Prof. Dr. Thomas Tischer ist Chefarzt in der Orthopädischen Klinik am Malteser Waldkrankenhaus St. Marien in Erlangen und außerdem Incoming Präsident der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin.
OT: Corona und Sport: Während der Pandemie sind Sportveranstaltungen oder geregeltes Training an vielen Orten erschwert oder unmöglich geworden. Sind die Auswirkungen bereits jetzt absehbar?
Prof. Dr. Thomas Tischer: Prinzipiell hat die Pandemie schon schwere Auswirkungen auf den Sport. Zum einen verlieren junge Menschen die Möglichkeit, an den Sport herangeführt zu werden und drohen so den Bezug zum Sport und aktiver Lebensweise zu verlieren. Zum anderen droht eine Reihe von neuen Verletzungen, wenn die Menschen plötzlich nach langer Sportpause wieder „völlig untrainiert“ in den Sport einsteigen. Hier ist auf eine gezielte Rückkehr in den Sport zu achten mit entsprechendem Aufbautraining, wie es auch zur Saisonvorbereitung im Freizeitskisport seit langem propagiert wird.
OT: Im Profisport haben sich Ligen und Vereine auf verschiedene standardisierte Verfahren geeinigt, bis die Berufssportler:innen nach einer Corona-Infektion wieder am Trainings- und Spielbetrieb teilnehmen können. Wie sieht es dagegen im Amateurbereich aus? Gibt es von Seiten der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin bereits Erkenntnisse über den gelungenen oder misslungenen Wiedereinstieg nach Infektion in den sportlichen Alltag?
Tischer: Das Problem betrifft den Amateursport, aber auch Randsportarten sind im Profibereich betroffen, im Prinzip alle Sportarten, die nicht viel Geld zur Verfügung haben, um ein professionelles Umfeld aufzubauen. Das umfasst nicht nur den Wiedereinstieg nach einer Corona-Infektion, sondern z. B. auch den Return-to-Sport nach einer Kreuzbandverletzung oder einer Meniskusverletzung. Im Amateursport ist in Deutschland der Sportler oder die Sportlerin mehr oder weniger sich selbst überlassen und muss sich aktiv um Ratschläge bei Ärzt:innen, Trainer:innen und Physiotherapeut:innen bemühen. Von Seiten der Fachgesellschaften versuchen wir hier unterstützend zu helfen, die Informationen sind aber oftmals an Ärzt:innen gerichtet, die wiederum die Informationen dann an ihre Patient:innen weitergeben. Zur Thematik Covid und Sport ist gerade ein Themenheft in unserem Journal, der Sports Orthopaedics and Traumatologie, erschienen.
OT: Die OTWorld hat 2022 eine besondere Gewichtung auf Sportversorgungen gelegt. Wo sehen Sie in diesem Bereich den besonderen Mehrwert von interdisziplinären Teams? Und welche Veranstaltungen legen Sie den GOTS-Mitgliedern besonders ans Herz?
Tischer: Die Betreuung von Sportler:innen und insbesondere Behandlung von Sportverletzungen war schon immer interdisziplinär. Durch das Zusammenwirken von Spezialist:innen unterschiedlicher Bereiche kann so die Versorgung für die Spitzensportler:innen optimiert werden. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Veranstaltungen „Fuß und Sprunggelenk im Sport“, wo unter anderem die orthopädieschuhtechnischen Möglichkeiten zur Vermeidung von Überlastungen beim Laufsport dargestellt werden, oder die Sitzungen „Sport und Orthetik“ und „Sport und Prothetik“. Gerade im Parasport ist natürlich die Zusammenarbeit von Orthopädietechniker:innen und Sportärzt:innen von überragender Bedeutung.
Eine Gesamtübersicht aller Kurzinterviews zur OTWorld 2022 finden Sie hier.
- Die neue Leitlinie zum Lipödem-Syndrom: mehr Licht als Schatten. Konsequenzen für die Praxis — 5. Dezember 2024
- Orthesenversorgung bei Läsion des Plexus brachialis — 4. Dezember 2024
- Anforderungen an additiv gefertigte medizinische Kopfschutzhelme — 4. Dezember 2024