Chir­ur­gie des Dia­be­ti­schen Fuß­syn­droms – Mög­lich­kei­ten und Grenzen

H. Pralow
Das Diabetische Fußsyndrom (DFS) hat eine nicht ausschließlich angiologische Genese. In zwei Drittel der Fälle steht eine oft wenig beachtete Neuropathie im Vordergrund. Störungen in diesem Funktionsbereich führen am Fuß zu erheblichen Einschränkungen der Gefäßelastizität, zu Gelenk- und Sehnenrigidität mit Fußform- und Fußdruckveränderungen bis hin zu Knochenzerstörungen. Die Diabetisch-Neuropathische Osteoarthropathie (DNOAP-Charcotfuß) ist eine Sonderform des DFS mit komplexer Zerstörung des Fußknochenskeletts und hat eine multifaktorielle, vorwiegend diabetogene Genese. Die konservativen und operativen Maßnahmen zur Druckminderung am Fuß haben einen entscheidenden Anteil an der Reduzierung der hohen Major-Amputationsrate.

Das Dia­be­ti­sche Fuß­syn­drom ist eine schlei­chend fort­schrei­ten­de, kom­ple­xe Schä­di­gung des Fußes in Form von Funk­ti­ons- und Organ­teil­ver­lus­ten unter­schied­li­cher Aus­prä­gun­gen und Kom­pen­sa­ti­ons­mög­lich­kei­ten. Ver­än­de­run­gen der ein­zel­nen ana­to­mi­schen Fuß­struk­tu­ren in Ver­bin­dung mit dem gestör­ten loka­len Stoff­wech­sel füh­ren zu unter­schied­li­chen Beschwer­den, die sich beim Über­schrei­ten eines Grenz­punk­tes zu bedroh­li­chen bis fata­len Kom­pli­ka­tio­nen entwickeln.

Das Dia­be­ti­sche Fuß­syn­drom ist die häu­figs­te Ursa­che für Bein­am­pu­ta­tio­nen. Nach Anga­ben des Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes wer­den in Deutsch­land jedes Jahr ca. 30.000 bis 40.000 Majo­ram­pu­ta­tio­nen durch­ge­führt. Zur Redu­zie­rung der Ampu­ta­ti­ons­ra­te ist es not­wen­dig, die kom­ple­xen Zusam­men­hän­ge von Struk­tur, Funk­ti­on und Stoff­wech­sel zu erken­nen, um früh­zei­tig indi­vi­du­el­len Kom­pli­ka­tio­nen in Form von Ulzer­a­tio­nen, Nekro­sen und Infek­tio­nen als Haupt­ur­sa­che (85 %) der Ampu­ta­tio­nen ent­ge­gen wir­ken zu können.

Ursa­chen und Ver­sor­gung des DFS

Eine Ver­sor­gung des Dia­be­ti­schen Fuß­syn­droms erfolgt vor­ran­gig durch die Gefäß­chir­ur­gie. Aber nur etwa 30 bis 40 % die­ser Füße haben ein wirk­li­ches the­ra­peu­tisch anzu­ge­hen­des Gefäß­pro­blem (Angio­pa­thie), wel­ches durch ver­schie­de­ne ope­ra­ti­ve Maß­nah­men wie das Aus­schäl­ver­fah­ren (Des­obli­te­ra­ti­on), die Bypass­chir­ur­gie (Vene oder Kunst­pro­the­se) und/oder die Kom­bi­na­ti­on mit einem endo­vas­cu­lä­ren Ver­fah­ren (z. B. Bal­lon­er­wei­te­rung) kor­ri­giert wer­den soll­te (Abb. 1). Vor­ran­gig sind beim Dia­be­tes Ver­än­de­run­gen der Gefä­ße im Unter­schen­kel-Fuß­be­reich cha­rak­te­ris­tisch, sodass ins­be­son­de­re sol­che Ver­fah­ren ein­ge­setzt wer­den soll­ten, die eine ver­bes­ser­te Durch­strö­mung in den klei­nen Gefä­ßen erzie­len (per­ku­ta­ne trans­lu­mi­na­le Angio­plas­tie), ohne dabei einen zusätz­li­chen Weich­teil­scha­den im Fuß-Unter­schen­kel zu erzeugen.

Die Erfah­rung des Autors zeigt aber auch, dass das Gefäß­pro­blem nicht allein ver­ant­wort­lich ist für die hohe Ampu­ta­ti­ons­ra­te. In der wei­te­ren Betrach­tung des Dia­be­ti­schen Fuß­syn­droms ist beson­ders die Neu­ro­pa­thie, das heißt die fort­schrei­ten­de Zer­stö­rung der peri­phe­ren sen­si­blen, sen­so­mo­to­ri­schen und/oder auto­no­men Ner­ven in den Bei­nen inter­es­sant. Die­se Ner­ven sind unter ande­rem ver­ant­wort­lich für die Sen­so­rik, Gleich­ge­wichts­funk­ti­on, Schweiß­pro­duk­ti­on, auto­no­me Durch­blu­tungs­re­gu­la­ti­on und den Haut‑, Mus­kel- und Weich­teil­tur­gor. Mit der zuneh­men­den Funk­ti­ons­ein­schrän­kung der Ner­ven wer­den die auf­tre­ten­den Fuß­be­schwer­den oder Fuß­druck­ver­än­de­run­gen nicht bewusst wahr­ge­nom­men, sodass im Fal­le der Grenz­punkt­über­schrei­tung plötz­lich die Fül­le der Kom­pli­ka­tio­nen unter Betei­li­gung aller Fuß­struk­tu­ren eine kata­stro­pha­le Form und Dyna­mik annimmt.

Eben­so wer­den die dia­be­to­gen beding­ten Ver­än­de­run­gen im Bereich der Seh­nen im Zusam­men­spiel zwi­schen Agonisten/Antagonisten, augen­schein­lich ins­be­son­de­re bei den Streck- und Beu­ge­seh­nen im Zehen­be­reich (Kral­len­ze­he, Ham­mer­ze­he, Hal­luxval­gus etc.), aber auch die unter beson­de­rer sta­ti­scher Belas­tung ste­hen­de Achil­les­seh­ne und Tibia­lis-ante­rior-Seh­ne über­haupt nicht mit­be­trach­tet. Bezüg­lich ihrer Patho­mor­pho­lo­gie besteht oft völ­li­ge Unkennt­nis über Funk­ti­ons­stö­run­gen durch die zuneh­men­de Rigi­di­tät oder Schrump­fung unter der dia­be­to­ge­nen Stoff­wech­sel­si­tua­ti­on, die dann zu Fuß­form- und Druck­ver­än­de­run­gen (im Sin­ne des Knick-Klump-Sichel­fu­ßes u. a.) füh­ren kön­nen (Abb. 2 u. 3).

Der Char­cot­fuß wird als eine beson­de­re Form des Dia­be­ti­schen Fuß­syn­droms ange­se­hen. Die Dia­be­tisch-Neu­ro­pa­thi­sche Osteo­ar­th­ro­pa­thie (DNOAP) ist Aus­druck einer weit­aus grö­ße­ren kom­ple­xen und mul­ti­fak­to­ri­el­len Stö­rung des Kno­chen­stoff­wech­sels, der Angio­lo­gie (Gefäß­weit­stel­lung) und der Neu­ro­pa­thie. Die Fol­ge sind Kno­chen­ne­kro­sen bis hin zur Kno­chen­auf­lö­sung und Kno­chen­de­fek­ten mit Aus­bil­dung von gigan­ti­schen Fuß­ver­for­mun­gen und Kno­chen­de­fek­ten in ver­schie­de­nen Ebe­nen und Aus­prä­gun­gen des Fußskelettes.

In ca. 50 bis 60 % der Fäl­le ist die Neu­ro­pa­thie ver­ant­wort­lich für die Patho­lo­gie beim dia­be­ti­schen Fuß. Hier sind ins­be­son­de­re dia­gnos­ti­sche Sekun­där­zei­chen in Form der Schweiß­lo­sig­keit (Anhy­dro­sis) sowie mas­si­ve punk­tu­el­le Horn­haut­bil­dung (Hyper­ke­ra­to­se) – gleich­zu­set­zen mit dem letz­ten „Auf­schrei“ des Fußes – anzu­tref­fen. Ulzer­a­tio­nen und Infek­tio­nen unter den Horn­haut­schwie­len kom­bi­niert mit Zehen­fehl­stel­lun­gen (Hal­lux rigi­dus, Hal­lux val­gus, Digi­tus rigi­dus, Digi­tus mal­leo­lus), die ein­her­ge­hen mit einer Ver­stär­kung der Druck­be­las­tung (hoher „Intrin­sic“), sind die Vor­stu­fen zur Amputation.

Ein­fa­che dia­gnos­ti­sche Mög­lich­kei­ten zur Dif­fe­ren­zie­rung des gefäß­be­ding­ten vom ner­ven­be­ding­ten Kom­plex­scha­den beim dia­be­ti­schen Fuß sind die Beur­tei­lung von Haut­far­be, Tem­pe­ra­tur, Puls, Schweiß, Ver­hor­nung, Unter­haut­fett, Venen­zeich­nung, Schmerz­re­ak­ti­on und Wund­cha­rak­ter. Wäh­rend sich die Angio­pa­thie durch eine blas­se Haut­far­be, küh­le Tem­pe­ra­tur, ein Puls­de­fi­zit (bzw. Puls­lo­sig­keit), eine deut­li­che Schweiß­pro­duk­ti­on, gerin­ge Ver­hor­nung, ein gerin­ges Unter­haut­fett­ge­we­be, spär­li­che Venen­zeich­nung und deut­li­che, teils the­ra­pie­re­sis­ten­te Durch­blu­tungs­schmer­zen aus­zeich­net, zeigt sich bei der neu­ro­pa­thisch beton­ten Kom­plex­si­tua­ti­on des dia­be­ti­schen Fußes eine rosi­ge und war­me Haut bzw. Tem­pe­ra­tur. Dies ist kom­bi­niert mit einem kräf­ti­gen Puls, Schweiß­lo­sig­keit, einer mas­si­ven Ver­hor­nung, einer dick wuls­ti­gen Haut­si­tua­ti­on, einer kräf­ti­ge­ren Venen­zeich­nung, einer Schmerz­lo­sig­keit und einer lokal beding­ten Druck­ne­kro­se bzw. eines Ulcus.

Klas­si­fi­ka­ti­on der Wund­si­tua­ti­on nach Wagner/Armstrong

Wäh­rend bei der gesun­den Fuß­stel­lung durch Druckum­ver­tei­lung die Belas­tung im Bereich der Zehen­spit­zen und im Bereich der Mit­tel­fuß­köpf­chen bei intak­tem Quer- und Längs­ge­wöl­be auf die gesam­te Fuß­soh­le über­tra­gen wird, erfolgt beim dia­be­ti­schen Fuß durch Gefäß‑, Seh­nen- und Kno­chen­ver­än­de­run­gen eine Ver­än­de­rung der nor­ma­len Fuß­stel­lung. Dabei wird vor­ran­gig über einen neu­ro­ge­nen Hohl­fuß und wei­te­re Mit­tel­fuß­ver­än­de­run­gen die punk­tu­el­le Belas­tung dra­ma­tisch beein­flusst. Im Ergeb­nis bricht das Fuß­ge­wöl­be inner­halb einer zeit­li­chen Kom­po­nen­te all­mäh­lich kom­plett in sich zusam­men und aus dem neu­ro­ge­nen Hohl­fuß ent­steht ein defor­mier­ter und insta­bi­ler Stem­pel­fuß (Abb. 4a u. b).

Die­ser „Risi­ko­fuß“ lässt sich durch kon­ser­va­ti­ve Maß­nah­men wie medi­zi­ni­sche Fuß­pfle­ge, durch kon­se­quen­tes Abtra­gen der Horn­haut (Podo­lo­gie) und durch Ent­las­tung in Form von geeig­ne­tem Schuh­werk (spe­zia­li­sier­tes Schuh­hand­werk) dahin­ge­hend beein­flus­sen, dass die Schä­di­gun­gen des Fußes sta­tio­när bleiben.

Sind die Fehl­funk­tio­nen soweit aus­ge­prägt, dass eine Kom­pen­sa­ti­on nicht mehr mög­lich ist, muss mit einer Ver­lust­si­tua­ti­on durch Ampu­ta­ti­on von Tei­len des Fußes (Nekro­se, Gang­rän) gerech­net werden.

Sind beim dia­be­ti­schen Fuß Fuß­ver­for­mun­gen ein­ge­tre­ten, die zu einer erheb­li­chen punk­tu­el­len Druck­be­las­tung („Intrin­sic“) und der Aus­bil­dung von Druck­ge­schwü­ren geführt haben, so sind die­se im Rah­men der Leit­li­ni­en­emp­feh­lun­gen beim dia­be­ti­schen Fuß bis vor Kur­zem noch durch eine Ampu­ta­ti­on gefähr­det gewe­sen, ins­be­son­de­re dann, wenn durch eine Infek­ti­on im Zehen­be­reich (Abb. 5), durch einen frei­lie­gen­den Kno­chen oder ein frei­lie­gen­des Gelenk die Hei­lungs­mög­lich­kei­ten ein­ge­schränkt waren. Die­se Vor­ge­hens­wei­se ist in vie­len Fäl­len nicht mehr not­wen­dig. Durch mini­mal­in­va­si­ve chir­ur­gi­sche Ein­grif­fe las­sen sich die Fehl­stel­lun­gen der Zehen und die dadurch beding­te Fehl­be­las­tung kor­ri­gie­ren. Im Ergeb­nis hei­len Ulzer­a­tio­nen spon­tan ab. Gleich­zei­tig ist hier­bei eine schuh­tech­ni­sche Druck­ent­las­tung erfor­der­lich. Selbst bei ent­zünd­li­cher Betei­li­gung der Kno­chen (Osteomyelitis/Ostitis) lässt sich durch chir­ur­gi­sche Aus­räu­mung des krank­haf­ten Befun­des am Kno­chen kom­bi­niert mit der Ein­la­ge von Sept­op­al­ket­ten und Sta­bi­li­sie­rungs­maß­nah­men (Bohr­draht) der Infekt bekämpfen.

Bei ein­ge­tre­te­ner Infek­ti­on im Fuß­be­reich besteht die chir­ur­gi­sche Behand­lungs­stra­te­gie in der Ein­lei­tung einer Breit­band­an­ti­bio­se zur Infekt­be­kämp­fung, einer Mini­ma­lin­zi­si­on zur Ent­las­tung des Gewe­bes, einer Abklä­rung der Durch­blu­tungs­si­tua­ti­on im Ver­lauf und einer Opti­mie­rung der Stoff­wech­sel­si­tua­ti­on. Über ein adap­tier­tes Wund­ma­nage­ment ist die Weich­teil­si­tua­ti­on in ihrer Hei­lung zu unter­stüt­zen und ein aus­rei­chen­des Exsu­d­at­ma­nage­ment sicherzustellen.

In die­ser Initial­pha­se gewinnt der Behan­deln­de Zeit, um wich­ti­ge Din­ge hin­sicht­lich der Ursa­chen­ab­klä­rung vor­neh­men zu kön­nen (MR-Angio­gra­phie, CT/MRT des Kno­chens, Mikro­bio­lo­gie, u. a.).

Wäh­rend die­ser Akut­pha­se müs­sen unbe­dingt chir­ur­gi­sche Feh­ler ver­mie­den wer­den. Dazu zäh­len ins­be­son­de­re radi­ka­le Weich­teil­ma­nö­ver, ope­ra­ti­ve Ver­let­zun­gen der Fuß­soh­le oder Ein­brü­che in benach­bar­te Zehen- oder Mit­tel­fuß­ge­len­ke. Der exak­ten Bestim­mung des Ope­ra­ti­ons­zeit­punk­tes kommt eine gro­ße Bedeu­tung zu.

Ist die Akut­si­tua­ti­on beho­ben und der Fuß hin­sicht­lich sei­ner Weich­tei­le sta­bil, kön­nen geplan­te ope­ra­ti­ve Maß­nah­men zur Per­fu­si­ons­ver­bes­se­rung gemäß den indi­vi­du­el­len Erfor­der­nis­sen vor­ge­nom­men wer­den. Beim the­ra­pie­re­sis­ten­ten Ulcus in Fol­ge der Neu­ro­pa­thie bzw. Fuß­fehl­stel­lung sind unter spe­zi­el­len Gesichts­punk­ten zur Mini­mie­rung der Druck­ver­hält­nis­se Kor­rek­tur­ope­ra­tio­nen am Vor-/Mit­tel­fuß vorzunehmen.

Wich­tig für die Pro­gno­se des Fußes ist es, dass die­ser zur Ver­mei­dung wei­te­rer Läsio­nen mit spe­zi­el­lem Schuh­werk und mit spe­zi­el­len fuß­pfle­ge­ri­schen Behand­lun­gen kon­ti­nu­ier­lich ver­sorgt wird.

Son­der­fall Charcotfuß

Der Char­cot­fuß stellt vor­ran­gig eine kom­ple­xe, mul­ti­fak­to­ri­ell beding­te Schä­di­gung des Fußes dar. Die Ursa­che für die typi­sche Kno­chen­de­struk­ti­on, die zu einem Kno­chen­kol­laps mit völ­li­ger Zer­stö­rung der Fuß­sta­tik führt, ist vor­ran­gig die Neu­ro­pa­thie. Der Char­cot­fuß weist eine hohe Inzi­denz der Nicht­er­ken­nung auf. Der Erst­be­schrei­ber war der fran­zö­si­sche Neu­ro­lo­ge Jean Mar­tin Char­cot (1825–1893), der die­sen Fuß erst­ma­lig 1883 bei Syphi­lis­er­krank­ten beobachtete.

Die Dia­gnos­tik des Char­cot­fu­ßes wird erschwert durch unspe­zi­fi­sche Sym­pto­me mit schmerz­frei­er Schwel­lung, Rötung sowie Hyper­ther­mie und erfolgt vor­ran­gig durch das kon­ven­tio­nel­le Rönt­gen. Hier las­sen sich anhand des Rönt­gen­be­fun­des im Anfangs­sta­di­um Kno­chen­auf­lö­sun­gen im Basis­be­reich des 1. und 2. Strahls nach­wei­sen, die eine typi­sche Devia­ti­on (Aus­ein­an­der­wei­chung) zuein­an­der zur Fol­ge haben (Abb. 6).

Aber auch im Mittelfuß/Fußwurzelbereich sind Osteo­ne­kro­sen dar­stell­bar. Auch typi­sche Spon­tan­frak­tu­ren im Mit­tel­fuß­be­reich sowie Luxa­tio­nen im Lis­franc- und Cho­part­be­reich tre­ten auf.

Eine wei­te­re Mög­lich­keit zur Dia­gnos­tik ist das MRT, wel­ches ein unspe­zi­fi­sches Kno­chen­ödem zeigt. Ein Abgleich mit der Kli­nik ist zwin­gend erfor­der­lich, um Fehl­in­ter­pre­ta­tio­nen von Trau­ma­fol­gen oder der häma­to­ge­nen Osteo­mye­li­tis ver­mei­den zu können.

Die Sta­di­en­ein­tei­lung erfolgt nach den bei­den Ame­ri­ka­nern Levin und San­ders. Sta­di­um 1 ist das aku­te Sta­di­um. Der Fuß ist hoch­rot geschwol­len und über­wärmt. Der Rönt­gen­be­fund kann unter Umstän­den nor­mal sein. Der Pati­ent ver­spürt kei­ne Schmer­zen, es besteht mög­li­cher­wei­se eine Unför­mig­keit des Fußes. Im Zusam­men­hang mit einem bestehen­den Dia­be­tes oder Lang­zeit­al­ko­hol­kon­sum ist an ein Erst­sta­di­um des Char­cot­fu­ßes unbe­dingt zu den­ken. Kno­chen- und Gelenk­ver­än­de­run­gen, aber auch Frak­tu­ren durch Mini­mal­trau­ma­ta, sind im Sta­di­um 2 nach­weis­bar. Sta­di­um 3 ist gekenn­zeich­net durch Fuß­de­for­mi­tä­ten mit Gelenk­kol­laps in Form von Platt­fuß und Stem­pel­fuß mit Gelenk­zer­stö­rung und Dege­ne­ra­ti­on. Im Sta­di­um 4 sind zusätz­li­che plant­are Fuß­lä­sio­nen durch Kno­chen­durch­bruch mit gestör­ten loka­len Druck­punkt­ver­tei­lungs­ver­hält­nis­sen der Fuß­soh­le domi­nie­rend (Abb. 7).

Eine wei­te­re Ein­tei­lung des Char­cot­fu­ßes kann nach San­ders erfol­gen. Hier wird die Loka­li­sa­ti­on der Kno­chen- und Gelenk­zer­stö­rung zuge­ord­net. San­ders 1 befin­det sich im Bereich der Zehen- und Mit­tel­fuß­kno­chen, San­ders 2 im Lis­franc-Bereich, San­ders 3 im Cho­part­ge­lenk und San­ders 4 im obe­ren und unte­ren Sprung­ge­lenk. Beschrie­ben sind auch Ver­än­de­run­gen im Bereich des Fer­sen­bei­nes und des Knie­ge­len­kes (San­ders 5).

Die ers­te Maß­nah­me bei dia­gnos­ti­scher Siche­rung eines Char­cot­fu­ßes im Akut­sta­di­um ist die sofor­ti­ge Druck­ent­las­tung ent­we­der in Form eines Air- bzw. eines Dia­be­tik­wal­kers oder einer 2‑Scha­len-Orthe­se. Die­se die­nen dazu, die Kno­chen­er­wei­chung in der aku­ten Pha­se solan­ge zu stüt­zen und zu schüt­zen, bis eine sich fes­ti­gen­de Remi­ne­ra­li­sa­ti­on des Kno­chens einsetzt.

Bei Exis­tenz eines Fuß­soh­len­ul­cus ist die Indi­ka­ti­on zur Ope­ra­ti­on immer gege­ben, falls durch einen TCC oder ortho­pä­die­schuh­tech­ni­sche Maß­nah­men das Ulcus nicht inner­halb von 6 bis 8 Wochen zur Abhei­lung gebracht wer­den kann. Die Gefahr des Druckul­cus besteht immer auf­grund der punk­tu­el­len Belas­tung. Die­se wird nicht durch das Kör­per­ge­wicht allein ver­ur­sacht, son­dern durch den inne­ren Kno­chen­druck („Intrin­sic-Druck“).

Dadurch ist neben der Druck­be­las­tung der Weich­tei­le auch immer eine hohe Infek­ti­ons­ge­fahr bei Kno­chen­be­tei­li­gung – gleich­zei­tig ver­bun­den mit einer hohen Ampu­ta­ti­ons­ge­fahr – gege­ben (Abb. 7).

Die Ziel­stel­lung der ope­ra­ti­ven Maß­nah­men beim Char­cot­fuß muss immer dar­in bestehen, eine kor­ri­gie­ren­de Ver­stei­fung zur Mini­mie­rung bzw. kom­plet­ten Ent­las­tung des Intrin­sic­dru­ckes im Bereich der ein­zel­nen Kno­chen­ver­for­mun­gen zu erreichen.

Dazu sind Ver­stei­fungs­ope­ra­tio­nen im Groß­ze­hen­grund­ge­lenk, im Lis­fran­c­be­reich und im Cho­part­ge­lenk mit Auf­rich­tung des Längs- und Quer­ge­wöl­bes abso­lut indi­ziert. Mit der Exis­tenz eines Ulcus sind inne­re Osteo­syn­the­se­ma­te­ria­li­en kon­tra­in­di­ziert. Die Auf­rich­tung erfolgt stets über einen äuße­ren Kno­chen­hal­ter (Fix­a­teur exter­ne). Mit der Auf­rich­tung der Kno­chen­struk­tur zur Siche­rung des Lang­zeit­er­geb­nis­ses ist in jedem Fall auch eine Kor­rek­tur der ver­kürz­ten Seh­nen (Achil­les­seh­ne, Tibia­lis-ante­rior-Seh­ne) vorzunehmen.

Bei dro­hen­den Ulzer­a­tio­nen durch Knick‑, Klump- oder Sichel­fuß sind auch inne­re Osteo­syn­the­sen durch Mark­raum­na­gel oder AO-Schrau­ben geeig­net. Bei wie­der­hol­ten Infek­ten nach Osteo­syn­the­sen infol­ge von Insta­bi­li­tät bzw. Infek­ten des Osteo­syn­the­se­ma­te­ri­als ist alter­na­tiv auch eine bio­lo­gi­sche Arthro­de­se mit­tels auto­lo­gem Fibulas­pan mög­lich (Abb. 8).

Eige­ne Ergebnisse

In den Jah­ren 2004 – 2012 wur­den vom Autor 174 Char­cot­fü­ße im Sta­di­um Levin 4 ope­riert. Ziel der Ope­ra­tio­nen war es, die ent­spre­chend ver­kürz­ten Seh­nen zu ver­län­gern, eine kom­ple­xe Rekon­struk­ti­on im Cho­part- und Lis­fran­c­ge­lenk zur Her­stel­lung des Längs­ge­wöl­bes zu errei­chen, eine spar­sa­me Reten­ti­on über K‑Drähte vor­zu­neh­men sowie bei Wun­den immer einen äuße­ren Fix­a­teur ein­zu­set­zen, um dann in 8 bis 12 Wochen über einen Kno­chen­spann den ent­spre­chen­den Kno­chen­de­fekt auszugleichen.

Im Ergeb­nis ist es immer zu einer kom­plet­ten Wund­ab­hei­lung gekom­men. Der Stem­pel­fuß wur­de zu einem Platt- oder leicht auf­ge­rich­te­ten Hohl­fuß kor­ri­giert, damit er dau­er­haft belas­tungs­sta­bil und wund­frei blieb. Nach ins­ge­samt ca. 20 Wochen mit zwi­schen­zeit­li­chem Belas­tungs­schutz über einen Wal­ker wur­de dann der Arthro­de­sestie­fel bei min­des­tens 25 cm Schaft­län­ge ein­ge­setzt. In 6 Fäl­len war die Ampu­ta­ti­on wegen einer nicht beherrsch­ba­ren Osteo­mye­li­tis notwendig.

Zusam­men­fas­send muss fest­ge­stellt wer­den, dass die Ampu­ta­ti­on beim Dia­be­ti­schen Fuß­syn­drom nur bei Total­ver­lust des Gewe­bes (Gang­rän), beim the­ra­pie­re­sis­ten­ten Schmerz oder bei einer nicht beherrsch­ba­ren Kno­chen­in­fek­ti­on zwin­gend erfor­der­lich ist.

Dem Extre­mi­tä­ten­er­halt, ins­be­son­de­re im Zehen- und Mit­tel­fuß­be­reich, soll­te unbe­dingt durch geeig­ne­te chir­ur­gi­sche Maß­nah­men der Vor­rang ein­ge­räumt wer­den, da vor allem bei Teil­ver­lus­ten von Zehen und Fuß­an­tei­len die bedeut­sa­me und wich­ti­ge Sta­tik und Balance­funk­ti­on des Fußes ein­ge­schränkt wird und wei­te­re Ampu­ta­ti­ons­schrit­te die Fol­ge sind.

Nur durch ein indi­vi­du­el­les und inter­dis­zi­pli­nä­res Zusam­men­wir­ken von fach­spe­zi­fi­schen Ärz­ten, Podo­lo­gen und Orthopädie(schuh)-Technikern ist die­ses Ziel zu erreichen.

Ziel der Behand­lung muss es sein, die Lebens­qua­li­tät des Pati­en­ten mit einem Dia­be­ti­schen Fuß­syn­drom lang­fris­tig zu erhal­ten und sei­ne gesell­schaft­li­che Inte­gra­ti­on zu sichern.

Der Autor:
Dr. Hart­mut Pralow
Gemein­schafts­pra­xis für Chirurgie/
Unfall­chir­ur­gie
Brei­ter Weg 252
39104 Mag­de­burg
chirurgie-pralow@t‑online.de

Lite­ra­tur beim Verfasser.

Begut­ach­te­ter Beitrag/Reviewed paper

Zita­ti­on
Pralow H. Chir­ur­gie des Dia­be­ti­schen Fuß­syn­droms – Mög­lich­kei­ten und Gren­zen. Orthop­dä­die Tech­nik, 2013; 64 (7): 12–17
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