­den nicht von Dau­er sein. Kran­ken­ver­si­che­run­gen kön­nen nicht jedem Pati­en­ten jede denk­ba­re Ver­sor­gung bezah­len. Pati­en­ten müs­sen ihr Gesund­heits­ma­nage­ment eben­so in die Hand neh­men und daher die Frei­heit haben, sich für Qua­li­täts­pro­duk­te ent­schei­den zu kön­nen, die über das Maß des Not­wen­di­gen hin­aus­ge­hen. Sie müs­sen auch die Frei­heit haben, zwi­schen Pro­duk­ten wäh­len zu kön­nen. Ansprü­che und indi­vi­du­el­le Bedürf­nis­se sind nun ein­mal ver­schie­den und sol­len es auch blei­ben dür­fen. Nur so bleibt die Tür für Inno­va­tio­nen offen!

Die Fra­gen stell­te Cath­rin Günzel.

Michael Blatt
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