Die bedarfsgerechte Versorgung von Bürger:innen erfordert ein sektorenübergreifendes Handeln der Politik. Damit sich Betroffene auf kurze Dienstwege und optimale Versorgung verlassen können. „Ohne die Hilfsmittelindustrie und ihre patientenindividuellen Lösungen wäre der ambulante und stationäre Versorgungsstandard in Deutschland nicht denkbar“, sagt Eurocom-Geschäftsführerin Oda Hagemeier. Und belegt ihre Aussage mit konkreten Zahlen.
Demnach litten 33 Millionen Menschen in Deutschland aktuell an Erkrankungen des Bewegungsapparates, 22 Millionen an Venenerkrankungen, 7 Millionen an Diabetes Mellitus – die Folge: rund 40.000 Amputationen jährlich. „Damit konservative und postoperative Behandlungserfolge mit wirksamen und sicheren Hilfsmitteln für Menschen mit oft chronischen Erkrankungen oder Behinderungen auch in Zukunft gewährleistet sind, bedarf es einer politisch geregelten Innovationskultur“, so Hagemeier. Vor allem im Hinblick auf die Ausgestaltung des Hilfsmittelverzeichnisses und des E‑Rezeptes, aber auch „bei der Nutzung von Forschungsdaten und nicht zuletzt bei der Stärkung der regionalen Wirtschaftskraft im internationalen Wettbewerb“.
So müsse das Hilfsmittelverzeichnis in der Lage sein, den medizinischen und technischen Fortschritt und die Entwicklungen der Digitalisierung vernünftig darzustellen. Entsprechend schnell müsse für neue oder neuartige Produkte der Nachweis des medizinischen Nutzens geklärt werden. Die Eurocom fordert deshalb eine beratende Expertenkommission einzurichten, die auf Antrag verpflichtend zum Einsatz kommt. Für mehr Schnelligkeit in Entscheidungsfragen. Und mehr Effizienz.
Ein weiterer wichtiger Punkt aus Sicht der Herstellervereinigung ist die Genehmigung und Abrechnung nicht gelisteter Hilfsmittel, gerade vor dem Hinblick der Entbürokratisierung. „Nur so lässt sich verhindern, dass kasseninterne Verwaltungsvorgänge wirksame Versorgungen behindern und damit zur Ungleichbehandlung der Patienten führen“, sagt Hagemeier.
Zudem stößt der Eurocom auf, dass das E‑Rezept stark auf Arzneimittel fokussiert ist, weniger auf die Versorgung mit Hilfsmitteln. Damit die digitale Variante des Rezepts kein limitierender Faktor wird und um einer Ungleichbehandlung vorzubeugen, fordert Eurocom „die konsequente digitale Transformation der Rezeptierung“, wie es in dem Vier-Punkte-Plan heißt. Hagemeier: „Wir brauchen ein eigens für Hilfsmittel konzipiertes digitales Verordnungsblatt, das bisherige Bruchstellen behebt und so dem patientengerechten Versorgungsbedarf gerecht wird.“
Gesundheitsdaten für Forschung essentiell
Ein wichtiger Antrieb für die Entwicklung und innovativer Produkte sei die Forschung im Auftrag der mittelständischen Industrie. Denn auch hier würde die Digitalisierung aufgegriffen und vorangetrieben. Für diese Forschung und Entwicklung seien Gesundheitsdaten essentiell. „Mit der elektronischen Patientenakte ist die Rechtsgrundlage für eine freiwillige Datenspende der Patienten geschaffen worden. Damit auch für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) diese Möglichkeit der Datenspende genutzt werden kann, sollte ein eigenständiges Antragsrecht herstellender Unternehmen gegenüber dem Forschungsdatenzentrum und die Ergänzung als berechtigte Institution verankert werden“, heißt es in dem Positionspapier. „Obwohl die KMUs das Mark der Hilfsmittelindustrie sind, gehen sie bei bundesdeutschen Förderungsprogrammen häufig leer aus. Die Potenziale dieses Versorgungsbereiches dürfen bei gesundheits- und forschungspolitischen Entscheidungen nicht unter die Räder geraten“, so Hagemeier.
Außerdem müsse die Hilfsmittelindustrie für den internationalen Wettbewerb gestärkt werden. So müsse beispielsweise der Standort Deutschland für die überwiegend mittelständischen Betriebe attraktiv gehalten werden. Dafür sei die Anwendung der Medical Device Regulation (MDR) unverzichtbar: „Unsere Hersteller investieren viel, um eine MDR-konforme Produktion von Medizinprodukten – und damit hohe Patientensicherheit – zu gewährleisten“, so Hagemeier. Dumpingpreise bei der Hilfsmittelversorgung müssten entsprechend verhindert werden. Dafür fordert Eurocom den Aufbau einer EU-Marktüberwachungsbehörde. „Für fairen Wettbewerb und mehr Patientensicherheit“, sagt die Eurocom-Chefin.
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