E‑Rezept wie­der im Fokus

Das E-Rezept bestimmt wieder einmal die Schlagzeilen, wenn es um die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens geht. Am 29. August wurde auf der Gesellschafterversammlung der Gematik beschlossen, dass Patient:innen mit ihrer elektronischen Gesundheitskarte (eGK) E-Rezepte für verschreibungspflichtige Arzneimittel einlösen können. Damit wird das bestehende Angebot aus E-Rezept-App und Papierausdruck des Rezeptcodes um eine dritte Option ergänzt.

Eine Woche zuvor gab aller­dings die Kas­sen­ärzt­li­che Ver­ei­ni­gung Schles­wig-Hol­stein (KVSH) bekannt, dass sie sich aus dem E‑Re­zept-Roll­out zurück­zieht. „Der Nut­zen des E‑Rezepts liegt für Arzt­pra­xen im Kom­fort der büro­kra­tie­ar­men Erstel­lung und für Pati­en­ten in der Ein­spa­rung mehr­fa­cher Wege, was ins­be­son­de­re für Men­schen in länd­li­chen Berei­chen vor­teil­haft wäre. Bei­des kann momen­tan nicht erreicht wer­den“, begrün­det die Vor­stands­vor­sit­zen­de der KVSH, Dr. Moni­ka Schliff­ke, die Ent­schei­dung. Hin­ter­grund ist, dass sich die KVSH selbst an die Lan­des­da­ten­schutz­be­auf­trag­te Marit Han­sen gewandt hat­te, um sämt­li­che Daten­schutz­fra­gen zu klä­ren. Das Ergeb­nis erreich­te die KVSH Mit­te August.

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Dem­nach sei­en weder ein per E‑Mail ver­schick­ter QR-Code noch ein Trans­fer des QR-Codes in eine „im Markt frei erhält­li­che App“ vom Gesetz­ge­ber vor­ge­se­hen und aus Grün­den des Daten­schut­zes auch nicht denk­bar. Nur die über die Gema­tik bereit­ge­stell­ten Wege sei­en gewünscht und sicher. Denn, so heißt es in dem Schrei­ben, „mit der Ver­sen­dung von QR-Codes an ver­si­cher­te Per­so­nen oder Apo­the­ken wür­den bereits Gesund­heits­da­ten nach Art. 4 Nr. 14 DSGVO i,V.m. Art. 9 Abs. ! DSGVO über­mit­telt“. Da die­se beson­ders sen­si­bel sind und daher geschützt wer­den müs­sen, kön­nen Patient:innen auch nicht ein­fach den Leis­tungs­er­brin­gern das Recht ein­räu­men, den­noch die vor­han­de­nen Wege wie E‑Mail oder App zu nut­zen. Es sei­en „objek­ti­ve Rechts­pflich­ten, die nicht zur Dis­po­si­ti­on der Betei­lig­ten ste­hen“, heißt es im Schrei­ben der Landesdatenbeauftragten.

Kri­tik gibt es bei die­ser Rege­lung vor allem wegen der Ungleich­be­hand­lung von ana­lo­gen und digi­ta­len Daten. So schreibt die KVSH, „die for­ma­le Arzt­haf­tung [endet] mit der Über­ga­be des Rezep­tes an den Pati­en­ten. Ob die­ser damit Medi­ka­men­te abholt oder nicht abholt, das Rezept ver­liert, ver­kauft oder bei Face­book ein­stellt, liegt nicht im Ver­ant­wor­tungs­be­reich des Arz­tes“. Dr. Moni­ka Schliff­ke sagt dazu: „Das ist in der digi­ta­len Welt offen­bar sehr anders. Wir las­sen die Pra­xen nicht in eine Fal­le lau­fen, denn die Pra­xen wür­den für die­sen Miss­brauch haf­ten. Die Funk­tio­na­li­tät, einen daten­lo­sen Code als Anhang zu ver­sen­den, ist fir­men­sei­tig umge­hend unter­bun­den worden.“

„Das Gesetz ist offen­bar so zu lesen, dass kein Ver­si­cher­ter a. einer digi­ta­len Über­tra­gung eines daten­lo­sen QR-Codes an sich selbst, b. an einen bevoll­mäch­tig­ten Drit­ten oder c. an die Apo­the­ke sei­ner Wahl zustim­men kann“, so die KVSH. Es sei zwar gut, wenn im Vor­feld des Roll­outs auch die absur­des­ten Pro­blem­stel­lun­gen erkannt wür­den. „Dies hät­te schon in der Test­pha­se der Gema­tik gesche­hen müs­sen, denn die schles­wig-hol­stei­ni­schen Pra­xen haben nicht unwe­sent­lich zum Errei­chen der Gema­tik-Quo­te bei­getra­gen. Nun hof­fen wir, dass nicht auch noch das von der KV West­fa­len-Lip­pe initi­ier­te eGK-Ver­fah­ren dem Daten­schutz zum Opfer fällt, weil auch elek­tro­ni­sche Gesund­heits­kar­ten feh­ler­haft sein oder miss­bräuch­lich ver­wen­det wer­den könnten.“

Vor­wurf: Prak­tisch kein E‑Rezept umzusetzen

Wenn das E‑Rezept nicht ver­schickt wer­den dür­fe, dann wür­den noch – theo­re­tisch – ande­re Wege blei­ben, das E‑Rezept ein­zu­lö­sen. Doch das Urteil der KVSH fällt ernüch­ternd aus. Um die Gema­tik-App, die, laut Anga­ben der Gema­tik bun­des­weit unge­fähr 365.000 Mal her­un­ter­ge­la­den wur­de, zu nut­zen, benö­tigt man ein NFC-fähi­ges Smart­phone und eine eben­so NFC-fähi­ge Gesund­heits­kar­te. Die­se sei aber auch auf Grund des welt­wei­ten Chip­man­gels bei den meis­ten Ver­si­cher­ten über­haupt noch nicht ver­füg­bar, lau­tet ein Vor­wurf. Auf Nach­fra­ge der OT-Redak­ti­on erklär­te aber bei­spiels­wei­se die DAK Gesund­heit, dass bereits 3,8 Mil­lio­nen der 5,5 Mil­lio­nen Ver­si­cher­ten eine NFC-fähi­ge Kar­te besit­zen. Aktu­el­le Zah­len, die die Gema­tik Ende Sep­tem­ber ver­öf­fent­lich­te, gehen in eine ähn­li­che Rich­tung. Rund 60 Pro­zent aller Ver­si­cher­ten sei­en bereits mit einer neu­en elek­tro­ni­schen Gesund­heits­kar­te (eGK) aus­ge­stat­tet worden.

Das E‑Rezept mit­tels elek­tro­ni­scher Pati­en­ten­ak­te (ePa) zu nut­zen, schei­tert in Schles­wig-Hol­stein an der gerin­gen Ver­brei­tung der ePa bei Ver­si­cher­ten und die Code-Über­tra­gung per Kom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst KIM an Apo­the­ken an der Tat­sa­che, dass in Schles­wig-Hol­stein nur eine Hand­voll Apo­the­ken bis­her mit KIM-Modu­len und ‑Adres­sen aus­ge­stat­tet ist, bemän­geln die Mediziner:innen weiterhin.

„Das läuft auf 99 Pro­zent Papier­aus­dru­cke hin­aus, was kei­nem unse­rer Zie­le zur Digi­ta­li­sie­rung auch nur annä­hernd nahe­kommt. Die Zäh­lung der Gema­tik zu E‑Rezepten zeigt dann auch kei­nen Digi­ta­li­sie­rungs­grad an“, resü­miert die KVSH-Vor­sit­zen­de. Die KVSH wird die bereits ter­mi­nier­ten Schu­lun­gen abschlie­ßen, ihre Erreich­bar­keit zu spe­zi­el­len E‑Re­zept-Fra­gen auf­recht­erhal­ten und sich ansons­ten unter­stüt­zend wie­der ein­schal­ten, wenn ggf. durch Geset­zes­an­pas­sun­gen und/oder tech­ni­sche Gema­tik-Akti­vi­tä­ten eine pra­xis- und pati­en­ten­ge­rech­te All­tags­taug­lich­keit abseh­bar ist.

Wäh­rend­des­sen läuft der E‑Re­zept-Roll­out in den Kran­ken­häu­sern und Zahn­arzt­pra­xen in Schles­wig-Hol­stein sowie in (Zahn-)Arztpraxen und Kran­ken­häu­sern in West­fa­len-Lip­pe seit dem 1. Sep­tem­ber. 277.743 E‑Rezepte (Stand: 21. Sep­tem­ber) wur­den bis­her ein­ge­löst. „West­fa­len-Lip­pe geht mit gro­ßem Enga­ge­ment vor­an. Ich dan­ke der Kas­sen­ärzt­li­chen Ver­ei­ni­gung und allen Betei­lig­ten für ihren Ein­satz als E‑Re­zept-Vor­rei­ter“, sag­te Gema­tik-Geschäfts­füh­rer Dr. Mar­kus Leyck Die­ken. Aus Sicht von Leyck Die­ken ist die eige­ne Gema­tik-E-Rezept-App der „Königs­weg“ für das Ein­lö­sen des E‑Rezepts. Doch der Weg zur App ist für Ver­si­cher­te noch recht umständ­lich. So muss sich jeder/jede Ver­si­cher­te extra für die App authen­ti­fi­zie­ren. Dafür ist eine Per­sön­li­che Iden­ti­fi­ka­ti­ons­num­mer (Pin-Code) nötig, die die Kran­ken­kas­sen den Ver­si­cher­ten zusen­den – aller­dings erst, wenn sich die Ver­si­cher­ten an die jewei­li­ge Kran­ken­kas­se wen­den und die Iden­ti­tät gegen­über der Kran­ken­kas­se bestä­tigt wird. Dies geschieht meist über einen per­sön­li­chen Besuch in einer Geschäfts­stel­le der jewei­li­gen Kran­ken­kas­se. Des­we­gen über­rascht es wenig, dass Leyck Die­ken, ange­sichts der Zahl von einem Pro­zent aller Ver­si­cher­ten in Deutsch­land, die die­sen Pin-Code bereits zuge­schickt bekom­men habe, for­dert: „Hier müs­sen wir Hür­den abbau­en, zwi­schen Daten­schutz und Daten­si­cher­heit abwä­gen und prak­ti­ka­ble Lösun­gen finden.“

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