Unter der Programmgestaltung von Prof. Dr. med. Bernhard Greitemann, Ärztlicher Direktor der Klinik Münsterland, bereicherten vier Fachbeiträge zur Technischen Orthopädie den von knapp 350 Teilnehmerinnen und Teilnehmern besuchten Kongress. Jürgen Stumpf, Fuß und Schuh Breidbach Orthopädie, lieferte einen spannenden und ausdrücklich kritischen Kommentar zur derzeitigen Versorgung des Diabetischen Fußsyndroms infolge der 2018 erfolgten Aktualisierung der PG 31 (Schuhe) im Hilfsmittelverzeichnis (HMV). So sei insbesondere die zuvor in der AG „Fuß“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) erarbeitete Risikogruppeneinteilung als Kriterium für eine höherwertige Versorgung nicht adäquat berücksichtigt worden. Gleichzeitig sei die Verarbeitung von Pelotten oder Stufen untersagt worden. „Es geht ums Geld“, resümierte Stumpf das Verhalten des GKV-Spitzenverbandes in Bezug auf das HMV. Führende Fachgesellschaften bemühen sich derzeit um eine neuerliche Überarbeitung des Hilfsmittelverzeichnisses. Für Michael Schäfer, BIV-OT-Vorstand und neben Prof. Dr. Greitemann der Chair des Symposiums in Osnabrück, ist die Sachlage klar: „Da muss was passieren.“
Einlagenversorgung im Fokus
Frank Schievink, Orthopädie-Schuhtechnik Schievink, leitete fließend über zur PG 08 (Einlagen) und deren aktuellen Maßgaben durch das HMV. Anhand von Versorgungsbeispielen schilderte der Experte maßgebliche Kriterien wie etwa Diagnose, Therapieziel und Schuhauswahl, aus der letztlich die Ausführung und Materialauswahl resultieren. Nicht überraschend griff der Vortrag das „Streitthema“ der aktivierenden/sensomotorischen Einlagen auf. Frank Schievinks Position dazu: „Nur weil die Einlagen nicht im HMV gelistet sind, heißt es nicht, dass sie nicht wirken.“ Zu den aufmerksamen Zuhörerinnen und Zuhörern gehörte auch Prof. Dr. med. Martin Engelhardt, der nicht nur der aktuellen D.A.F.-Tagung als Kongresspräsident vorstand, sondern dieses Amt auch im nächsten Jahr bei der OTWorld bekleiden wird.
Im weiteren Verlauf des „D.A.F. meets BIV“-Symposiums gab Michael Schäfer prothetische Versorgungseinblicke nach Fußteilamputationen. Sein grundlegender Anspruch: „Wir wollen, dass die Menschen wieder normal gehen können.“ Der Geschäftsführer der Pohlig GmbH machte keinen Hehl daraus, dass er ein großes Faible für die Nutzung von Silikontechnik habe und nannte zur Begründung u. a. variable Shorehärten, ideales Adhäsionsverhalten und Volumentolerabilität als maßgebliche Kriterien. Fußteilamputationen ließen sich vielfach mit einer Kombination aus Einlagen und Silikon-Prothesen versorgen. Um die höheren Preise erstattet zu bekommen, müssten dem Kostenträger eine detaillierte Dokumentation und Begründung vorgelegt werden.
Entscheidung über Amputation von vielen Faktoren abhängig
Zum Abschluss des Symposiums hielt Dr. Kim Glapa, BG Unfallklinik Frankfurt am Main, einen sehr eindringlichen Vortrag zu „Amputationen am Fuß nach Traumata“. Als Folge von Verkehrsunfällen hätten es die behandelnden Ärzt:innen häufig mit Quetschungen, Trümmern, Abrissen und Schnittverletzungen zu tun. Die schwierige Entscheidung zwischen einer Replantation und einer Amputation hinge von verschiedenen Faktoren ab, z. B.: Hat der Patient ein Polytrauma erlitten? Wie war vor dem Unfall dessen gesundheitlicher Zustand? In Bezug auf den „richtigen Zeitpunkt“, wann eine Entscheidung über eine Amputation zu treffen ist, schlug Dr. Glapa die Anwendung eines Score-Systems vor. Final ging die Ärztin noch auf die variablen Folgen für einen Unfallgeschädigten ein, denn einerseits könnte ein Gliedmaßenerhalt für fortwährende Schmerzen sorgen, andererseits haben Amputierte oft verstärkt mit psychischen Problemen zu kämpfen.
Inhaltlich, da waren sich alle Beteiligten einig, hat die fachliche Partnerschaft von D.A.F. und BIV-OT über die jüngste Premiere hinaus ihre sinnvolle Berechtigung. An den Stellschrauben zur Einbettung in das Gesamtprogramm kann für die kommende Ausgabe des D.A.F.-Kongresses vom 15. bis zum 17. September 2022 in Wiesbaden noch optimierend gedreht werden.
Michael Blatt
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