Wer auch nur eine Episode hört, der merkt schnell, dass dieser Podcast mit großer Leidenschaft betrieben wird und sich mit großem Herz und Offenheit an Lipödem-Betroffene richtet.
OT: Wie haben Sie sich kennengelernt?
Caroline Sprott: Oh, das ist schon lange her, oder? In „Lipödem Jahren” zumindest. Durch die rasante Entwicklung des Netzwerkes über die vergangenen 10 Jahre fühlen sich Erinnerungen innerhalb der Community ganz anders an als im „realen Leben“.
Natalie Stark: Wir kannten uns vom ersten Podcast-Interview im Sommer 2017 und haben uns dann im Oktober 2017 in Göttingen das erste Mal auf dem Lipödem-Tag getroffen. So gesehen haben wir uns bisher auch nur einmal live gesehen, aber es fühlt sich überhaupt nicht so an.
OT: Wie ist die Idee entstanden den „Lipödem Podcast“ zu machen und welche Motivation haben Sie?
Stark: Ich habe meine Diagnose Lipödem verhältnismäßig früh, im Jahr 2002, bekommen. In all den Jahren war ich nie wirklich zufrieden mit der Unterstützung, die Lipödem-Betroffenen geboten wurde. Deshalb kam ich nach wirklich vielen Jahren mit zahlreichen emotionalen Ups und Downs zu dem Schluss, ich möchte selbst forschen. Da ich aus der Online-Marketing-Szene komme, kam ich schon recht früh mit Podcasts in Berührung. Ursprünglich wollte ich einen Lipödem-Online-Kongress machen, aber ich habe das Videoformat gescheut. So entschied ich mich für das Podcastformat und gründete 2017 den Podcast „Mind Body Life – Für ein gutes Leben mit Lipödem“. Meine Motivation war, durch Experteninterviews und Erfolgsgeschichten von Betroffenen herauszufinden, wie ich mein ideales Selbsthilfeprogramm zusammenstellen kann. Das hat funktioniert! Und 80 Interviews später im Sommer 2019 ist dann Caroline dazugestoßen und wir haben den Podcast umbenannt in „Der Lipödem Podcast“.
Sprott: Ich war damals eine von Natalies ersten Interviewpartnerinnen und wir merkten schnell, dass wir eines besonders gut können: uns unterhaltsam und dynamisch austauschen. Im Laufe der Jahre wurde das Verlangen, einen Lipödem Podcast zu gründen, immer stärker. Aber warum allein etwas neu eröffnen, wenn es da draußen doch die perfekte Co-Moderatorin mit einem ähnlichen Herzensprojekt schon gibt? Ich habe all meinen Mut zusammengenommen und Natalie gefragt, was sie von der Idee hält, gemeinsam das Projekt wachsen zu lassen und neu zu erfinden. Mit ihrem entschiedenen „Ja“ bekommt sie mich jetzt zwar nicht mehr so schnell los, dafür genießen wir die Zusammenarbeit wirklich sehr.
OT: Sie beleuchten das Thema Lipödem von allen Seiten. Lernen Sie durch Ihren Podcast selbst immer noch ein bisschen dazu?
Sprott: Oh ja, vor allem voneinander! Unsere Lipödem-Schwerpunkte könnten unterschiedlicher nicht sein und so ergänzen wir uns wunderbar in unseren Erfahrungen. Als Lipödem-Mode-Bloggerin und Referentin kann ich in Sachen modischer Eigentherapie, Selbstbewusstsein und Kompression viele Erkenntnisse teilen. Dafür teilt Natalie ihr Wissen über die ayurvedische Lebensart und Möglichkeiten von alternativem Selbstmanagement mit mir. Ich habe schon viel von ihr gelernt!
Stark: Ja, Caroline hat Recht. Unsere Selbsthilfe-Programme sehen sehr unterschiedlich aus, so dass wir im Gespräch auch immer voneinander lernen. Besonders am Anfang habe ich durch die verschiedenen Interviews viel dazu gelernt. Ich würde sagen, die ersten zwei Jahre waren wie eine Selbsttherapie. Mein Ziel war es ja, über die Interviews mein Leben mit Lipödem zu verbessern – und gleichzeitig auch das aller Zuhörerinnen. Und das ist mir gelungen! Sechs Monate nach Podcast-Start bin ich auf eine Betroffene gestoßen, die mit Ayurveda ihren Zustand signifikant verbessern konnte. Ich habe zwei Monate später eine Ayurveda-Kur auf Sri Lanka gemacht und bin im gleichen Jahr für drei Monate in das gleiche Ayurveda-Haus gezogen. Dies ist mir beruflich möglich gewesen, da ich ortsunabhängig arbeite und für meinen Job nur Laptop, WLAN und Strom brauche. Ich habe dort täglich Anwendungen bekommen, gelernt und gearbeitet. Eine deutsche Ärztin meinte danach zu mir, das Ergebnis nach den drei Monaten sei mit dem einer Liposuktion gleichzusetzen. Zurück in Deutschland habe ich eine Ausbildung zur Ayurveda-Ernährungs- und Gesundheitsberaterin gemacht. Ich unterstütze nun Frauen mit Lipödem dabei, in ihren Wohlfühlkörper zu kommen.
OT: Welche Erfahrungen haben Sie mit der Kompressionstherapie gemacht?
Stark: Ich habe ein bisschen schwieriges Verhältnis zur Kompression, da sich nie ein 100-prozentiges Wohlfühlgefühl eingestellt hat. Zu Beginn habe ich mich sehr dagegen gewehrt. Nach einer Reha im Jahr 2013 begann ich dann aber meine Kompression konsequent zu tragen. 2017 kam der Wunsch in mir auf, Reisen und Arbeiten zu verbinden. Mit Kompression in heißen Regionen wie Asien und dann auch noch ohne Lymphdrainage. Wie soll das gehen? Ich wurde da ein wenig kreativ und habe zum Beispiel nur Unterkünfte mit Pool gebucht, um durch das Schwimmen die Lymphdrainagen zu ersetzen. Da ich auf Reisen ja sehr schnell auf Sri Lanka gelandet bin und Ayurveda kennengelernt habe, haben sich meine Symptome so reduziert, dass ich seitdem ganz oft auf die Kompression verzichten kann. Ich habe kaum noch Schmerzen, nur die Schwere in den Beinen ist etwas erhalten geblieben. Nach wie vor konsequent trage ich die Kompression, wenn ich weiß, dass ich sehr lange auf den Beinen sein werde und viel stehen muss, so wie bei langen Zugfahrten oder Flügen. Caroline bei dir sieht das etwas anders aus, oder?
Sprott: Ja, tatsächlich. Zu Beginn meiner Diagnose vor zehn Jahren habe ich weder vom Lipödem noch von der Kompressionstherapie etwas gewusst, also ging ich sehr unbedarft an die Sache heran. Erst als die Armkompression irgendwann hinzukam, musste ich mich neu sortieren und einen Weg finden, nicht in eine komplette Ablehnungshaltung zu gehen. Es war für mich psychisch höchst belastend, durch die Handschuhe dann doch sichtlich krank zu sein. Diese Angst war jedoch letztendlich völlig irrational, da ich bis heute ausschließlich positives Feedback oder neutrales Interesse, aber niemals Ablehnung erfahren habe. Das liegt unter anderem daran, dass ich meine Kompression so gut es geht modisch integriere und damit der Außenwelt und vor allem mir selbst signalisiere, dass sie kein Panzer, sondern eher eine Rüstung ist. Ich fühle mich gut, wenn alles farblich perfekt aufeinander abgestimmt ist und die Komplimente im Alltag beflügeln zusätzlich umso mehr. Gesundheitlich bin ich auf die Bein- und Armkompression in vollem Umfang angewiesen, denn ohne sie leide ich nach kurzer Zeit unter den bekannten Schmerzen. Und das, obwohl ich bereits operiert bin. Liposuktionen sind eben nicht immer der Weisheit letzter Schluss. Kurzum, ohne meine Kompression wüsste ich nicht, wie ich meinen Alltag überstehen würde und ich bin dankbar, in Deutschland verhältnismäßig gut versorgt zu werden. Wenn man sich die Situation in der restlichen Welt anschaut, kann man das Leid anderer Betroffener nur erahnen.
OT: Die Versorgung findet im Sanitätshaus statt. Wie lief Ihre erste Versorgung ab? Waren Sie zufrieden?
Sprott: Ich hatte sowohl in der Diagnosestellung als auch bei meiner ersten Versorgung großes Glück und geriet direkt an das richtige Sanitätshaus. Damals gab es zwar noch keine großartige Farbauswahl, aber ich wurde perfekt vermessen und beraten. Mir war jedoch nicht bewusst, was genau auf mich zukam. Ich weiß nicht, ob man jemanden wirklich auf so eine gravierende Veränderung fürs Leben und Körpergefühl vorbereiten kann.
Stark: Oh, mein erstes Erlebnis im Sanitätshaus war mehr als gruselig. Es war ein ganz kleiner Laden auf dem Land und ich wurde mit 19 Jahren zwischen Rollatoren und Prothesen ausgemessen. Da sind Tränen geflossen. Ich muss dazu sagen, das war 2002. 2009 bin ich auf ein ganz tolles Sanitätshaus in Mainz gestoßen. Sehr wertschätzende Beratung und der Laden war schon mehr auf „positives Shoppingerlebnis“ ausgerichtet.
OT: Welche Faktoren sind für Sie wichtig, dass Sie sich gut versorgt und aufgehoben fühlen?
Sprott: Besonders positiv habe ich mein letztes Sanitätshaus in Wetzlar in Erinnerung, welches mich bei der ersten Kompression erst einmal befragt hat, wie mein Alltag ausschaut, was ich beruflich mache, ob ich schon in einer Reha war, ob ich Lymphdrainage habe, ob ich operiert bin oder es noch vorhabe. So konnte ich perfekt beraten werden und wurde mit der Qualität und den Zusätzen versorgt, die für mich genau richtig sind.
Stark: Ich finde eine gute Beratung und dass auf meine persönlichen Bedürfnisse eingegangen wird extrem wichtig. Für jedes Zwicken und Zwacken sollte eine Lösung gefunden werden, denn schließlich wird die Kompression in der Regel täglich in den unterschiedlichsten Situationen getragen.
OT: Was sind absolute No-Gos?
Sprott: Neben der fachlichen Kompetenz ist es mir wichtig, dass ich mich entfalten kann. Ich war schon immer allergisch dagegen, fremden Geschmack oder Meinungen aufgedrängt zu bekommen. Sowas lässt nämlich der Kopf nur selten wieder los und am Ende hinterfragt man noch nicht mal, ob die andere Person wirklich Recht mit ihrer Aussage hatte. Beispielsweise gehen manchmal Betroffene voller Elan in ein Sanitätshaus, sich für eine Farbe oder gar ein Muster zu entscheiden, freuen sich bereits auf die neue Kompression und dann trifft sie eine Aussage der Sanifee wie ein Vorschlaghammer, „für Ihre dicken Beine ist das nichts“. Ja, diese Aussagen gibt es und ja, leider regelmäßig. Feingefühl, Eingehen auf die Betroffene, Mut zusprechen, Unsicherheiten aus dem Weg räumen – im Messraum ist das Fachpersonal so nah an der Kundin wie sonst nie. Ein geschlossener sicherer Raum, in dem so viel bewegt werden kann. Dieser Verantwortung sollte man sich bewusst sein und sie gewissenhaft nutzen.
Stark: Ich stimme Caroline zu. Jegliche Kommentare, die meine Beine oder Arme bewerten, sind absolut tabu. Oder noch schlimmer, das habe ich mal während einer Lymphdrainage zu hören bekommen: „Aber Sie wissen schon, dass das hier alles nichts bringt.“
OT: Wenn Sie eine Wunschliste hätten, die Sie den Sanitätshäusern geben könnten, um die Versorgung noch angenehmer zu machen, was würde darauf stehen?
Sprott: Ich würde mir wünschen, dass das Fachpersonal zu seinen Kunden stets eine besondere Bindung aufbaut. Lernen Sie Ihre Kunden möglichst gut kennen, um sie ideal zu beraten und so auch an sich zu binden. Dort, wo man sich verstanden fühlt, geht man gerne hin. Mir wäre wichtig, dass man sich in der Farbberatung nicht zu viel herausnimmt und darauf achtet, keine Gefühle zu verletzen. Gerade Ödem-Betroffene sind hochsensibel und nehmen Kritik sehr schnell zu Herzen – auch wenn es nicht so gemeint war. Die Anmutung der Kompression ist für manche Kunden ein größerer Faktor, als man vielleicht erahnen kann.
Stark: Ich finde es sehr wichtig, dass bei der Beratung wirklich alle Elemente vorgestellt werden, die das Tragen der Kompression angenehmer machen, vieles habe ich erst nach Jahren zufällig erfahren. Zum Beispiel, dass es für die Kniekehle einen Einsatz gibt, so dass die Falten nicht mehr so sehr einschneiden oder dass das Leibteil auch in Klasse 1 erstellt werden kann, damit man nicht den halben Tag Bauchschmerzen hat (war bei mir der Fall). Und auch sonst finde ich es sinnvoll, wenn es eine Broschüre für zu Hause gibt mit allen Tipps und Tricks für das Tragen der Kompression im Alltag und auf Reisen.
OT: Haben Sie Ratschläge für andere Betroffene, nach welchen Kriterien Sie beispielsweise ein Sanitätshaus auswählen?
Sprott: Das Schaufenster ist für mich einer der wichtigsten Indizien, ob ein Betrieb zu mir passt. Sanitätshäuser sind heute so viel mehr als nur Geriatrie und dürfen das auch gerne nach außen verkörpern. Dann spielt Mundpropaganda eine entscheidende Rolle. Google-Bewertungen sind zwar machtvoll, aber wenn man einen Schritt weiterdenkt, weiß man, dass der hohe Anteil unzufriedener Kunden manchmal nur überwiegt, weil man als zufriedener Kunde nicht die gleiche Dringlichkeit hat, eine Bewertung zu hinterlassen. Also fragt man Betroffene aus der Gegend, wo sie gerne versorgt werden und wird selten enttäuscht. Zu diesem Thema haben wir auch eine eigene Podcast-Folge veröffentlicht, wo wir nochmals ausführlich darauf eingehen.
Stark: Das sehe ich wie Caroline. Ich würde auch auf Empfehlungen aus dem Bekanntenkreis oder aus der Lipödem-Community zurückgreifen und weniger auf Google. Und der erste Eindruck zählt. Bei der Suche nach dem passenden Sanitätshaus mal in das Fachgeschäft reingehen und schauen, wie es sich anfühlt und ob die Mitarbeiter*innen einen sympathischen Eindruck machen. Es macht auch Sinn schon mal ein unverbindliches Gespräch zu starten und die Kompetenzen rund ums Lipödem schon mal etwas abzuklopfen. Und ich finde es auch wichtig, dass Kompressionsstrümpfe von unterschiedlichen Anbietern im Sortiment zu finden sind. Die für mich perfekte Mischung: Ich habe beim Umschauen im Laden das Gefühl, ein tolles Modeaccessoire zu kaufen und im Gespräch das Gefühl, nachhaltige Unterstützung für meine Gesundheit zu bekommen.
OT: Sie befassen sich selbst intensiv mit der Thematik Lipödem, haben es teilweise sogar zu Ihrem Beruf gemacht. Hätten Sie gedacht, dass Sie nach der Diagnose solch einen Weg einschlagen würden?
Sprott: Niemals hätte ich kommen sehen, dass das alles eintreten würde! Meine Freundin war es, die viel Überzeugungsarbeit leisten musste, bis ich mit meinen Erfahrungen und dem modischen Umgang an die Öffentlichkeit ging. Heute muss sie dafür die Outfit-Bilder fotografieren. Ich bin eigentlich zu bescheiden, um dauernd im Mittelpunkt stehen und der Welt zeigen zu wollen, wie toll ich mich anziehen kann. Ich dachte immer, dafür brauchen andere Frauen mich doch nicht. Doch die ersten positiven Rückmeldungen ließen nicht lang auf sich warten und in mir wuchs das Bedürfnis, diese Frauen (und heute immer mehr männliche Flachstrick-Träger) nicht mit ihren Sorgen allein zu lassen. Heute bin ich froh, dass ich mich auf dem Thema Mode nicht ausgeruht habe, sondern auf www.lipoedemmode.de auch die Themen behandeln wollte, die im Leben rund um Lipödem ebenso wichtige Rollen spielen. Die Arbeit daran, so viel Wissen wie nur möglich auffindbar zu machen, ist Diesel für meinen Motor. Ein Ende ist noch nicht in Sicht. Natalie, du hast deine Geschichte wahrscheinlich damals auch nicht kommen sehen, oder?
Stark: Nein, ich hätte das damals mit 19 Jahren niemals gedacht, dass ich heute als Ayurveda-Ernährungs- und Gesundheitsberaterin tätig bin und anderen Betroffenen helfe. Ich habe 2013 in einer Reha das erste Mal Frauen mit Lipödem Stadium III am Rollator gesehen. Da kam das erste Mal der Wunsch auf, in der Aufklärung und Selbsthilfe tätig werden zu wollen, damit es bei so wenig Frauen wie möglich so weit kommen muss. Bis ich meine ersten Schritte in diese Richtung gemacht habe, hat es weitere fünf Jahre gedauert. Mir hat es sehr große Schwierigkeiten bereitet, in der Öffentlichkeit zu der Krankheit zu stehen, da ich im Grunde gut 15 Jahre damit verbracht hatte, mich dafür zu schämen und meine Beine zu verstecken. Letztendlich ist es mir gelungen, es war zwar ein langer Weg, aber ich bin ihn zu 100 Prozent aus eigener Kraft gegangen.
OT: Neben der „technischen“ Versorgung gibt es auch andere Komponenten, die im Umgang mit dem Lipödem zu beachten sind. Welche Rolle spielen die Psyche oder die Ernährung im Alltag?
Stark: Wie sich in meiner letzten Antwort schon abzeichnet, spielt die Psyche eine extrem große Rolle. Es bauen sich unglaublich viele Glaubenssätze auf, was mit Lipödem alles nicht möglich ist – vieles davon wird sehr durch die Gesellschaft geprägt. Die Ernährung spielt aus meiner Sicht eine sehr wichtige Rolle. Aus eigener Erfahrung und aus meinen Interviews mit anderen Betroffenen kann ich sagen, dass die basische, die ayurvedische, die zuckerfreie und die ketogene Ernährung Schmerzen und auch Umfänge deutlich reduzieren kann. Ich kann dazu keine Studie liefern, aber die Erfolge einzelner Betroffener und die ich an meinem eigenen Körper erfahren durfte, sprechen für sich. Ein weiterer ganz wichtiger Punkt ist die Stressreduktion. Darauf sollte aus meiner Sicht jede Lipödem-Betroffene den Fokus setzen. Denn in zahlreichen Gesprächen berichteten die Frauen, dass die Symptome in herausfordernden Situationen stärker werden. In meinen Beratungen und Workshops liegt der Schwerpunkt immer auf der Stressreduktion, der Ernährung und der emotionalen Stabilität. Das ist eine extrem wichtige Säule in der Lipödem-Selbsthilfe. Es ist jetzt schon sicher, dass ich meine Ausbildungen auch noch um den psychologischen Ayurveda-Berater erweitern werde. Caroline, du hast doch gerade super Erfahrungen mit der ketogenen Ernährung gemacht, erzähl mal.
Sprott: Das mach ich gerne. Aus meiner Sicht kann Nahrung sehr entscheidend auf das Schmerzempfinden einwirken und ist daher ein großes Thema, nicht nur zur Gewichtsregulierung. Wie Natalie schon angedeutet hat, hat die ketogene Ernährungsumstellung jüngst mein Leben verändert und ich bin beeindruckt von diesem Einfluss. Ich würde mich als jahrelanger Sklave meines Insulinspiegels bezeichnen. Ich könnte den ganzen Tag essen und zu gern tat ich das auch. Kleine Portiönchen, die sich am Ende des Tages eben doch summierten und stetig für Gewichtsschwankungen sorgten. Seitdem ich auf Kohlenhydrate verzichte, bin ich wieder Herr über mein Essverhalten und das ist für mich revolutionär. Ich habe mich zwar aus der Sklaverei befreit, aber es wird wahrscheinlich dennoch ein Leben lang ein großes Thema bleiben. Einmal übergewichtig, immer übergewichtig – zumindest im Kopf. Ich bin der Meinung, dass die psychische Komponente in der konservativen Therapie entscheidend zu kurz kommt. Stress, soziale Belastungen aus dem engsten Umfeld, Diskriminierung, Bodyshaming, Depressionen, Frustrationen – all das mischt sich im Kopf zu einem giftigen Cocktail heran, den manche so schnell nicht kommen sehen. Hier ist psychotherapeutische Betreuung gefragt und ich wünsche mir, dass ein Beratungskonzept in die Therapie mit aufgenommen werden würde. Ich hatte mich damals mit Hilfe von Mode und einer Kurzzeittherapie aus einem schweren Tief herausgeholt und zehre von den gewonnenen Erkenntnissen bis heute noch.
OT: Gibt es einen Gast, den Sie gerne einmal in Ihren Podcast einladen würden? Und was wäre das Thema?
Sprott: Mit vielen unserer Favoriten hatte Natalie natürlich schon die Ehre. Aber ich glaube, Jens Spahn wäre ein großes Highlight! Hier könnte man ins Gespräch gehen, dass nicht nur Liposuktionen, sondern sämtliche Maßnahmen ausschlaggebend für eine erfolgreiche Therapie sind und diese auch erweitert werden müssen. Hier geht es um eine lebenslange Erhaltung der gesundheitlichen Lebensqualität und diese hört nicht bei den Liposuktionen auf.
Stark: In der Tat habe ich schon einige Favoriten eingeladen – meine persönlichen Highlights waren zum Beispiel die Gespräche mit dem Ayurveda-Arzt Dr. Ernst Schrott oder Dr. Rüdiger Dahlke. Ich bin ja ein bekennender Fan alternativer Methoden und würde da zukünftig gerne noch ein paar Ayurveda-Koryphäen einladen zu den Themen weibliche Hormone und Kräuterkunde – Kerstin Rosenberg wäre zum Beispiel eine Kandidatin oder mein absoluter Traum: Dr. Vasant Lad aus Indien.
Die Fragen stellte Heiko Cordes.
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