Jüptner berichtete über die Belastung in der Corona-Pandemie, in der alle Aktivitäten des Bundesverbandes vom Jugendcamp über Fortbildungs- bis hin zur Peer-Review-Veranstaltung 2020 ausfallen mussten, aber in diesem Jahr fortgeführt werden sollen.
Dr. Grünther berichtete über die Aktivitäten der Arbeitsgruppe „ExoPRD oder AmpuRD“ des Expertenbeirates, welcher in enger Kooperation mit dem MetKo-Zentrum Heidelberg-Stuttgart in der Erarbeitung von Registerstrukturen für Menschen mit Beinamputation eingebunden ist. Der Versuch Grünthers einer ersten Erhebung von Daten mit 5 Sanitätshäusern aus Nordrhein-Westfalen war im Januar 2020 angestoßen worden. Anfänglich beteiligten sich noch drei Sanitätshäuser, wovon nach drei Monaten nur noch ein Sanitätshaus übrigblieb, welches allein Daten von Menschen mit Amputation sandte. „Die Motivation der OT scheint äußerst schwierig“, so seine Schlussfolgerung. Im Hinblick auf die Medical Device Regulation (MDR) seien die Notwendigkeiten einer adäquaten Datenerhebung und ‑dokumentation noch nicht selbstverständlich, obwohl der Versorgungsalltag auch heute schon eine gute Dokumentation fordert – Hier sei also noch Aufklärung notwendig. Ziel der ExoPRD-Arbeitsgruppe ist es, in gemeinsamer Abstimmung mit der AG MDR der Deutschen Gesellschaft für interprofessionelle Hilfsmittelversorgung e. V. (DGIHV) einen bundeseinheitlichen Erhebungsbogen mit einem minimalen Datensatz von etwa 50 Fragen zu erstellen, ohne zusätzliche Arbeit für die Sanitätshäuser zu erzeugen. Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) hat angeboten, dieses Register in die Registerforschung des Verbandes aufzunehmen. Damit wäre die Technische Orthopädie nochmals enger in der Fachgesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie eingebunden.
„AMP Kompass“: Schema zur Dokumentation des Versorgungsprozesses
Wie erfolgreiche Kooperationen und gelebte Strukturen zwischen Ärzten, Therapeuten und der Orthopädie-Technik aussehen könnten, stellte Dipl.-Ing. Merkur Alimusaj mit dem durch das Baden-Württembergische Ministerium für Soziales und Integration geförderten Projekt „AMP Kompass“ vor. Hier handelt es sich um ein seit 2020 laufendes Projekt, basierend auf jahrelangen Vorarbeiten zur Erarbeitung digitaler Werkzeuge für die Versorgungserfassung der Technischen Orthopädie der Uniklinik Heidelberg in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IPA aus Stuttgart in ihrem Verbundnetzwerk MetKo-Zentrum. Es soll für das Fach ein im klinischen Alltag anwendbares, valides und umfassendes Schema zur Dokumentation des Versorgungsprozesses von beinamputierten Menschen entstehen. Dafür ist ein digitales Dokumentationswerkzeug zur Vernetzung von Patienten zu schaffen. Die beteiligten Berufsgruppen der einzelnen Sektoren sind sowohl im Hinblick auf ein Register als auch unter Berücksichtigung der elektronischen Patientenakte zu integrieren. Der AMP-Kompass, als Basis, soll es mittelfristig ermöglichen, die ambulant erbrachten Leistungen strukturiert im Netzwerk zu erfassen und zu bewerten, die Vernetzung zwischen ambulanten Leistungserbringern (Hausarzt, Physiotherapie, Orthopädietechnik) zu ermöglichen und die Versorgungsqualität in Abhängigkeit von patientenspezifischen Faktoren und in Bezug auf Inklusion und Teilhabe zu erheben. Die Versorgungssituation soll im Sinne einer Nachbeobachtung, wie sie auch in der MDR gefordert wird, durch Stichproben bei Patienten und den vorgenannten Leistungserbringern bewertet werden. Ziel muss es sein, eine Dokumentation zu haben, die kostenträgerunabhängig anzuwenden ist – denn trotz aller Notwendigkeiten fehlt es derzeit eben an diesen Strukturen, um sowohl regulatorischen Anforderungen als auch notwendigen Qualitätsstandards in der Versorgung strukturiert entsprechen zu können.
Dr. Urs Schneider, Julia Block und Urban Daub, ebenfalls im MeTKo-Zentrum engagiert, berichteten über die weiterführenden Aktivitäten rund um AMP-Kompass. Das angestrebte Folgeprojekt mit dem Arbeitstitel: „MeTKo und Planung eines Versorgungsregisters für Amputierte“ unter Beteiligung des Fraunhofer IPA Stuttgart gemeinsam mit der orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg und mit Förderung durch das Land Baden-Württemberg soll ein Register für die sichere, systematische, prospektive Erfassung pseudonymisierter Daten über die Behandlung und Versorgung von Menschen mit Amputation werden – eine Forderung, die der BMAB schon seit Jahren an das Fach stellt.
Ralf Rensinghoff von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) sieht insbesondere beim Themenfeld der Osteointegration die dringende Notwendigkeit der Integration in das DRG-System, da es sich bei dieser Amputationstechnik um die Implantation eines Kraftträgers in einen Knochen handelt, entsprechend der Implantation eines künstlichen Gelenkes. Ohne Integration ist dieser operative Eingriff DRG-mäßig nicht abrechenbar. Dies zeigt, dass auch im Bereich der stationären wie auch rehabilitativen Versorgung dringend nachgearbeitet werden muss.
Forschungsdatenbank auf den Weg gebracht
Prof. Dr. Bernhard Greitemann konnte persönlich nicht am Video-Meeting teilnehmen, stellte dem Beirat allerdings eine Präsentation der DGIHV zur Verfügung, die in Kooperation mit der Vereinigung Technische Orthopädie (VTO) eine Forschungsdatenbank zur Abbildung von Forschungsaktivitäten in den Bereichen Amputationschirurgie, Orthopädie-Technik, Orthopädie-Schuhtechnik, Rehabilitation, Ausbildung, Komponenten- und Werkstofftechnik, IT-Lösungen und weitere auf den Weg gebracht hat. Ziel ist eine Netzwerkaktivität der Forschungsgruppen. Die DGIHV will weiterhin mit der VTO eine Literaturdatenbank mit wesentlicher, aktueller Literatur aus dem Fachgebiet erstellen.
In der weiteren Diskussion stellte Rechtsanwalt Ralf Müller-Päuker neue Entwicklungen in der Rechtsprechung dar. Unter anderem ging er auf die Rechtsprechung zur Verordnung von Sportprothesen ein. Nach einer rechtskräftigen Entscheidung des LSG Bayern besteht in einem gewissen Umfang auch für Krankenversicherte Anspruch auf Ausstattung mit einer Sportprothese (nicht jedoch für den Vereinssport). Insoweit ergeht ein Appell an die Verordner und Leistungserbringer, Sportprothesen wieder mehr bei den Versorgungsprozessen zu berücksichtigen.
Abgerundet wurde die Veranstaltung mit einem Beitrag von Stephan Panning, der die Erstellung einer Liste von Psychotherapeuten für Menschen mit Amputationen vorstellte. Diese Übersicht soll den Zugang von Betroffenen zu speziellen Psychotherapieangeboten erleichtern. Nach Ansicht der Teilnehmer gerade im Hinblick auf die hohen psychosozialen Komponenten nach einer Amputation mehr als sinnvoll und geradezu überfällig. Eine Veröffentlichung auf der Homepage des BMAB e. V. ist in Kürze geplant.
Fazit: Nach jedem Vortrag wurde eine ausgiebige und sehr engagierte Diskussion von allen Teilnehmern geführt, im Besonderen wurde immer wieder Bezug auf die MDR genommen, welche ab dem 26. Mai 2021 ihre zwingende Anwendbarkeit erlangt. Im Rahmen der MDR sind die Leistungserbringer verpflichtet, klinische Bewertungen und Nachprüfungen während des Nutzungszeitraumes sicherzustellen und zu dokumentieren. Bei dieser Umsetzung wäre das oben erwähnte Register auch im Sinne einer nachhaltigen und zukunftssichernden Maßnahme von unschätzbarem Wert – so das gemeinsame Fazit der Gruppe.
Dipl.-Ing. Merkur Alimusaj (Universitätsklinikum Heidelberg)
Dr. med. Ralf-Achim Grünther (Beirat BMAB)
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