„Die Digi­ta­li­sie­rung ist kein Allheilmittel“

Axel Sigmund bekleidet im Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik (BIV-OT) seit dem 1. Januar 2019 die neu geschaffene Projektstelle „Berufsbildung, Digitalisierung und Forschung“. Der gelernte Orthopädie-Techniker unterstützt fortan den Verband in beratender und gestaltender Funktion. Im Gespräch mit der OT berichtet Sigmund von seinem beruflichen Werdegang und bewertet den Einfluss der Digitalisierung auf das Handwerk.

OT: Herr Sig­mund, was hat Sie sei­ner­zeit dazu bewo­gen, eine Aus­bil­dung zum Ortho­pä­die­me­cha­ni­ker und Ban­da­gis­ten zu absolvieren?

Axel Sig­mund: Für mich stand fest, dass ich eine hand­werk­li­che Arbeit ergrei­fen woll­te. Bei der Ortho­pä­die-Tech­nik kamen noch Viel­sei­tig­keit und die medi­zi­ni­sche Kom­po­nen­te hin­zu. Nach mei­ner Aus­bil­dung habe ich fünf Jahr­ein Voll­zeit in dem Beruf gear­bei­tet, ehe ich mich auf der Suche nach dem nächs­ten Schritt bei der Wahl zwi­schen Meis­ter und Stu­di­um für das Stu­di­um ent­schie­den habe.

OT: Wel­ches hand­werk­li­che Know-how war für Sie wäh­rend Ihres Stu­di­ums des Medi­zin­in­ge­nieurs­we­sens von Nutzen?

Sig­mund: In ers­ter Linie waren sicher­lich die Werk­stoff­grund­la­gen und das medi­zi­ni­sche Wis­sen eine gute Aus­gangs­la­ge. Das Stu­di­um soll­te mich für eine Stel­le im Medi­zin­tech­nik­be­reich eines Her­stel­lers vor­be­rei­ten. Aller­dings führ­te mich mein Wer­de­gang dann zu einem Pro­jekt­trä­ger in Ber­lin. Im Auf­trag von Bun­des­mi­nis­te­ri­en, dar­un­ter Bil­dung und For­schung, Wirt­schaft und Gesund­heit, wer­den dort das Poten­ti­al von För­der­an­trä­gen aus dem For­schungs­be­reich bewer­tet und For­schungs­pro­jek­te beglei­tet. Zu mei­nen Schwer­punk­ten gehör­ten die Fel­der Medi­zin­tech­nik, AAL, Pfle­ge­tech­no­lo­gie und kör­per­na­he Sen­so­rik. Par­al­lel zum Stu­di­um unter­rich­te­te ich in Ham­burg Meis­ter-Kurs ein den Fächern Fach­ma­the­ma­tik und Werkstoffkunde.

OT: Wie neh­men Sie im Zuge Ihrer beruf­li­chen Auf­ga­ben den tech­no­lo­gi­schen Fort­schritt im Hand­werk wahr?

Sig­mund: So viel hat sich zunächst nicht ver­än­dert. Okay, es gibt inzwi­schen kei­ne Pro­the­sen aus Holz mehr. Aber die gro­ßen Inno­va­tio­nen erobern aktu­ell erst den Markt. Seit gut sechs bis acht Jah­ren wer­den neue Tech­no­lo­gien in der Ortho­pä­die-Tech­nik sicht­ba­rer. Eine Ver­fah­rens­tech­nik wie die Addi­ti­ve Fer­ti­gung oder das com­pu­ter­ge­stütz­te Frä­sen eta­blie­ren sich ver­stärkt in den Werk­stät­ten. In Bau­tei­le wird immer mehr Elek­tro­nik integriert.

OT: Zu Ihren Auf­ga­ben beim BIV-OT gehört die Unter­stüt­zung bei der Kon­zep­ti­on von Aus- und Fort­bil­dungs­ver­ord­nun­gen. Inwie­weit wan­delt sich das Hand­werk im Zuge der Digitalisierung?

Sig­mund: So wie sich die Welt der Ortho­pä­die-Tech­nik ver­än­dert, so muss auch die Aus- und Fort­bil­dung ste­tig ange­passt wer­den. Neue Fer­ti­gungs­ver­fah­ren wie der 3D-Druck,bzw. die com­pu­ter­ge­stütz­te Model­lie­rung wer­den im Aus­bil­dungs­sys­tem eine grö­ße­re Rol­le spie­len müssen.

OT: Wie kön­nen und müs­sen sich der Bundesinnungsverband,die Innun­gen und Lan­des­in­nun­gen zur Unter­stüt­zung ihrer Mit­glieds­be­trie­be für die Digi­ta­li­sie­rung – Stich­wort „Arbeits­platz 4.0“ fit machen?

Sig­mund: Eines vor­weg: Die Digi­ta­li­sie­rung ist kein All­heil­mit­tel! Es gilt genau abzu­wä­gen, wo die Umstel­lung auf digi­ta­le Pro­zes­se ziel­füh­rend ist. Gera­de in einem Beruf wie dem des Ortho­pä­die-Tech­ni­kers. Nach mei­ner Überzeugung,und hier spre­che ich auch für den BIV-OT, muss bei der Ver­sor­gung von Pati­en­ten auch in Zukunft der Mensch immer im Vor­der­grund ste­hen. Die Digi­ta­li­sie­rung ist als Unter­stüt­zung zur Ver­bes­se­rung von Pro­zess­ab­läu­fen und der Pro­dukt­qua­li­tät im Sin­ne einer opti­ma­len The­ra­pie zu ver­ste­hen. Sei­tens der Ver­bän­de gilt es, den Betrie­ben Ori­en­tie­rungs­hil­fen zu geben, in wel­chen Berei­chen der Ein­satz digi­ta­ler Tech­no­lo­gien die Arbeits­pro­zes­se opti­mie­ren kann. So stellt der 3D-Scan in eini­gen Berei­chen eine sinn­vol­le Alter­na­ti­ve zum ins­be­son­de­re den Pati­en­ten­be­las­ten­den Gips­ab­druck dar.

OT: Die EU-Medi­zin­pro­duk­te­ver­ord­nung (MDR) muss ab Mai 2020 ver­bind­lich ange­wen­det wer­den. Wel­che Aus­wir­kung­hat die Ver­ord­nung auf das OT-Handwerk?

Sig­mund: Die­ser Fra­ge geht seit 2018 auf Initia­ti­ve des Bun­des­in­nungs­ver­ban­des­ei­ne Arbeits­grup­pe in der DGIHV (Deut­sche Gesell­schaft für inter­pro­fes­sio­nel­le Hilfsmittelversorgung,Anm. d. Red.) nach, der ich gemein­sam mit Geschäfts­füh­rer Georg Blo­me und Hel­mut Mar­tus, Lei­tung Wirt­schaft & Ver­trä­ge, im Namen des BIV-OT ange­hö­re. In die­sem Gre­mi­um wird im Moment u. a. anhand der PG 24 im Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis ein Ver­fah­ren für Kli­ni­schen Bewer­tun­gen unter den Maß­ga­ben der MDR exem­pla­risch erar­bei­tet. Zu mei­nen Auf­ga­ben in der Arbeits­grup­pe gehört haupt­säch­lich die inhalt­li­che Arbeit, aber auch die Abstim­mung zwi­schen den in der Arbeits­grup­pe betei­lig­ten Ver­bän­den und der Poli­tik. Der Natio­na­le Arbeits­kreis zur Imple­men­tie­rung der neu­en EU-Ver­ord­nun­gen über Medi­zin­pro­duk­te (NAKI), der sich aus Ver­tre­tern aus ver­schie­de­nen Bun­des­mi­nis­te­ri­en, wei­te­ren Behör­den sowie Ver­bän­den aus dem Gesund­heits­we­sen zusammensetzt,ist aktu­ell damit beschäf­tigt, die kom­ple­xen Aspek­te der MDR umfas­send zu bewerten.

OT: Zu Ihren wei­te­ren Auf­ga­ben im BIV-OT gehört die Ana­ly­se von För­de­rungs-und Ent­wick­lungs­po­ten­zia­len zukunfts­wei­sen­der Ver­sor­gungs­pro­zes­se im Hand­werk. Wo setzt ihre Arbeit an?

Sig­mund: Ich ana­ly­sie­re die der­zei­ti­ge För­de­rungs­land­schaft und bewer­te sie dahin­ge­hend, in wie­weit Bekannt­ma­chun­gen und För­der­an­ge­bo­te für das OT-Hand­werk rele­vant sind und ob es Ideen und Mög­lich­kei­ten für den BIV-OT oder sei­ne Mit­glie­der gibt, sich dar­an zu beteiligen

OT: Ange­nom­men, Sie keh­ren für einen Tag als Ortho­pä­die-Tech­ni­ker in die Werk­statt zurück – wel­che Ver­sor­gung wür­den Sie am liebs­ten durchführen?

Sig­mund: Für mich war und ist die Ver­sor­gung von brand­ver­letz­ten Kin­dern immer noch eine sehr her­aus­for­dern­de Ver­sor­gung. Einer­seits müs­sen Kom­pres­si­ons­pro­duk­te und ver­schie­dens­te Orthe­sen unter medi­zi­ni­schen und hand­werk­li­chen Aspek­ten kom­bi­niert wer­den. Ande­rer­seits spielt hier der indi­vi­du­el­le psy­cho­lo­gi­sche Aspekt, wie­so oft in unse­rem Beruf, eine sehr gro­ße Bedeutung.

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