Digi­ta­li­sie­rungs­stra­te­gie vorgestellt

„Deutschlands Gesundheitswesen hängt in der Digitalisierung um Jahrzehnte zurück. Das können wir nicht länger verantworten. Deshalb machen wir einen Neustart – erschließen die elektronische Patientenakte für alle, machen das elektronische Rezept alltagstauglich und erleichtern die Forschung auf Grundlage von Gesundheitsdaten. Moderne Medizin basiert auf Digitalisierung und Daten. Ihre Vorteile zu nutzen, macht Behandlung besser“, erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Rahmen der Präsentation der neuen Digitalisierungsstrategie für das deutsche Gesundheitswesen Anfang März. „Gemeinsam digital“ heißt das 44 Seiten starke Papier, in dem die Strategie aus dem Bundesministerium für Gesundheit niedergeschrieben ist. Konkrete Ziele werden ebenso benannt wie Maßnahmen, diese zu erreichen.

Bei­spiels­wei­se sol­len mehr als 58 Mil­lio­nen gesetz­lich Ver­si­cher­te bis 2025 die elek­tro­ni­sche Pati­en­ten­ak­te (ePA) bekom­men bzw. nut­zen. Bis­her schei­tert eine wei­te Ver­brei­tung an der auf­wen­di­gen Frei­schal­tung der ePA. Eine Geset­zes­än­de­rung soll nun die Start­vor­aus­set­zun­gen ändern. Statt einer akti­ven Ent­schei­dung für die elek­tro­ni­sche Pati­en­ten­ak­te (Opt-in) müs­sen sich die Ver­si­cher­ten zukünf­tig aktiv gegen eine Anla­ge der Pati­en­ten­ak­te (Opt-out) ent­schei­den. Dadurch wird grund­sätz­lich für alle gesetz­lich Ver­si­cher­ten eine ePA ange­legt und befüllt.

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„Unaus­ge­reift“ und „über­has­tet“

Die­se radi­ka­le Wen­de ruft ein geteil­tes Echo her­vor. So ver­öf­fent­lich­ten die Vor­stän­de der Kas­sen­ärzt­li­chen Bun­des­ver­ei­ni­gung (KBV), Dr. Andre­as Gas­sen, Dr. Ste­phan Hof­meis­ter und Dr. Sibyl­le Stei­ner, eine gemein­sa­me Pres­se­er­klä­rung, in der es unter ande­rem heißt: „Es kann Grün­de dafür geben, jeden Ver­si­cher­ten mit einer elek­tro­ni­schen Pati­en­ten­ak­te aus­zu­stat­ten, sofern die­ser dem nicht aktiv wider­spricht (Opt-out). Das der­zei­ti­ge Vor­ge­hen von Poli­tik und Gema­tik erin­nert jedoch fatal an die Feh­ler der ver­gan­ge­nen Jah­re bei der Digi­ta­li­sie­rung, in denen Anwen­dun­gen teil­wei­se unaus­ge­reift als ver­bind­lich erklärt wur­den. Die ePA und das, was sie für eine noch bes­se­re Ver­sor­gung leis­ten kann, ist zu wich­tig, um über­has­tet ange­sto­ßen zu wer­den – ohne Zie­le, Abläu­fe, geschwei­ge denn die Ver­sor­gungs­rea­li­tät in den Pra­xen aus­rei­chend ein­zu­pla­nen und abzu­bil­den und dar­über hin­aus als eine Art Zwangs­be­glü­ckung für die Ver­si­cher­ten.“ Eine ver­pflich­ten­de Ein­füh­rung zum Stich­tag 1. Juli 2024 hal­ten die KBV-Vor­stän­de eben­falls „für jeden erkenn­bar unrea­lis­tisch“. So ver­wun­dert es auch nicht, dass der KBV den vor­ge­leg­ten Beschluss­vor­schlag der Gema­tik im Rah­men der letz­ten Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung ablehn­te. Trotz die­ser Ableh­nung erhielt die Gema­tik den Auf­trag, die Spe­zi­fi­ka­ti­on für die Opt-out-Vari­an­te der elek­tro­ni­schen Pati­en­ten­ak­te vor­zu­be­rei­ten. Nach der Arbeit an einem Prüf­auf­trag wird nun der Bau­plan für die „ePA für alle“ erstellt.

Bit­kom-Prä­si­dent Achim Berg warb dage­gen dafür, dank guter Auf­klä­rung für eine brei­te Akzep­tanz der ePA-Nut­zung bei den Patient:innen zu sor­gen: „Die ver­bind­li­che Ein­füh­rung der elek­tro­ni­schen Pati­en­ten­ak­te ist ein Durch­bruch bei der Digi­ta­li­sie­rung des Gesund­heits­we­sens. Die elek­tro­ni­sche Pati­en­ten­ak­te ist das Kern­stück einer digi­ta­len Gesund­heits­ver­sor­gung. Mit ihr erhal­ten die Ver­si­cher­ten einen schnel­len Zugriff auf ihre medi­zi­ni­schen Daten und Dia­gno­sen, Ärz­tin­nen und Ärz­te kön­nen sich ein viel bes­se­res Bild über die Kran­ken­ge­schich­te ihrer Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten machen. Wich­tig ist jetzt vor allem, dass die Akzep­tanz inner­halb der Bevöl­ke­rung gestei­gert wird. Aktu­ell kön­nen sich sechs von zehn Deut­schen vor­stel­len, die elek­tro­ni­sche Pati­en­ten­ak­te zu nut­zen – das ist noch zu wenig, kann aber durch gute Auf­klä­rungs­ar­beit und maxi­ma­le Trans­pa­renz in der Kom­mu­ni­ka­ti­on gestei­gert wer­den. Hier sind Poli­tik und Akteu­re des Gesund­heits­we­sens gemein­sam gefor­dert, offen und für die Brei­te der Gesell­schaft gut ver­ständ­lich zu kommunizieren.“

Digi­tal­ge­setz soll kommen

Die flä­chen­de­cken­de Ein­rich­tung der elek­tro­ni­schen Pati­en­ten­ak­te ist ein Teil des Geset­zes­vor­ha­bens „Digi­tal­ge­setz“ aus dem Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um. Wei­ter­hin wird bei­spiels­wei­se das E‑Rezept genannt, das zum 1. Janu­ar 2024 zum ver­bind­li­chen Stan­dard in der Arz­nei­mit­tel­ver­sor­gung wer­den und dank der Ein­lö­sung mit der Gesund­heits­kar­te oder ePA-App auch deut­lich ver­ein­facht wer­den soll. Auch die Gema­tik wird im Zuge des Geset­zes zur Digi­ta­l­agen­tur in 100-pro­zen­ti­ger Trä­ger­schaft des Bun­des umge­wan­delt. Außer­dem soll ein inter­dis­zi­pli­nä­rer Aus­schuss mit Vertreter:innen des Bun­des­amts für Sicher­heit in der Infor­ma­ti­ons­tech­nik (BSI), aus Medi­zin und Ethik sowie mit dem Bun­des­be­auf­trag­ten für den Daten­schutz und die Infor­ma­ti­ons­frei­heit (BfDI) künf­tig die Digi­ta­l­agen­tur bei allen Ent­schei­dun­gen mit Emp­feh­lun­gen zu Fra­gen des Daten­schut­zes, der Daten­si­cher­heit, der Daten­nut­zung und der Anwen­der­freund­lich­keit beraten.

For­schungs­för­de­rung durch Datennutzung

Ein Eck­pfei­ler der Digi­ta­li­sie­rungs­stra­te­gie ist auch die Nutz­bar­ma­chung von Gesund­heits­da­ten für die For­schung. Im Rah­men des Gesund­heits­da­ten­nut­zungs­ge­set­zes (GDNG) soll eine zen­tra­le Daten­zu­gangs- und Koor­di­nie­rungs­stel­le auf­ge­baut wer­den. Die­se soll dann den Zugang zu For­schungs­da­ten aus ver­schie­de­nen Quel­len (z. B. Regis­ter oder Kos­ten­trä­ger­da­ten) ermög­li­chen. Außer­dem soll die feder­füh­ren­de Daten­schutz­auf­sicht für bun­des­län­der­über­grei­fen­de For­schungs­vor­ha­ben auf alle Gesund­heits­da­ten erwei­tert wer­den, d. h. die daten­schutz­recht­li­che Auf­sicht für län­der­über­grei­fen­de For­schungs­vor­ha­ben im Gesund­heits­we­sen soll dann nur noch durch eine/einen Landesdatenschutzbeauftragte:n erfolgen.

Das For­schungs­da­ten­zen­trum Gesund­heit (FDZ) beim Bun­des­in­sti­tut für Arz­nei­mit­tel und Medi­zin­pro­duk­te (Bfarm) soll wei­ter­ent­wi­ckelt wer­den. Künf­tig soll dort auch die for­schen­de Indus­trie Anträ­ge auf Daten­zu­gang stel­len kön­nen. Ent­schei­dend für die Anfra­gen soll der Nut­zungs­zweck sein, nicht der Absender.

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