Einleitung
Seit Jahrzehnten entwickeln und optimieren die Fachkräfte der Orthopädietechnik Schaftsysteme und versuchen damit den Bedürfnissen und Forderungen der Patienten gerecht zu werden. Das Ergebnis ist eine Vielzahl unterschiedlicher Ausführungen, die sich im Laufe der Zeit mehr oder weniger etablieren konnten. Für ein förderliches Verständnis der Funktionsweise des TF-Prothesenschaftes hilft ein Blick in die Biomechanik des Gangzyklus. Der Mensch nutzt in erster Linie zwei Mechanismen, um die für das Gehen aufzubringende Kraft über die Aktivität der Muskulatur so effizient wie möglich einzusetzen: zum einen die Körperschwerpunktmodulation und zum anderen die selektive Muskelkontrolle.
Das Becken durchläuft im Schrittzyklus eine Reihe von Bewegungen: Zur Schwungbeinseite hin senkt es sich um ca. 4 bis 7° kontrolliert ab, um damit die Anhebung des Körperschwerpunktes reduzieren zu können. Verstärkt wird dieser Effekt durch eine gleichzeitige Beckenvorkippung um ca. 4°. Darüber hinaus platzieren die Seitverlagerung des Beckens und die physiologische Valgusstellung des Standbein-Kniegelenkes den Körperschwerpunkt näher über den unterstützenden Fuß (Bodenunterstützungsfläche), um das Gleichgewicht auch im einbeinigen Stand aufrechtzuerhalten. Die transversale Rotation der Hüfte beträgt insgesamt ca. 10°. Dadurch wird eine funktionelle Verlängerung des Schrittes erreicht (Abb. 1).
Zudem nähern sich die Hüftgelenke der Mittellinie der Schrittbreite an, und der Körperschwerpunkt rückt dichter an die Unterstützungsfläche des Standbeines. Das primäre Ziel lautet somit, den Gesamtaufwand an benötigter Energie weitgehend gering zu halten 1.
Biomechanik des Prothesenschaftes
In der vertikalen Schafteinteilung kann der Schaft in drei Ebenen untergliedert werden: Der proximalen Schafteintrittsebene folgt ca. 5 bis 6 cm darunter liegend der Steuerungsbereich. Dessen Größenordnung ist je nach Stumpflänge unterschiedlich; der Schaftendbereich mit dem Vollkontakt schließt die Einteilung ab 2. Als Referenzlinie zur Modell- und Messtechnik dient im Allgemeinen die sogenannte Null-Linie. Diese horizontale Ebene befindet sich direkt unterhalb des Ramus os ischii. Nach distal verlaufend von dieser Linie aus werden die Stumpflänge und das Volumen im Vollkontakt ermittelt. Proximal dieser Linie werden die Zuschnittkriterien für den Randverlauf festgelegt. Die optimale Passform und die gute Haftung des Schaftes tragen dabei im Wesentlichen zur Reduzierung der “StumpfPseudarthrose” bei 3. In Bezug auf die biomechanischen Einflussfaktoren lassen sich die Schaftsysteme in der Schafteintrittsebene in vier Kategorien einteilen (modifiziert nach 4):
- sitzbeinumgreifende und muskelgeführte Schaftsysteme wie der CAT-CAM-Schaft (Sabolich, 1985) 5;
- ramusumgreifende und muskelgeführte Schaftsysteme wie der M.A.S.-Schaft® (Marlo Ortiz, 2007) 6, der P.B.S.S.-Schaft® (Schäfer, 2014) 7, der TFSM-Schaft® (Merbold, 2020) 8, der VX-Schaft® (Bergande, 2020) 9, der anatomische TF-Schaft nach BUFA (Sibbel, 2007) 10 und weitere;
- muskelgeführte Schaftsysteme wie der Milwaukee-TF-Schaft® (Günther, 2011) 11, der NU-FlexSIV Socket® (Fatone und Caldwell, 2017) 12, der H.I.F.I.-Schaft® (Alley R., 2011) 13, das SAS VC TF System® (Radspieler, 2018) 14 und andere subischiale Schaftsysteme;
- Sonderformen wie das sitzbeinunterstützende Schaftsystem (nur im Ausnahmefall indiziert 15) (Abb. 2).
Die sitzbein- und die ramusumgreifenden Schaftformen gehen den bekannten biomechanischen Nachteilen der Sitzbeinunterstützung aus dem Weg. Dabei wird der Ramus os ischii mehr oder weniger seitlich umgriffen (sitzbeinumgreifend) oder gezielt umfasst durch die Einbettung des Ramus inferior os ischii unter Berücksichtigung des Sitzbeinast-Verlaufes (Ramuswinkel folgend zur Fortbewegungslinie; engl. “line of progression”, LOP). Die Einfassung des Ramus in der Höhe soll dabei 2,5 bis 3 cm nicht überschreiten, da ansonsten das Lig. sacrotuberale gestresst werden oder es zu Schmerzauslösungen kommen kann 16. Neben den Hauptaufgaben “Übertragung von horizontalen und axialen Kräften” sowie “Haftung der Prothese am Patienten” 17 besteht das Ziel dieser Schaftformen darin, die selektive Muskelkontrolle zu unterstützen und somit zum Erhalt bzw. zum Schutz der verbliebenen Muskulatur, Haut und Knochen beizutragen. Für die funktionelle Gestaltung des Steuerungsbereiches müssen die einzelnen Muskellogen palpiert und bei der Ausformung berücksichtigt werden.
Beginnend am Tuber ischiadicum, einem dominanten Knochenvorsprung am Ramus inferior ossis ischii, haben der M. adductor magnus und die hüftstreckenden Muskeln M. semimembranosus, M. semitendinosus und M. biceps femoris (caput longum) ihren Ursprung. Eine muskuläre Vorspannung des M. adductor magnus im Prothesenschaft sorgt dafür, dass sich der Schaft bei Kontraktion der Muskulatur medialisiert und ein Abkippen des Schaftes nach lateral verhindert wird. Gleichzeitig entlastet diese Funktion die knöcherne Struktur im Bereich der Umgreifung. Bei der Überprüfung der Passform soll dort im angespannten Zustand der Muskulatur etwa 1 bis 1,5 cm Freiraum zur Verfügung stehen 18. Ist die Muskulatur entspannt, darf es jedoch durchaus zu einem Kontakt zwischen dem unteren Sitzbeinast und der Wölbung der muskulären Vorspannung kommen, wobei aber keinesfalls eine Lastübernahme stattfinden darf (Abb. 3).
Ein Extensorenkanal auf der dorsalen Schaftseite muss genügend Freiraum für die hüftstreckende Muskulatur bieten und sollte dem Kanal des M. rectus femoris gegenüberliegen, um eine Rotation des Schaftes zu vermeiden.
Verlauf der Beckenstellung
Integration von Becken und Muskulatur im Prothesenschaft
Der Ramus inferior ossis ischii steigt mit dem Ramus inferior ossis pubis (unterer Schambeinast) leicht zur Symphyse an. Diese Situation stellt die Normalstellung des Beckens dar. In der Sagittalebene betrachtet liegen Symphyse und Spina iliaca anterior superior (vordere obere Darmbeinstachel, SIAS) annähernd auf gleicher Höhe. Bei Menschen mit transfemoraler Amputation findet sich allerdings vermehrt eine Beckenvorkippung. Diese lässt neben einer Hyperlordose den unteren Schambeinast nicht genügend steil zur Symphyse ansteigen. Ebenso kann (insbesondere bei Frauen) eine stark ausgeprägte Beckenform die gleiche Situation beim unteren Schambeinast begünstigen. Um eine Kollision des Knochens mit dem Schaftrand zu vermeiden, muss in der Schaftkonstruktion der Kreuzungspunkt (Austrittsstelle des unteren Schambeinastes aus dem Schaft) deutlich freigelegt sein. Annähernd im selben Areal ist der M. adductor longus zu palpieren. Mit seinen Aufgaben der Adduktion, der Unterstützung der Hüftflexion und als Außenrotator besitzt dieser Muskel eine besondere Bedeutung für die Prothesensteuerung. Aus diesem Grund ist es notwendig, auch dort einen Freiraum in Form eines Adduktorenkanals zu schaffen (medialer AP-Vektor). Dieser Kanal kann auch überschüssiges Gewebe aufnehmen, das durch Verdrängung der Weichteile entsteht (Abb. 4). Eine Beckenrückkippung ist dagegen seltener zu beobachten und kann an dieser Stelle der Betrachtung vernachlässigt werden.
Im frontalen Schaftbereich befindet sich die hüftbeugende Muskulatur. Der M. rectus femoris als kräftig ausgeprägter oberflächlich liegender Anteil des M. quadriceps femoris ist deutlich zu palpieren und muss aufgrund seiner meist massiven Ausweitung während der Kontraktion ausreichend Platz im Schaft erhalten (lateraler AP-Vektor). Der fehlende Kanal des M. rectus femoris provoziert einen Rotationsschlag des Schaftes und ist einer der häufigsten Gründe für einen durch die Schaftkonstruktion verursachten Gangfehler.
Auf der Außenseite des Schaftes befindet sich die sogenannte laterale Anlage. Diese ist ein flächenhafter oder konkaver Bereich im Verlauf des Femurs nach distal hin (Abb. 5). Durch die Anlage erreicht der Patient:
- eine verbesserte Ansteuerung des Prothesenschaftes,
- ein Gefühl des zentrierten Stumpfes im Schaft,
- eine adduzierte Femurposition und
- eine funktionellere und damit verbesserte Stabilisierung des Beckens in der prothesenseitigen Standphase.
Die Anlage bildet damit zusammen mit der Sitzbein- oder Ramusumgreifung die knöcherne Führung des Schaftes (skelettaler-ML-Vektor); die Verbindung zwischen dem frontal liegenden Kanal des M. rectus femoris und der Vorderkante der außenliegenden lateralen Anlage wirkt als Gegenpart der Ramusumgreifung und verhindert das Abgleiten des Sitzbeins in den Schaft (diagonaler ML-Vektor). Zwischen der lateralen Anlage außen und dem Kanal der extendierenden Muskulatur dorsal befindet sich ein flacher Bereich oder eine konkav gestaltete Rinne entlang der Femurhinterkante. Dieses Areal unterstützt die Stabilisierung des Femurs und verhindert das Einströmen von Luft (Abb. 6).
Biomechanischer Konflikt sitzbein- bzw. ramusumgreifender Schaftsysteme
Ein Konflikt entsteht bei der Betrachtung der transversalen Beckenrotation. Denn die Ramusumgreifung aller anatomischen Schaftformen folgt im Verlauf dem Winkel des Ramus inferior os ischii zur Fortbewegungslinie (LOP). Mit der Vorwärtsrotation des Beckens um ca. 5° rotiert schlussendlich auch der Schaft. Um ein Abweichen von der Laufrichtung zu vermeiden, benötigt der Schaft einen Freiraum von 5 bis 10 mm zwischen Ramusumgreifung und Sitzbein, damit es zu weniger Druckspitzen kommt, wenn sich der Oberschenkel am Ende der Schwungphase in Fortbewegungsrichtung ausrichtet, das Becken dabei aber innenrotiert stehen bleibt (Abb. 7). Empfehlenswert ist in diesem Fall eine Ramusumgreifung, die eine begrenzte Rotation zulässt (Schäfer, 2010) 19. Somit wird die Druckerhöhung vermindert, der Komfort dagegen erhöht (Abb. 8 u. 9). Zur Aufrechterhaltung der Gehrichtung ist zusätzlich eine Außenrotation von ca. 5° der Knie- und Fußkomponente notwendig.
Komfort und Schaftfehler im Sitzen
Im Sitzen muss die knöcherne Verklammerung den Kontakt zum Sitzbein verlieren – nur bei Erfüllung dieser Forderung wird der Sitzkomfort gesteigert. Um den Druck auf die Sehnenansätze des Tuber ischiadicum zu minimieren, kann die Umgreifung in Einzelfällen auch in M‑L-Richtung teilflexibel sein. Die Kontrolle des freien Sitzbeines muss Bestandteil der Sitzüberprüfung innerhalb der Anproben sein. Steht der Unterbau abduziert, kann dies ein Indiz dafür sein, dass die Umgreifung noch am Ramus os ischii anliegt und daher den Schaft inklusive Prothesenaufbau rotieren lässt.
Ein weiterer Grund für die Abduktion des Unterschenkels im Sitzen kann auch ein nicht korrekter Verlauf des dorsalen Schaftrandes sein. Dieser soll in 90° zur Fortbewegungslinie ausgerichtet sein. Auf den lateralen dorsalen Anteil des Schaftes im supratrochantären Bereich kann im individuellen Fall verzichtet werden, wenn für diesen kein Gebrauchsvorteil nachgewiesen werden kann. Dadurch wird ein gegebenenfalls rotierendes Moment im Schaft verringert und der Sitzkomfort noch einmal vergrößert 20. Der dorsale Schaftrandverlauf in ramusumgreifenden Systemen erlaubt einen weiter distal verlaufenden Zuschnitt. Der M. gluteus maximus ist nicht in den Prothesenschaft eingebettet.
In Container-Schaftsystemen kann der dorsale Schaftanteil zur Verbesserung des Sitzkomforts flexibel gestaltet werden (z. B. durch thermoplastisch veränderbare Materialien wie Thermoflex®, Erkoflex®, Thermolyn-Soft® oder auch HTV-Silikon-Innenschäfte). Der frontale Schaftrand bietet der Spina iliaca anterior superior genügend Platz für die maximale Hüftbeugung und ist in der Regel so tief ausgeschnitten, dass das Scarpa-Dreieck frei liegt und Durchblutungseinschränkungen nicht gefördert werden. Dieses Schaftsystem ist auch für kurze Stümpfe geeignet. Um ein Heraushebeln zu vermeiden, werden die frontalen und dorsalen Ausschnitte jedoch nicht zu stark reduziert.
Zur Ermittlung der korrekten Passform anatomischer Schaftsysteme ist eine Reihe von Vektoren- und Umfangsmaßen nötig. Je nach Schaftform kann die Anzahl der zu ermittelnden Maße stark variieren. Bei allen Varianten gilt jedoch, dass das Stumpfvolumen vollständig im Schaft Platz finden muss. Weichteilüberhänge, ob mit oder ohne Liner, sind nicht akzeptabel. Das bedeutet auch, dass im distalen Schaftbereich genügend Platz für die durch Umfangsreduzierung verdrängten Weichteile geschaffen werden muss. Der vollflächige Kontakt der Weichteile zum Schaft darf weder im Stand noch im Sitzen verloren gehen.
Subischiale Schaftsysteme
Andere Schaftsysteme wie der Milwaukee-TF-Schaft® interagieren nicht mit dem Becken und verzichten gänzlich auf eine knöcherne Verblockung im Becken bzw. auf eine Tuberanstützung und werden bei entsprechender Weichteilsituation über die Muskulatur stabilisiert. Dabei kann ebenso auf eine supratrochantäre laterale Schaftwandkomponente verzichtet werden. Eine L‑förmige lateral-posteriore Stützstruktur zur Stabilisierung des distalen Femurs wird in den Schaft integriert 21. Das subischiale Gerät “Symphonie Aqua System VC TF®” verzichtet nahezu komplett auf eine Zweck- oder anatomische Modellierung des Abdrucks. Die Abformung des Stumpfes wird dabei unter voller Belastung in einem hydrostatischen System vollzogen. Geschützt durch eine Membran werden die anatomischen Strukturen durch den Anpressdruck des Wassers in ihrer physiologischen Position erfasst und so eine dem Definitivschaft entsprechende Lastverteilung ermöglicht. Der optimale Druck lässt sich durch eine entsprechende App berechnen. Innovative Schaftrandverläufe wie das “wave concept” lassen sich basierend auf hydrostatischen Prinzipien verwirklichen 22. Limitationen dieses Systems sind sehr große Umfänge und Fehlstellungen des Stumpfes. Der subischiale NU-Flex-SIV®-Schaft hingegen nutzt die derzeit fortschrittlichste Linertechnik, um eine Aufhängung der Prothese am Stumpf mittels Unterdruck zu erzielen. Der Liner wird dabei proximal über den flexiblen einwandigen Schaft mit integriertem Rahmen umgeschlagen und mit einer Manschette so abgedichtet, dass sich ein Unterdruck bildet, ähnlich wie es auch bei einer Unterschenkelprothese mit Kniekappe der Fall ist. Der Schaftrandzuschnitt liegt bei den subischialen Systemen unterhalb des Tuber ischiadicum.
Alternativen zum Prothesenschaft
Um die häufig beschriebenen Probleme im Zusammenhang mit Pseudoarthrose-Bewegungen zwischen Stumpf und Schaft zu minimieren oder sogar auszuschließen, könnte die Osseointegration im individuellen Fall eine geeignete Alternative sein. Doch wegen einer Reihe möglicher Kontraindikationen (Osteoporose, fehlender Abschluss der Skelettreifung, schwere Durchblutungsstörungen, Diabetes mellitus, Adipositas, Chemound Bestrahlungstherapien, Fehlstellungen, fehlende Akzeptanz der Patienten) ist die Osseointegration nur für eine relativ kleine Patientenklientel geeignet; daher kann auf eine Weiterentwicklung individueller Schaftformen und funktioneller Zusätze auch in Zukunft nicht verzichtet werden.
Fazit
Die Funktionalität in Bezug auf die Schaftform und die Adaptionsmöglichkeiten hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert. Die knöchernen Strukturen und Weichteile im Stumpfbereich sind nicht für eine Lastübertragung konzipiert und können bei Überlastung oder bei empfindlichen Hautsituationen geschädigt werden oder Begleitschäden an der Wirbelsäule hervorrufen. Sonderformen wie sitzbeinunterstützende Schaftsysteme sollten daher nur in Ausnahmefällen angeboten werden – eine möglichst funktionelle anatomische Einbettung ist angezeigt. Dabei muss die physiologische Bewegung des Beckens bei der Planung Beachtung finden. Bei allen Patienten ist die sitzbein- oder ramusumgreifende Schaftform als Standardversorgung zu sehen. Patienten mit überaus guter Muskelsituation und ausreichender Stumpflänge können auch mit rein muskelgeführten subischialen Schaftsystemen mobilisiert werden. Die Umstellung langjähriger Prothesenanwender auf diese subischialen Schaftsysteme kann durch fortgeschrittene Muskelatrophie oder durch Veränderungen des Weichteilgewebes zu Problemen in der Versorgung und zu Gangfehlern führen.
Wird die Schafttechnik in Deutschland noch kritisch hinterfragt, liegt sie in den USA gerade im Trend. Jedoch versprechen Forschungsergebnisse seit Längerem – entgegen der landläufigen Meinung – eine stabile Prothesensteuerung auch ohne Integration des Sitzbeines in den Prothesenschaft 23 24. Sicher bleibt jedoch, dass es zukünftig weiterhin sowohl für sitzbein-/ramusumgreifende muskelgeführte Schaftsysteme als auch für rein muskelgeführte subischiale Schaftsysteme Befürworter und Gegner der jeweiligen Schaftvarianten geben wird.
Das Relief der Muskeln muss im Schaft individuell abgebildet sein, um ihre Physiologie nicht zu beeinträchtigen. Somit sind funktionelle Schäfte nach transfemoraler Amputation nicht rund, sondern der Muskelkontur angepasst. Die Anlageflächen liegen zwischen den Muskellogen, ohne diese einzuengen. Beim P.B.S.S.®-Schaftsystem geht man noch einen Schritt weiter: Dort werden axiale Muskellücken sonografisch ermittelt und gekennzeichnet. Dadurch können die P.B.S.S.-Stumpfstabilisatoren gezielt im Schaft platziert werden und die Länge der Muskulatur so manipulieren, dass sie in ihrem vorgespannten Zustand einen positiven Effekt in der Prothesensteuerung erzielt. Mit dem ergänzenden Air Contact System (ACS) können zudem Volumenschwankungen aufgrund von Erkrankungen, Gewichtsabnahme oder sportlicher Aktivität ausgeglichen werden.
Eine große Auswahl an Materialien und funktionellen Komponenten – zum Beispiel das BOA®Fit-System, Vakuumpumpen, HTV-Innenschäfte, klimaregulierende Elemente, Akupressurpunkte und Weitere – können die Akzeptanz, die Funktion und den Therapieerfolg von Oberschenkelprothesen verbessern. Das Kompendium “Qualitätsstandard im Bereich Prothetik der unteren Extremität” 25 vermittelt unter anderem einen umfassenden Überblick über die Schaftsysteme, versteht sich jedoch nicht als abgeschlossenes Werk.
Der Autor:
Ralph Bethmann, Dipl.-OTM, CPO‑D
Bundesfachschule für Orthopädie-Technik
Schliepstraße 6–8
44135 Dortmund
r.bethmann@ot-bufa.de
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
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- Die neue Leitlinie zum Lipödem-Syndrom: mehr Licht als Schatten. Konsequenzen für die Praxis — 5. Dezember 2024
- Orthesenversorgung bei Läsion des Plexus brachialis — 4. Dezember 2024
- Anforderungen an additiv gefertigte medizinische Kopfschutzhelme — 4. Dezember 2024
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