Einleitung
Elastische Rumpfbandagen werden hauptsächlich zur Prävention 1 2 und/oder zur unterstützenden Behandlung von Rückenschmerzen eingesetzt 3 4. Einhergehend mit ihrer breiten Anwendung wurden Auswirkungen des Tragens von Rumpfbandagen bereits häufig untersucht 5 6, sodass es auf den ersten Blick diesbezüglich keinen Forschungsbedarf mehr zu geben scheint. Bei näherer Betrachtung wird jedoch schnell klar, dass sich ein Großteil der vorliegenden Studien gar nicht mit Lumbalbandagen, sondern beispielsweise mit Rumpforthesen 7 8 oder unelastischen Gürteln 9 befasst und sich insofern die Ergebnislage deutlich verschlechtert. Die verbleibenden Untersuchungen zu elastischen Rumpfbandagen untersuchten unter anderem deren Wirkung auf den intraabdominalen Druck 10 oder auch auf den intramuskulären Druck von Rückenmuskeln 11. Weitere Studien verwendeten Ultraschall 12, CT 13 und sogar MR-Untersuchungen 14 bzw. wandten biomechanische Modelle an, um den Effekt von Rumpfbandagen auf die muskulär generierte aktive Stabilisierung der Wirbelsäule zu analysieren 15. Diese Untersuchungen hatten mehrheitlich zum Ziel, die durch das Tragen von Rumpfbandagen erhöhte passive Wirbelsäulenstabilität 13 15 16 17 und dadurch vermutete Inaktivitätsatrophie der Rückenmuskeln zu beweisen oder zu widerlegen.
Darüber hinaus wurden bereits mehrere Studien durchgeführt, die die Wirkung von Lumbalbandagen auf die Rückenmuskulatur anhand von Oberflächen-EMG-(OEMG-)Untersuchungen evaluiert haben 16 18. Die Ergebnisse wurden in einer Meta-Analyse zusammengefasst 5, die aber vor allem die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen zeigte, da die vorliegenden Ergebnisse alles andere als übereinstimmend waren: Je nachdem, welcher Bandagentyp verwendet wurde und welche physischen Aktivitätscharakteristika untersucht wurden, variierten die Ergebnisse zwischen erhöhter, verminderter oder auch unveränderter Rumpfmuskelaktivität 19 20.
Aktuell werden Rumpfbandagen in der Behandlung von Rückenschmerzen auch deswegen eingesetzt, um den damit assoziierten Kraft- und Koordinationsproblemen der Rumpfmuskulatur entgegenzuwirken 21 22. Jedoch steht bisher eine systematische Untersuchung hinsichtlich der physiologischen Wirkung elastischer Lumbalbandagen aus. Diesem Ziel widmete sich die vorliegende Studie, indem der Einfluss des Tragens von Rumpfbandagen auf die oberflächlichen Rückenmuskeln während des Gehens auf einem Laufband untersucht wurde. Als Hauptzielparameter wurde die mittlere OEMG-Amplitude sowie deren Variabilität beim Gehen ohne und mit angelegter Rumpfbandage definiert. Einflüsse der Geschlechtszugehörigkeit, des aktuellen physischen Aktivitätsniveaus (anhand unterschiedlicher Gehgeschwindigkeiten) und der Tragedauer der Bandage wurden berücksichtigt. Aufgrund des als niedrig einzuschätzenden Aktivitätsniveaus beim Gehen sollte der passiv stabilisierende Effekt der Lumbalbandage hoch sein und damit zu einer generellen Verminderung der Aktivität der Rückenmuskeln führen.
Methodik
Untersuchungsdesign und untersuchte Population
Die Studie wurde als Wiederholungsuntersuchung durchgeführt. Dafür wurden 42 gesunde Testpersonen einbezogen (22 Frauen, Alter: 24 ± 7 Jahre; 20 Männer, Alter: 28 ± 7 Jahre). Alle Teilnehmer wurden klinisch-orthopädisch untersucht; Personen mit wiederholten Episoden von Rückenschmerz bzw. aktuell vorhandenen Rückenschmerzen oder Operationen an der Wirbelsäule wurden ausgeschlossen. Für die Untersuchung lag ein positives Votum der Ethikkommission der Friedrich-Schiller-Universität Jena vor (379306/13). Vor Beginn der Untersuchung wurden alle Teilnehmer ausführlich über das Ziel und die Inhalte der Studie aufgeklärt und gaben ihr schriftliches Einverständnis zur Studienteilnahme.
Versuchsdurchführung
Die Lokomotionsuntersuchung wurde auf einem Laufband (QUASAR.med., HP Cosmos) durchgeführt, wobei allen Teilnehmern eine adäquate Zeit zur Gewöhnung eingeräumt wurde. Für eine erfolgreiche Habituation an die Lokomotion auf dem Laufband musste die individuelle Beurteilung des Gehens sowohl seitens des Teilnehmers als auch des Untersuchungsleiters übereinstimmend als „natürlich“ erfolgen. Die Kriterien dafür waren eine gerade Körperhaltung, ein freier Armschwung ohne Festhalten am Handlauf, Blick geradeaus und eine situationsadäquate Schrittfrequenz 23 24. Für die OEMG-Messungen (siehe unten) gingen die Probanden im „steady state“ für jeweils mindestens 30 komplette Doppelschritte, wobei die Gehgeschwindigkeiten zwischen 2 und 6 km/h variierten. Die Abfolge der Gehgeschwindigkeiten war dabei individuell randomisiert und wurde für alle Tests beibehalten, die zunächst das Gehen ohne Bandage (U1), dann direkt im Anschluss mit angelegter Bandage (U2) und ebenfalls mit angelegter Bandage, aber nach drei Stunden Tragezeit (U3) umfassten. Die verwendete Bandage war die jeweils geschlechtsspezifische und individuell größenangepasste Variante der Bandage „LumboTrain®“ (Bauerfeind AG, Abb. 1). Während der Untersuchung trugen alle Probanden ihr eigenes bequemes Schuhwerk ohne höhere Absätze (maximal 2 cm).
OEMG-Erfassung und ‑Verarbeitung
Es erfolgte eine herkömmliche bipolare OEMG-Messung des M. multifidus, des M. iliocostalis und des M. longissimus simultan an beiden Körperseiten. Dabei wurden folgende Systeme eingesetzt:
- Verstärker: Biovision (Verstärkung: 1000),
- Messsystem: ToM, DeMeTec (A/D‑Rate: 2048/s, Auflösung: nV/24 Bit [0,6 µV/Bit]),
- Messsoftware: ATISArec, GJB.
Die Lage der untersuchten Muskeln ist in Abbildung 2 schematisch dargestellt; Abbildung 3 zeigt die applizierten Elektroden anhand von Probandenbildern. Die Auswahl der untersuchten Muskeln richtete sich neben ihrer durch die paarige Anordnung entlang der Wirbelsäule anatomisch ableitbaren Extensionsund Rotationswirkung auf die Wirbelsäule 25 insbesondere auch nach ihrer unterschiedlich definierten Funktion hinsichtlich der Stabilisierung (M. multifidus) oder der Mobilisierung (M. longissimus und M. iliocostalis) des Rumpfes 26 27.
Für die OEMG-Messungen wurden Einmalelektroden mit einem Elektrodendurchmesser von 1,6 cm und einem Interelektrodenabstand von 2,5 cm verwendet (H93SG, Covidien). Die Elektrodenpositionen wurden immer durch dieselbe erfahrene Person bestimmt (CA) und richteten sich nach den internationalen Empfehlungen 28: Für den M. multifidus (MF) erfolgte die Positionierung der Elektroden am medialen Rand der Verbindungslinie zwischen dem tastbaren Dornfortsatz des ersten Lendenwirbels (L1) und der unteren Darmbeinspitze mit der kaudalen Elektrode auf Höhe L4, für den M. iliocostalis (ICO) auf Höhe L2 und dort 1 cm medial der Verbindungslinie zwischen unterer Darmbeinspitze und dem am weitesten kaudal tastbaren Rippenrand; schließlich wurden die Elektroden für den M. longissimus (LO) senkrecht ausgerichtet, wobei die kaudale Elektrode auf dem sichtbaren Muskelbauch auf Höhe L1 positioniert wurde. Vor dem Aufbringen der Elektroden wurden die jeweiligen Regionen mittels abrasiver Paste (Epicont, GE Medical Systems) vorbereitet und ggf. rasiert. Zusätzlich wurden die elektrische Herzaktivität durch ein weiteres Elektrodenpaar entlang der Herzachse sowie die Fersenaufsatzzeiten anhand von unter den Schuhabsätzen angebrachten Drucksensoren simultan zum OEMG erfasst (FS402, Interlink Electronics).
Die erfassten OEMG-Daten wurden wie folgt verarbeitet:
- Bandpassfilterung zwischen 35 Hz und 400 Hz,
- Notch-Filterung bei 50 Hz.
Die Elimination der elektrischen Herzaktivität erfolgte über einen templatebasierten Algorithmus 29. Anhand der Drucksensoren wurden die Fersenaufsatzzeiten identifiziert und für die weitere Verarbeitung dann lediglich vollständige Schritte verwendet, die um maximal 10 % vom jeweiligen Median abwichen 30. Die OEMG-Daten wurden als rms („root mean square“) weiterverarbeitet. Alle gültigen Schritte wurden auf 100 % zeitnormiert (Zeitauflösung: 0,5 % = 201 Messwerte) und gemittelt 31. Daraus ergab sich jeweils eine repräsentative gemittelte Amplitudenverlaufskurve pro Proband, Muskel und Untersuchungssituation, anhand derer die Hauptzielparameter mittlere Amplitude und Range berechnet wurden. Dabei entspricht die mittlere Amplitude dem arithmetischen Mittel aller Einzelwerte über den normierten Schritt und die Range die auf diesen Mittelwert bezogene relative Differenz zwischen dem jeweils vorkommenden Maximum und Minimum.
Zur Testung genereller Einflüsse der Körperseite (rechts, links: 2 Stufen), der Situation (U1, U2, U3: 3 Stufen) und der Gehgeschwindigkeit (2-–6 km/h: 5 Stufen) wurden die Daten getrennt für jeden Muskel einer ANOVA mit Messwiederholung unterworfen (Geschlecht als Zwischensubjektfaktor). Für die Post-hoc-Testung wurden für die mittleren Amplitudenwerte die Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten als relative Differenzen bezogen auf U1 berechnet; die Differenzen für die Range gingen direkt in die Berechnung ein, da diese Werte bereits normiert waren.
Ergebnisse
ANOVA
Mittlere Amplitudenwerte
In der ANOVA konnten signifikante und relevante Seitendifferenzen für ICO und LO (Tab. 1) mit jeweils höheren Werten auf der rechten Körperseite nachgewiesen werden. Außerdem wiesen die Männer für MF und LO signifikant höhere mittlere Amplitudenwerte als die Frauen auf, wobei generell alle Werte mit zunehmender Gehgeschwindigkeit ebenfalls anstiegen (p < 0,001 für alle Muskeln; Abb. 4). Daher wurden die Einzelresultate für Männer und Frauen in der Folge getrennt sowie separat für jede Körperseite dargestellt. Obwohl die Situation für alle Muskeln einen signifikanten Einfluss hatte (MF, LO: p < 0,001; ICO: p < 0,05), waren die Auswirkungen nicht einheitlich (siehe unten).
Range
Die Range zeigte für ICO und LO ebenfalls systematische Unterschiede zwischen den Körperseiten (s. Tab. 1), wobei hier die linke Seite die höheren Werte aufwies. Generell erhöhten sich die Amplitudenschwankungen ebenfalls wie bereits die mittleren Amplituden zusammen mit zunehmender Gehgeschwindigkeit (s. Abb. 4). Für den Haupteffekt „Situation“ konnte für alle Rückenmuskeln ein genereller und hochsignifikanter Einfluss nachgewiesen werden, wobei unabhängig von der Tragedauer während des Tragens der Bandage die Werte für die Range erhöht waren (s. Abb. 4).
Differenzen zwischen U1 und U2/U3
Zum Zeitpunkt U2 konnte für MF und LO bei beiden Geschlechtern eine tendenzielle Verminderung der mittleren Amplitudenwerte beobachtet werden, die für den LO im Ausmaß und in der Anzahl signifikanter Unterschiede für die untersuchten Frauen deutlich ausgeprägter war als für die Männer (Frauen MF und LO ‑11 % bis ‑5 %; Männer LO ‑9 % bis ‑6 %; Abb. 5). Dieser Trend zur Verringerung der mittleren Amplitudenwerte kehrte sich zum Zeitpunkt U3 jedoch mehrheitlich um. Lediglich die mittleren Amplituden für den LO der Frauen blieben weiterhin tendenziell vermindert, wiesen jedoch nur noch punktuell signifikante Unterschiede auf. Für den ICO ließen sich jedoch praktisch durchgehend tendenziell zu U2 und deutlich stärker, mit mehreren signifikanten Unterschieden zu U3, Anstiege der mittleren Amplituden nachweisen (s. Abb. 5). Die Range wies unabhängig vom Geschlecht deutliche, oftmals signifikant erhöhte Werte sowohl zu U2 als auch zu U3 auf, wobei sowohl die Ausprägung als auch die Anzahl nachweisbarer Signifikanzen für die Frauen erneut höher war als für die Männer (s. Abb. 5).
Für beide Parameter sind die beschriebenen Effekte ohne Berücksichtigung der unterschiedlichen Gehgeschwindigkeiten in der ebenfalls dargestellten geschwindigkeitsunabhängigen Betrachtung zusammengefasst (s. Abb. 5).
Diskussion
Das Ziel dieser Studie war, den Einfluss einer elastischen Lumbalbandage auf die Aktivierungscharakteristik von Rückenmuskeln an gesunden Personen beim Gehen zu quantifizieren. Aufgrund der teilweise gegensätzlichen Veränderung, insbesondere der mittleren Amplitudenwerte, kann keine einfache, generalisierbare Antwort gegeben werden. Trotz der vorhandenen Seiten- und Geschlechtsdifferenzen können jedoch muskelspezifische Reaktionen beobachtet werden, die für die untersuchten Frauen eindeutiger bzw. stärker ausgeprägt waren. Während für den ICO zu U2 und U3 insbesondere bei den Frauen ein deutlicher Anstieg der mittleren Amplituden zu verzeichnen war, wiesen unabhängig vom Geschlecht sowohl MF als auch LO zu U2 verminderte Werte auf, die sich allerdings zu U3 den Ausgangswerten zu U1 wieder annäherten bzw. sogar höhere Werte als ohne Bandage erreichten. Insofern kann die Veränderung der Werte von U2 zu U3 als Gewöhnungseffekt interpretiert werden. Ob sich dieser Umkehrtrend allerdings noch weiter fortsetzt, kann hier nicht beantwortet werden, da der Beobachtungszeitraum der aktuellen Studie nur drei Stunden umfasste. Diese Einschränkung berücksichtigend spricht allerdings einiges dafür, dass die Werte zu U3 eher die tatsächlichen Effekte widerspiegeln, die nicht durch zunächst ablaufende Anpassungsvorgänge maskiert werden.
Die im Gegensatz zu den unterschiedlichen Auswirkungen auf die mittleren Amplituden praktisch durchgehend manifestierte Erhöhung der Range repräsentiert eine verstärkte Differenz zwischen Anspannung und Entspannung der Rückenmuskeln und gibt damit indirekte Hinweise auf eine dadurch verbesserte Durchblutungssituation, die die metabolische Versorgung der Muskulatur gleichsinnig beeinflussen sollte. Eine verbesserte Versorgung ist wiederum mit einer verbesserten muskulären Performance verbunden 32. Generell konnten die aus anderen Studien an Rumpfmuskeln bekannten geschlechtsassoziierten Amplitudenunterschiede bestätigt werden 33. Zudem unterlagen die mittleren Amplitudenwerte einem generellen Anstieg mit zunehmender Gehgeschwindigkeit. Um dies auszugleichen, wurden relative Amplitudendifferenzen verwendet. Dennoch wiesen die Frauen für beide Zielparameter die größeren und statistisch häufiger nachweisbaren Veränderungen auf, obwohl entsprechend angepasste Männer- bzw. Frauenmodelle der Bandagen verwendet wurden, die somit trotz der im Rumpfbereich differierenden Becken-Taillen-Konstellation vergleichbare Druckverteilungsmuster sicherstellen. Ob das sich zwischen Männern und Frauen unterscheidende Gangbild mit größeren rotatorischen Bewegungen in der Frontalebene bei Frauen 34 für die geschlechtsspezifischen Unterschiede verantwortlich gemacht werden kann, bleibt an dieser Stelle spekulativ, denn diesbezüglich wurden keine Daten erfasst.
Hinsichtlich ihrer Symmetrie liegen für Rückenmuskeln nur wenige Untersuchungen vor, die jedoch bereits vorhandene Seitendifferenzen beschrieben haben, wenn auch vorrangig auf morphologischer Ebene 35. Die in der aktuellen Studie ermittelten Seitendifferenzen sind demnach am ehesten der natürlichen Asymmetrie aufgrund der Händigkeit zuzuordnen.
Zeitbezogene Unterschiede der relativen OEMG-Amplitudendifferenzen sind insbesondere für MF und LO offensichtlich: Der zunächst zu beobachtende deutliche Amplitudenabfall zu U2 reduzierte sich bzw. kehrte sich zu U3 sogar um. Das unterstreicht die Notwendigkeit, weitere Studien hinsichtlich des Effekts unterschiedlicher Tragezeiten für Lumbalbandagen durchzuführen, um hier genauere, weil begründbare Empfehlungen aussprechen zu können. Darüber hinaus gibt es keinerlei Studien, die sich der Frage widmen, inwiefern unterschiedliche körperliche Aktivitäten hierbei berücksichtigt werden müssen. In der aktuellen Studie wurden die Probanden entsprechend der Herstellervorgabe angewiesen, möglichst wenig zu sitzen, sich nicht hinzulegen und ansonsten vor allem zu gehen, dabei aber übermäßige körperliche Anstrengungen zu vermeiden.
Interessant war weiterhin zu beobachten, dass im Gegensatz zu MF und LO für den ICO generell eine mit dem Tragen der Bandagen assoziierte Erhöhung der OEMG-Amplituden zu beobachten war, die durch die stabilisierende Wirkung der Bandagen verursacht sein könnte: Obwohl der ICO als Rückenmuskel bei beidseitiger Aktivierung extendierend wirkt, hat er eine erhebliche rotatorische Wirkung bei einseitiger Aktivierung. Diese Wirkung entfaltet der ICO natürlicherweise während des Gehens im Rahmen der gegenrotatorischen Rumpfbewegungen. Die passiv stabilisierende Wirkung der Bandage erschwert offensichtlich diese Bewegung und augmentiert demnach den ICO.
Dennoch müssen die vorgestellten Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden, da sie an gesunden Probanden ermittelt wurden. Ob sich gleichsinnige Ergebnisse auch bei Rückenschmerzpatienten ermitteln lassen, bleibt Untersuchungen an einer geeigneten Patientenklientel vorbehalten. Jedoch lassen die vorhandenen Befunde an Rückenschmerzpatienten dies bereits vermuten, da eine erhöhte Kokontraktionsaktivität aller Rumpfmuskeln zur Erhöhung der segmentalen Stabilität bei Rückenschmerzpatienten bereits nachgewiesen werden konnte 36. Es bleibt somit weiteren systematischen Untersuchungen an Rückenschmerzpatienten vorbehalten, diese Aussagen auch für Schmerzpatienten zu bestätigen oder zu widerlegen.
Fazit
Die Wirkung elastischer Rumpfbandagen auf die Aktivitätscharakteristik von Rückenmuskeln beim Gehen ist nicht einheitlich und unterliegt zudem zeitlichen Veränderungen. Während nach Anlegen der Bandage für MF und LO eine Abnahme der mittleren OEMG-Amplituden registriert wird, sind diese Veränderungen nach einer Tragezeit von drei Stunden praktisch nicht mehr nachweisbar. Der ICO wies eine von der Tragezeit unabhängige Erhöhung der mittleren Amplitudenwerte mit angelegter Bandage auf. Für alle untersuchten Rückenmuskeln kann eine Zunahme der Amplitudenschwankungen über den normierten Schritt identifiziert werden. Diese Zunahme der Amplitudenschwankungen ist potenziell mit einer Verbesserung der metabolischen Versorgung der untersuchten Muskeln in Verbindung zu bringen. Eine generell verminderte muskuläre Aktivierung der Rückenmuskeln kann in der vorliegenden Studie nicht ermittelt werden. Damit kann die Gefahr einer Inaktivitätsatrophie durch elastische Rumpfbandagen weitgehend verneint werden.
Danksagung
Die Studie wurde durch Fördermittel der Bauerfeind AG unterstützt (809752 W1482) und im Bewegungslabor des Kompetenzzentrums für Interdisziplinäre Prävention an der Friedrich-Schiller-Universität Jena (gefördert durch die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) durchgeführt.
Interessenkonflikt
Der Artikel enthält originale Studienergebnisse und erfüllt die ethischen und wissenschaftlichen Anforderungen an Untersuchungen am Menschen. Die Sponsoren waren weder in die Entwicklung des Studiendesigns, die Datenaufnahme, die Datenanalyse, die Interpretation der Ergebnisse noch in die Erstellung des Manuskripts involviert. Insofern kann jegliche äußere Einflussnahme auf die Studienergebnisse und deren Interpretation verneint werden.
Für die Autoren:
apl. Prof. Dr. med. habil. Christoph Anders
Universitätsklinikum Jena
Klinik für Unfall‑, Hand und Wiederherstellungschirurgie
FB Motorik, Pathophysiologie und
Biomechanik
07740 Jena
christoph.anders@med.uni-jena.de
Begutachteter Beitrag/reviewed paper
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