Kin­der mit Tri­so­mie 21: Ein­satz der Gang­ana­ly­se zur adäqua­ten Schuh- und Orthesenversorgung

J. Wühr, K. Bosch-Stroot, K. Tiemeyer, M. Horter
Im Sozialpädiatrischen Zentrum Westmünsterland (SPZ, Standort Coesfeld) werden seit 2010 apparative Ganganalysen bei Kindern durchgeführt. Die apparative Ganganalyse, insbesondere die plantare Druckverteilungsmessung, stellt bei Kindern mit Trisomie 21 ein wirksames Instrument zur Dokumentation sowohl der Gangbildentwicklung wie auch speziell der Fußbelastung sowie der Fußentwicklung dar. Insbesondere bei orthopädieschuhtechnischer oder orthetischer Versorgung kann so eine objektive Überprüfung der Wirksamkeit der Hilfsmittel und eine Anpassung an das Versorgungsschema erfolgen. Ziel ist es, mit einer orthopädietechnischen und/oder orthopädieschuhtechnischen Hilfsmittelversorgung das Gangbild der Patienten zu verbessern und somit ihre Mobilität im Alltag (Kindergarten, Schule) zu steigern.

Ein­lei­tung

Die selbst­stän­di­ge Fort­be­we­gung ist für Kin­der der Schlüs­sel zur indi­vi­du­el­len Ent­wick­lung. Sie spielt außer­dem eine maß­geb­li­che Rol­le für die Teil­ha­be am sozia­len Leben. Ins­be­son­de­re Kin­der mit Tri­so­mie 21 zei­gen u.a. eine moto­ri­sche Ent­wick­lungs­ver­zö­ge­rung bei über­wie­gend deut­lich redu­zier­tem Mus­kel­to­nus. Dies führt im Bereich der unte­ren Extre­mi­tä­ten laut der S2K-Leit­li­nie1 bei 60 % der Kin­der zu einem Pes pla­nus, bei 24 % zu einem erhöh­ten Fer­sen­val­gus und all­ge­mein bei 73 % zu einer abnor­men Fuß­be­las­tungs­si­tua­ti­on. Das Gang­bild ist u.a. meist durch eine erhöh­te Schritt­wei­te, erhöh­te Fuß­au­ßen­ro­ta­ti­on sowie erhöh­te Dor­sal­ex­ten­si­on im Sprung­ge­lenk in der Stand­pha­se geprägt. Um die­se Gang­bild­auf­fäl­lig­kei­ten und die plant­are Fuß­be­las­tung und damit ver­bun­de­ne Fuß­sta­tik zu ver­bes­sern, kom­men ortho­pä­die­schuh­tech­ni­sche Hilfs­mit­tel, wie z.B. Ein­la­gen, Maß­schu­he oder auch orthe­ti­sche Hilfs­mit­tel wie Sprung­ge­lenks-/Un­ter­schen­kel­or­the­sen zum Ein­satz (Abb. 1). Ins­be­son­de­re bei Insta­bi­li­tät der Sprung­ge­len­ke soll laut der Leit­li­nie2 eine Orthe­sen­ver­sor­gung erfolgen.

Ziel der vor­lie­gen­den Unter­su­chung ist die Doku­men­ta­ti­on der Ent­wick­lung der Kin­der, die Über­prü­fung der Wirk­sam­keit der o.g. Hilfs­mit­tel sowie die Anpas­sung der Hilfs­mit­tel an die Bedürf­nis­se der Kin­der im Ver­lauf ihrer Entwicklung.

Material/Methodik

Die neu­ro­or­tho­pä­di­sche Sprech­stun­de des SPZ West­müns­ter­land bie­tet neben der klas­si­schen kli­ni­schen Unter­su­chung auch die Mög­lich­keit der objek­ti­ven appa­ra­ti­ven Gang­ana­ly­se (Pedo­ba­ro­gra­phie, Video- und 3D-Gang­ana­ly­se). Die­se dient der Doku­men­ta­ti­on und Ana­ly­se von Gang­bild­auf­fäl­lig­kei­ten und der Über­prü­fung der Wirk­sam­keit von orthe­ti­schen und ortho­pä­die­schuh­tech­ni­schen Hilfs­mit­teln3 4 5.

Für die Pedo­ba­ro­gra­phie wird das FDM-Sys­tem der Fa. Zebris Medi­cal GmbH (Isny) aus zwei gekop­pel­ten 1,50 m lan­gen Plat­ten genutzt, die plan im Boden ein­ge­las­sen sind. Dadurch kann neben der Belas­tung des Fußes in der Dyna­mik auch die Fuß­ab­wick­lung (pri­mä­rer Boden­kon­takt, Abrol­lung, Fer­sen­kon­takt­zeit), die Gangsym­me­trie (Schritt­län­ge, Stand- und Schwung­pha­sen­dau­er) und die Fuß­stel­lung (Innen-/Au­ßen­ro­ta­ti­on) in Bezug auf die Fort­be­we­gungs­rich­tung erfasst werden.

Je nach Fra­ge­stel­lung und Indi­ka­ti­on, ins­be­son­de­re bei ver­mehr­ten Gang­bild­auf­fäl­lig­kei­ten auch des Rump­fes und der obe­ren Extre­mi­tät, kommt die Video- oder auch die 3D-Gang­ana­ly­se zum Ein­satz. Die 3D-Gang­ana­ly­se erfasst den Kör­per in sei­ner Gesamt­heit, sowohl zeit­lich als auch räum­lich, mit 10 Infra­rot- sowie 2 High-Speed-Kame­ras der Fa. Vicon Moti­on Sys­tems Ltd UK (Oxford). Die­se ermög­li­chen eine Beob­ach­tung des Gang­bil­des in der Sagit­tal- wie auch in der Fron­tal­ebe­ne. Die Aus­wer­tung erfolgt mit­tels der Vicon-Soft­ware Nexus sowie Polygon.

Die Video-Gang­ana­ly­se kommt z.B. bei Pati­en­ten zum Ein­satz, bei denen kom­ple­xe Unter­su­chun­gen, wie z.B. die 3D-Ana­ly­se, auf­grund der Com­pli­ance nicht mög­lich sind. Auch kör­per­li­che Ein­schrän­kun­gen wie z. B. star­ke Adi­po­si­tas, Ver­sor­gun­gen, die die Mar­ker­plat­zie­rung ver­hin­dern (Dero­ta­ti­ons­ban­da­ge, Kor­sett) oder auch eine stark ein­ge­schränk­te freie Geh­fä­hig­keit, füh­ren in der Regel zu einer rei­nen Video-Gang­ana­ly­se6.  Zur Video­do­ku­men­ta­ti­on wer­den die bei­den oben genann­ten Video­ka­me­ras (Vicon Boni­ta) ein­ge­setzt, die Aus­wer­tung erfolgt kli­nisch ohne wei­te­re Soft­ware7 8.

In der Regel wer­den die Hilfs­mit­tel sowie die moto­ri­sche Ent­wick­lung der Kin­der im 6- bis 9 Monats­ab­stand kli­nisch kon­trol­liert. Zudem erfol­gen in die­sem Inter­vall auch die pedo­ba­ro­gra­phi­schen Mes­sun­gen, 3D- und Video-Gang­ana­ly­sen wer­den übli­cher­wei­se alle 12–24 Mona­te zur Ver­laufs­kon­trol­le wie­der­holt. Bei Bedarf fin­det die appa­ra­ti­ve Gang­ana­ly­se auch frü­her statt, z. B. für die Doku­men­ta­ti­on und Bewer­tung prä- und post­ope­ra­ti­ver Befund­än­de­run­gen sowie bei Versorgungswechseln.

Ergeb­nis­se

Seit 2010 wur­den 173 Kin­dern mit Tri­so­mie 21 in unse­rem Gang­la­bor regel­mä­ßig unter­sucht. In den meis­ten Fäl­len wur­den auf­grund der Fuß­sta­tik Ein­la­gen ver­ord­net, ca. 16 % der Kin­der wur­den mit Orthe­sen ver­sorgt. In vie­len Fäl­len konn­te die initi­al bei Lauf­be­ginn höhe­re orthe­ti­sche Ver­sor­gung durch eine nied­ri­ge­re Orthe­sen­ver­sor­gung oder sogar durch eine Ein­la­gen­ver­sor­gung ersetzt wer­den. Die Doku­men­ta­ti­on der Ent­wick­lung sowie die Über­prü­fung der adäqua­ten Orthe­sen- und Ein­la­gen­ver­sor­gung soll anhand der fol­gen­den 5 Bei­spie­le demons­triert werden.

Bei­spiel 1

Männ­li­cher Pati­ent mit moto­ri­scher Ent­wick­lungs­ver­zö­ge­rung. Im Alter von 2;11 Jah­ren (2 Jah­re und 11 Mona­te) gelang ihm kur­zes frei­es Ste­hen sowie ers­tes Gehen an Gegen­stän­den. Auf­grund der kli­nisch dia­gnos­ti­zier­ten dekom­pen­sier­ten Knick-Senk­fü­ße wur­de der Pati­ent zur ver­bes­ser­ten und siche­ren Ver­ti­ka­li­sie­rung mit Sure-Step-Orthe­sen (dyna­mi­sche Rück­fuß­or­the­se nach Maß, Fa. Bas­ko Health­ca­re, Zaan­dam) ver­sorgt. Frei­es Lau­fen gelang ihm mit 3;9 Jah­ren, so dass im Alter von 4;2 Jah­ren eine ers­te Gang­ana­ly­se statt­fin­den konn­te. Eine Ver­laufs­kon­trol­le wur­de 8 Mona­ten spä­ter durch­ge­führt. Abbildung2 zeigt den sehr posi­ti­ven Ent­wick­lungs­ver­lauf der plantaren Fuß­be­las­tung mit einer Reduk­ti­on der media­len Mit­tel­fuß­be­an­spru­chung, so dass nach der kli­ni­schen und appa­ra­ti­ven Ver­laufs­kon­trol­le die Orthe­sen­ver­sor­gung knapp ein Jahr nach Lauf­be­ginn auf eine Ein­la­gen­ver­sor­gung redu­ziert wer­den konnte.

Bei­spiel 2

Weib­li­che Pati­en­tin mit eben­falls dekom­pen­sier­ten Knick-Senk­fü­ßen bei moto­ri­scher Ent­wick­lungs­ver­zö­ge­rung. Im Alter von 2;5 Jah­ren zeig­te sie ers­te Steh­ver­su­che. Auf­grund der deut­li­chen Insta­bi­li­tät der Sprung­ge­len­ke wur­de die Pati­en­tin daher mit indi­vi­du­el­len, hand­werk­lich gefer­tig­ten Unter­schen­kel­or­the­sen aus Poly­pro­py­len mit tibia­ler Kon­dylen­an­stüt­zung und voll­kon­tak­ti­ger Fuß­fas­sung ver­sorgt. Die­se wur­den im All­tag jedoch nicht akzep­tiert. Da die hohen Orthe­sen die Pati­en­tin ins­be­son­de­re beim Krab­beln stör­ten, wur­de die Ver­sor­gung geän­dert und die Orthe­sen auf Sprung­ge­lenks­ni­veau gekürzt. Hier­un­ter war ein frei­es Lau­fen mit 3;8 Jah­ren mög­lich, obwohl auch die Sprung­ge­lenks­or­the­sen nur ein­ge­schränkt akzep­tiert wur­den. Es erfolg­te eine Umstel­lung auf hoch­scha­li­ge, kor­ri­gie­ren­de Ein­la­gen und die Kon­trol­le im Gang­la­bor. Abbil­dung 3 links zeigt die initi­al dekom­pen­sier­ten Knick-Senk­fü­ße. Zunächst wur­de eine nur lang­sa­me Ver­bes­se­rung der Fuß­sta­tik beob­ach­tet. Ins­be­son­de­re wur­de im Ver­lauf eine kon­stant ver­brei­ter­te Mit­tel­fuß­kon­takt­flä­che gemes­sen, so dass das Ver­sor­gungs­kon­zept mit den hoch­scha­li­gen, kor­ri­gie­ren­den Ein­la­gen bei­be­hal­ten wur­de. Im Alter von 8;9 Jah­ren konn­te dann eine ver­bes­ser­te Auf­rich­tung der media­len Längs­wöl­bung gemes­sen wer­den. In den dar­auf­fol­gen­den Jah­ren wur­de sowohl kli­nisch als auch appa­ra­tiv eine wei­te­re Befund­ver­bes­se­rung fest­ge­stellt, so dass die Pati­en­tin im Alter von 11 Jah­ren auf eine Ver­sor­gung mit affe­renz­sti­mu­lie­ren­den Ein­la­gen umge­stellt wur­de. Abbil­dung 3 rechts zeigt eine aktu­el­le Mes­sung im Alter von 13;5 Jah­ren. Hier ist die gute Auf­rich­tung der media­len Längs­wöl­bung in der Dyna­mik erkenn­bar bei unver­än­dert media­li­sier­tem Belas­tungs­mus­ter mit loka­ler Druck­spit­ze im Bereich MFK I beidseits.

Bei­spiel 3

Die­se Tri­so­mie-Pati­en­tin weist die zusätz­li­che Dia­gno­se einer Autis­mus-Spek­trums­stö­rung auf, was eine umfas­sen­de, stan­dar­di­sier­te Gang­ana­ly­se (z. B. 3D) erschwert. Die Erst­vor­stel­lung im SPZ war im Alter von knapp 6;8 Jah­ren, der siche­re Lauf­be­ginn wur­de mit 5;8 Jah­ren ange­ge­ben. Bei Erst­vor­stel­lung war die Pati­en­tin mit indi­vi­du­el­len, hand­werk­lich gefer­tig­ten Sprung­ge­lenks­or­the­sen aus Poly­pro­py­len ver­sorgt. Auf­grund der kli­nisch und appa­ra­tiv auf­fäl­li­gen Fuß­sta­tik und einer deut­li­chen Insta­bi­li­tät im Sprung­ge­lenk sowie der unzu­rei­chen­den Kor­rek­tur durch die vor­han­de­nen Orthe­sen (Abb. 4) wur­de die Pati­en­tin mit einem Paar waden­ho­hen Poly­pro­py­len-Unter­schen­kel­or­the­sen nach Gips­ab­druck mit voll­kon­tak­ti­ger Fuß­fas­sung in ana­to­mi­scher Kor­rek­tur ver­sorgt. Die­se Ver­sor­gung wur­de bei Wie­der­vor­stel­lung bei guter Akzep­tanz auf dyna­mi­sche Unter­schen­kel­or­the­sen9 geän­dert, um der Pati­en­tin mehr Mobi­li­tät zu gewähr­leis­ten. Dies wur­de im Ver­lauf regel­mä­ßig kon­trol­liert (Abb. 5). Man erkennt zum einen, dass sich in dem vor­lie­gen­den Fall die Fuß­sta­tik nicht ver­bes­sert hat. Es wur­de über die Jah­re ein kon­stant deut­lich media­li­sier­tes Belas­tungs­mus­ter mit loka­len Druck­spit­zen im Bereich MFK I sowie Basis I gemes­sen. Zum ande­ren kann man anhand der Fuß­druck­mes­sung erken­nen, dass mit Hil­fe der Orthe­sen­ver­sor­gung eine Ver­grö­ße­rung der plantaren Belas­tungs­flä­che erreicht wird, die bei der Pati­en­tin neben der Ver­bes­se­rung der Fuß­sta­tik zu einer deut­lich gestei­ger­ten Gang­dy­na­mik führt. Dies konn­te auch in der durch­ge­führ­ten Video-Gang­ana­ly­se nach­ge­wie­sen wer­den. Zudem wur­de auf Basis der Video-Gang­ana­ly­se eine Ver­sor­gung mit Orthe­sen­schu­hen initi­iert, um die Stand­flä­che zu erhö­hen. Abbil­dung 6 zeigt einen Screen­shot der Gang­ana­ly­se, in der die Reduk­ti­on des Rück­fuß­val­gus durch die Orthe­sen­schu­he erkenn­bar ist.

Bei­spiel 4

Männ­li­cher Tri­so­mie-Pati­ent mit den zusätz­li­chen Dia­gno­sen einer Früh­ge­burt­lich­keit in der 33. SSW sowie Zustand nach aku­ter mye­loi­scher Leuk­ämie, Zustand nach Che­mo­the­ra­pie und Zustand nach Reani­ma­ti­on. Der Pati­ent wur­de im Alter von 3;2 Jah­ren erst­ma­lig im SPZ vor­stel­lig. Auf­grund der deut­li­chen Mus­kel­hy­po­to­nie und Insta­bi­li­tät im Sprung­ge­lenk wur­den vor Lauf­be­ginn zur Ver­ti­ka­li­sie­rung ein Paar hand­werk­lich gefer­tig­te Unter­schen­kel­or­the­sen nach Gips­ab­druck in Poly­pro­py­len-Tech­nik mit tibia­ler Kon­dylen­an­stüt­zung und voll­kon­tak­ti­ger Fuß­fas­sung in ana­to­mi­scher Kor­rek­tur ver­ord­net. Die­se wur­den auf­grund der Fuß­sta­tik bei frei­em Lauf­be­ginn mit 4;0 Jah­ren zunächst bei­be­hal­ten (Abb. 7 links). Im Ver­lauf ver­bes­ser­te sich die Fuß­sta­tik (Abb. 7), so dass der Pati­ent mit einem Paar deut­lich knö­chel­über­grei­fen­den Sprung­ge­lenks­or­the­sen nach Gips­ab­druck mit voll­kon­tak­ti­ger Fuß­fas­sung in ana­to­mi­scher Kor­rek­tur ver­sorgt wur­de. Die­se hat­ten zusätz­lich neben der Kor­rek­tur der Fuß­sta­tik den Vor­teil, dass die Hyper­mo­bi­li­tät im obe­ren Sprung­ge­lenk im Gang­ab­lauf eben­falls redu­ziert wur­de. Abbil­dung 8 links zeigt einen Aus­schnitt der Video-Gang­ana­ly­se im Alter von knapp 11 Jah­ren bar­fuß (Video 1) und mit Sprung­ge­lenks­or­the­sen (Video 2), getra­gen im Kon­fek­ti­ons­schuh. Bar­fuß ist deut­lich das Ein­bre­chen in eine erhöh­te Dor­sal­ex­ten­si­on in der ter­mi­na­len Stand­pha­se erkenn­bar, wor­aus eine deut­lich ver­spä­te­te Fer­sen­an­he­bung resul­tiert. Die­se erfolgt erst bei kon­tra­la­te­ra­lem initia­lem Kon­takt. Mit den Sprung­ge­lenks­or­the­sen wird das Ein­bre­chen in die ver­mehr­te Dor­sal­ex­ten­si­on redu­ziert und so eine phy­sio­lo­gi­sche Fer­sen­an­he­bung unter­stützt. Im Alter von 12 Jah­ren ent­schied sich die Fami­lie für eine sub­tala­re Arthr­ori­se, die zu einer deut­lich ver­bes­ser­ten Fuß­sta­tik führ­te (Abb. 8 rechts). Der Pati­ent wur­de auf kor­ri­gie­ren­de Ein­la­gen umge­stellt, was eine deut­lich ver­bes­ser­te Eigen­stän­dig­keit im All­tag für ihn dar­stell­te, da er nun sei­ne Schu­he allei­ne anzie­hen konn­te. Die Video-Gang­ana­ly­se zur Ver­laufs­kon­trol­le im Alter von 14;2 Jah­ren (Video 3) zeig­te jedoch, dass die Ein­la­gen zwar für die Kor­rek­tur der Fuß­sta­tik aus­rei­chend sind, jedoch die erhöh­te Dor­sal­ex­ten­si­ons­fä­hig­keit im Sprung­ge­lenk nicht so gut wie die Orthe­sen redu­zie­ren kön­nen, so dass wie­der eine ver­spä­te­te Fer­sen­an­he­bung im Gang­zy­klus zu beob­ach­ten ist (Abb. 8 rechts, Video 4).

Bei­spiel 5

Männ­li­cher Pati­ent mit den zusätz­li­chen Dia­gno­sen einer Früh­ge­burt­lich­keit in der 34. SSW sowie Zustand nach Vari­zel­le­nen­ce­pha­li­tis mit dar­aus resul­tie­ren­der uni­la­te­ra­ler Cere­bral­pa­re­se (Hemi­pa­re­se links). Die Erst­vor­stel­lung im SPZ erfolg­te mit 10;1 Jah­ren. Der Pati­ent war bereits mit einer dyna­mi­schen Unter­schen­kel­or­the­se links sowie einer plantaren Fuß­or­the­se rechts ver­sorgt. Eine Erst­vor­stel­lung im Gang­la­bor fand im Alter von 11;7 Jah­ren statt. Regel­mä­ßi­ge pedo­ba­ro­gra­phi­sche Ver­laufs­kon­trol­len erfolg­ten, im Alter von 13;9 Jah­ren wur­de eine 3D-Gang­ana­ly­se durch­ge­führt. Die­se zeig­te die Wirk­sam­keit der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung (Abb. 9). Wäh­rend der Pati­ent auf der hemi­pa­re­ti­schen Sei­te einen pri­mä­ren Vor­fuß­kon­takt durch­führt bei initi­al erhöh­ter Knie­beu­gung, so erkennt man mit Orthe­se sowohl die ver­bes­ser­te Knie­stre­ckung als auch den pri­mä­ren Fer­sen­kon­takt (Abb. 9 oben links). In der Dar­stel­lung der Sprung­ge­lenks­win­kel (Abb. 9 oben rechts) erkennt man zudem, dass mit Orthe­se nach dem initia­len Kon­takt eine phy­sio­lo­gi­sche Plant­ar­fle­xi­on (Absen­ken des Vor­fu­ßes) mög­lich ist. Zudem wird die feh­len­de Dor­sal­ex­ten­si­on in der Schwung­pha­se durch die Orthe­se kor­ri­giert. In der Dar­stel­lung der Gang­pa­ra­me­ter (Abb. 9 unten/Tabelle) erkennt man sowohl die Zunah­me der Gang­dy­na­mik mit der Orthe­se, die Reduk­ti­on der Schritt­wei­te wie auch die deut­lich ver­bes­ser­te Gangsymmetrie.

Dis­kus­si­on

Anhand die­ser Bei­spie­le soll exem­pla­risch gezeigt wer­den, dass durch ein geeig­ne­tes orthetisches/orthopädieschuhtechnisches Hilfs­mit­tel bei Kin­dern mit Tri­so­mie 21 die Fuß­ent­wick­lung und das Gang­bild posi­tiv beein­flusst wer­den kön­nen. Bei den meis­ten Kin­dern mit Tri­so­mie 21 kommt es auf­grund der Mus­kel­hy­po­to­nie zu einer auf­fäl­li­gen Fuß­sta­tik, die in der spä­te­ren Ent­wick­lung häu­fig durch eine Ein­la­gen­ver­sor­gung behan­delt wer­den kann. Aber auch zusätz­li­che Dia­gno­sen kön­nen das Gang­bild nega­tiv beein­flus­sen, so dass eine ortho­pä­die­tech­ni­sche Lösung not­wen­dig wer­den kann. Die regel­mä­ßi­ge appa­ra­ti­ve Ver­laufs­kon­trol­le im Gang­la­bor hilft hier Über- und Unter­ver­sor­gun­gen früh­zei­tig zu erken­nen und zu ver­mei­den. Auch wenn sich Kin­der mit Tri­so­mie 21 moto­risch lang­sa­mer ent­wi­ckeln, so konn­te mit den Bei­spie­len 1 und 2 dar­ge­stellt wer­den, dass auch hier deut­li­che Fort­schrit­te in der Fuß­ent­wick­lung erfol­gen kön­nen, die eine Anpas­sung des Ver­sor­gungs­sche­mas nötig machen. Auch bei kon­stan­ten Befun­den ohne mess­ba­re Ver­än­de­rung (Bei­spiel 3) soll­te das Ver­sor­gungs­kon­zept regel­mä­ßig über­prüft wer­den, ggf. kom­men dann ope­ra­ti­ve Maß­nah­men wie in Bei­spiel 4 in Fra­ge. Des Wei­te­ren spielt wie bei allen Kindern/Jugendlichen die Com­pli­ance eine gro­ße Rol­le. Durch die kogni­ti­ve Ein­schrän­kung kann die Com­pli­ance zusätz­lich redu­ziert sein, so dass die stan­dar­di­sier­te Durch­füh­rung einer 3D-Gang­ana­ly­se erschwert sein kann und daher eine Video- der 3D-Gang­ana­ly­se vor­ge­zo­gen wird. Min­des­tens eine Video-Gang­ana­ly­se soll­te ins­be­son­de­re bei orthe­ti­scher Ver­sor­gung und Insta­bi­li­tä­ten der Gelen­ke erfol­gen, um hier die Ent­wick­lung der Kin­der doku­men­tie­ren zu kön­nen und Anpas­sun­gen der Orthe­sen­ver­sor­gung zu initi­ie­ren. Des Wei­te­ren muss bei der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung berück­sich­tigt wer­den, dass Kin­der mit Tri­so­mie 21 meist das glei­che Bedürf­nis nach Eigen­stän­dig­keit haben wie Kin­der ohne Tri­so­mie. Dies muss ins­be­son­de­re bei der Ver­sor­gung mit Orthe­sen, die in ihrer Hand­ha­bung auf­wän­di­ger sind, berück­sich­tigt wer­den. Hier kann die appa­ra­ti­ve Gang­ana­ly­se in der regel­mä­ßi­gen Ver­laufs­kon­trol­le hel­fen, die Ent­wick­lungs­fort­schrit­te zu doku­men­tie­ren und den Arzt bei der Indi­ka­ti­ons­stel­lung dabei unter­stüt­zen, den Spa­gat zwi­schen Com­pli­ance und Eigen­stän­dig­keit einer­seits und der not­wen­di­gen Kor­rek­tur von Fuß­sta­tik und Gang­bild ande­rer­seits zu fin­den (Bei­spiel 4).

Fazit

Die appa­ra­ti­ve Gang­ana­ly­se ist wie die kli­ni­sche Gang­ana­ly­se eine Moment­auf­nah­me, die unter Beob­ach­tung statt­fin­det. Auch ihre Auswertung/Interpretation ist abhän­gig von der Erfah­rung der unter­su­chen­den Per­son. Jedoch zeigt sich in unse­ren Unter­su­chun­gen, dass die appa­ra­ti­ve Gang­ana­ly­se vor allem auf­grund ihrer objek­ti­ven Daten und repro­du­zier­ba­ren Ergeb­nis­se ein wich­ti­ges Instru­ment zur Beur­tei­lung der Wir­kung von Hilfs­mit­teln und Behand­lun­gen dar­stellt. Der Ent­wick­lungs­ver­lauf der Kin­der wird doku­men­tiert und die Ver­sor­gung opti­mal an die Bedürf­nis­se der Kin­der angepasst.

 

Für die Autoren:
Dr. rer. nat. Julia­ne Wühr
Gang­ana­ly­se – SPZ Westmünsterland
Chris­to­pho­rus-Kli­ni­ken GmbH
Süd­ring 41
48653 Coes­feld
juliane.wuehr@christophorus-kliniken.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Wühr J, Bosch-Stroot K, Tie­mey­er K, Horter M. Kin­der mit Tri­so­mie 21: Ein­satz der Gang­ana­ly­se zur adäqua­ten Schuh- und Orthe­sen­ver­sor­gung. Ortho­pä­die Tech­nik, 2024; 75 (11): 24–29

 

 

Tabel­le zu Abb. 9 Zusam­men­stel­lung der Gang­spur­pa­ra­me­ter bar­fuß und mit dyna­mi­scher US-Orthese.

Bar­fußMit Hilfs­mit­tel
linksrechtslinksrechts
Kadenz124 ± 6,43 Schritte/min123 ± 7,96 Schritte/min107 ± 4,60 Schritte/min107 ± 6,14 Schritte/min
Schritt­län­ge0,49 ± 0,41 m0,57 ± 0,048 m0,59 ± 0,027 m0,59 ± 0,027 m
Schritt­wei­te0,25 ± 0,026 m0,20 ± 0,026 m0,18 ± 0,018 m0,18 ± 0,013 m
Geschwin­dig­keit1,11 ± 0,13 m/s1,07 ± 0,12 m/s1,06 ± 0,065 m/s1,03 ± 0,077 m/s
Ende Last­über­nah­me8,80 ± 1,13 %12,3 ± 2,89 %12,2 ± 1,55 %13,5 ± 0,99 %
Ende ter­mi­na­le Standphasendauer46,0 ± 1,51 %53,7 ± 1,26 %47,6 ± 1,37 %52,3 ± 0,77 %
Stand­pha­sen­dau­er58,1 ± 3,67 %63,4 ± 1,91 %59,9 ± 2,62 %64,6 ± 2,20 %

 

Video 1:
Ein Aus­schnitt der Video-Gang­ana­ly­se eines Jun­gen im Alter von knapp 11 Jah­ren barfuß.

Video 2:
Ein Aus­schnitt der Video-Gang­ana­ly­se des­sel­ben Jun­gen im Alter von knapp 11 Jah­ren mit Sprunggelenksorthesen.

Video 3:
Die Video-Gang­ana­ly­se des Jun­gen zur Ver­laufs­kon­trol­le im Alter von 14 Jah­ren und 2 Mona­ten bar­fuß zeigt: Die Ein­la­gen sind für die Kor­rek­tur der Fuß­sta­tik fast ausreichend.

Video 4:
Ein­la­gen kön­nen die erhöh­te Dor­sal­ex­ten­si­ons­fä­hig­keit im Sprung­ge­lenk nicht so gut wie die Orthe­sen redu­zie­ren, es ist wie­der eine ver­spä­te­te Fer­sen­an­he­bung im Gang­zy­klus zu beobachten.

 

Quel­len­ver­zeich­nis

  1. Deut­sche Gesell­schaft für Kin­der- und Jugend­me­di­zin e. V. (DGKJ). Down-Syn­drom im Kin­des- und Jugend­al­ter. 027/051 – S2k-Leit­li­nie Down-Syn­drom 2016 
  2. Deut­sche Gesell­schaft für Kin­der- und Jugend­me­di­zin e. V. (DGKJ). Down-Syn­drom im Kin­des- und Jugend­al­ter. 027/051 – S2k-Leit­li­nie Down-Syn­drom 2016 
  3. Schlem­mer T. Gang­ana­ly­se in der Ortho­pä­die-Tech­nik – Grund­la­gen und kli­ni­sche Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten. Ortho­pä­die Tech­nik. 2019; 70 (12): 20–24
  4. Bosch K et al. Wirk­sam­keits­nach­weis der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung mit­tels Bewe­gungs­ana­ly­se. Ortho­pä­die-Tech­nik, 2013; 64 (8): 24–29
  5. Wühr J, Tie­mey­er K, Bosch K, Haf­ke­mey­er U. Nach­weis der Gang­bild­ver­bes­se­rung durch orthe­ti­sche Hilfs­mit­tel mit­tels appa­ra­ti­ver Gang­ana­ly­se. Ortho­pä­die-Tech­nik, 2018; 69 (3): 36–41
  6. D’Souza S. 2D-Bewe­gungs­ana­ly­se in der Kin­der­ver­sor­gung. Ortho­pä­die Tech­nik, 2021; 72 (3): 40–43
  7. Götz-Neu­mann K: Gehen ver­ste­hen. Stutt­gart: Thie­me, 2003 
  8. Per­ry J, Burn­field J: Gait Ana­ly­sis, Nor­mal and Patho­lo­gi­cal Func­tion, 2. Auf­la­ge. West Dept­ford (NJ): Slack Inc., 2010 
  9. Haf­ke­mey­er U et al. Dyna­mi­sche Unter­schen­kel­or­the­se in Pre­preg-Tech­nik nach Haf­ke­mey­er – Kon­struk­ti­ons­merk­ma­le, Indi­ka­tio­nen, Varia­ti­ons­mög­lich­kei­ten. Ortho­pä­die Tech­nik, 2024; 75 (4): 48–54
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