Elek­tri­sche Phan­tom­sti­mu­la­ti­on an einer Schü­le­rin mit Paraplegie

A. Meier-Koll, N. Pohl
Eine achtjährige Schülerin wurde bei einem Autounfall in verschiedenen Höhen ihrer Wirbelsäule verletzt. Das MRT belegte eine komplette Kontinuitätsunterbrechung in Höhe des 8. Brustwirbels. Die paraplegischen Beine des heute zwölfjährigen Mädchens zeigen keine Sensibilität. An beiden Armen aber fanden sich umschriebene rezeptive Hautzonen, deren taktile und elektrische Reizung Empfindungen einzelner Teile beider Füße wie Zehen und Ferseauslöste.

Sol­che Emp­fin­dun­gen von Tei­len bei­der Bei­ne ent­spre­chen Phan­tom­emp­fin­dun­gen, die auch bei bein­am­pu­tier­ten Per­so­nen durch tak­ti­le und elek­tri­sche Sti­mu­la­ti­on bestimm­ter rezep­ti­ver Haut­fel­der aus­ge­löst wer­den kön­nen. Die Anla­ge rezep­ti­ver Haut­zo­nen an den Armen des quer­schnitt­ge­lähm­ten Mäd­chens kann wie die Anla­ge sol­cher Haut­zo­nen bei bein­am­pu­tier­ten Pati­en­ten als Fol­ge einer neu­ro­na­len Reor­ga­ni­sa­ti­on der deaf­fe­ren­zier­ten soma­to­sen­so­ri­schen Fel­der der Hirn­rin­de gedeu­tet wer­den. Wie ande­re para­ple­gi­sche Per­so­nen könn­te die Schü­le­rin ler­nen, mit Hil­fe eines Exo­ske­letts zu lau­fen. Dann lie­ßen sich mit Hil­fe einer schritt­ge­trig­ger­ten elek­tri­schen Sti­mu­la­ti­on ent­spre­chen­der rezep­ti­ver Haut­zo­nen ihrer Arme Emp­fin­dun­gen für Fer­se und Zehen im Takt des Schrei­tens auslösen.

Ein­lei­tung

Alle sen­so­ri­schen Ner­ven­bah­nen einer Kör­per­hälf­te lei­ten ins Rücken­mark ein, stei­gen durch die­ses auf, kreu­zen zum Tha­la­mus der kon­tra­la­te­ra­len Hirn­hälf­te und lei­ten wei­ter in deren post­zen­tra­les soma­to­sen­so­ri­sches Rin­den­feld. Die ein­zel­nen Ner­ven­fa­sern tref­fen dort in soma­to­toper Ord­nung ein. Daher enden Bah­nen, die von benach­bar­ten Orten einer Kör­per­hälf­te aus­ge­hen, an soma­to­sen­so­ri­schen Ziel­neu­ro­nen, die auch auf der Hirn­rin­de benach­bart sind. Jede Kör­per­hälf­te wird auf die­se Wei­se vom Schei­tel bis zur Soh­le in einem Kon­ti­nu­um benach­bar­ter Ziel­neu­ro­nen des kon­tra­la­te­ra­len soma­to­sen­so­ri­schen Rin­den­strei­fens als soge­nann­ter Homun­ku­lus abge­bil­det 1. Eine Quer­schnitt­ver­let­zung des Rücken­marks durch­trennt wie die Ampu­ta­ti­on einer Extre­mi­tät Ner­ven­bah­nen. Infol­ge­des­sen erhal­ten die ent­spre­chen­den kor­ti­ka­len Ziel­neu­ro­nen kei­ne akti­vie­ren­den Ner­ven­im­pul­se mehr; die Deaf­fe­ren­zie­rung hin­ter­lässt inner­halb der betrof­fe­nen soma­to­sen­so­ri­schen Hirn­rin­de ein brach­lie­gen­des Feld inak­ti­ver Neu­ro­nen. Die nicht mehr betä­tig­ten Syn­ap­sen, wel­che die affe­ren­ten Ner­ven­fa­sern an ihren Ziel­neu­ro­nen ange­legt hat­ten, zer­fal­len und hin­ter­las­sen auf deren Den­dri­ten und Zell­kör­pern Plät­ze zur Anla­ge neu­er Syn­ap­sen. Die­se kön­nen von Ner­ven­fa­sern gebil­det wer­den, die aus­ge­hend von Neu­ro­nen der Nach­bar­schaft des brach­lie­gen­den Fel­des intra­kor­ti­kal in die­ses ein­wach­sen 23. Nach eini­ger Zeit ist das brach­lie­gen­de Feld der soma­to­sen­so­ri­schen Hirn­rin­de mit einem oder meh­re­ren benach­bar­ten Rin­den­fel­dern ver­netzt. So kön­nen bei­spiels­wei­se nach der Ampu­ta­ti­on eines Bei­nes intra­kor­ti­ka­le Ner­ven­fa­sern aus dem Rumpf- oder Arm­feld der Hirn­rin­de in deren brach­lie­gen­des Bein­feld ein­ge­wach­sen sein.

Tak­ti­le Rei­ze an Rumpf oder Arm erre­gen dann die ent­spre­chen­den soma­to­sen­so­ri­schen Neu­ro­ne des kor­ti­ka­len Rumpf- oder Arm­fel­des, die ihre Erre­gung jetzt an Neu­ro­nen des Bein­fel­des wei­ter­lei­ten. Deren Akti­vie­rung aber löst Emp­fin­dun­gen für Tei­le des ampu­tier­ten Bei­nes aus. Da es sich um Wahr­neh­mun­gen eines nicht mehr exis­tie­ren­den Kör­per­teils han­delt, wer­den sie als „Phan­tom­emp­fin­dun­gen“ bezeich­net4. Rama­ch­andran und Hir­stein haben erst­mals gezeigt, dass die beschrie­be­ne syn­ap­ti­sche Reor­ga­ni­sa­ti­on bestimm­te Haut­zo­nen der Kör­per­hälf­te, an der die Extre­mi­tät ampu­tiert wur­de, als rezep­ti­ve Fel­der aus­weist, deren tak­ti­le und elek­tri­sche Rei­zung Phan­tom­emp­fin­dun­gen für den ver­lo­re­nen Kör­per­teil aus­löst 5. Die von den neu­ro­bio­lo­gi­schen Pro­zes­sen der kor­ti­ka­len Reor­ga­ni­sa­ti­on vor­ge­ge­be­nen rezep­ti­ven Haut­zo­nen kön­nen von Bein­am­pu­tier­ten für eine schritt­ge­trig­ger­te elek­tri­sche Phan­tom­sti­mu­la­ti­on genutzt wer­den 678. Im Fall einer Quer­schnitt­ver­let­zung des Rücken­marks wer­den mehr Ner­ven­bah­nen durch­trennt, als bei der Ampu­ta­ti­on einer Extre­mi­tät unter­bro­chen wer­den. Liegt die Ver­let­zung in Höhe eines lum­ba­len oder wie im vor­lie­gen­den Fall eines tho­ra­ka­len Rücken­mark­seg­men­tes, resul­tiert dar­aus eine Para­ple­gie der Bei­ne mit kom­plet­ter Anäs­the­sie. Die­se Art der Deaf­fe­ren­zie­rung hin­ter­lässt in den post­zen­tra­len Rin­den­fel­dern bei­der Hirn­hälf­ten je ein brach­lie­gen­des Bein­feld. Für das Gehirn stellt es sich so dar, als sei­en bei­de Bei­ne ver­lo­ren. Es ist zu erwar­ten, dass nun in bei­den soma­to­sen­so­ri­schen Rin­den­fel­dern die oben genann­te neu­ro­bio­lo­gi­sche Reor­ga­ni­sa­ti­on ein­setzt und nach eini­ger Zeit rezep­ti­ve Haut­zo­nen auf jeder Kör­per­hälf­te aus­ge­wie­sen hat, deren tak­ti­le und elek­tri­sche Rei­zung Emp­fin­dun­gen für Tei­le der para­ple­gi­schen und gefühl­lo­sen Bei­ne auslöst.

Im Fall einer Ampu­ta­ti­on han­delt es sich um Emp­fin­dun­gen eines Kör­per­teils oder von Kör­per­tei­len, die nicht mehr exis­tie­ren. Sie wer­den seit den Stu­di­en des im ame­ri­ka­ni­schen Bür­ger­krieg täti­gen Feld­arz­tes Silas Weir Mit­chell (1829–1914) als „Phan­tom­emp­fin­dun­gen“ bezeich­net 4. Bei Quer­schnitt­ge­lähm­ten sind zwar bei­de Bei­ne noch vor­han­den; oft aber berich­ten sol­che Pati­en­ten Miss­emp­fin­dun­gen für Tei­le ihrer Bei­ne, die Phan­tom­schmer­zen oder auch schmerz­lo­sen Phan­tom­emp­fin­dun­gen ent­spre­chen9.

Metho­de

Ein­zel­fall­stu­die über ein Mäd­chen mit Paraplegie

Die Mit­au­torin die­ses Bei­trags (Nata­lie Pohl) betreut als Phy­sio­the­ra­peu­tin bereits meh­re­re Jah­re lang eine inzwi­schen zwölf­jäh­ri­ge Gym­na­si­al­schü­le­rin. Im Alter von acht Jah­ren ver­un­glück­te das Mäd­chen, als der Pkw ihrer Mut­ter in eine Fron­tal­kol­li­si­on ver­wi­ckelt wur­de. Das Mäd­chen saß mit Hil­fe eines Becken­gur­tes ange­schnallt auf dem Mit­tel­sitz der Rück­bank und wur­de beim Auf­prall mit dem Ober­kör­per nach vor­ne gewor­fen. Nach der Pri­mär­ver­sor­gung wur­de das Kind noch am Unfall­tag in die Berufs­ge­nos­sen­schaft­li­che Unfall­kli­nik Tübin­gen trans­por­tiert. Dort wur­den eine spi­na­le Kon­tus­i­on und eine insta­bi­le Luxa­ti­on des 3. und 4. Lum­bal­wir­bels dia­gnos­ti­ziert. Daher wur­den eine ana­to­mi­sche Repo­si­ti­on und eine dor­sa­le Instru­men­tie­rung der Len­den­wir­bel L3 und L4 mit Hil­fe eines Titan­im­plan­tats vor­ge­nom­men. Drei Mona­te spä­ter konn­te das Implan­tat ent­fernt wer­den. Das MRT zeig­te eine kom­plet­te Kon­ti­nui­täts­un­ter­bre­chung auf Höhe des 8. Brust­wir­bels. Außer­dem hat­te sich eine spi­na­le Syrinx (Bla­se) unter­halb des 9. Brust­wir­bels gebil­det. Gemäß dem Abschluss­be­richt der BG Unfall­kli­nik Tübin­gen vom 2. Okto­ber 2014 bestand eine „kom­plet­te Para­ple­gie sub T8 mit einer neu­ro­ge­nen Bla­sen-und Mast­darm-Läh­mung als Fol­ge eines Rasanz­trau­mas“ (Abb. 1).

Suche nach rezep­ti­ven Hautzonen

Im Eltern­haus zeig­te eine ers­te sen­so­ri­sche Funk­ti­ons­prü­fung in Rücken­la­ge des Kin­des – spie­le­risch mit­tels einer wei­chen Feder aus­ge­führt – kei­ne Sen­si­bi­li­tät unter­halb der seg­men­ta­len Inner­va­ti­ons­zo­ne des 8. Brust­wir­bels, also unter­halb der Grenz­li­nie des Der­m­atoms T8, die ca. 10 cm ober­halb des Bauch­na­bels ver­läuft. Eine schmerz­emp­find­li­che Zone bestand nicht; die Schü­le­rin hat­te auch nie über Deaf­fe­ren­zie­rungs­schmer­zen geklagt. Seit dem Som­mer 2016 – die Pati­en­tin war damals zehn Jah­re alt – wur­den in Abstän­den von drei Mona­ten rezep­ti­ve Haut­fel­der ober­halb des Der­m­atoms T8 gesucht, indem Haut­stel­len an Ober­kör­per und Armen mit­tels eines wei­chen Kos­me­tik­pin­sels lang­sam über­stri­chen wur­den. Am gesam­ten Ober­kör­per wur­den kei­ne rezep­ti­ven Haut­zo­nen gefun­den, deren tak­ti­le Rei­zung Emp­fin­dun­gen für Tei­le der Bei­ne aus­ge­löst hät­te. Der­ar­ti­ge rezep­ti­ve Fel­der aber bestan­den an ver­schie­de­nen Stel­len bei­der Arme. Zu jedem drei­mo­nat­li­chen Unter­su­chungs­ter­min wur­den Ober- und Unter­ar­me lang­sam von pro­xi­mal nach distal über­stri­chen. Erwar­tungs­ge­mäß gab das Mäd­chen ein kit­zeln­des Gefühl an ihren Armen an. Sofern sie dar­über hin­aus einen Teil eines Fußes (gro­ßer oder klei­ner Zeh, Zehen­steg, Fuß­soh­le,  Bal­len oder Fer­se) spür­te gab sie durch ein „Stopp!“ die Posi­ti­on der Stel­le an, deren Über­strei­chen die­se Emp­fin­dung aus­ge­löst hat­te. Die Pin­sel­stri­che wur­den dann an die­ser Stel­le wie­der­holt, um die Gren­zen des rezep­ti­ven Fel­des genau­er zu bestim­men. Die­se Gren­zen wur­den mit Hil­fe eines Kos­me­tik­stif­tes ange­zeich­net und schließ­lich per Smart­phone-Kame­ra foto­gra­fisch doku­men­tiert. Die ermit­tel­ten rezep­ti­ven Fel­der bil­de­ten meist eine Kreis­flä­che von 3 bis 4 Zen­ti­me­tern Durch­mes­ser (Abb. 2). Die Pro­ban­din konn­te auch mit ihren Fin­gern andeu­ten, an wel­cher Stel­le eines Fußes sie eine Phan­tom­emp­fin­dung als leich­tes Pri­ckeln oder Kit­zeln wahrnahm.

Ergeb­nis­se

Elek­tri­sche Anre­gung von Phan­tom­emp­fin­dun­gen für Tei­le eines Fußes

Nach­dem in ers­ten Unter­su­chungs­ter­mi­nen die Exis­tenz rezep­ti­ver Fel­der und deren Fort­be­stand über meh­re­re Mona­te belegt wer­den konn­te, wur­den ange­zeich­ne­te Haut­fel­der auch elek­trisch gereizt. Bei­spiels­wei­se wur­de auf Rund­fel­der der Haut eines Armes, deren tak­ti­le Rei­zung Emp­fin­dun­gen für Fer­se und Zehen des gleich­sei­ti­gen Fußes aus­ge­löst hat­ten, je eine kon­zen­tri­sche bipo­la­re Elek­tro­de geklebt (Abb. 3). Seri­en von Span­nungs­im­pul­sen eines Funk­ti­ons­ge­ne­ra­tors, der ursprüng­lich für die Anre­gung von Phan­tom­emp­fin­dun­gen an bein­am­pu­tier­ten Anwen­dern ent­wi­ckelt wor­den war, wur­den über zwei Aus­gän­ge an die kon­zen­tri­schen Elek­tro­den gelei­tet. Mit­tels zwei­er Tas­ten einer Steu­er­ein­heit konn­te die Pro­ban­din alter­nie­rend Strom­im­pul­se zu den bei­den Elek­tro­den lei­ten und so ähn­lich einem natür­li­chen Schritt alter­nie­ren­de Emp­fin­dun­gen für Fer­se und Zehen her­vor­ru­fen. Die bipha­si­schen Reiz­im­pul­se hat­ten eine Dau­er von 250 Mikro­se­kun­den. Ihre Span­nung von Spit­ze zu Spit­ze lag zwi­schen 7 und 10 Volt; die Fre­quenz der Impuls­se­ri­en betrug 70 Hz.

Ver­tei­lung rezep­ti­ver Fel­der an bei­den Armen

Im Ver­lauf von zwei Jah­ren (2016– 2018) wur­den in Abstän­den von drei Mona­ten an ins­ge­samt acht Ter­mi­nen rezep­ti­ve Fel­der nach der beschrie­be­nen Metho­de bestimmt und doku­men­tiert. Es war dann zu zei­gen, an wel­chen Stel­len der bei­den Arme sich die ins­ge­samt doku­men­tier­ten rezep­ti­ven Fel­der gehäuft hat­ten. Dazu wur­den die Hän­de und Arme der jun­gen Pro­ban­din vor dem Hin­ter­grund eines wei­ßen Tisch­tu­ches in Pro- und Supi­na­ti­on foto­gra­fiert. In die digi­ta­len Auf­nah­men wur­den dann alle zu den Ein­zel­ter­mi­nen doku­men­tier­ten rezep­ti­ven Haut­stel­len kumu­la­tiv mit Hil­fe der Paint-Funk­ti­on eines PCs als far­bi­ge Rund­flä­chen pro­ji­ziert (Abb. 4a u. b). Rezep­ti­ve Fel­der für die Fer­sen wur­den als rote, sol­che für die Fuß­soh­len als gel­be und Fel­der für Zehen als hell­graue Rund­flä­chen gekenn­zeich­net. Hell­graue Rund­flä­chen mit einem schwar­zen Zen­trum reprä­sen­tie­ren das rezep­ti­ve Feld eines gro­ßen Zehs. Ein ein­zi­ges rezep­ti­ves Feld wur­de für den rech­ten Bal­len gefun­den und mit blau­er Far­be gekenn­zeich­net. Die beschrie­be­ne Metho­de erlaub­te es, rezep­ti­ve Fel­der in der Aus­deh­nung einer Schei­be von 3 bis 4 Zen­ti­me­tern Durch­mes­ser ein­zu­gren­zen. Zwar wur­de kei­nes der in Abstän­den eines Quar­tals bestimm­ten rezep­ti­ven Fel­der beim fol­gen­den Ter­min exakt an der­sel­ben Stel­le vor­ge­fun­den; eini­ge der zu unter­schied­li­chen Ter­mi­nen bestimm­ten rezep­ti­ven Fel­der aber wur­den an nahe lie­gen­den Haut­stel­len ange­trof­fen, sodass die sie reprä­sen­tie­ren­den Rund­flä­chen fusio­nier­ten. Ins­ge­samt erga­ben sich an Außen- und Innen­sei­te bei­der Arme Mosai­ke rezep­ti­ver Fel­der, deren tak­ti­le Rei­zung Phan­tom­emp­fin­dung für je eine ent­spre­chen­de Stel­le am ipsi­la­te­ra­len Fuß her­vor­rief. Her­vor­zu­he­ben ist das dich­te Mosa­ik an der Innen­sei­te des rech­ten Armes, der mehr rezep­ti­ve Fel­der auf­weist als der linke.

Dis­kus­si­on

Eine Quer­schnitt­ver­let­zung des Rücken­marks im lum­ba­len oder tho­ra­ka­len Abschnitt durch­trennt ähn­lich der Ampu­ta­ti­on bei­der Bei­ne Ner­ven­bah­nen, die in den soma­to­sen­so­ri­schen Rin­den­fel­dern bei­der Hirn­hälf­ten enden. Auf die­se Deaf­fe­ren­zie­rung ant­wor­ten die soma­to­sen­so­ri­schen Rin­den­fel­der mit einer neu­ro­na­len Reor­ga­ni­sa­ti­on, durch die schließ­lich umschrie­be­ne Haut­zo­nen als rezep­ti­ve Fel­der für Phan­tom­emp­fin­dun­gen aus­ge­wie­sen wer­den. Von Ter­min zu Ter­min waren bei der Pro­ban­din die rezep­ti­ven Fel­der für Fer­se, Zehen oder Hal­lux nicht exakt an den­sel­ben Stel­len zu loka­li­sie­ren; sie schie­nen zwi­schen den Unter­su­chungs­ter­mi­nen lang­sam gewan­dert zu sein. Die­ser Befund deu­tet dar­auf hin, dass die syn­ap­ti­sche Reor­ga­ni­sa­ti­on der soma­to­sen­so­ri­schen Rin­den­fel­der ein dyna­mi­scher Pro­zess ist und bis zum vor­läu­fi­gen Ende der Unter­su­chun­gen noch nicht abge­schlos­sen ist. Inzwi­schen ist bei der jun­gen Pro­ban­din die Puber­tät ein­ge­tre­ten. Mit dem Beginn der Puber­tät ver­än­dert sich die gesam­te syn­ap­ti­sche Orga­ni­sa­ti­on der Hirn­rin­de dra­ma­tisch: Alte Ver­bin­dun­gen wer­den auf­ge­löst und neue geschlos­sen 10. Wei­te­re Stu­di­en an der hier vor­ge­stell­ten Pro­ban­din sol­len zei­gen, ob und in wel­cher Wei­se sich im Fort­gang der Puber­tät ihre rezep­ti­ven Fel­der verändern.

Aus­blick

Um einer Atro­phie ihrer Bein­mus­ku­la­tur ent­ge­gen­zu­wir­ken, erle­digt die Pro­ban­din ihre täg­li­chen Schul­ar­bei­ten ste­hend in einem eige­nen Steh­stän­der. In wöchent­li­chen Ter­mi­nen legt die behan­deln­de Phy­sio­the­ra­peu­tin (N. P.) dabei je einen elek­tri­schen Phan­tom­sti­mu­la­tor an rezep­ti­ve Fel­der bei­der Arme an, um Phan­tom­emp­fin­dun­gen für Fer­sen und Zehen im Stand anzu­re­gen. Es wird gegen­wär­tig geprüft, ob die­ser Ein­satz von Phan­tom­sti­mu­la­to­ren den Stand und das Gleich­ge­wicht der Pro­ban­din ver­bes­sern kann. Die Para­ple­gie der hier vor­ge­stell­ten Pro­ban­din wird eine zwei­bei­ni­ge Fort­be­we­gung nur mit Hil­fe eines Exo­ske­letts zulas­sen. Phan­tom­emp­fin­dun­gen für Tei­le ihrer anäs­the­ti­schen Füße mit­tels einer schritt­ge­trig­ger­ten elek­tri­schen Sti­mu­la­ti­on rezep­ti­ver Haut­fel­der könn­te der Pro­ban­din dabei das Gefühl ver­mit­teln, mit nahe­zu intak­ten Füßen zu lau­fen. Von einer der­ar­ti­gen prak­ti­schen Anwen­dung der elek­tri­schen Phan­tom­sti­mu­la­ti­on könn­ten wei­te­re quer­schnitt­ge­lähm­te Kin­der, aber auch Jugend­li­che und Erwach­se­ne pro­fi­tie­ren, sofern sie geeig­ne­te rezep­ti­ve Fel­der aufweisen.

Für die Autoren:

Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. habil. Alfred Meier-Koll
For­schungs­stel­le für Expe­ri­men­tel­le Ergo- und Physiotherapie
Stu­di­en­zen­trum Fried­richs­ha­fen der Diplo­ma Hochschulen
Schlöß­le­weg 10 78351
Bod­man-Lud­wigs­ha­fen
forschung.fn@diploma.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
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