Die indi­ka­ti­ons­ab­hän­gi­ge Ver­sor­gung der LWS und BWS

B. Grage-Roßmann
Auch wenn die Versorgung von orthopädischen Krankheitsbildern der Wirbelsäule in vielen Fällen operativ stattfindet, werden etliche Therapien in diesem Bereich mit Orthesen vorbereitet, unterstützt oder begleitet. Für Erkrankungen der Wirbelsäule gilt, dass je nach Indikation eine Rumpforthese mit dem Ziel der Funktionsunterstützung, der Stabilisation oder der Korrektur für die Wirbelsäule verordnet wird und so die Patient:innen in ihrer Bewegungsausführung beeinflusst. Auch die postoperative Versorgung der Patient:innen für eine Bewegungsführung ist denkbar. Es sollen in diesem Artikel grundlegende Überlegungen zu den Versorgungen der Brust- und Lendenwirbelsäule besprochen werden.

Ein­lei­tung

Die Namens­ge­bung für Ver­sor­gun­gen der Wir­bel­säu­le (WS) reicht von Bezeich­nun­gen aus der Mate­ri­al­wahl (Drell­mie­der) über Funk­ti­ons­be­schrei­bun­gen (Hyper­ex­ten­si­ons­or­the­se) und Krank­heits­bil­dern (Kypho­sen­or­the­se) bis zur Namens­ge­bung nach dem ursprüng­li­chen Kon­struk­teur (Chê­ne­au­kor­sett). Um die Viel­zahl der auf dem Markt befind­li­chen Orthe­sen und ihre Namen für die Wir­bel­säu­le zu unter­tei­len, gab es in der Lite­ra­tur immer wie­der neue Klas­si­fi­ka­ti­ons­sys­te­me, auch für die Rumpfor­the­sen. Die Beschrei­bung der ISO-Norm spie­gelt eine Ver­sor­gungs­ket­te wider und defi­niert dabei auch die funk­tio­nel­le Ein­tei­lung aller Orthe­sen nach ihren Auf­ga­ben gemäß ISO 85511. Für Rumpfor­the­sen sind fol­gen­de Auf­ga­ben nach ISO 8551:2003 möglich:

a)  Fehl­stel­lun­gen vor­beu­gen, hal­ten, reduzieren
b)  Gelenk­be­weg­lich­keit ver­bes­sern, begrenzen
c)  schlaf­fe Läh­mun­gen kompensieren
d)  spas­ti­sche Läh­mun­gen kontrollieren
e)  Gewe­be­be­las­tung redu­zie­ren, umverteilen

Im Rah­men der ISO 8549–3 wur­den 1989 inter­na­tio­na­le Benen­nun­gen für alle Orthe­sen fest­ge­legt. Anhand die­ser Benen­nung nach Applikationsbereich/Wirkbereich lässt sich erken­nen, wo die Orthe­se am Kör­per ihren Auf­ga­ben­be­reich hat, jedoch fehlt dabei die Aus­sa­ge über die Funk­ti­on: Eine Tho­ra­ko­lum­bal­or­the­se (TLSO) als Orthe­se mit Auf­la­ge­flä­che auf dem Kör­per vom Becken bis zum Tho­rax kann sowohl ein Rumpf­stütz­mie­der mit gerin­ger Bewe­gungs­ein­schrän­kung sein als auch eine kor­ri­gie­ren­de Sko­lio­se­or­the­se aus Kunststoff.

Grund­sätz­lich kön­nen Orthe­sen sowohl kon­fek­tio­niert als auch indi­vi­du­ell her­ge­stellt wer­den. Aus­schlag­ge­bend für die Ver­sor­gung mit einer Indi­vi­du­al­lö­sung ist ent­we­der eine lan­ge Tra­ge­zeit oder eine Kon­sti­tu­ti­on des Patienten/der Pati­en­tin, die vom all­ge­mei­nen Kon­fek­ti­ons­sche­ma der Her­stel­ler­fir­men abweicht und zu Pass­form­pro­ble­men führt.

Zur Abrech­nung mit den Kos­ten­trä­gern wer­den Kenn­zif­fern zur Ein­tei­lung der Ver­sor­gun­gen benutzt, die soge­nann­ten Hilfs­mit­tel­num­mern im Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis (HMV) der GKV2. Sie tei­len vor allem kon­fek­tio­nier­te Hilfs­mit­tel ein, aber auch Num­mern für Indi­vi­du­al­an­fer­ti­gun­gen las­sen sich hier fin­den. In der zehn­stel­li­gen Hilfs­mit­tel­num­mer (z. B. 23.14.03.0001) wird die Ver­sor­gungs­art mit den ers­ten zwei Zah­len gekenn­zeich­net. Dem­zu­fol­ge muss für Rumpfor­the­sen als Ers­tes die Orthe­sen-/Schie­nen­grup­pe mit der Zahl 23 notiert sein. Danach folgt im nächs­ten Bereich mit den Zah­len 11 bis 15 der Wirk­be­reich, sprich der ent­spre­chend ver­sorg­te Wir­bel­säu­len­ab­schnitt. Der nächs­te Zah­len­ab­schnitt wird als soge­nann­te Unter­grup­pe bezeich­net und beschreibt die mög­li­chen Wirk­prin­zi­pi­en. Hier wird die Ein­tei­lung der Ver­sor­gung in Immo­bi­li­sie­rung, Sta­bi­li­sa­ti­on, Mobi­li­sa­ti­on oder Entlastung/Korrektur mit­tels Zah­len von 01 bis 04 vor­ge­nom­men. Für indi­vi­du­el­le Anfer­ti­gun­gen ste­hen in der Unter­grup­pe noch wei­te­re Zif­fern zur Ver­fü­gung, die sich aber eben­falls an den vor­ge­nann­ten Funk­ti­ons­ein­tei­lun­gen ori­en­tie­ren. Die ers­te Zif­fer des letz­ten Blocks ist eine wei­te­re Kenn­zif­fer für die Kon­struk­ti­on der Orthe­se, die letz­ten drei Zif­fern geben eine spe­zi­fi­sche Orthe­se eines Her­stel­lers an. Dar­aus ergibt sich die Mög­lich­keit, durch ein Aus­tau­schen der letz­ten drei Zif­fern gleich­wer­ti­ge Ver­sor­gun­gen unter­schied­li­cher Her­stel­ler gegen­über­zu­stel­len, ohne die ärzt­lich ver­ord­ne­te Wir­kung der Ver­sor­gung zu ver­än­dern. Indi­vi­du­al­an­fer­ti­gun­gen wer­den in der Unter­grup­pe mit einer 30 bzw. 31 beziffert.

Die Ver­sor­gung mit „Ban­da­ge“ im Rumpf­be­reich ist im HMV nur für Ver­sor­gun­gen des Tho­rax oder des Abdo­mens mög­lich (z. B. Rip­pen­bruch­ban­da­ge, Sto­ma­ban­da­ge). Alle Ver­sor­gun­gen mit Wirk­be­reich Wir­bel­säu­le wer­den als Orthe­se bezeichnet.

Grund­sätz­lich lässt sich sagen, dass in der Wir­bel­säu­le auf­grund der Viel­zahl an klei­nen Gelen­ken in direk­ter Nach­bar­schaft eine Beein­flus­sung von nur einem Gelenk wie z. B. bei Knie­or­the­sen nicht mög­lich ist. Viel­mehr wer­den die jewei­li­gen Abschnit­te der Wir­bel­säu­le in ihrer von der phy­sio­lo­gi­schen Form abwei­chen­den Situa­ti­on beur­teilt. Dar­auf­hin kön­nen betrof­fe­ne Berei­che stär­ker ent­las­tet wer­den – aber nur mit der Kon­se­quenz, dass im Gegen­zug dazu ande­re Berei­che mehr Last auf­neh­men müs­sen. Man spricht hier von einer Belas­tungs­um­ver­tei­lung. Eine kom­plet­te „Ent­las­tung“ des Sys­tems Wir­bel­säu­le ist mit „klas­si­schen“ Orthe­sen nicht mög­lich: Dafür müss­te die Wir­bel­säu­le mecha­nisch exten­diert wer­den. Wei­ter­hin ist es nicht mög­lich, Kräf­te oder Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen in einen Wir­bel­säu­len­ab­schnitt zu brin­gen, ohne die Nach­bar­ab­schnit­te cra­ni­al und cau­dal davon mit ein­zu­be­zie­hen. Sie wer­den als Gegen­halt bzw. als Fixie­rung benö­tigt. So fin­det sich kei­ne Ver­sor­gung, die die Len­den- oder Brust­wir­bel­säu­le sepa­rat umfasst und auch nur in die­sem Bereich bio­me­cha­nisch beeinflusst.

Orthe­sen für die Len­den­wir­bel­säu­le (LWS), stabilisierend

Die Len­den­wir­bel­säu­le zeigt im Sagit­tal­pro­fil eine Lor­do­se. Ein gro­ßer Teil der ortho­pä­die­tech­ni­schen Ver­ord­nun­gen befasst sich mit dege­ne­ra­ti­ven Ver­än­de­run­gen im Len­den­be­reich wie dor­sa­len Eng­päs­sen im Spi­nal­ka­nal, kom­pri­mier­ten Spi­nal­ner­ven, die aus den For­ami­na aus­tre­ten, oder mit Schmerz­sym­pto­ma­ti­ken durch dege­ne­ra­ti­ve Ver­än­de­run­gen an den klei­nen Wir­bel­ge­len­ken. Hier ist die Ent­lor­do­sie­rung der Len­den­wir­bel­säu­le in der Regel das Versorgungsziel.

Die Ver­sor­gung der LWS ist durch eine Viel­zahl an kon­fek­tio­nier­ten Lum­bal­or­the­sen mög­lich. Dabei han­delt es sich i. d. R. um elas­ti­sche Grund­ma­te­ria­li­en mit einem ven­tral gele­ge­nen Ver­schluss. Die kon­fek­tio­nier­ten, auch durch ihre fle­xi­ble und elas­ti­sche Kon­struk­ti­on oft als Lum­bal­ban­da­gen bezeich­ne­ten Ver­sor­gun­gen umfas­sen nicht das Becken, son­dern expli­zit den Bereich der Len­den­wir­bel­säu­le. Sie wer­den sowohl mit mas­sie­ren­der Pelot­te als auch mit leich­ten Sta­bele­men­ten ange­bo­ten, die ein Zusam­men­schie­ben des Mate­ri­als im Lau­fe der Tra­ge­zeit ver­hin­dern sol­len. Durch die unelas­ti­schen und recht sta­bi­len ven­tra­len Ver­schlüs­se wird jedoch eine Erhö­hung des intra­ab­do­mi­nel­len Dru­ckes, eine ver­stär­ke Brust­at­mung und eine Ver­la­ge­rung des Kör­per­schwer­punk­tes erreicht, die als Kon­se­quenz zu einer Auf­rich­tung im LWS- und BWS-Bereich und der Ent­las­tung der rücken­stre­cken­den Mus­ku­la­tur führt3. Die Ruhig­stel­lung der umfass­ten WS-Abschnit­te kann bedingt durch die Bau­hö­he und die Sta­bi­li­tät der Mate­ria­li­en nur mar­gi­när stattfinden.

Die als Lum­bo­sa­kral­or­the­sen bezeich­ne­ten Kon­struk­tio­nen rei­chen vom Gesäß bis zum tho­ra­ko­lum­ba­len Über­gang. Auch hier kom­men kon­fek­tio­niert vor­wie­gend elas­ti­sche Grund­ma­te­ria­li­en zum Ein­satz, die jedoch auf­grund der Bau­hö­he mit län­ge­ren star­ren Ele­men­ten im dor­sa­len Bereich auf­war­ten kön­nen. So arbei­ten sie bio­me­cha­nisch mit deut­lich effek­ti­ve­ren Hebel­län­gen und beein­flus­sen die Beweg­lich­keit in der LWS stär­ker. Die sta­bi­li­sie­ren­den Ele­men­te der Orthe­se kön­nen aus Metall oder Kunst­stoff bestehen und zusam­men mit einer Zug­gur­tung vom Abdo­men aus nach dor­so-cau­dal und dor­so-cra­ni­al über ein Drei­punkt-Sys­tem die Unter­stüt­zung zur Ent­lor­do­sie­rung der LWS geben (Abb. 1). Vor­aus­set­zung dafür ist, dass die dor­sa­le Ver­stär­kung der Orthe­se noch aus­rei­chend Platz zur Ent­lor­do­sie­rung lässt und nicht bereits in ste­hen­der Posi­ti­on der Patient:innen auf dem Kör­per anliegt. Nur so kön­nen Facet­ten­ge­len­ke und Spi­nal­ka­nal ent­las­tet werden.

Die Unter­stüt­zung der Lor­do­se bis zu ihrer Fixie­rung ist eben­so mög­lich. In die­sem Fall müs­sen die Zug­ver­stär­kun­gen der Ver­sor­gung ent­ge­gen­ge­setzt zu der Gurt­füh­rung für die Ent­lor­do­sie­rung ver­lau­fen bzw. auf einen mit­tig der Lor­do­se ver­lau­fen­den Gurt redu­ziert werden.

Indi­vi­du­ell her­ge­stell­te Ver­sor­gun­gen die­ser Kate­go­rie sind z. B. klas­si­sche Kreuz­stütz­mie­der in all ihren Vari­an­ten. Nach einem indi­vi­du­el­len Schnitt­mus­ter wer­den sie aus zwei Lagen Drell gefer­tigt; die dor­sa­le Ver­stär­kung und somit die Bewe­gungs­ein­schrän­kung kann durch die Stab­an­zahl vari­iert wer­den. Zudem lässt sich durch Dif­fe­ren­zie­run­gen im Bereich der elas­ti­schen Antei­le, der Ver­schlüs­se und etwa­iger Zusät­ze wie Pelot­ten die Wirk­wei­se gut ein­stel­len. Das Über­brü­ckungs­mie­der nach Hoh­mann erreicht wei­te­re Bewe­gungs­ein­schrän­kun­gen: Der dor­sa­le Rah­men aus Becken- und Tho­ra­kal­span­ge (aus Metall oder Kunst­stoff, auch als Scha­le mög­lich) bewirkt durch die nach late­ral rei­chen­den Anla­gen zusätz­lich eine Redu­zie­rung der Seit­nei­gung. Gegen­über­lie­gen­de seit­li­che Anla­ge­flä­chen beid­seits im Bereich von Tho­rax und Becken unter­bin­den das Aus­wei­chen von den Anla­ge­flä­chen und bewir­ken so die redu­zier­te Seit­nei­gung. Die Rota­ti­on des Rump­fes kann nur beein­flusst wer­den, wenn je eine Umfas­sung des Tho­rax und des Beckens ver­wrin­gungs­frei mit­ein­an­der ver­bun­den sind (Abb. 2). Bei star­ker Adi­po­si­tas und Aus­wei­tung der Indi­ka­ti­on bis in den unte­ren Tho­ra­kal­be­reich kön­nen Rumpf­stütz­mie­der ver­ord­net wer­den. Durch den BH-Ansatz und den dor­sa­len Trä­ger­ver­lauf erlau­ben sie einen höhe­ren Stab­ver­lauf und somit einen grö­ße­ren Wirkbereich.

Die Indus­trie bie­tet kon­fek­tio­nier­te Lum­bo­sa­kral­or­the­sen an, bei denen im Ver­lauf der The­ra­pie die Sta­bi­li­sie­rung abge­rüs­tet und die Beweg­lich­keit suk­zes­si­ve wie­der zuge­las­sen wer­den kann. Mit die­sen soge­nann­ten mobi­li­sie­ren­den Orthe­sen­sys­te­men kann vor allem in der post­ope­ra­ti­ven The­ra­pie die Beweg­lich­keit der Wir­bel­säu­le dem Behand­lungs­kon­zept ent­spre­chend ein­ge­stellt wer­den. Das BOB (Bos­ton Over­lap Brace) dage­gen steht als Bei­spiel für vor­ge­fer­tig­te Modul- bzw. Scha­len­or­the­sen aus Kunst­stoff, die in meh­re­ren Grö­ßen zur Ver­fü­gung ste­hen, um dann an den Patienten/an die Pati­en­tin ange­passt zu werden.

Wäh­rend klas­si­sche Rumpfor­the­sen die Ent­las­tung par­ti­el­ler Wir­bel­säu­len­ab­schnit­te durch Belas­tungs­um­ver­tei­lung errei­chen, geht das Prin­zip der KUB­CO-Ent­las­tungs­or­the­se einen ande­ren Weg: Hier wird mit­tels pneu­ma­ti­scher Exten­si­ons­stä­be an indi­vi­du­ell ange­fer­tig­ten Anla­ge­flä­chen eine mecha­ni­sche Ent­las­tung der LWS bewirkt.

Der Indi­ka­ti­ons­be­reich für die LO/LSOs liegt vor­wie­gend in der The­ra­pie von dege­ne­ra­ti­ven, infek­tiö­sen und trau­ma­tisch beding­ten Ver­än­de­run­gen der WS, bie­tet aber auch bei Osteo­po­ro­se, Fehl­bil­dun­gen und der prä- bzw. post­ope­ra­ti­ven Ver­sor­gung der LWS eine Therapiemöglichkeit.

Die Beein­flus­sung der obe­ren Len­den­wir­bel­säu­le erfor­dert eine Kon­struk­ti­on, die den Tho­rax­be­reich teil­wei­se oder ganz mit ein­fasst und somit unter den Begriff der Tho­ra­ko­lum­bal­or­the­sen fällt.

Orthe­sen für die Brust­wir­bel­säu­le (BWS), korrigierend

Die Brust­wir­bel­säu­le zeigt im Sagit­tal­pro­fil einen lan­gen Bogen, die Kypho­se. Die Kypho­se ist phy­sio­lo­gisch mit ca. 20–40° Cobb fest­ge­legt, indi­vi­du­ell fin­den sich jedoch durch­aus Abwei­chun­gen davon. Eine deut­li­che Ver­grö­ße­rung oder Abfla­chung des Kypho­sewin­kels führt kom­pen­sa­to­risch auf Dau­er zu Ver­än­de­run­gen der benach­bar­ten sagit­ta­len Krüm­mun­gen in HWS und LWS und somit zu einer patho­lo­gi­schen Form­ver­än­de­rung im gesam­ten Sagittalprofil.

Mit dem Appli­ka­ti­ons­be­reich vom Becken bis zur mitt­le­ren BWS las­sen sich dege­ne­ra­ti­ve und patho­lo­gi­sche WS-Ver­än­de­run­gen bis ca. BWK 8 ver­sor­gen. Durch die Ein­be­zie­hung des Tho­rax kön­nen neben der geziel­ten Bewe­gungs­ein­schrän­kung und ‑umver­tei­lung auch Fehl­stel­lun­gen beein­flusst wer­den. Auf­grund der spe­zi­el­len Dop­pel-S-Form der Wir­bel­säu­le gel­ten für die Abschnit­te der HWS, der BWS, der LWS und des Ili­o­sa­kral­be­reichs jeweils ande­re Be- und Ent­las­tungs­kri­te­ri­en, die indi­ka­ti­ons­ge­mäß ange­wandt wer­den4.

Um eine effek­ti­ve Auf­rich­tung der BWS (Rekli­na­ti­on oder Redres­si­on) zu errei­chen, wer­den in der Sagit­tal­ebe­ne zwei Drei­punkt-Prin­zi­pi­en so über­la­gert, dass die LWS in ent­lor­do­sier­ter Posi­ti­on steht und die BWS-Kypho­se ober­halb die­ser Fixie­rung abge­flacht wer­den kann. Die­ses Prin­zip ist sowohl in den klas­si­schen, indi­vi­du­el­len Rah­men­stütz­kor­setts zur Sta­bi­li­sie­rung zu fin­den als auch mit ent­spre­chend der Indi­ka­ti­on ange­pass­ten Auf­la­gen für Ver­sor­gun­gen mit Kor­rek­tur­or­the­sen. Die Orthe­sen umfas­sen dafür den Rumpf von ven­tral unter der Brust bis dor­sal ca. 2 cm unter­halb der Sca­pulaspit­ze. Um mit der Orthe­se die BWS noch wei­ter cra­ni­al ruhig­zu­stel­len, sind Tho­ra­kal­bü­gel und eine Sca­pu­la­ein­fas­sung not­wen­dig. Kor­ri­gie­ren­de Orthe­sen wei­sen Rekli­na­ti­ons­pe­lot­ten und eine sca­pul­afreie dor­sa­le Anla­ge auf.

Fle­xi­ble Gurt- und Schlau­fen­kon­struk­tio­nen zur Auf­rich­tung der BWS wir­ken maxi­mal als ver­län­ger­te Erin­ne­rung für die Phy­sio­the­ra­pie und sol­len daher nur stun­den­wei­se zur Unter­stüt­zung getra­gen wer­den. Mecha­nisch kann man sich pro­blem­los gegen die Gur­te in die Kypho­se bewe­gen. Das kurz­stre­cki­ge allei­ni­ge star­re Ein­fas­sen der BWS zur Form­be­ein­flus­sung ist hier eben­so wenig erfolg­reich, da die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten die vor­han­de­ne kom­pen­sa­to­ri­sche Hyper­lor­do­se noch ver­stär­ken, um den Anla­gen im Tho­rax aus­zu­wei­chen. Die Beein­flus­sung der Kypho­seform ist nur mit Ein­fas­sung der LWS und des Beckens mög­lich, daher ist eine effek­ti­ve Orthe­se für die Kor­rek­tur der Brust­wir­bel­säu­le immer eine TLSO und nimmt immer auch auf die cau­dal gele­ge­ne Len­den­wir­bel­säu­le Einfluss.

Grund­sätz­lich sind Fehl­stel­lun­gen der Wir­bel­säu­le effek­tiv nur kor­ri­gier­bar, solan­ge noch Wachs­tums­po­tenz vor­han­den ist. Als Ver­sor­gungs­ziel gilt es, die Fehl­stel­lung zu redu­zie­ren oder die Pro­gres­si­on bis zum Wachs­tums­ab­schluss zu verhindern.

In der Ado­les­zenz kann die Ver­grö­ße­rung des Kypho­sewin­kels durch eine mus­ku­lä­re Fehl­hal­tung oder auch durch einen Mor­bus Scheu­er­mann her­vor­ge­ru­fen wer­den. Wäh­rend die durch mus­ku­lä­re Insuf­fi­zi­enz ver­ur­sach­te Fehl­form durch geziel­te Phy­sio­the­ra­pie und viel sport­li­che Betä­ti­gung the­ra­piert wer­den kann, reicht dies bei M. Scheu­er­mann nicht aus. Die von M. Scheu­er­mann betrof­fe­ne Brust­wir­bel­säu­le weist im ven­tra­len Bereich knö­cher­ne Defek­te und Insta­bi­li­tä­ten auf und die gilt es – zusätz­lich zur Phy­sio­the­ra­pie – bio­me­cha­nisch und aktiv zu ent­las­ten: Die Sagit­tal­form der Wir­bel­säu­le wird mit­tels über­la­gern­der Drei­punkt-Prin­zi­pi­en in einer Orthe­se wie­der har­mo­ni­siert (Abb. 3).

Die Basis bil­det hier ein Drei­punkt-Prin­zip zur Ent­lor­do­sie­rung, wie es bereits beschrie­ben wur­de. Für das über­lap­pen­de tho­ra­ka­le Drei­punkt-Prin­zip ist die dor­sa­le Druck­pe­lot­te unter dem Hypo­moch­lion der Kypho­se zu plat­zie­ren (Sca­pu­lae blei­ben frei), so dass die Patientin/der Pati­ent sich über die­se Anla­ge aktiv auf­rich­ten kann. Damit die meist im schul­pflich­ti­gen Alter befind­li­chen Jugend­li­chen nicht wäh­rend des Tages nach ven­tral in die Kypho­se absin­ken (Sit­zen in der Schu­le), wird die­se Anla­ge nach cranial/ventral durch Anla­ge­flä­chen in Form von Pelot­ten unter­stützt. Das kann eine Sternal­pe­lot­te sein (Abb. 4a), die die Rota­ti­on wenig ein­schränkt. Bei stär­ke­rem Fix­a­ti­ons­grad wer­den auch Rekli­na­ti­ons­pe­lot­ten im ven­tro-late­ra­len Tho­rax ein­ge­setzt (Abb. 4b). Die­se Pelot­ten dür­fen die Atmung nicht ein­schrän­ken, d. h., sie sol­len im obe­ren Bereich mit deut­lich stär­ke­rem Druck auf dem Tho­rax auf­lie­gen als im unte­ren Bereich. Sie wer­den im The­ra­pie­ver­lauf bei ver­bes­ser­ter Auf­rich­tung der Wir­bel­säu­le nachjustiert.

Die akti­ve Auf­rich­te­ar­beit der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten im Kor­sett ist nur mög­lich, wenn die Schul­ter­blät­ter nicht in der Orthe­se gefasst sind und die so Ver­sorg­ten nach dor­sal dem Rekli­na­ti­ons­druck der Pelot­ten aus­wei­chen kön­nen. Nach caudal/ventral wirkt die abdo­mi­nel­le Anla­ge der Becken­vor­kip­pung ent­ge­gen. Den unte­ren Punkt der Anla­ge­ket­te bil­det die dor­sa­le Anla­ge im Glu­te­al­be­reich. Teil­wei­se fin­den sich Orthe­sen, die die Becken­rück­kip­pung mit Hil­fe einer Kreuz­bein­pe­lot­te als drit­ten Punkt gewähr­leis­ten und die Glu­te­al­mus­ku­la­tur frei lassen.

Eine Kor­rek­tur­or­the­se zeich­net sich dadurch aus, dass die Kor­rek­tur­pe­lot­ten sich nicht gegen­über­ste­hen, son­dern sich hier ein Frei­raum befin­det, in den die Patientin/der Pati­ent sich hin­ein­be­we­gen und somit kor­ri­gie­ren kann5. Die Ver­sorg­ten sol­len in der Orthe­se lot­ge­recht stehen.

Eine Orthe­se, die sowohl in der kor­ri­gie­ren­den als auch in der sta­bi­li­sie­ren­den The­ra­pie der Len­den­wir­bel­säu­le Ver­wen­dung fin­det, ist die soge­nann­te Hyper­ex­ten­si­ons­or­the­se. Die Len­den­wir­bel­säu­le wird hier durch eine dor­sa­le Anla­ge in der Lor­do­se fixiert bzw. ver­stärkt. Als Gegen­halt die­nen eine Pelot­te auf der Sym­phy­sen­ober­kan­te zur Becken­vor­kip­pung und eine Anla­ge auf dem Ster­num ober­halb der Brust. So wird die Len­den­wir­bel­säu­le in einer Über­stre­ckung (Hyper­ex­ten­si­on) gehal­ten: Die dor­sa­len Antei­le der LWS erfah­ren durch die Lor­do­sie­rung stär­ke­ren ver­ti­ka­len Druck, wäh­rend die ven­tra­len Antei­le druck­ent­las­tet wer­den (Abb. 6). Als Indi­ka­ti­on gel­ten sta­bi­le Wir­bel­kör­per­frak­tu­ren bis max. Th 10. Je nach Orthe­sen­kon­struk­ti­on kann die Rota­ti­on und/oder die Seit­nei­gung bei Bedarf durch ent­spre­chen­de Anla­gen ein­ge­schränkt werden.

Hyper­ex­ten­si­ons­or­the­sen ver­hin­dern die Ent­lor­do­sie­rung, was die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten beson­ders stört, wenn sie sich nicht wie üblich auf einen Stuhl set­zen kön­nen, son­dern hier­für ein Keil­kis­sen benö­ti­gen, um die Sitz­flä­che anzupassen.

Als Kor­rek­tur­or­the­se kann das Hyper­ex­ten­si­ons­kor­sett für die Ver­sor­gung eines lumbalen/thorakolumbalen M. Scheu­er­mann ein­ge­setzt wer­den: Wie bei Erkran­kung in der BWS lie­gen die knö­cher­nen Ver­än­de­run­gen im Bereich der Wir­bel­kör­per und füh­ren zu einer unphy­sio­lo­gi­schen Kypho­sie­rung die­ses Berei­ches. Um die phy­sio­lo­gi­sche Lor­do­se­form wie­der­her­zu­stel­len, müs­sen in der LWS nur die Lor­do­se unter­stützt und die Becken­vor­kip­pung fixiert wer­den. Die Stern­al­an­la­ge ermög­licht ein lang­stre­cki­ges Über­stre­cken der LWS. Eine Ent­lor­do­sie­rung jedoch belas­tet die Wir­bel­kör­per stär­ker und ist somit bei einem lum­ba­len M. Scheu­er­mann kon­tra­pro­duk­tiv, wäh­rend sie bei einem tho­ra­ka­len M. Scheu­er­mann not­wen­dig ist!

Eine wei­te­re auf­tre­ten­de Form­ver­än­de­rung von LWS und BWS ist die Sko­lio­se, die als eine drei­di­men­sio­na­le Ver­än­de­rung der Wir­bel­säu­le defi­niert ist und daher auch Kor­rek­tur­kräf­te in allen drei Ebe­nen in Brust- und Len­den­wir­bel­säu­le sowie auch im Becken und/oder Schul­ter­be­reich erfor­dert. Die vie­len Vari­an­ten der Sko­lio­se und die Kom­ple­xi­tät die­ser Wir­bel­säu­len­ver­än­de­rung sind der Grund für eine indi­vi­du­el­le, drei­di­men­sio­na­le Orthe­sen­an­fer­ti­gung. Das kann nach manu­el­lem Gips­ab­druck oder im CAD-Ver­fah­ren (com­pu­ter-aided design) erfol­gen. In der Anpro­be wer­den dann der end­gül­ti­ge Zuschnitt und der Druck der Kor­rek­tur­pe­lot­ten bestimmt. Auch in der Sko­lio­se­or­the­se ist es wich­tig, dass den Druck­zo­nen ent­spre­chen­de Frei­räu­me gegen­über­ste­hen, um Raum für Wachs­tum, Atmung und Kor­rek­tur zu geben. Wäh­rend der Inspi­ra­ti­on wird die Aus­deh­nung des Tho­rax in die Frei­räu­me gelei­tet und so die Fehl­stel­lung mit jedem Atem­zug the­ra­piert. Auf kei­nen Fall dür­fen die­se Frei­räu­me die Atmung behin­dern, denn die Atmung in die Frei­räu­me hin­ein ist ein wich­ti­ger Fak­tor für die Auf­rich­tung6. Die optisch teil­wei­se volu­mi­nö­sen Frei­räu­me machen die Sko­lio­se­or­the­sen zu einem Kor­sett, das nicht über­all kör­per­nah anliegt. Ohne die­se Zonen kann aber kei­ne Kor­rek­tur im Kor­sett statt­fin­den (Abb. 7)! Der Pelot­ten­druck soll eine flä­chi­ge Rötung der Haut nach Aus­zie­hen der Orthe­se hin­ter­las­sen und dann ver­blas­sen. Anhand die­ser Haut­mar­kie­rung las­sen sich die Lage und der Auf­la­ge­druck der jewei­li­gen Druck­zo­ne über­prü­fen. Punk­tu­el­le Rötun­gen auf knö­cher­nen Pro­mi­nen­zen sind nicht akzep­ta­bel. Nach ca. 4 Wochen Tra­ge­zeit hat sich die Wir­bel­säu­le im neu­en Kor­sett den Druck­prin­zi­pi­en ange­passt und eine Rönt­gen­auf­nah­me erlaubt eine letz­te Kon­trol­le über die Lage der Druck­zo­nen7. Die Patientin/der Pati­ent soll auch in die­ser Ver­sor­gung lot­ge­recht stehen.

Von einer effek­ti­ven Korrektur(-möglichkeit/-orthese) spre­chen wir, wenn noch Wachs­tums­po­tenz vor­han­den ist und die Wir­bel­säu­le sich auch knö­chern der phy­sio­lo­gi­schen Form wie­der annä­hern kann. Daher wer­den wachs­tums­len­ken­de, kor­ri­gie­ren­de Sko­lio­se­or­the­sen bis zum Ende des Wachs­tums bzw. bis kurz nach Wachs­tums­ab­schluss ver­ord­net. Im Erwach­se­nen­al­ter kön­nen „Sko­lio­se­or­the­sen“ bei der nun adul­ten Sko­lio­se, bei den De-novo-Sko­lio­sen oder durch ande­re Ursa­chen ent­stan­de­ne Sko­lio­sen eben­falls Sinn machen und ver­ord­net wer­den – aller­dings haben sie hier kei­ne kor­ri­gie­ren­de Wir­kung auf die Mor­pho­lo­gie der Wir­bel, son­dern auf die Hal­tung und Balan­ce des Rump­fes. The­ra­pie­zie­le sind Schmerz­lin­de­rung, eine ver­bes­ser­te Atmung durch Auf­rich­tung und die Ver­hin­de­rung bzw. das Ver­lang­sa­men des pro­gre­di­en­ten Hal­tungs­ver­falls. Zu die­sem Zweck wer­den sta­bi­li­sie­ren­de Rumpfor­the­sen ein­ge­setzt, deren groß­flä­chi­ge und ggf. gepols­ter­te Anla­gen eine gleich­mä­ßi­ge Druck­ver­tei­lung zulas­sen. Im Sin­ne einer Bet­tung in opti­mier­ter Auf­rich­tung, Hal­tung und Balan­ce wer­den die funk­tio­nel­len Ein­schrän­kun­gen so minimiert.

Orthe­sen für die Brust­wir­bel­säu­le (BWS), stabilisierend

Die Ursa­che für eine Ver­stär­kung der Kypho­se im Erwach­se­nen­al­ter ist vor allem bei Frau­en oft in Stoff­wech­sel­ver­än­de­run­gen des Kno­chen­baus zu fin­den: Osteo­po­ro­se. Es fin­det eine Form­ver­än­de­rung durch Druck­in­sta­bi­li­tät der ven­tra­len Wir­bel­an­tei­le statt, die in der Brust­wir­bel­säu­le zu einer Hyper­ky­pho­se führt. Die ver­mehr­te Vorn­über­nei­gung der vor­wie­gend weib­li­chen Kli­en­tel führt zudem zu einer erhöh­ten Sturzneigung.

Da im Erwach­se­nen­al­ter kei­ne effek­ti­ve Kor­rek­tur mehr zu errei­chen ist, ist in der Osteo­po­ro­se­ver­sor­gung eine mög­lichst akzep­ta­ble Auf­rich­tung mit Ent­las­tung der ven­tra­len Wir­bel­seg­men­te der Brust­wir­bel­säu­le zur Resta­bi­li­sie­rung und Schmerz­min­de­rung das Ziel. So wird auch die Sturz­nei­gung redu­ziert und eine all­ge­mei­ne Akti­vi­täts­stei­ge­rung in den Fokus genom­men und daher oft von „Aktiv­or­the­sen“ gespro­chen. Bio­me­cha­nisch reicht auch hier eine allei­ni­ge Fas­sung der BWS über drei Anla­gen nicht aus; die Auf­rich­tung der BWS kann nur zusam­men mit einem wei­te­ren über­la­gern­den Drei­punkt-Prin­zip im Lum­bal­be­reich funk­tio­nie­ren. Vor allem in der aku­ten Pha­se der Osteo­po­ro­se­ver­sor­gung wer­den Ach­sel­schlau­fen ein­ge­setzt, die an dor­sa­len Stä­ben oder Schie­nen­ele­men­ten befes­tigt wer­den, um die Patient:innen nicht unnö­tig mit Ein­schrän­kung der Seit­nei­gung und Rota­ti­on zu fixie­ren. Die (gepols­ter­te) Gurt­füh­rung um die Ach­seln zur dor­sa­len Ver­stär­kung erlaubt eine nied­ri­ge seit­li­che Bau­hö­he der Orthe­se, so dass Seit­nei­gung und Rota­ti­on noch bedingt mög­lich sind. Auch wer­den in den Osteo­po­ro­se­or­the­sen die Leib­tei­le (Funk­ti­on: Gegen­halt zur dor­sa­len Tho­ra­kal­an­la­ge) ent­we­der teil­fle­xi­bel oder klein in der Auf­la­ge gestal­tet, um die Bauch­at­mung der Patient:innen nicht ein­zu­schrän­ken8 9 10. Auf dem Markt ist eine Rei­he von kon­fek­tio­nier­ten Orthe­sen im Bau­kas­ten­prin­zip bzw. mit abzu­län­gen­den Gur­ten erhält­lich, jedoch fin­det deren Mate­ri­al­stär­ke nicht immer die Akzep­tanz der Betrof­fe­nen oder lässt sich nicht aus­rei­chend an die zum Teil stark ver­än­der­te Kör­per­form anpas­sen. Eine Indi­vi­du­al­an­fer­ti­gung ist eben­so mög­lich. Die Anla­ge­punk­te und die Bau­wei­se sind hier nicht in Druck­zo­nen und Frei­räu­me zu unter­tei­len, da sie durch­aus auch paar­wei­se gegen­über­lie­gen: Hier spre­chen wir von Fix­a­ti­on oder Sta­bi­li­sa­ti­on (Abb. 8).

Wich­tig: Die cra­nia­len Ansatz­punk­te der Gur­te müs­sen auf Schul­ter­hö­he lie­gen, um auch tat­säch­lich eine Rekli­na­ti­on zu bewir­ken. Bei zu kur­zen Stä­ben ver­kehrt sich die Wir­kung ins Gegen­teil und der Zug an den Gur­ten ver­stärkt die Inklination!

Dau­er­haft als Osteo­po­ro­se­ver­sor­gung akzep­tiert und getra­gen wer­den eher die soge­nann­ten Osteo­po­ro­se­bo­dys, die aus elas­ti­schem Grund­ma­te­ri­al bestehen und für die Unter­stüt­zung der BWS-Redres­si­on mit zusätz­li­chen Zug­ele­men­ten ver­se­hen sind. Die dor­sa­le Ver­stär­kung besteht ent­we­der aus einer leich­ten Metall­schie­ne oder einem Luft­pols­ter, die in eine Tasche des Bodys ein­ge­scho­ben werden.

Eine sta­bi­le­re Vari­an­te der ven­tra­len Abstüt­zung im Tho­rax ist die Anwen­dung von Tho­ra­kal­bü­geln. Die Indi­ka­ti­on kön­nen hier z. B. Meta­sta­sen in der Brust­wir­bel­säu­le sein, die die Ver­ord­nung einer fixie­ren­den Orthe­se erfor­dern, um eine Inkli­na­ti­on mög­lichst kom­plett zu ver­hin­dern. Typi­sche Orthe­sen­ver­sor­gun­gen aus dem Bereich der Tho­ra­ko­lum­bal­or­the­sen sind hier das Über­brü­ckungs­mie­der nach Hoh­mann mit Tho­ra­kal­an­la­gen oder ein Rah­men­stütz­kor­sett in all sei­nen kon­struk­ti­ven und mate­ri­al­tech­ni­schen Vari­an­ten. Die dor­sa­le Orthe­sen­hö­he reicht je nach Indi­ka­ti­on bis maxi­mal zur Hälf­te über die Schul­ter­blät­ter hoch und bil­det so einen Gegen­halt für die ven­tra­le Anla­ge: Wir spre­chen hier von Sta­bi­li­sa­ti­on bzw. Fix­a­ti­on. Bei­de Anla­gen sind jedoch wie­der in einem Drei­punkt­Prin­zip ein­ge­baut (Abdo­men und Becken) und über­lap­pen­de Prin­zi­pi­en begren­zen die Bewe­gung durch gegen­über­lie­gen­de Anlageflächen.

Die Grund­kon­struk­ti­on der Orthe­se kann eine Kunst­stoff­scha­le, ein Car­bon- oder ein Metall­rah­men sein. Der abdo­mi­nel­le Bereich kann fest aus Kunst­stoff oder mit einem Stoff­teil gestal­tet wer­den. Wich­tig für die tho­ra­ka­le Abstüt­zung ist, dass die Bügel aus der Ach­sel kom­mend in ca. 45° auf den Kehl­kopf zulau­fen (Abb. 9). So wird die Brust aus­ge­spart und die Auf­la­ge­flä­chen auf dem Tho­rax im Bereich der Rip­pen­an­sät­ze gewähr­leis­tet. Ein Ver­bin­dungs­gurt zwi­schen den Auf­la­gen ist nicht notwendig.

Für zeit­na­he Ver­sor­gun­gen sind Modu­lar­sys­te­me auf dem Markt; je mehr Rumpf­an­tei­le starr ein­ge­fasst wer­den, um die Bewe­gung zu füh­ren, des­to eher wird aller­dings eine indi­vi­du­el­le Ver­sor­gung not­wen­dig, um eine gute Pass­form zu gewähr­leis­ten und Druck­spit­zen zu ver­hin­dern. Wie bei den LSOs wer­den auch kon­fek­tio­nier­te TLSOs als abrüst­ba­re Vari­an­ten ange­bo­ten, die eine nach­fol­gen­de funk­tio­nel­le Mobi­li­sie­rung vorsehen.

Fazit

Grund­sätz­lich lässt sich für die Ver­sor­gung der LWS und BWS nun fest­hal­ten, dass nicht jede Anla­ge­flä­che im Tho­rax­be­reich auch ihren Wirk­be­reich in der BWS hat und eine Ver­sor­gung im LWS-Bereich auch Aus­wir­kun­gen auf den Tho­rax hat. Die Funk­ti­on einer Orthe­sen­ver­sor­gung ist nicht allein von ihrem Auf­la­ge­be­reich abzu­lei­ten. Wei­ter­hin ist es für eine kor­rek­te Ver­sor­gung not­wen­dig, den betrof­fe­nen WS-Abschnitt und sei­ne Kypho­se- bzw. Lor­do­se­stel­lung zu berück­sich­ti­gen: Ist eine ven­tra­le oder eine dor­sa­le Ent­las­tung erwünscht? Davon abhän­gig müs­sen die Anla­ge­flä­chen gewählt werden.

Für das Ver­sor­gungs­prin­zip der Ruhigstellung/Stabilisierung ste­hen groß­flä­chi­ge Anla­ge­flä­chen gleich­mä­ßig auf dem Kör­per, die paar­wei­se gegen­über­lie­gend ange­ord­net sind, wäh­rend ver­schie­de­ne patho­lo­gi­sche Pro­zes­se durch Auf­rich­tung, Belas­tungs­um­ver­tei­lung und Ruhig­stel­lung in der Aus­hei­lung unter­stützt werden.

Bei wachs­tums­len­ken­den, kor­ri­gie­ren­den Orthe­sen dage­gen ste­hen geziel­ten Anla­ge­flä­chen ent­spre­chen­de Frei­räu­me gegen­über. Nach Wachs­tums­ab­schluss ist die posi­ti­ve Gestalt­ver­än­de­rung der Wir­bel nicht mehr zu erwar­ten, aller­dings kön­nen die zuvor genann­ten Ver­sor­gungs­zie­le (Retension/Redression) für die Dau­er der Tra­ge­zeit ange­strebt werden.

 

Die Autorin:

Bet­ti­na Grage-Roßmann
Bun­des­fach­schu­le für Ortho­pä­die­tech­nik e. V.
Schliepstr. 6–8
44135 Dort­mund
b.grage@ot-bufa.de

 

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Gra­ge-Roß­mann, B. Die indi­ka­ti­ons­ab­hän­gi­ge Ver­sor­gung der LWS und BWS. Ortho­pä­die Tech­nik, 2023; 74 (7): 56–62

 

 

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