Bei der Entscheidungsfindung muss gegenübergestellt werden, wie viel Aufwand man betreiben muss, um die korrekte Abrechnung einzureichen. Schafft man das selbst? Riskiert man die Nachbearbeitung und den damit verbundenen Personalaufwand? Welche Kosten kommen auf mich zu, wenn ich einen Dienstleister beschäftige? Alles Fragen, die beantwortet werden wollen bei der Entscheidung, wie man abrechnet. Spätestens ab 2027 kommt zudem die E‑Verordnung ins Spiel, die das Prozedere rund um die Abrechnung nochmals verändern wird. Was haben Sanitätshäuser zu erwarten? Eine Einschätzung dazu gibt Fabian Maier, Leiter Vertrieb & Marketing bei Optica Abrechnungszentrum Dr. Güldener GmbH aus Stuttgart, im Gespräch mit der OT-Redaktion ab.
OT: Können Sanitätshäuser im Jahr 2024 ohne Softwareunterstützung noch selbst abrechnen?
Fabian Maier: Es ist möglich, ohne Softwareunterstützung abzurechnen, vereinzelt wird das auch noch so gehandhabt. Allerdings sind diese Sanitätshäuser mittlerweile eine absolute Ausnahme – die große Mehrheit rechnet bereits softwaregestützt ab. Perspektivisch wird, auch mit Blick in Richtung E‑Verordnung, die Abrechnung ohne Softwareunterstützung ohnehin nicht mehr möglich sein.
OT: An welcher Stelle müssen Sanitätshäuser unterstützt werden?
Maier: Gerade bei der Preis- und Vertragsermittlung geht es fast nicht mehr ohne Unterstützung, da die Vertragslandschaft sehr intransparent und vielseitig ist. Darüber hinaus ist technische Unterstützung auch bei der Einreichung von Kostenvoranschlägen – Stichwort eKV – notwendig. Zudem müssen Abrechnungsdaten und ‑belege nach den geltenden Abrechnungsrichtlinien der §§ 300 und 302 SGB V und § 105 SGB XI elektronisch übermittelt bzw. konsolidiert werden. Auch hier braucht es technische Unterstützung.
OT: Welchen Vorteil hat es, komplett über einen Dienstleister abzurechnen?
Maier: Die wichtigste Aufgabe eines Abrechnungsdienstleisters ist die Konsolidierung, Zuordnung und Erstellung der Abrechnungsdaten nach den geltenden Abrechnungsrichtlinien. Mit Blick auf Aufwand und Kosten macht es einen großen Unterschied, ob eine Abrechnung für 10 oder für 1000 Patienten eines Kostenträgers durchgeführt wird. Die Möglichkeit zur Vorfinanzierung durch den Abrechnungsdienstleister ist ebenfalls ein Vorteil: Hier erhält der Betrieb einen Großteil seiner Forderungen nach wenigen Tagen und ist somit nicht auf die Zahlungsfristen der Kostenträger angewiesen. Aufseiten der Sanitätshäuser entfällt die Überprüfung der ermittelten Preise, da dies in der Regel vom Abrechnungsdienstleister übernommen wird. Aus verschiedenen Gründen liegen die Kürzungsquoten bei der Nutzung eines Abrechnungsdienstleisters außerdem deutlich unter den Quoten von Selbstabrechnern. Dies wiederum führt zu weniger Arbeitsaufwand im Betrieb und zu mehr Liquidität. Im Zuge der Digitalisierung ist in bestimmten Leistungssegmenten und bei Nutzung einer guten Software noch deutlich mehr möglich, zum Beispiel die direkte Übermittlung von Abrechnungsdaten und ‑images oder Ausgleichsbuchungen.
OT: Wie verändern sich diese Vorteile mit einer Einführung der E‑Verordnung 2027?
Maier: Mit der E‑Verordnung fällt zunächst einmal der papierhafte Beleg weg, den der Patient ins Sanitätshaus mitbringt, dem Leistungserbringer übergibt und der am Ende des Prozesses als Original beim Kostenträger im Archiv landet. Das bedeutet zunächst einmal, dass das Rezepthandling sowohl bei der Nutzung von Software als auch bei der Abrechnung deutlich einfacher wird: zum Beispiel mit Blick auf die Beschaffung fehlender Rezepte, bei verloren gegangenen Rezepten, Korrekturen oder bei der Übersendung zum Kostenträger. Aufgrund unserer Erfahrungen mit dem E‑Rezept für Arzneimittel gehen wir aber davon aus, dass die Abrechnung und auch die Vertragsgestaltung entsprechend der heute geltenden Rechtvorschriften auch zukünftig Anwendung finden. Das würde bedeuten, dass die E‑Verordnung vor allem zu einer Digitalisierung zwischen Patienten und Ärzten führt, dass aber weiterhin die per Vertrag oder Abrechnungsrichtlinien erforderlichen Unterlagen, wie Lieferscheine oder ergänzende Dokumente, der Abrechnung auf eine noch nicht näher definierte Weise beigefügt werden müssen.
OT: Worauf müssen sich Sanitätshäuser in dem Zusammenhang mit der E‑Verordnung einstellen?
Maier: Man sollte sich, wie bereits erwähnt, darauf einstellen, dass vieles einfacher wird, aber keine zu hohen Erwartungen an den zukünftigen Workflow haben, denn Abrechnung und Vertragsgestaltung werden wahrscheinlich nach heutigem Standard abgewickelt werden.
OT: Welche Lehren konnten Sie aus der E‑Rezept-Einführung ziehen und wie profitieren davon Sanitätshäuser?
Maier: Das E‑Rezept für Apotheken ist deutlich weniger komplex als die zukünftige E‑Verordnung für Hilfsmittel. Wir stellen aktuell fest, dass trotz der Einführung des E‑Rezepts bei den Arzneimitteln Sonderkonstellationen und vom Standard abweichende Fälle erst deutlich später in Betrieb gehen. Die Anforderungen an eine E‑Verordnung für Hilfsmittel sind aus unserer Sicht ungleich höher. Wir gehen also davon aus, dass die Inbetriebnahme bzw. Umstellung hier wahrscheinlich ebenfalls in verschiedenen Phasen läuft und unterm Strich mehr Zeit in Anspruch nehmen wird. Wir stellen außerdem fest, dass Arzneimittelrezepte bereits heute teils eine Nachbearbeitung erfordern, wenn sie vom Arzt kommen. Im Bereich der Hilfsmittel, wo der Beratungs‑, Aufklärungs- und Fertigungsaufwand und auch die Auswahl des richtigen Produktes nochmal aufwendiger ist, wird es nach unserer Erwartung auch entsprechend mehr Nachbearbeitungsaufwand beim Leistungserbringer und Abrechnungsdienstleister geben.
OT: Wird es mit der E‑Verordnung einfacher, selbst abzurechnen oder schwieriger?
Maier: Aus den bereits genannten Gründen könnte es deutlich einfacher werden, aber die Abrechnung wird nach wie vor kein Selbstläufer sein. Die komplexen Rahmenbedingungen bleiben ja nach wie vor bestehen und es werden einige neue Herausforderungen, vor allem hinsichtlich der Datenstruktur und ‑qualität, auf uns warten.
Die Fragen stellte Heiko Cordes.
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