Brain-Com­pu­ter Inter­faces als assis­tie­ren­de Tech­no­lo­gie und in der Reha­bi­li­ta­ti­on nach Schlaganfall

A. Kreilinger, H. Hiebel, P. Ofner, M. Rohm, R. Rupp, G. R. Müller-Putz
Brain-Computer Interfaces (BCIs) finden mittlerweile den Weg aus der Forschung in Applikationen unter Alltagsbedingungen. Nicht nur bei assistierenden Technologien finden BCIs Verwendung, auch in der funktionellen Schlaganfallrehabilitation. Aktuelle Entwicklungsarbeiten fokussieren individualisierte BCIs für Anwender sowie das Erforschen von Grundlagen über die Neuroplastizität des Gehirns. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über aktuelle Entwicklungen anhand von Studien und Einzelfallbeobachtungen.

Ein­lei­tung

Ein Brain-Com­pu­ter Inter­face (BCI) bie­tet Men­schen wie Schlag­an­fall­pa­ti­en­ten oder Hoch­quer­schnitt­ge­lähm­ten Mög­lich­kei­ten, mit ihrer Umwelt trotz kör­per­li­cher Beein­träch­ti­gung zu kom­mu­ni­zie­ren 1. Dies wird durch das Aus­le­sen von Signa­len direkt vom Gehirn und deren Umset­zung in Signa­le zur Steue­rung von assis­tie­ren­den Tech­no­lo­gien ermög­licht. In dem Arti­kel von Kai­ser et al. 2 wur­den bereits eini­ge wich­ti­ge For­schungs­ar­bei­ten zum Ein­satz von BCIs und deren Ver­bes­se­rung in der Anwend­bar­keit demons­triert. Die­se For­schungs­ar­bei­ten befas­sen sich haupt­säch­lich mit der Steue­rung von Neu­ro­pro­the­sen auf der Basis der funk­tio­nel­len Elek­tro­sti­mu­la­ti­on (FES) bei quer­schnitt­ge­lähm­ten Anwen­dern durch auf BCIs auf­bau­en­de Benut­zer­schnitt­stel­len (hybri­de BCIs 3 4 5). Ein beson­ders wich­ti­ger Aspekt der Arbeit von Kai­ser et al. 6 besteht im Auf­zei­gen von Mög­lich­kei­ten, wie BCIs in bestehen­de assis­tie­ren­de Sys­te­me sinn­voll inte­griert wer­den können.

Die­ser Arti­kel soll an die Über­sicht von Kai­ser et al. anknüp­fen und aktu­el­le Wei­ter­ent­wick­lun­gen im Bereich Neu­ro­pro­the­sen­steue­rung und Schlag­an­fall­re­ha­bi­li­ta­ti­on doku­men­tie­ren und einen Blick in die zukünf­ti­gen Mög­lich­kei­ten von BCIs wagen.

Ins­be­son­de­re im Bereich der Neu­ro­pro­the­sen­steue­rung wird wäh­rend der Arbeit mit Anwen­dern schnell offen­sicht­lich, wie groß der Bedarf für ein indi­vi­dua­li­sier­tes Hilfs­mit­tel ist, wel­ches spe­zi­ell auf die Bedürf­nis­se und Mög­lich­kei­ten für den jewei­li­gen Benut­zer zuge­schnit­ten ist. Je nach Grad der Ein­schrän­kung eines Quer­schnitt­ge­lähm­ten ändern sich die Erwar­tun­gen an die assis­ti­ven Tech­no­lo­gien. Ver­fü­gen die Anwen­der z. B. über kei­ner­lei moto­ri­sche Rest­funk­tio­nen in der Hand, ist eine Wie­der­erlan­gung der Greif­funk­ti­on das wesent­lichs­te Bedürf­nis. Mit zuneh­mend ros­tra­lem neu­ro­lo­gi­schen Level der Rücken­marks­schä­di­gung lie­gen auch Ein­schrän­kun­gen der Ellen­bo­gen- und Schul­ter­funk­ti­on vor. Ohne eine aus­rei­chen­de Schul­ter- und Ellen­bo­gen­kon­trol­le kann auch eine durch eine Neu­ro­pro­the­se voll­stän­dig wie­der­her­ge­stell­te Greif­funk­ti­on nicht sinn­voll ein­ge­setzt werden.

Bei den Betrof­fe­nen sinkt gegen­läu­fig zu der Zahl der wie­der­her­zu­stel­len­den Funk­tio­nen die Anzahl der ver­blie­be­nen Steu­er­mög­lich­kei­ten. Eine gebräuch­li­che Mög­lich­keit zur ana­lo­gen Kon­trol­le der Griff­stär­ke der Hand ist die Ver­wen­dung eines Posi­ti­ons­sen­sors auf der gegen­über­lie­gen­den Schul­ter. Dies ist natür­lich nur für Anwen­der sinn­voll, die noch eine aus­rei­chend sta­bi­le Schul­ter­funk­ti­on zur Ver­fü­gung haben. Bei stär­ke­ren Beein­träch­ti­gun­gen kön­nen Schul­ter­be­we­gun­gen nicht mehr zur Steue­rung her­an­ge­zo­gen wer­den, sei es durch man­geln­den Bewe­gungs­um­fang oder durch eine zu hohe Anstren­gung wäh­rend der Ver­wen­dung. In die­sem Fall bie­tet sich das BCI als alter­na­ti­ve oder unter­stüt­zen­de Tech­no­lo­gie an 7 8. Hier­bei kann das BCI als aus­schließ­li­che Steue­rungs­quel­le ver­wen­det wer­den, oder nur einen zusätz­li­chen Frei­heits­grad zur Steue­rung zur Ver­fü­gung stel­len, um mus­ku­lä­re Ermü­dung zu ver­lang­sa­men oder gar nicht erst ent­ste­hen zu lassen.

Anwen­dungs­sze­na­ri­en für BCI-kon­trol­lier­te Neuroprothesen

Im Fol­gen­den sol­len anhand ver­schie­de­ner Ein­zel­bei­spie­le die Mög­lich­kei­ten zur Inte­gra­ti­on eines BCIs in das Steue­rungs­kon­zept einer Neu­ro­pro­the­se bei Quer­schnitt­ge­lähm­ten mit unter­schied­lich aus­ge­präg­ten Funk­ti­ons­ein­schrän­kun­gen der obe­ren Extre­mi­tät auf­ge­zeigt werden.

Schul­ter­be­we­gungs­ba­sier­te Neu­ro­pro­the­sen­steue­rung mit Griff­um­schal­tung durch das BCI

Als ers­tes Bei­spiel wird die Umschal­tung des Griffs einer Hand­n­eu­ro­pro­the­se erläu­tert. Das BCI wird in die­ser Art der Steue­rung als binä­rer „Brain-Switch“ ein­ge­setzt und der Grad der Hand­öff­nun­g/-schlie­ßung über einen Schul­ter­po­si­ti­ons­sen­sor vor­ge­ge­ben. Die BCI-basier­te Griff­um­schal­tung wur­de zusam­men mit der Neu­ro­pro­the­se an zwei männ­li­chen quer­schnitt­ge­lähm­ten Anwen­dern (ES und TS, 31 und 37 Jah­re alt) getes­tet, bei­de mit einer kom­plet­ten Quer­schnitt­läh­mung auf Höhe von C5 ohne Fin­ger- und Handfunktion.

Durch Anbrin­gen von vier Elek­tro­den­paa­ren am Unter­arm der Anwen­der ist es mög­lich, zwei ver­schie­de­ne Greif­mus­ter mit­tels FES zu gene­rie­ren: den Pal­mar­griff (auch Zylin­der­griff) und den Late­ral­griff (auch Schlüs­sel­griff) 9. Durch die Ver­wen­dung einer gemein­sa­men Elek­tro­de für zwei Elek­tro­den­paa­re konn­te die Anzahl der plat­zier­ten FES-Elek­tro­den redu­ziert wer­den, was auf­grund der limi­tier­ten Ober­flä­che am Unter­arm not­wen­dig wur­de. Die­se Anord­nung wird in Abbil­dung 1 demonstriert.

Im Sti­mu­la­ti­ons­ge­rät (Moti­on­S­tim, Medel, Ham­burg) gespei­cher­te Sti­mu­la­ti­ons­pa­ra­me­ter sorg­ten dafür, dass ein ana­lo­ger Wert den Öff­nungs­grad der Hand steu­er­te. Die­sen ana­lo­gen Wert konn­ten die Anwen­der durch Heben und Sen­ken der Schul­ter selbst beein­flus­sen. Die Mög­lich­keit zur Griff­um­schal­tung wur­de über ein asyn­chro­nes BCI umge­setzt. Hier konn­ten die Anwen­der ent­we­der den Griff­mo­dus wech­seln oder in einen Pau­se­mo­dus schal­ten. Die Anwen­der wur­den durch ein dis­kre­tes (aktu­el­ler Modus) und kon­ti­nu­ier­li­ches (aktu­el­le BCI-Akti­vi­tät) gra­phi­sches Feed­back infor­miert. Als BCI-Kanal wur­de ein zeit­ko­die­ren­des BCI ver­wen­det, das auf der Bewe­gungs­vor­stel­lung (motor imagery, MI) basiert 10 11. Mit­tels kur­zer Bewe­gungs­vor­stel­lun­gen der Füße konn­te zwi­schen Griff­mus­tern hin- und her­ge­schal­tet wer­den, mit Lan­gen wur­de der Pau­se­mo­dus akti­viert. Um die­se Vor­stel­lun­gen mit aus­rei­chen­der Genau­ig­keit detek­tie­ren zu kön­nen, wur­de ein BCI-Trai­ning durch­ge­führt, um einer­seits die Anwen­der mit der Bewe­gungs­vor­stel­lung ver­traut zu machen und ande­rer­seits genug Daten für die Erstel­lung von Klas­si­fi­ka­to­ren zu sam­meln. Das Sche­ma der Appli­ka­ti­on wird in Abbil­dung 2 dar­ge­stellt. Bil­der, die die gra­phi­sche Ober­flä­che zei­gen und Fotos, die wäh­rend der Aus­füh­rung gemacht wur­den, wer­den in Abbil­dung 3 und 4 gezeigt.

Die Appli­ka­ti­on wur­de bei der Durch­füh­rung von zwei ver­schie­de­nen Auf­ga­ben getes­tet. In Auf­ga­be A soll­ten die Pro­ban­den das Sys­tem star­ten, indem sie die Pau­se mit einer Bewe­gungs­vor­stel­lung been­de­ten, um dann im ers­ten akti­ven Griff Objek­te zu bewe­gen. Nach drei Minu­ten wur­den sie dazu auf­ge­for­dert, den Griff zu wech­seln und Objek­te, die für die­sen Griff bes­ser greif­bar waren, zu bewe­gen. Nach drei Minu­ten soll­te noch ein­mal der Griff gewech­selt wer­den, um ein letz­tes Mal drei Minu­ten lang Objek­te zu bewe­gen. Zuletzt soll­ten die Anwen­der in den Pau­se­mo­dus zurück­keh­ren. In Auf­ga­be B hat­ten die Pro­ban­den drei Minu­ten Zeit, alter­nie­rend den Griff zu wech­seln und ein dazu pas­sen­des Objekt zu bewe­gen. Es wur­den auch Prin­zi­pi­en des hybri­den BCIs ver­wen­det, indem aktu­el­le Bewe­gun­gen des Schul­ter­joy­stick bei even­tu­el­len BCI-Schalt­vor­gän­gen berück­sich­tigt wur­den. Es kann z. B. davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass bei beweg­ter Schul­ter zum Öff­nen und Schlie­ßen der Hand nicht auf einen ande­ren Griff umge­schal­tet wer­den soll. Daher wur­de eine Feh­ler­er­ken­nungs­rou­ti­ne in den Sti­mu­la­tor imple­men­tiert, die alle BCI-Schalt­vor­gän­ge wäh­rend Schul­ter­be­we­gun­gen ver­warf. Mit die­ser Maß­nah­me konn­te die Zahl unbe­ab­sich­ti­ger Griff­wech­sel in erheb­li­chem Maß redu­ziert wer­den. Bei­de Anwen­der führ­ten den Ver­such zum Nach­weis der Wie­der­hol­bar­keit zwei­mal aus.

Anwen­der ES benö­tig­te im Schnitt 16,9 ± 12,2 s, um zu einem Griff oder zwi­schen den Grif­fen hin- und her­zu­schal­ten, 51,3 ± 59,1 s, um in den Pau­se­mo­dus zu schal­ten. Er schaff­te es, 215 Objek­te wäh­rend der 24 Minu­ten in Auf­ga­be A zu bewe­gen und 31 Objek­te wäh­rend der 12 Minu­ten in Auf­ga­be B. Es wur­den dank der Feh­ler­er­ken­nungs­rou­ti­ne 53 unge­woll­te Akti­vie­run­gen unter­drückt. Anwen­der TS benö­tig­te 25,5 ± 27,9 s für Griff­um­schal­tun­gen und 22,3 ± 15,6 s, um in die Pau­se zu wech­seln. 253 Objek­te wur­den von ihm wäh­rend Auf­ga­be A, 28 Objek­te wäh­rend Auf­ga­be B bewegt. 29 Schal­tun­gen wur­den ver­hin­dert. Bei­de Anwen­der hät­ten die Gegen­stän­de ohne Neu­ro­pro­the­se nicht mit einer Hand ziel­ge­rich­tet trans­fe­rie­ren können.

BCI-Steue­rung einer Hybrid-Neu­ro­pro­the­se für kon­ti­nu­ier­li­che und dis­kre­te Ellen­bo­gen-/Hand­be­we­gun­gen

In einer zwei­ten Kon­fi­gu­ra­ti­on wird das BCI als ein­zi­ge Steu­er­mo­da­li­tät ver­wen­det, um eine Arm- und Hand­n­eu­ro­pro­the­se sowohl kon­ti­nu­ier­lich als auch dis­kret zu kon­trol­lie­ren 12. Die­se Kon­fi­gu­ra­ti­on wur­de mit neun gesun­den Pro­ban­den und dem quer­schnitt­ge­lähm­ten Anwen­der ES eva­lu­iert. In Anleh­nung an die zuvor beschrie­be­ne Kon­fi­gu­ra­ti­on wur­de eben­falls ein zeit­ko­die­ren­des BCI ver­wen­det, aller­dings wird hier nicht nur zwi­schen kur­zen und lan­gen Kom­man­dos unter­schie­den. Kur­ze Kom­man­dos (Bewe­gungs­vor­stel­lung zwi­schen 0,75 und 1,5 s) wer­den als dis­kre­te Kom­man­dos behan­delt: In Abhän­gig­keit der Posi­ti­on des Arms und der Hand kann die Hand geöff­net oder geschlos­sen wer­den oder das Ell­bo­gen­ge­lenk in maxi­ma­le Fle­xi­on oder Exten­si­on bewegt wer­den. Ein lan­ges Kom­man­do wird als sol­ches nach 1,5 Sekun­den erkannt und bewegt den Unter­arm in Rich­tung des End­win­kels, wel­cher am wei­tes­ten von der aktu­el­len Posi­ti­on ent­fernt ist.

Für die­se Art der Steue­rung wur­den zusätz­lich zu den Elek­tro­den am Unter­arm noch Elek­tro­den am Ober­arm plat­ziert. Zusätz­lich wur­de eine elek­trisch blo­ckier­ba­re Ellen­bo­gen­or­the­se zu Sta­bi­li­sie­rungs­zwe­cken und zur Mes­sung des Ellen­bo­gen­win­kels mon­tiert 13. Über die Mes­sung des Ellen­bo­gen­win­kels und Anpas­sung der Sti­mu­la­ti­ons­puls­wei­te der Ober­arm­elek­tro­den wird der gewünsch­te Soll­win­kel ein­ge­re­gelt. Bei Errei­chen des Ziel­win­kels wird das Gelenk mit einem magne­ti­schen Mecha­nis­mus ver­rie­gelt, um eine Dau­er­sti­mu­la­ti­on und die damit ver­bun­de­ne vor­zei­ti­ge Mus­kel­er­mü­dung abzuwenden.

Der Ver­suchs­ab­lauf war für die gesun­den und den quer­schnitt­ge­lähm­ten Pro­ban­den unter­schied­lich: Wäh­rend gesun­de Pro­ban­den zur Mini­mie­rung von sti­mu­la­ti­ons­be­ding­ten Ein­flüs­sen die Auf­ga­be hat­ten, die Neu­ro­pro­the­se an einer zwei­ten Per­son zu bewe­gen, führ­te der quer­schnitt­ge­lähm­te Anwen­der den Ver­such ein­mal ohne Neu­ro­pro­the­se und ein­mal mit der Neu­ro­pro­the­se am eige­nen Arm durch (Abb. 5). Ziel war die zehn­ma­li­ge Durch­füh­rung einer vor­ge­ge­be­nen Bewe­gungs­ab­fol­ge. Es soll­ten je nach aktu­el­ler Hand- und Arm­po­si­ti­on kur­ze und lan­ge Kom­man­dos rich­tig abge­ru­fen wer­den, um ein Objekt in maxi­ma­ler Exten­si­on zu grei­fen, es in maxi­ma­ler Fle­xi­on los­zu­las­sen und abschlie­ßend in die Anfangs­po­si­ti­on zurück­zu­keh­ren. Für die Durch­füh­rung der gesam­ten Sequenz stan­den allen Pro­ban­den jeweils drei Minu­ten Zeit zur Ver­fü­gung. Die­se war unter­bro­chen von einer ein­mi­nü­ti­gen Pau­se, in wel­cher unbe­ab­sich­tig­te Kom­man­dos (fal­se posi­ti­ves, FPs) gezählt wur­den. Eine Über­sicht von kon­zept­be­zo­ge­nen Befehls­kon­stel­la­tio­nen von lan­gen und kur­zen Kom­man­dos in Abhän­gig­keit von ver­schie­de­nen Hand- und Arm­po­si­tio­nen sind in Abbil­dung 6 erläutert.

Im Mit­tel konn­ten die gesun­den Pro­ban­den 60,2 ± 11,4 % rich­ti­ge Kom­man­dos erzeu­gen, je nach aktu­el­ler Hand- und Arm­po­si­ti­on. Die Zahl der aus­ge­führ­ten Kom­man­dos pro Minu­te wäh­rend akti­ver Sequen­zen war mit 8,2 ± 1,3 bedeu­tend grö­ßer als die Zahl der falsch posi­ti­ven Kom­man­dos pro Minu­te wäh­rend der Ruhe­pha­sen mit 4,7 ± 2,6. Im Durch­schnitt wur­den nur 22,6 ± 6,5 min von den 30 Minu­ten benö­tigt, um alle 10 Sequen­zen zu been­den (posi­ti­ve oder nega­ti­ve). Es konn­ten 55,5 ± 36,2 % die­ser 10 Sequen­zen erfolg­reich absol­viert wer­den. Her­vor­zu­he­ben ist, dass der Anwen­der ES mit einer Rate von rich­ti­gen Kom­man­dos (TP) von 73,7 % und mit 80 % erfolg­rei­cher Sequen­zen in unter 20 Minu­ten das Sys­tem bes­ser als der Durch­schnitt der nicht behin­der­ten Pro­ban­den bedie­nen konn­te. Damit war er der zweit­bes­te Teil­neh­mer bei die­sem Experiment.

BCIs zur Unter­stüt­zung der Hand­funk­ti­on nach Schlaganfall

Auch im Bereich der Schlag­an­fall­re­ha­bi­li­ta­ti­on konn­ten wei­te­re Fort­schrit­te erzielt wer­den. Bis­he­ri­gen Erkennt­nis­sen zufol­ge geht nach uni­la­te­ra­lem Schlag­an­fall ins­be­son­de­re eine Akti­vie­rung noch intak­ter moto­ri­scher Area­le in der geschä­dig­ten Hemi­sphä­re mit funk­tio­na­len Ver­bes­se­run­gen ein­her 14. Mit­hil­fe des BCIs kön­nen die­se Akti­vie­rungs­mus­ter detek­tiert und durch geziel­te Rück­mel­dung (Feed­back) posi­tiv ver­stärkt wer­den. In dem Bei­trag von Kai­ser et al. 15 wur­de anhand einer Stich­pro­be von 29 Schlag­an­fall­pa­ti­en­ten gezeigt, dass die Stär­ke und Loka­li­sa­ti­on spe­zi­fi­scher Kom­po­nen­ten des EEG-Signals bei Bewe­gungs­vor­stel­lung und ‑aus­füh­rung mit dem Aus­prä­gungs­grad der moto­ri­schen Beein­träch­ti­gung in Zusam­men­hang ste­hen. Die­se Erkennt­nis­se stel­len eine wesent­li­che Grund­la­ge für die erfolg­rei­che Anwen­dung der BCI-Tech­no­lo­gie in der Schlag­an­fall­re­ha­bi­li­ta­ti­on dar. Bis­lang ist näm­lich noch unzu­läng­lich geklärt, wel­che mess­ba­ren neu­ro­phy­sio­lo­gi­schen Kor­re­la­te mit funk­tio­na­len Ver­bes­se­run­gen oder Ver­schlech­te­run­gen in Ver­bin­dung gebracht wer­den kön­nen und dem­nach posi­tiv ver­stärkt oder aber abge­schwächt wer­den sollen.

Ein zuneh­mend ver­folg­ter Ansatz im Kon­text der Schlag­an­fall­re­ha­bi­li­ta­ti­on ist die Nut­zung einer BCI getrig­ger­ten FES. Die Basis für die­se The­ra­pie­form besteht in der Annah­me, dass die direk­te Kopp­lung der Bewe­gungs­in­ten­ti­on mit einer tat­säch­lich auf­tre­ten­den Bewe­gung und die damit ver­bun­de­ne sen­si­ble, pro­prio­zep­ti­ve Rück­mel­dung in beson­de­rem Maße geeig­net sein könn­te, um ent­spre­chen­de Akti­vie­rungs­mus­ter zu ver­stär­ken und neu­ro­plas­ti­sche Ver­än­de­run­gen in der geschä­dig­ten Hemi­sphä­re zu sti­mu­lie­ren. Bei einer FES-indu­zier­ten Bewe­gung wird näm­lich der moto­ri­sche Kor­tex in ähn­li­cher Wei­se akti­viert wie bei aktiv aus­ge­führ­ten Bewe­gun­gen 16. Bei der getrig­ger­ten FES geht man einer­seits davon aus, dass durch den sen­so­ri­schen Input die Plas­ti­zi­tät des ZNS geför­dert wird. Ande­rer­seits weiß man, dass ein moto­ri­sches Trai­ning nur bei akti­ver Par­ti­zi­pa­ti­on der Betrof­fe­nen erfolg­reich sein kann 17. Hier leis­tet das BCI einen wich­ti­gen Bei­trag, weil es spe­zi­ell bei Schwer­be­trof­fe­nen kor­ti­ka­le Akti­vi­täts­mus­ter erken­nen und in eine FES getrig­ger­te moto­ri­sche Reak­ti­on mit ein­her­ge­hen­der sen­so­ri­scher Rück­mel­dung im Sin­ne eines geschlos­se­nen Regel­krei­ses über­füh­ren kann. Ers­te Anwen­dun­gen der Kopp­lung eines BCI mit einer FES stel­len eine viel­ver­spre­chen­de Ergän­zung zu übli­chen Trai­nings­pro­gram­men dar 18.

Ver­gleich von FES- und Video-Feed­back wäh­rend einer BCI-Kontrolle

In der Arbeit von Hie­bel 19 wur­de der Ein­fluss zwei­er Arten von Feed­back auf sen­so­mo­to­ri­sche Akti­vie­rungs­mus­ter im EEG wäh­rend einer BCI-gesteu­er­ten Anwen­dung unter­sucht. 15 gesun­de, rechts­hän­di­ge Per­so­nen soll­ten sich ent­we­der Bewe­gun­gen ihrer rech­ten Hand vor­stel­len (motor imagery) oder sich ent­span­nen und kei­ne akti­ve Auf­ga­be aus­füh­ren (Ruhe­be­din­gung). Wur­den die mit der Bewe­gungs­vor­stel­lung asso­zi­ier­ten Akti­vie­rungs­mus­ter rich­tig detek­tiert, lös­te dies ent­we­der eine FES-indu­zier­te Bewe­gung der rech­ten Hand aus oder initi­ier­te ein Video, wel­ches die­sel­be zuvor indi­vi­du­ell gefilm­te Hand­be­we­gung auf einem Com­pu­ter­mo­ni­tor zeig­te. Wäh­rend des Feed­backs soll­ten die Per­so­nen die ent­spre­chen­de Bewe­gung beob­ach­ten sowie sich wei­ter­hin men­tal vor­stel­len, die Bewe­gung selbst auszuführen.

Der expe­ri­men­tel­le Auf­bau wur­de der­art gewählt, dass in der FES-Bedin­gung die eige­ne rech­te Hand sicht­bar auf einem Tisch vor den Per­so­nen neben dem hori­zon­tal plat­zier­ten Moni­tor lag. In der Video-Bedin­gung wur­de der Moni­tor so posi­tio­niert, dass sich die im Video gezeig­te Hand an der­sel­ben Posi­ti­on befand wie die eige­ne Hand in der FES-Bedin­gung. Auf die­sem Weg soll­te der Ein­fluss des mul­ti­sen­so­ri­schen FES-Feed­backs (visu­el­le Bewe­gungs­be­ob­ach­tung und pro­prio­zep­ti­ve Rück­mel­dung) gezielt mit dem Ein­fluss des Video-Feed­backs (visu­el­le Beob­ach­tung der­sel­ben Bewe­gung) ver­gli­chen wer­den. Die auf­ge­zeich­ne­ten EEG-Akti­vie­rungs­mus­ter wur­den zwi­schen bei­den Feed­back-Bedin­gun­gen ver­gli­chen, wobei der Schwer­punkt auf der Ana­ly­se „kor­rek­ter Bewe­gungs­se­quen­zen“, in denen das ent­spre­chen­de Feed­back tat­säch­lich aus­ge­löst wor­den war, lag.

Die Ergeb­nis­se zei­gen eine deut­lich stär­ke­re Akti­vie­rung des sen­so­mo­to­ri­schen Kor­tex wäh­rend des zusätz­li­chen FES-Feed­backs, wel­che am stärks­ten über den sen­so­mo­to­ri­schen Reprä­sen­ta­ti­ons­area­len der Hän­de aus­ge­prägt war. Die schon bei vor­an­ge­hen­der Bewe­gungs­vor­stel­lung vor­han­de­ne Akti­vie­rung nahm wäh­rend des FES-Feed­backs deut­lich zu, hin­ge­gen zeig­te sich kein Anstieg wäh­rend der Beob­ach­tung des Video-Feed­backs. Im Gegen­satz zur Video-Bedin­gung waren die Akti­vie­rungs­mus­ter in der FES-Bedin­gung denen aktiv aus­ge­führ­ter Bewe­gun­gen sehr ähn­lich. Zudem wur­de im Mit­tel eine höhe­re Online-Klas­si­fi­ka­ti­ons­ge­nau­ig­keit in der FES-Bedin­gung (82,6 %) als in der Video-Bedin­gung (75,3 %) erzielt.

Deko­die­rung von Bewe­gun­gen mit­tels BCI

Ein Nach­teil der aktu­el­len BCI-Tech­no­lo­gie ist die unzu­läng­li­che Natür­lich­keit der men­ta­len Stra­te­gien. So wer­den z. B. Fuß­be­we­gungs­vor­stel­lun­gen ver­wen­det, um eine Neu­ro­pro­the­se der Hand zu steu­ern, falls die mess­ba­ren Effek­te einer sol­chen Fuß­be­we­gungs­vor­stel­lung denen einer Hand­be­we­gungs­vor­stel­lung über­le­gen sind. Es wäre zwei­fel­los intui­ti­ver, wenn die Funk­ti­on einer Extre­mi­tät über Bewe­gungs­vor­stel­lun­gen der glei­chen Extre­mi­tät gesteu­ert wer­den könn­te. Dar­über hin­aus ist die Art der vor­ge­stell­ten Bewe­gung meis­tens nicht mit der tat­säch­lich aus­ge­führ­ten Akti­on iden­tisch, was eine zusätz­li­che Abs­tra­hie­rung zur Fol­ge hat. Die nächs­te Evo­lu­ti­ons­stu­fe in BCI-gesteu­er­ten Neu­ro­pro­the­sen wird es dem­nach sein, Bewe­gungs­vor­stel­lun­gen direkt in exakt ent­spre­chen­de tat­säch­li­che Bewe­gun­gen umzu­set­zen. Die­se Mög­lich­keit einer ein­fach zu erler­nen­den, intui­ti­ven Kon­trol­le wür­de als posi­ti­ven Neben­ef­fekt das Erler­nen von men­ta­len Stra­te­gien über­flüs­sig machen und die Trai­nings­zeit erheb­lich ver­kür­zen. Zur Umset­zung eines sol­chen Kon­troll­sche­mas befas­sen sich ver­schie­de­ne For­scher­grup­pen ver­mehrt mit Gehirn­si­gna­len im nie­der­fre­quen­ten Zeit­be­reich (< 5 Hz), wel­che ein hohes Poten­zi­al zur nicht­in­va­si­ven Deko­die­rung von Bewe­gungs­vor­stel­lun­gen bie­ten. In einer Stu­die von Wal­dert et al. 20 wur­den Hand­be­we­gungs­rich­tun­gen aus der 3 Hz tief­pass­ge­fil­ter­ten MEG-Akti­vi­tät über bila­te­ra­len Motorarea­len deko­diert. Ers­te Schrit­te in die­se Rich­tung unter Ver­wen­dung des EEGs wur­den von Brad­ber­ry et al. 21 unter­nom­men. Hier wur­de gezeigt, dass Fre­quen­zen unter 1 Hz mit der Geschwin­dig­keit der Hand wäh­rend tat­säch­lich aus­ge­führ­ten Arm­be­we­gun­gen in allen drei Raum­rich­tun­gen kor­re­lie­ren. In der Stu­die von Ofner und Mül­ler-Putz 22 wur­de unter Ver­wen­dung von nie­der­fre­quen­ten EEG-Antei­len auch die Hand-Posi­ti­on wäh­rend einer selbst­stän­dig aus­ge­führ­ten Bewe­gung (kei­ne exter­ne Ziel­vor­ga­be) dekodiert.

Unter Ver­wen­dung der Deko­die­rungs­prin­zi­pi­en der Stu­di­en von Brad­ber­ry et al. und Ofner/­Mül­ler-Putz 23 24 wur­de in einer wei­te­ren Unter­su­chung von Ofner und Mül­ler-Putz 25 gezeigt, dass Arm­be­we­gungs­vor­stel­lun­gen in der Sagit­tal- und Trans­ver­sal­ebe­ne von­ein­an­der unter­schie­den wer­den kön­nen. In die­ser Stu­die stell­ten sich neun gesun­de Test­per­so­nen eine rhyth­mi­sche Arm­be­we­gung in die­sen zwei Ebe­nen vor, wäh­rend die Bewe­gungs­vor­stel­lung mit­hil­fe eines Metro­noms getak­tet wur­de. Unter Annah­me einer sinus­för­mi­gen Bewe­gung wur­den die Posi­tio­nen der Hand in bei­den Ebe­nen deko­diert. Hier­zu wur­den die EEG-Signa­le der letz­ten 180 ms in vier Zeit­schrit­ten band­pass­ge­fil­tert (0,2 – 0,8 Hz), anschlie­ßend wur­den die Posi­tio­nen in bei­den Ebe­nen mit mul­ti­plen linea­ren Regres­sio­nen berech­net und mit einer Sinus­schwin­gung kor­re­liert. Die Bewe­gun­gen wur­den nun der Ebe­ne zuge­ord­net, die eine höhe­re Kor­re­la­ti­on auf­wies. Im Mit­tel über alle neun Test­per­so­nen wur­de eine Klas­si­fi­ka­ti­ons­ge­nau­ig­keit von 70 % erreicht.

Dis­kus­si­on

Die bei­den Expe­ri­men­te mit unter­schied­lich star­ker BCI-Inte­gra­ti­on konn­ten erfolg­reich durch­ge­führt wer­den und zei­gen, dass die hoch­quer­schnitt­ge­lähm­ten End­an­wen­der Funk­tio­nen der Hand oder des Ellen­bo­gens kon­trol­lie­ren kön­nen, zu denen sie ohne Unter­stüt­zung durch die bereit­ge­stell­ten assis­tie­ren­den Tech­no­lo­gien nicht in der Lage gewe­sen wären. Die unter­schied­li­che Ver­wen­dung des BCIs in die­sen Bei­spie­len ver­deut­licht, dass bei der Kon­fi­gu­ra­ti­on von BCI-basie­ren­den assis­tie­ren­den Tech­no­lo­gien die indi­vi­du­el­len Anfor­de­run­gen der Anwen­der im Sin­ne eines „User Cen­te­red Design (UCD)“ beach­tet wer­den müssen.

Im ers­ten Sze­na­rio der Griff­um­schal­tung wird das BCI als zusätz­li­cher Ein­ga­be­ka­nal ver­wen­det. Die­se mode­ra­te Ein­bin­dung dient dazu, einer vor­zei­ti­gen Mus­kel­er­mü­dung vor­zu­beu­gen, da die auf mus­ku­lä­ren Rest­funk­tio­nen basie­ren­de Schul­ter­steue­rung nur bei Bedarf ver­wen­det wird. Durch die BCI-gesteu­er­ten Modi kann der Anwen­der die Sti­mu­la­ti­on ohne jeg­li­chen mus­ku­lä­ren Auf­wand akti­vie­ren und deak­ti­vie­ren bzw. das aktu­el­le Griff­mus­ter verändern.

Das zwei­te Bei­spiel zeigt die Ver­wen­dung von BCI bei sehr stark moto­risch beein­träch­tig­ten Men­schen und ver­zich­tet gänz­lich auf mus­ku­lä­re Rest­funk­tio­nen zur Steue­rung. Die Ergeb­nis­se von nicht moto­risch beein­träch­ti­gen Pro­ban­den zei­gen, dass ein auf Bewe­gungs­vor­stel­lun­gen basier­tes BCI schwie­rig zu bedie­nen ist. Der Grund dafür ist die Schwie­rig­keit, die Bewe­gungs­vor­stel­lung über ver­schie­den lan­ge Zeit­räu­me gezielt auf­recht­zu­er­hal­ten und bei Bedarf wie­der zu been­den. Man­che Pro­ban­den konn­ten sich vor­wie­gend kur­ze Bewe­gun­gen bes­ser vor­stel­len, man­che fan­den es ein­fa­cher, län­ge­re Vor­stel­lun­gen durch­zu­füh­ren. Die jeweils ande­ren Bewe­gungs­vor­stel­lungs­ar­ten waren dafür schwie­ri­ger zu bewerkstelligen.

Der an dem Expe­ri­ment teil­neh­men­de tetra­ple­gisch Quer­schnitt­ge­lähm­te konn­te das BCI sowohl mit kur­zen als auch mit lan­gen Bewe­gungs­vor­stel­lun­gen sehr gut bedie­nen. Er hat­te mit mon­tier­ter Neu­ro­pro­the­se mit 73,7 % die zweit­bes­te TP-Rate aller Teil­neh­mer und konn­te 8 von 10 Sequen­zen inner­halb des gesetz­ten Zeit­li­mits erfolg­reich absol­vie­ren. Ob die­se Ein­zel­fall­ergeb­nis­se auf ein grö­ße­res Pati­en­ten­kol­lek­tiv gene­ra­li­sier­bar sind, müs­sen wei­te­re Unter­su­chun­gen mit Hoch-Quer­schnitt­ge­lähm­ten zei­gen. Aller­dings zei­gen die Ergeb­nis­se, dass Ergeb­nis­se aus Unter­su­chun­gen mit Nicht­ge­lähm­ten weder in posi­ti­ver noch in nega­ti­ver Rich­tung auf Quer­schnitt­ge­lähm­te über­trag­bar sind.

Bei­de Neu­ro­pro­the­sen­steue­run­gen ver­wen­de­ten für eine zuver­läs­si­ge­re Benut­zung des übli­cher­wei­se nicht feh­ler­frei­en BCIs Prin­zi­pi­en des hybri­den BCIs. Bei der Griff­um­schal­tung wer­den durch Über­wa­chung der Schul­ter­be­we­gung vie­le falsch posi­ti­ve BCI-Schalt­vor­gän­ge ver­hin­dert. Bei der kom­bi­nier­ten Hand- und Ellen­bo­gen­steue­rung wird die Ellen­bo­gen­be­we­gung gemes­sen und je nach Höhe wer­den nur spe­zi­el­le BCI-Kom­man­dos zugelassen.

Die Ergeb­nis­se unse­rer For­schung zei­gen, dass sen­so­ri­sches Feed­back in Form einer FES-indu­zier­ten Bewe­gung ent­spre­chen­de sen­so­mo­to­ri­sche Gehirn­re­gio­nen deut­lich stär­ker akti­viert als Feed­back in Form von aus­schließ­lich visu­el­ler Beob­ach­tung der­sel­ben Bewe­gung. Die mit­hil­fe des BCIs durch Bewe­gungs­vor­stel­lung initi­ier­ten FES-ver­mit­tel­ten Bewe­gun­gen waren mit kor­ti­ka­len Akti­vie­rungs­mus­tern asso­zi­iert, wie sie auch bei aktiv aus­ge­führ­ten Bewe­gun­gen auf­tre­ten. Bei visu­el­lem Feed­back über ein Video der eige­nen Hand tra­ten die­se Akti­vie­rungs­mus­ter in deut­lich gerin­ge­rem Aus­maß auf.

Basie­rend auf die­sen Erkennt­nis­sen scheint eine Nutz­bar­keit einer BCI-gesteu­er­ten FES-Neu­ro­pro­the­se im Kon­text der Schlag­an­fall­re­ha­bi­li­ta­ti­on aus­sichts­reich. Die inten­si­ve Akti­vie­rung sen­so­mo­to­ri­scher Regio­nen durch pro­prio­zep­ti­ve Affe­ren­zen in Ver­bin­dung mit der Trig­ge­rung über eine will­kür­li­che Akti­vie­rung des ent­spre­chen­den Motorare­als könn­te zu einer erhöh­ten kor­ti­ka­len Reor­ga­ni­sa­ti­on und damit Wie­der­her­stel­lung moto­ri­scher Funk­ti­on füh­ren. Die Klas­si­fi­ka­ti­ons­er­geb­nis­se deu­ten dar­auf hin, dass die wie­der­hol­te soma­to­sen­so­ri­sche Wahr­neh­mung der FES-indu­zier­ten Bewe­gung Per­so­nen in stär­ke­rem Maße als das pure Beob­ach­ten die Vor­stel­lung der ent­spre­chen­den Bewe­gung erleichtert.

Zuver­läs­si­ge Aus­sa­gen über die Effi­zi­enz die­ses Feed­back­trai­nings kön­nen jedoch erst nach wei­te­ren BCI-Trai­nings­stu­di­en getrof­fen wer­den. Im Rah­men zukünf­ti­ger For­schungs­ar­bei­ten wird die prin­zi­pi­el­le Fra­ge geklärt wer­den, inwie­weit über­haupt bei Schlag­an­fall­pa­ti­en­ten noch ver­blie­be­ne Akti­vi­tät in der geschä­dig­ten Hemi­sphä­re detek­tiert und zur Steue­rung einer FES-Neu­ro­pro­the­se genutzt wer­den kann. Dar­auf auf­bau­end müs­sen kli­ni­sche Stu­di­en zei­gen, wel­che kor­ti­ka­len Ver­än­de­run­gen mit­tels FES-BCI-Trai­ning im Ver­gleich zu kon­ven­tio­nel­len Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­men erzielt wer­den kön­nen und inwie­weit die­se mit erhöh­ten moto­ri­schen Funk­ti­ons­ver­bes­se­run­gen einhergehen.

In wei­te­ren Ver­su­chen mit Nicht­ge­lähm­ten konn­ten wir zei­gen, dass die Vor­stel­lung von rhyth­mi­schen Arm­be­we­gun­gen in einer Ebe­ne nach­träg­lich aus dem EEG deko­diert wer­den kann. Die nächs­ten Schrit­te wer­den sich mit der Ent­wick­lung von Algo­rith­men beschäf­ti­gen, wel­che die vor­ge­stell­te Arm­po­si­ti­on in Echt­zeit deko­die­ren kön­nen. Die­se könn­te dann mit­tels inver­ser Kine­ma­tik auf die Neu­ro­pro­the­se über­tra­gen und somit eine intui­ti­ve Kon­trol­le ermöglichen.

Auf dem Weg dort­hin sind aber noch vie­le Fra­gen offen, z. B. ist zu klä­ren, ob nicht rhyth­mi­sche, tran­si­en­te Bewe­gungs­vor­stel­lun­gen deko­diert wer­den kön­nen, ob die deko­dier­te Posi­ti­on auch von ande­ren Para­me­tern beein­flusst wird (Blick­punkt, Posi­ti­on von exter­nen Zie­len), wel­ches Koor­di­na­ten­sys­tem zur Reprä­sen­ta­ti­on der Arm­po­si­ti­on am bes­ten geeig­net ist (Gelenks­win­kel, kar­te­si­sches Koor­di­na­ten-Sys­tem in zwei oder drei Dimen­sio­nen, linea­re oder nicht-linea­ren Ach­sen) oder inwie­fern feh­ler­be­haf­te­tes Feed­back die Deko­die­rung beein­flusst. Bei einem idea­len Deko­der wür­de die Steue­rung der Neu­ro­pro­the­se mit natür­li­chen Bewe­gungs­vor­stel­lun­gen erfol­gen. Dies hät­te den wei­te­ren Vor­teil, dass kei­ne neu­en men­ta­len Stra­te­gien erlernt wer­den müss­ten, was die Trai­nings­zeit für den Umgang mit der Neu­ro­pro­the­sen­steue­rung erheb­lich ver­kür­zen könnte.

Anhand der vor­ge­stell­ten Stu­di­en wird im beson­de­ren Maß deut­lich, dass nur durch eine inter­dis­zi­pli­nä­re Zusam­men­ar­beit von For­schungs­in­sti­tu­tio­nen wie der TU Graz und des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Hei­del­berg rele­van­te Fort­schrit­te auf dem Gebiet der BCI-gesteu­er­ten Neu­ro­pro­the­sen erreicht wer­den kön­nen. Ein wesent­li­cher Schritt hier­zu sind Stu­di­en mit moto­risch ein­ge­schränk­ten End­an­wen­dern (Per­so­nen im locked-in sta­te, nach Schlag­an­fall oder Quer­schnitt­läh­mung), da an Nicht­ge­lähm­ten gewon­ne­ne Erkennt­nis­se nicht zwangs­läu­fig auf die Ziel­grup­pe über­trag­bar sind. Die Grund­la­gen­for­schung wird in Zukunft für All­tags­auf­ga­ben geeig­ne­te­re und natür­li­che­re, intui­ti­ver kon­trol­lier­ba­re Sys­te­me her­vor­brin­gen, wel­che den poten­ti­el­len Anwen­der­kreis für BCI-kon­trol­lier­te Neu­ro­pro­the­sen erwei­tern werden.

Für die Autoren:
Dipl.-Ing. Alex Kreilinger
Insti­tut für Seman­ti­sche Datenanalyse,
BCI-Labor
Tech­ni­sche Uni­ver­si­tät Graz
Inf­feld­gas­se 13/IV
A – 8010 Graz
alex.kreilinger@tugraz.at

Begut­ach­te­ter Beitrag/Reviewed paper

Zita­ti­on
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