Moder­ne Nar­ben­the­ra­pie nach Ver­bren­nun­gen – eine inter­dis­zi­pli­nä­re Herausforderung

F. Patzschke, F. Siemers
Brandverletzungen zählen nicht nur in der Akutversorgung zu den schwersten Traumata – auch langfristig haben die Betroffenen mit den Folgen zu kämpfen. Insbesondere die Ausbildung pathologischer Narben stellt in diesem Kontext ein Problem dar. Bereits eine adäquate (chirurgische) Initialtherapie nimmt auf den langfristigen Narbenverlauf im Sinne der Narbenprävention entscheidenden Einfluss. Im weiteren Verlauf steht vordergründig eine Vielzahl konservativer Verfahren zur Verfügung, die neben einer funktionellen und kosmetischen Verbesserung auch zu einer Verminderung der entsprechenden Symptome führen können. Eskalierend werden interventionelle und/oder chirurgische Verfahren unter adjuvantem Fortführen der konservativen Maßnahmen angewendet.

Ein­lei­tung

Die Haut kann durch unter­schied­lichs­te Trau­ma­ta ver­letzt wer­den. Wäh­rend ober­fläch­li­che Ver­let­zun­gen nar­ben­frei abhei­len, füh­ren tie­fe­re Ver­let­zun­gen zur Nar­ben­bil­dung. Je nach Loka­li­sa­ti­on, Ursa­che, Hei­lungs­ver­lauf und indi­vi­du­el­ler Anla­ge kann es jedoch zu einer krank­haft ver­än­der­ten Wund­hei­lung mit über­mä­ßi­ger oder auch unzu­rei­chen­der Bil­dung von Nar­ben­ge­we­be kom­men. Ins­be­son­de­re ther­mi­sche Ver­let­zun­gen stel­len eine häu­fi­ge Ver­let­zungs­ur­sa­che dar. Sie zäh­len zu den schwers­ten und im Hin­blick auf die Fol­gen zu den nach­hal­tigs­ten Trau­ma­ta. Auf­grund von Ver­bren­nun­gen, Ver­brü­hun­gen oder Ver­ät­zun­gen durch Kon­takt mit che­mi­schen Stof­fen kön­nen über­schie­ßen­de Nar­ben ent­ste­hen, die häu­fig mit funk­tio­nel­len und kos­me­ti­schen Ein­schrän­kun­gen ein­her­ge­hen und die Lebens­qua­li­tät der Pati­en­ten dau­er­haft beein­träch­ti­gen. Die Nar­ben­the­ra­pie ist des­halb von Inno­va­tio­nen geprägt und nimmt einen hohen Stel­len­wert in der plas­tisch-rekon­struk­ti­ven und der Ver­bren­nungs­chir­ur­gie ein. Die Zie­le der Nar­ben­be­hand­lung bestehen dar­in, Grö­ße, Aus­deh­nung, Volu­men- oder Sub­stanz­de­fek­te zu redu­zie­ren und Beschwer­den wie Juck­reiz, Schmer­zen und Span­nungs­ge­füh­le zu ver­rin­gern. Über­ge­ord­ne­tes Ziel aller Maß­nah­men ist jedoch die Ver­bes­se­rung der Nar­ben­qua­li­tät. Dies stellt trotz einer Zunah­me der viel­fäl­ti­gen und inno­va­ti­ven Behand­lungs­op­tio­nen häu­fig eine inter­dis­zi­pli­nä­re the­ra­peu­ti­sche Her­aus­for­de­rung dar.

Auf­bau und Funk­tio­nen der Haut

Die Haut wird mit einer Flä­chen­aus­deh­nung zwi­schen 1,5 und 1,8 Qua­drat­me­tern, einer Haut­di­cke von 0,03 bis zu meh­re­ren Mil­li­me­tern sowie einem Eigen­ge­wicht von 3,5 bis 10 kg oft­mals auch als das „größ­te mensch­li­che Organ“ bezeich­net. Es wird gene­rell ein drei­schich­ti­ger Auf­bau mit Ober­haut (Epi­der­mis), Leder­haut (Der­mis) und Unter­haut (Sub­cu­tis) unter­schie­den. In den jewei­li­gen Haut­schich­ten sind Haut­an­hangs­ge­bil­de (Haa­re, Nägel, Schweiß‑, Talg- und Duft­drü­sen), Blut­ge­fä­ße, Ner­ven­endi­gun­gen sowie Ther­mo- und Berüh­rungs­re­zep­to­ren eingelagert.

Die Haut hat man­nig­fal­ti­ge Funk­tio­nen: Neben der Her­stel­lung der kör­per­li­chen Inte­gri­tät und des sen­so­ri­schen Kon­takts zur Umwelt schützt sie vor schäd­li­chen Umwelt­ein­flüs­sen wie bei­spiels­wei­se mecha­ni­scher Bean­spru­chung, che­mi­scher und ther­mi­scher Schä­di­gung oder UV-Strah­lung. Zudem übt sie eine Bar­rie­re­funk­ti­on gegen­über Krank­heits­er­re­gern aus. Schließ­lich nimmt sie wesent­li­che Auf­ga­ben der Spei­che­rung von Ener­gie­re­ser­ven und der Ther­mo­re­gu­la­ti­on, der Regu­la­ti­on des Flüs­sig­keits- und Elek­tro­lyt­haus­halts sowie der UV-abhän­gi­gen Vit­amin-D-Syn­the­se wahr 1.

Defi­ni­ti­on und Patho­phy­sio­lo­gie von Verbrennungen

Unter den Begrif­fen „Ver­bren­nung“ bzw. „Ver­brü­hung“ ver­steht man eine ther­mi­sche Ver­let­zung, die zu einer Gewebeschädigung führt. Auch die Ein­wir­kung che­mi­scher Sub­stan­zen wie Säu­ren oder Lau­gen kann zu ver­gleich­ba­ren Gewebs­re­ak­tio­nen und ‑schädigungen füh­ren, sodass deren Behand­lung eben­falls Teil der Ver­bren­nungs­me­di­zin ist. Abhän­gig von der Höhe der Tem­pe­ra­tur und der Dau­er der Expo­si­ti­on kommt es zu einer Schä­di­gung von Haut und Haut­an­hangs­ge­bil­den bis hin zu tie­fer gele­ge­nen Struk­tu­ren. Sind grö­ße­re Area­le des mensch­li­chen Kör­pers betrof­fen, han­delt es sich nicht mehr nur um eine pri­mär loka­le Schä­di­gung des Orga­nis­mus – im Rah­men der soge­nann­ten Ver­bren­nungs­krank­heit kann es zu Kreis­lauf­re­ak­tio­nen bis hin zum Schock, zu sys­te­mi­schen Entzündungsreaktionen bis hin zur Sep­sis sowie zum Ver­sa­gen gan­zer Organ­sys­te­me kom­men. Die Überlebenswahrscheinlichkeit, die funk­tio­nel­len und ästhetischen Ergeb­nis­se und schluss­end­lich die zu errei­chen­de Lebensqualität nach einer Ver­bren­nungs­ver­let­zung wer­den neben dem Aus­maß der Ver­bren­nung wesent­lich durch die Akut- und Lang­zeit­ver­sor­gung ein­schließ­lich der Reha­bi­li­ta­ti­ons­maß­nah­men geprägt 2.

Epi­de­mio­lo­gie von Verbrennungen

Män­ner sind mit einem pro­zen­tua­len Anteil von 71 % deut­lich häu­fi­ger von Ver­bren­nun­gen betrof­fen als Frau­en mit 29 %. Der Alters­gip­fel der Ver­bren­nun­gen liegt mit 63 % bei den 21- bis 60-Jäh­ri­gen. Die Haupt­ur­sa­chen von Ver­bren­nun­gen sind in 52 % der Fäl­le eine direk­te Flam­men­ein­wir­kung, gefolgt von Ver­brü­hun­gen mit 23 %. Explo­si­ons­ver­let­zun­gen und Fett­ver­bren­nun­gen machen jeweils 6 % aus. Die übri­gen 13 % sind die Sum­me sons­ti­ger ther­mi­scher Schä­di­gun­gen wie bei­spiels­wei­se Strom­durch­fluss- oder Licht­bo­gen­ver­let­zun­gen sowie der Kon­takt mit schä­di­gen­den Sub­stan­zen. In 71 % der Fälle erlei­den die Pati­en­ten Ver­bren­nun­gen im häus­li­chen Umfeld, in 19 % infol­ge eines Arbeits­un­falls und in nur 2 % im Rah­men eines Ver­kehrs­un­falls. Ver­bren­nun­gen in sui­zi­da­ler Absicht machen einen Anteil von 4 % aller Fälle aus. Einen kri­mi­nel­len Hin­ter­grund hat 1 % aller Ver­bren­nun­gen. In 3 % der Fäl­le ist kei­ne Zuord­nung zu einer der genann­ten Ursa­chen mög­lich. Im Jahr 2019 wur­den 1088 Erwach­se­ne in einem Brand­ver­letz­ten­zen­trum behan­delt. Die Mor­ta­li­tät betrug ins­ge­samt 10,1 % 3.

Aus­maß und Pro­gno­se von Verbrennungen

Die Tie­fe der ther­mi­schen Läsi­on wird in 3 Gra­de unter­teilt, die sich an den ana­to­mi­schen Haut­schich­ten ori­en­tie­ren. Auf die­se Wei­se lässt sich die zu erwar­ten­de Rege­ne­ra­ti­ons­fä­hig­keit der Wun­de und die Not­wen­dig­keit chir­ur­gi­scher The­ra­pie­maß­nah­men abschät­zen. Fol­gen­de Ver­bren­nungs­gra­de wer­den unter­schie­den (Abb. 1):

  • Grad 1, Epi­der­mis betrof­fen: Rötung, star­ker Schmerz, wie Sonnenbrand
  • Grad 2a, ober­fläch­li­che Der­mis betrof­fen: Bla­sen­bil­dung, Wund­grund rosig und reka­pil­la­ri­sie­rend, star­ker Schmerz, Haa­re fest verankert
  • Grad 2b, tie­fe Der­mis (mit Haut­an­hangs­ge­bil­den) betrof­fen: Bla­sen­bil­dung, Wund­grund blas­ser und nicht oder nur schwach reka­pil­la­ri­sie­rend, redu­zier­ter Schmerz, Haa­re leicht zu entfernen
  • Grad 3, kom­plet­te Der­mis betrof­fen: tro­cke­ner, wei­ßer, leder­ar­tig har­ter Wund­grund, kei­ne Schmer­zen, kei­ne Haa­re mehr vor­han­den 4

Neben der opti­schen Beur­tei­lung der Ver­bren­nungs­tie­fe ste­hen auch appa­ra­ti­ve Mög­lich­kei­ten der Dia­gnos­tik wie bspw. die Laser-Dopp­ler-Ima­ging-Tech­nik (LDI) 5 oder die Anwen­dung einer Hyperspectral-Imaging-(HSI-)Kamera 6 zur Ver­fü­gung. Zur ori­en­tie­ren­den Beur­tei­lung der pro­zen­tu­al betrof­fe­nen Kör­per­ober­flä­che (VKOF) kann bei Erwach­se­nen bei­spiels­wei­se die Neu­ner-Regel nach Wal­lace ange­wen­det wer­den. Bei weni­ger umfang­rei­chen Flä­chen (unter 10 % der Kör­per­ober­flä­che) oder dis­se­mi­niert ver­teil­ten Ver­bren­nun­gen wird die betrof­fe­ne Flä­che mit der Hand­flä­chen­re­gel abge­schätzt. Dabei beträgt die Hand­flä­che des Pati­en­ten ein­schließ­lich der Fin­ger ca. 0,8 % sei­ner Kör­per­ober­flä­che 7. Tech­ni­sche Pro­gram­me wie bei­spiels­wei­se „Burn­Ca­se 3D“ ermög­li­chen eine genaue­re Bestim­mung der betrof­fe­nen Kör­per­ober­flä­che 8. Zur Abschät­zung des Mor­ta­li­täts­ri­si­kos bei Schwer­brand­ver­letz­ten ste­hen ver­schie­de­ne Scores zur Ver­fü­gung. Vor­der­grün­dig wird hier­zu der ABSI-Score (Abbre­via­ted Burn Seve­ri­ty Index) ver­wen­det. Die­ser bezieht Alter, VKOF sowie wei­te­re Para­me­ter in ein Punk­te­sys­tem von 1 bis 18 ein und kate­go­ri­siert somit das Leta­li­täts­ri­si­ko mit stei­gen­dem Punkt­wert 9. Eine Alter­na­ti­ve hier­zu stellt der Baux-Score dar. Die­ser berück­sich­tigt den Zusam­men­hang zwi­schen Mor­ta­li­tät und Fak­to­ren wie fort­schrei­ten­dem Alter, Ver­bren­nungs­grö­ße und Vor­han­den­sein von Inha­la­ti­ons­ver­let­zun­gen und kor­re­liert zudem in hohem Maße mit der Dau­er des Kran­ken­haus­auf­ent­hal­tes 10.

The­ra­pie von Verbrennungen

Die Behand­lung ther­mi­scher Läsio­nen erfolgt bei Erwach­se­nen in Abhängigkeit von der Tie­fe, der Loka­li­sa­ti­on, dem Gesamt­aus­maß der Ver­bren­nung sowie dem All­ge­mein­zu­stand des Pati­en­ten, bei Zen­trums­in­di­ka­ti­on bes­ten­falls in einem der 19 Zen­tren für Schwer­brand­ver­letz­te. Grund­sätz­lich zu beach­ten ist die dyna­mi­sche Ent­wick­lung der Brand­wun­de, deren maxi­ma­les Aus­maß infol­ge einer Ver­schlech­te­rung der peri­phe­ren Per­fu­si­on frü­hes­tens nach 24 bis 48 Stun­den beur­teilt wer­den kann. Die­ser Umstand lässt sich mit Hil­fe des Modells nach Jack­son und der Auf­tei­lung der Ver­bren­nungs­wun­de in 3 Zonen beschrei­ben (Abb. 2). Die Form ent­spricht einem scha­len­för­mi­gen Aufbau:

  • Im Zen­trum befin­det sich die Nekro­se­zo­ne, die durch eine irrever­si­ble Schä­di­gung gekenn­zeich­net ist.
  • In der Sta­se­zo­ne befin­den sich geschä­dig­te vita­le und avi­ta­le Zel­len neben­ein­an­der. Sie stellt den vul­ner­ablen Bereich dar, der beim soge­nann­ten Nach­bren­nen teil­wei­se oder voll­stän­dig in eine Koagu­la­ti­ons­ne­kro­se übergehen kann.
  • Den äußersten Bereich der Ver­bren­nungs­wun­de stellt die Hyperämiezone dar. Dort fin­det durch Vaso­dila­ta­ti­on eine ver­mehr­te Durch­blu­tung statt. Die­se Rötung ist im Gegen­satz zur Rötung der Sta­se­zo­ne wegdrückbar 10.

Gemein­hin soll­te die OP-Indi­ka­ti­on eher früh gestellt wer­den – Ver­bren­nungs­wun­den, die län­ger zur Wund­hei­lung benö­ti­gen, ver­ur­sa­chen Nar­ben und Kon­trak­tu­ren. Außer­dem steigt bei zu lan­gem Auf­schub die Gefahr einer Infek­ti­on der Ver­bren­nungs­wun­de mit mög­li­cher Sep­sis. Eine Aus­nah­me stel­len ther­mi­sche Ver­let­zun­gen bei Kin­dern dar: Da bei Kin­dern das Rege­ne­ra­ti­ons­po­ten­zi­al der Haut höher als bei Erwach­se­nen ist, soll­te eine OP-Indi­ka­ti­on deut­lich stren­ger gestellt und damit län­ger gewar­tet wer­den. Bis auf erst­gra­di­ge Ver­bren­nun­gen, die mit­tels pfle­gen­der Sal­ben the­ra­piert wer­den, steht bei den ande­ren Gra­den die chir­ur­gi­sche The­ra­pie im Vor­der­grund. Allen­falls noch bei ober­fläch­lich der­ma­len Ver­bren­nun­gen (2a-gra­dig) kann nach Abtra­gung der Brand­bla­sen im Sin­ne einer Der­ma­bra­sio sowie mit­tels Auf­brin­gung küh­len­der anti­sep­ti­scher Ver­bän­de und Abwar­ten eines mög­li­chen Nach­tie­fens ein kon­ser­va­ti­ves The­ra­pie­kon­zept mit Hydro­col­lo­id­ver­bän­den erwo­gen wer­den. Eine Alter­na­ti­ve stel­len ins­be­son­de­re im Gesicht tem­po­rä­re hydro­ak­ti­ve Wund­auf­la­gen aus Cel­lu­lo­se und iso­to­ni­scher Koch­salz­lö­sung dar.

Bei tie­fer­gra­di­gen Läsio­nen ist die ope­ra­ti­ve Abtra­gung des avi­ta­len Gewe­bes indi­ziert. Dies erfolgt bei tief­der­ma­len Ver­let­zun­gen (Grad 2b) tan­gen­ti­al bzw. bei grö­ße­rer Tie­fen­aus­deh­nung (Grad 3) epi­fas­zi­al unter Mit­nah­me der Sub­cu­tis bis hin zur Fas­zie 2.

Bei Pati­en­ten über 18 Jah­ren mit 2b- bis dritt­gra­di­gen Ver­bren­nun­gen kön­nen Flä­chen von unter 15 % VKOF auch durch ein enzy­ma­ti­sches Debri­de­ment mit­tels „Nexo­Brid®“ (Kon­zen­trat pro­te­oly­ti­scher Enzy­me, ange­rei­chert aus Bro­me­lain) the­ra­piert wer­den. Dadurch wird ein glei­cher­ma­ßen selek­ti­ves wie scho­nen­des Debri­de­ment im Ver­gleich zum her­kömm­li­chen chir­ur­gi­schen Debri­de­ment ermög­licht 11. Zur nach­fol­gen­den Defekt­de­ckung kom­men über­wie­gend auto­lo­ge Haut­trans­plan­ta­te zum Ein­satz. Die­se wer­den als soge­nann­te Spalt­haut („gemesht“ oder „unge­mesht“ – je nach der Kör­per­re­gi­on) oder als soge­nann­te MEEK-Trans­plan­ta­te (schach­brett­ar­tig) in unter­schied­li­chem Expan­si­ons­grad auf den Defekt gebracht. Bei groß­flä­chi­gen Ver­bren­nun­gen (ab 40 % der Kör­per­ober­flä­che) kön­nen zusätz­lich auto­lo­ge Kera­ti­no­zy­ten­prä­pa­ra­te (Sheet oder in Sus­pen­si­on) allein oder per Sand­wich­tech­nik genutzt wer­den 12. Als Alter­na­ti­ve zum auto­lo­gen Haut­er­satz hat sich bei ober­fläch­li­chen Ver­bren­nun­gen (2a- bis 2b-gra­dig) in den letz­ten Jah­ren ein nach tan­gen­tia­lem Debri­de­ment tem­po­rär auf­ge­brach­ter allo­plas­ti­scher resor­bier­ba­rer Haut­er­satz („Supra­thel®“) eta­bliert, der eine nar­ben­freie Abhei­lung gewähr­leis­tet 13.

Nach epi­fas­zia­lem Debri­de­ment kann der Ein­satz von Der­mis-Ersatz­ma­te­ri­al (bspw. „Matri­derm“, „Inte­gra“ oder „BTM“) in Kom­bi­na­ti­on mit Spalt­haut oder Kera­ti­no­zy­ten erwo­gen wer­den. Ziel des­sen ist es, die ver­lus­ti­ge Der­mis zu erset­zen und dadurch eine bes­se­re Nar­ben­bil­dung und Sta­bi­li­tät der geheil­ten Haut zu errei­chen. Ver­ein­zelt kom­men Der­mis-Ersatz­ma­te­ria­li­en auch bei groß­flä­chi­gen Wun­den zum Ein­satz, um die Zeit bis zum end­gül­ti­gen Wund­ver­schluss zu über­brü­cken und gleich­zei­tig eine der­ma­le Struk­tur vor­zu­le­gen 2. Bei groß­flä­chi­gen Ver­bren­nun­gen ist nach Debri­de­ment eine initia­le auto­lo­ge Spalt­haut­trans­plan­ta­ti­on oft­mals nicht mög­lich. Zur Reduk­ti­on des Was­ser- und Pro­te­in­ver­lusts soll­te daher die Anwen­dung eines tem­po­rä­ren Haut­er­sat­zes erwo­gen wer­den. Dazu ste­hen allo­ge­ne und xeno­ge­ne Haut sowie syn­the­ti­sche Mate­ria­li­en wie Poly­ure­than­schwäm­me zur Ver­fü­gung. An funk­tio­nell bedeut­sa­men Regio­nen (bspw. der Axil­la), zum Schutz beson­ders sen­si­bler und funk­tio­nal wich­ti­ger Struk­tu­ren (bspw. Streck­seh­nen­ap­pa­rat an der Hand) oder bei unzu­rei­chen­den Weich­teil­ver­hält­nis­sen (bspw. Knö­chel oder Unter­schen­kel) bestehen Mög­lich­kei­ten zum gestiel­ten oder frei­en mikro­chir­ur­gi­schen Gewe­be­trans­fer, um eine siche­re und belast­ba­re Defekt­de­ckung zu errei­chen 12.

Die Nar­be – Defi­ni­ti­on und Reifungsvorgang

Unter einer Nar­be ver­steht man ein faser­rei­ches Ersatz­ge­we­be nach tie­fe­rer Ver­let­zung der Haut, das im Rah­men der Wund­hei­lung von akti­ven Bin­de­ge­webs­zel­len (Fibro­blas­ten) gebil­det wird. Die Nar­ben­rei­fung, unter der man Vor­gän­ge der Repa­ra­ti­on und Rege­ne­ra­ti­on sub­su­miert, dau­ert bis zu zwei Jah­re. Dabei ver­net­zen sich die von den Fibro­blas­ten gebil­de­ten Kol­la­gen­fa­sern; die im Rah­men der Wund­hei­lung gebil­de­ten Kapil­la­ren bil­den sich zurück. Das Gewe­be wir somit ins­ge­samt fes­ter und gefäß­är­mer und ist schluss­end­lich in punc­to Elas­ti­zi­tät und Belast­bar­keit als min­der­wer­tig im Ver­gleich zur nor­ma­len Haut zu bewer­ten. Wäh­rend unrei­fe Nar­ben gerö­tet sowie gering­gra­dig erha­ben sind und oft­mals mit leich­tem Juck­reiz und Schmer­zen ein­her­ge­hen, stel­len sich rei­fe Nar­ben flach, blass, weich und schmerz­los dar 14.

Son­der­for­men der Narbe

Hyper­tro­phe Nar­ben sind typisch für Ver­bren­nungs­wun­den. Sie haben eine Prä­va­lenz von bis zu 90 %  15 und wei­sen eine unre­gel­mä­ßi­ge, häu­fig gerö­te­te, ver­här­te­te Wulst­bil­dung mit Beschrän­kung auf die ursäch­li­che Ver­let­zung auf. Häu­fig sind sie mit Schmer­zen und Juck­reiz ver­bun­den. Hyper­tro­phe Nar­ben haben eine Ten­denz zur spon­ta­nen Rück­bil­dung. Kel­oide respek­tie­ren im Gegen­satz zu hyper­tro­phen Nar­ben grund­sätz­lich nicht die Wund­rän­der und über­schrei­ten die­se typi­scher­wei­se. Sie wach­sen häu­fig lip­pen­för­mig und erschei­nen derb, wuls­tig und stark gerö­tet. Auch sie ver­ur­sa­chen Juck­reiz und Schmer­zen. Nar­ben­kel­oide wach­sen pro­gres­siv, wei­sen eine hohe Rezi­div­ra­te auf und kön­nen teils enor­me Aus­ma­ße errei­chen (Abb. 3). Atro­phe Nar­ben ent­ste­hen infol­ge intra­ku­ta­ner Ent­zün­dungs­pro­zes­se, bei­spiels­wei­se infol­ge von Akne. Sie tre­ten vor allem im Gesicht und am Rücken auf 16.

Nach Ver­bren­nun­gen kön­nen sich in Gelenk­re­gio­nen auf­grund des Nar­ben­zugs auch Nar­ben­kon­trak­tu­ren aus­bil­den. Die Inzi­denz beträgt 2 bis 5 %. Die zugrun­de lie­gen­den patho­phy­sio­lo­gi­schen Ursa­chen für die Ent­ste­hung von hyper­tro­phen Nar­ben bzw. Kel­oiden sind eine ver­län­ger­te Ent­zün­dungs­pha­se wäh­rend der Wund­hei­lung, eine ver­zö­ger­te Epi­the­lia­li­sie­rung der Wun­den und eine ein­ge­schränk­te Gewe­be­neu­bil­dung nach aku­ter Ver­bren­nung mit Per­sis­tenz von Myo­fi­bro­blas­ten. Im Gegen­satz zu einer nor­ma­len Nar­ben­bil­dung per­sis­tie­ren die­se Myo­fi­bro­blas­ten nach Abschluss der Wund­hei­lung, pro­du­zie­ren kon­ti­nu­ier­lich extra­zel­lu­lä­re Matrix und zei­gen eine gestei­ger­te Kon­trak­ti­li­tät, die letzt­end­lich zu Nar­ben­kon­trak­tu­ren führt. Risi­ko­fak­to­ren, wel­che die Ent­ste­hung patho­lo­gi­scher Nar­ben begüns­ti­gen, sind u. a. ein jun­ges Alter sowie eine Ver­bren­nungs­lo­ka­li­sa­ti­on in ver­gleichs­wei­sen mobi­len Area­len wie bei­spiels­wei­se am Hals oder an der obe­ren Extre­mi­tät. Auch Kör­per­re­gio­nen mit erhöh­ter Haut­span­nung wie bei­spiels­wei­se die vor­de­re Brust­re­gi­on oder die Schul­ter­par­tie sind prä­dis­po­nie­rend. Über­dies haben die Ver­bren­nungs­tie­fe sowie das Aus­maß der ver­brann­ten Kör­per­ober­flä­che einen direkt pro­por­tio­na­len Ein­fluss auf die Ent­ste­hungs­wahr­schein­lich­keit patho­lo­gi­scher Nar­ben. Wei­te­re Risi­ko­fak­to­ren sind statt­ge­hab­te mul­ti­ple chir­ur­gi­sche Ein­grif­fe, die Behand­lung mit gemesh­ten Spalt­haut­trans­plan­ta­ten, eine ver­zö­ger­te Wund­hei­lung sowie lang­an­hal­ten­de ent­zünd­li­che Erkran­kun­gen der Haut bzw. eine gene­rel­le bak­te­ri­el­le Besied­lung der Haut. Dun­kel­häu­ti­ge Men­schen haben ein 2- bis 19-fach erhöh­tes Risi­ko für die Ent­ste­hung von Kel­oiden. Insta­bi­le Nar­ben­ver­hält­nis­se mit chro­ni­schen Wund­hei­lungs­stö­run­gen und rezi­di­vie­ren­den Infek­tio­nen kön­nen lang­fris­tig (Zeit­raum zwi­schen 10 und 25 Jah­ren oder län­ger) in der Ent­wick­lung von Nar­ben­kar­zi­no­men (z. B. Mar­jo­lin-Ulkus) gip­feln. Deren Inzi­denz beträgt 0,77 bis 2 %  2.

Reha­bi­li­ta­ti­on und Narbentherapie

Im Anschluss an die Akut­be­hand­lung erfolgt bei schwe­re­ren Ver­bren­nun­gen oft­mals eine sta­tio­nä­re Reha­bi­li­ta­ti­on. Neben mul­ti­mo­da­len Maß­nah­men der Wie­der­her­stel­lung der Selbst­stän­dig­keit im und der Teil­ha­be am täg­li­chen Leben steht dabei die För­de­rung der Nar­ben­sta­bi­li­tät und ‑matu­ri­tät sowie die Abhei­lung evtl. ver­blie­be­ner Epi­thel­de­fek­te im Vor­der­grund. Im Fol­gen­den wer­den zunächst kon­ser­va­ti­ve Maß­nah­men, sodann inter­ven­tio­nel­le und chir­ur­gi­sche Maß­nah­men genau­er geschildert.

Kon­ser­va­ti­ve Maßnahmen

Die kon­ser­va­ti­ve Nar­ben­the­ra­pie im Rah­men der Ver­bren­nungs­nach­sor­ge fußt trotz aller Behand­lungs­er­fol­ge nur auf einer schwa­chen Evi­denz. Nach Rei­ni­gung mit Was­ser und einer mil­den, pH-neu­tra­len Sei­fe erfolgt die Pfle­ge der betrof­fe­nen Area­le anfangs mit fet­ten­den und im wei­te­ren Ver­lauf mit feuch­tig­keits­spen­den­den Exter­na. Nar­ben sol­len kon­se­quent – beson­ders in den ers­ten 24 Mona­ten – vor UV-Strah­lungs­ein­wir­kung geschützt wer­den. Maß­nah­men im Einzelnen:

  • Kom­pres­si­on: Die Kom­pres­si­ons­be­hand­lung mit flach­ge­strick­ten, flach­ge­wirk­ten oder flach­ge­web­ten Lang- oder Kurz­zug­ma­te­ria­li­en nach Maß beginnt bei sta­bil ein­ge­heil­ten Trans­plan­ta­ten. Die Kom­pres­si­ons­the­ra­pie ist ins­be­son­de­re bei mode­ra­ten bis schwe­ren Nar­ben von Bedeu­tung. Es soll­te min­des­tens ein Druck von 20 bis 30 mmHg auf der Haut erzeugt wer­den. Regel­mä­ßig soll der The­ra­pie­ef­fekt kon­trol­liert wer­den. Eine Wech­sel­ver­sor­gung ist aus hygie­ni­schen Gründen unum­gäng­lich. Eine Neu­an­pas­sung soll bei­spiels­wei­se bei Nach­las­sen des Kom­pres­si­ons­dru­ckes, jedoch spä­tes­tens nach 6 Mona­ten erfol­gen. Eine erfolg­rei­che Nar­ben­prä­ven­ti­on bzw. eine The­ra­pie hyper­tro­pher Nar­ben erfor­dert min­des­tens das Tra­gen der Kom­pres­si­on in Zeit­räu­men von 6 bis 24 Mona­ten und für min­des­tens 23 Stun­den pro Tag. Die Kom­pres­si­ons­the­ra­pie ist mit dem Errei­chen der Nar­ben­rei­fe zu been­den. Zie­le der the­ra­peu­ti­schen Anwen­dung der Kom­pres­si­ons­be­klei­dung sind die Erhö­hung der Gewe­be­elas­ti­zi­tät, die Reduk­ti­on der Nar­ben­ri­gi­di­tät und eine Ver­min­de­rung von Juck­reiz und Schmer­zen. Zudem soll die Ent­wick­lung oder Pro­gres­si­on der hyper­tro­phen Nar­be ver­mie­den und ein schnel­ler und effi­zi­en­ter Rück­gang der Nar­be auf das phy­sio­lo­gi­sche Haut­ni­veau erreicht wer­den (Abb. 4).
  • Sili­kon: Sili­kon kann als Zusatz zur Kom­pres­si­ons­be­klei­dung zur Behand­lung von hyper­tro­phen Nar­ben oder Kel­oiden erwo­gen und soll­te nur bei intak­ter Haut bzw. geschlos­se­ner Nar­ben­ober­flä­che ange­wen­det wer­den. Zur Ver­fü­gung ste­hen dazu ver­schie­de­ne For­men wie bei­spiels­wei­se Sili­kon­fo­li­en, Sili­kon­ge­le oder Sili­kon­pe­lot­ten. Zudem sind Son­der­kon­struk­tio­nen wie z. B. Sili­kon­mas­ken, Sili­kon­hals­krä­gen, Sili­kon­hand­schu­he oder Sili­kon­fin­ger­lin­ge ein­setz­bar. Die­se sind je nach Nar­ben­be­reich und Nar­ben­kon­sti­tu­ti­on bis zu 12 Mona­te über bes­ten­falls 12 bis 24 Stun­den am Tag zu tra­gen bzw. im Fal­le des Gels zwei­mal täg­lich auf­zu­brin­gen. An ana­to­misch kom­ple­xen Area­len wie bei­spiels­wei­se Gelen­ken, kon­ka­ven Berei­chen und funk­tio­nell sowie ästhe­tisch bedeut­sa­men Körperregionen kann der Ein­satz von Sili­kon den Kom­pres­si­ons­ef­fekt ver­stär­ken 2. Anhand kli­ni­scher Stu­di­en konn­te zudem ein deut­li­cher Effekt von feuch­tig­keits­spen­den­den, sili­kon­hal­ti­gen Sal­ben oder Cremes sowie von benet­zen­den, feuch­tig­keits­hal­ten­den Wund­auf­la­gen aus Sili­kon­fo­lie (Sheets) und flüs­si­gen Sili­kon­ge­len nach­ge­wie­sen wer­den 17. Es konn­te über­dies auf­ge­zeigt wer­den, dass Sili­kon einem ver­mehr­ten Was­ser­ver­lust aus dem Nar­ben­ge­we­be und somit einer über­schie­ßen­den Nar­ben­bil­dung durch die Wie­der­her­stel­lung der Was­ser­bar­rie­re im Sin­ne einer Okklu­si­on ent­ge­gen­wirkt 18.
  • Phy­si­ka­li­sche Nar­ben­be­hand­lung: Bei der phy­si­ka­li­schen Behand­lung von Nar­ben soll­ten Nar­ben­mas­sa­ge, Phy­sio­the­ra­pie, Ergo­the­ra­pie, Schie­nen­the­ra­pie, Hydro­the­ra­pie und Kom­ple­xe Phy­si­ka­li­sche Ent­stau­ungs­the­ra­pie ange­wen­det wer­den. Die­se Behand­lun­gen soll­ten stets mit einer Kom­pres­si­ons­be­hand­lung und der Anwen­dung von Sili­kon kom­bi­niert wer­den. Im Ein­zel­nen zäh­len dazu fol­gen­de Maßnahmen:
  1. Nar­ben­mas­sa­ge: Nar­ben­mas­sa­gen lockern und ent­stau­en die Nar­be eben­so wie das umge­ben­de Weich­teil­ge­we­be. Über­dies lin­dern sie den Juck­reiz und Schmer­zen, stei­gern die Haut­elas­ti­zi­tät und bewir­ken eine Ver­bes­se­rung des Bewe­gungs­aus­ma­ßes. Es wird sogar eine angst­re­du­zie­ren­de, den psy­chi­schen Zustand ver­bes­sern­de Wir­kung beschrie­ben. Die Anwen­dung kann manu­ell, unter Ver­wen­dung von Hilfs­mit­teln oder mit maschi­nel­ler Unter­stüt­zung erfol­gen. Dar­über hin­aus kön­nen zur Mas­sa­ge ver­wen­de­te Cremes oder Gele den Feuch­tig­keits­ge­halt der Nar­be erhö­hen. Dabei soll­te die Mas­sa­ge an den Rei­fe­grad der Nar­be ange­passt wer­den. Sie soll­te in der Primärrehabilitation arbeits­täg­lich und ambu­lant bzw. im Heil­ver­fah­ren 3- bis 4‑mal wöchent­lich erfolgen.
  2. Physiotherapie/Ergotherapie: Sowohl Phy­sio- als auch Ergo­the­ra­pie sind ein wich­ti­ger und uni­ver­sel­ler Bestand­teil in vie­len Berei­chen der Reha­bi­li­ta­ti­on von Brand­ver­letz­ten. Sie die­nen dazu, Mus­kel­kraft und Aus­dau­er zu stei­gern, Nar­ben­kon­trak­tu­ren zu ver­hin­dern, das kos­me­ti­sche Ergeb­nis zu ver­bes­sern und Betrof­fe­ne ins­ge­samt in ihrer per­sön­li­chen Umwelt zu stär­ken. Übungs­be­hand­lun­gen nach einer Brand­ver­let­zung kön­nen ver­schie­de­ne For­men anneh­men und umfas­sen daher unter ande­rem ein all­ge­mei­nes Aus­dau­er- und Kraft­trai­ning mit spe­zi­el­len Bewe­gungs- und Deh­nungs­übun­gen, die gezielt eine Nar­ben­bil­dung und die Aus­bil­dung von Gelenk­kon­trak­tu­ren ver­hin­dern sol­len. Es wird zunächst mit pas­si­ven und in der Fol­ge akti­ven Bewe­gungs­übun­gen wäh­rend der ers­ten aku­ten Pha­se begon­nen. Die Inten­si­tät wird im wei­te­ren Ver­lauf suk­zes­si­ve erhöht.
  3. Schienentherapie/Taping: Eine tem­po­rär begrenz­te Schie­nen­the­ra­pie (z. B. Nacht­la­ge­rungs­schie­ne) kann in einem frü­hen Sta­di­um der Nar­ben­rei­fung – ins­be­son­de­re in Kör­per­be­rei­chen, die zu Nar­ben­kon­trak­tu­ren nei­gen, bei­spiels­wei­se in Gelenk­re­gio­nen – ange­wen­det wer­den. Tags­über soll­te die Schie­nung jedoch zur kon­ti­nu­ier­li­chen Beübungs­mög­lich­keit der betrof­fe­nen Extre­mi­tät unter­bro­chen wer­den. Mikro­po­rö­se hypo­all­er­ge­ne Papier­band­strei­fen mit einem geeig­ne­ten Kleb­stoff wer­den zum Taping ver­wen­det. Die Anwen­dung die­ser Tapes kann inner­halb der ers­ten 3 Mona­te auf fri­schen chir­ur­gi­schen Nar­ben – ins­be­son­de­re an den Nar­ben­kan­ten – zur Reduk­ti­on der mecha­ni­schen Span­nung und somit zur Prä­ven­ti­on hyper­tro­pher Nar­ben erwo­gen wer­den. Tapes mit elas­ti­schen Bestand­tei­len bie­ten sich bei Nar­ben in Berei­chen mit viel Bewe­gung oder auf kom­ple­xen Flä­chen (z. B. Gelen­ken) an 2.

Inter­ven­tio­nel­le und chir­ur­gi­sche Verfahren

Nach dem Aus­schöp­fen kon­ser­va­ti­ver Maß­nah­men und nach Abschluss der Nar­ben­rei­fung sowie bei begrün­de­tem Pati­en­ten­wunsch kön­nen inter­ven­tio­nel­le und chir­ur­gi­sche Ein­grif­fe zur ästhe­ti­schen und funk­tio­nel­len Ver­bes­se­rung erwo­gen wer­den. Adju­vant soll­te stets eine Kom­pres­si­ons­the­ra­pie mit Sili­kon­an­wen­dung zur Rezi­div­ver­mei­dung erfol­gen. Die Ver­fah­ren im Einzelnen:

  • Cor­ti­son­un­ter­sprit­zung: Durch Cor­ti­son­un­ter­sprit­zung der Nar­be (bspw. mit Hil­fe eines Der­mo­jets) wird die Nar­ben­qua­li­tät nach­hal­tig ver­bes­sert; die Kol­la­gen­syn­the­se von Fibro­blas­ten wird stark gehemmt. Zudem schei­nen Ste­ro­ide die Kol­la­ge­no­ly­se direkt posi­tiv zu beein­flus­sen. Die Anwen­dung wird anfangs nach zwei Wochen, dann alle drei Wochen wie­der­holt. Sobald die Nar­be fla­cher gewor­den ist, wird eine län­ge­re Pau­se ein­ge­legt. Dies soll eine Absen­kung unter das nor­ma­le Haut­ni­veau ver­hin­dern 19.
  • CO2-Laser: Ein rela­tiv scho­nen­des und den­noch nach­hal­ti­ges Ver­fah­ren der Nar­ben­the­ra­pie stellt die Anwen­dung spe­zi­el­ler frak­tio­nier­ter CO2-Laser dar, die punk­tu­ell zum einen über­schie­ßen­des Nar­ben­ge­we­be abtra­gen und zum ande­ren durch Mikro­ver­let­zun­gen in der Tie­fe zu einem Umbau des Nar­ben­ge­we­bes füh­ren. Damit kön­nen laut ver­schie­de­nen Stu­di­en auch bei älte­ren Ver­bren­nungs­nar­ben Ver­bes­se­run­gen erzielt wer­den. Die Nar­ben wer­den dadurch wei­cher und glat­ter; zudem lässt die Span­nung nach. Das Pro­ze­de­re muss meh­re­re Male wie­der­holt wer­den; fina­le Ergeb­nis­se sind oft erst nach meh­re­ren Mona­ten zu erwar­ten 20.
  • Per­ku­ta­ne Kol­la­gen­in­duk­ti­ons­the­ra­pie durch „Sur­gi­cal Need­ling“: Durch den Ein­satz von „Sur­gi­cal Need­ling“ kann die Qua­li­tät von Nar­ben deut­lich ver­bes­sert wer­den. Dabei wer­den der Haut über eine mit zahl­rei­chen, jeweils 3 mm lan­gen Nadeln ver­se­he­ne Rol­le unter dosier­tem Druck in allen drei Ebe­nen Mikro­lä­sio­nen zuge­fügt. Die­se rei­chen bis in die Der­mis. Das sicht­ba­re Resul­tat sind kleins­te pete­chia­le Blu­tun­gen. Die Nadeln set­zen einen Reiz zur Sti­mu­lie­rung der Haut­zel­len, ohne sie zu zer­stö­ren. Dies führt sowohl zu einer Akti­vie­rung von Fibro­blas­ten als auch zu einer Kol­la­gen- und Hyalu­ron­säu­reneu­bil­dung. Der Effekt wird durch ent­spre­chen­de Vit­amin-Pfle­ge­pro­duk­te zur prä- und post­ope­ra­ti­ven Anwen­dung ver­stärkt. Je nach Indi­ka­ti­on wer­den 3 bis 6 Behand­lun­gen im Abstand von 4 bis 6 Wochen durch­ge­führt (Abb. 5) 21.
  • Plas­tisch-rekon­struk­ti­ve Sekun­där­ein­grif­fe: Grün­de für den Wunsch nach einer ope­ra­ti­ven Nar­ben­kor­rek­tur sind in den meis­ten Fäl­len funk­tio­nel­ler oder ästhe­ti­scher Natur. Die Indi­ka­ti­ons­stel­lung zur Nar­ben­kor­rek­tur soll­te erst nach Abschluss der Nar­ben­rei­fung, die im Mit­tel je nach der Kör­per­re­gi­on 4 bis 24 Mona­te betra­gen kann, geprüft wer­den. Eine vor­zei­ti­ge Kor­rek­tur bei noch akti­ver Nar­ben­rei­fung soll­te ledig­lich bei funk­tio­nell ein­schrän­ken­den Nar­bensträn­gen über Gelenk­re­gio­nen oder im Gesicht erwo­gen wer­den. Zur plas­tisch-rekon­struk­ti­ven The­ra­pie von Ver­bren­nungs­fol­gen gehö­ren sämt­li­che Tech­ni­ken des Fach­be­reichs. Mit stei­gen­dem Inva­si­vi­täts­grad kom­men je nach indi­vi­du­el­ler Situa­ti­on Eigen­fett­in­jek­tio­nen, spin­del- oder s‑förmige Nar­ben­ex­zi­sio­nen, freie Haut­trans­plan­ta­tio­nen, loka­le Lap­pen­plas­ti­ken wie bei­spiels­wei­se Z- oder W‑Plastiken, Gewe­be­ex­pan­si­on, Fern­lap­pen­plas­ti­ken und freie mikro­vas­ku­lä­re Lap­pen­plas­ti­ken bis hin zu frei­en Kom­po­sit-Lap­pen­plas­ti­ken zur Anwen­dung (Abb. 6–9). Allen Ver­fah­ren gemein ist eine suf­fi­zi­en­te prä­ope­ra­ti­ve Auf­klä­rung über Mög­lich­kei­ten und Gren­zen der The­ra­pie sowie über die not­wen­di­ge Nach­be­hand­lung. Eben­falls essen­ti­ell ist eine umfas­sen­de prä­ope­ra­ti­ve Pla­nung, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die Schnitt­füh­rung par­al­lel zu den Haut­span­nungs­li­ni­en. Im Gesicht soll­ten zudem die Gren­zen kos­me­ti­scher Ein­hei­ten berück­sich­tigt wer­den. Unver­zicht­ba­re intra­ope­ra­ti­ve Maß­nah­men sind ein streng asep­ti­sches Vor­ge­hen, eine senk­rech­te bzw. leicht nach außen abge­win­kel­te Schnittführung zur Wund­ran­de­ver­si­on sowie eine mini­ma­le Trau­ma­ti­sie­rung der Wundränder. Eine Wund­rand­al­tera­ti­on ent­steht ins­be­son­de­re durch den unacht­sa­men Ein­satz chir­ur­gi­scher Pin­zet­ten, eine über­trie­be­ne wund­rand­na­he Blut­stil­lung oder stark ein­schnü­ren­de Haut­näh­te. Bei einem mehr­schich­ti­gen Wund­ver­schluss ist ent­schei­dend, dass die gesam­te Wund­span­nung von ver­senk­ten coria­len Nähten und nicht von der Haut­naht gehal­ten wird. Nur in abso­lu­ten Aus­nah­me­fäl­len (klei­ne span­nungs­freie Exzi­sio­nen im Gesicht) kann auf coria­le Nähte ver­zich­tet wer­den. Wich­ti­ge post­ope­ra­ti­ve Maß­nah­men zur Prä­ven­ti­on uner­wünsch­ter Nar­ben­bil­dung sind das recht­zei­ti­ge Ent­fer­nen des Naht­ma­te­ri­als zur Ver­mei­dung von Quer­nar­ben, das Ruhig­stel­len vor allem gelenk­na­her Nar­ben sowie der Schutz vor Son­ne und Hit­ze. Über­ge­ord­ne­tes Ziel sowohl aller plas­tisch-rekon­struk­ti­ven Tech­ni­ken als auch der Nach­be­hand­lung ist es, die Span­nung an den Wund­rän­dern und die damit ein­her­ge­hen­de ent­zünd­li­che Akti­vi­tät inner­halb der Wun­de zu redu­zie­ren und somit die Ent­ste­hung erneu­ter hyper­tro­pher Nar­ben zu ver­mei­den. Ins­be­son­de­re Schwer­brand­ver­letz­te bedür­fen oft­mals einer lebens­lan­gen plas­tisch-chir­ur­gi­schen Anbin­dung mit häu­fi­gen Kor­rek­tur­ein­grif­fen. Die Behand­lung ist ins­ge­samt lang­wie­rig und kom­plex mit oft­mals schwer vor­her­seh­ba­rem Ergeb­nis 16 22.

Fazit

Eine adäqua­te Nar­ben­the­ra­pie bei Brand­ver­letz­ten stellt sowohl in der Akut­pha­se als auch lang­fris­tig eine mul­ti­mo­da­le Her­aus­for­de­rung dar, die oft­mals indi­vi­du­el­ler und nach­hal­ti­ger The­ra­pie­re­gime unter Ein­be­zug meh­re­rer the­ra­peu­ti­scher Fach­dis­zi­pli­nen bedarf, um Form und Funk­ti­on der kör­per­li­chen Inte­gri­tät best­mög­lich wiederherzustellen.

Für die Autoren:
Dr. med. Fabi­an Patzschke
Kli­nik für Plas­ti­sche und Handchirurgie,
Brand­ver­letz­ten­zen­trum im
BG Kli­ni­kum Berg­manns­trost Hal­le (Saa­le)
Mer­se­bur­ger Stra­ße 165
06112 Hal­le (Saa­le)
Fabian.Patzschke@bergmannstrost.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

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